Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. März 2000
Aktenzeichen: 26 W (pat) 162/99

(BPatG: Beschluss v. 22.03.2000, Az.: 26 W (pat) 162/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Juli 1998 und 4. August 1999 aufgehoben.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Markehttp://agora/bpatg2/docs/26W(pat)162-99.3.gifmit der Angabe "Farbige Eintragung mit folgenden Farben: schwarz/rot (HKS 14)" für die Waren

"Polstermöbel wie Garnituren, Sessel, Couches, Ottomanen, Sofas, Liegen, Hocker"

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angemeldete Marke sei im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht unterscheidungskräftig und freihaltebedürftig. Sie stelle nämlich eine unmittelbar beschreibende Angabe dar. "MULTI" sei ein Bestimmungswort mit der Bedeutung "vielfach, Vielfach..., mehrer..., viel.../Viel...". "POLSTER" sei eine mit festem Stoff- oder Lederbezug versehene (kissenartige) elastische Auflage (mit Sprungfedern) auf Sitz- und Liegemöbeln. Die angesprochenen Verkehrskreise würden das angemeldete Zeichen somit im Sinne von "Mehrfachpolsterung" bzw "mit mehrfacher unterschiedlicher Auflage ausgestattet" verstehen. Da es sich bei den beanspruchten Waren um Polstermöbel handele, stelle die angemeldete Marke einen ohne weiteres erfaßbaren Hinweis auf die Beschaffenheit der Waren dar, der naheliege, da es sich um eine verkehrswesentliche Eigenschaft handle. Zwar handle es sich vorliegend um eine Wortneuschöpfung, der Verbraucher sei aber an Schlagwörter gewöhnt, die ihm Sachinformationen lieferten und die er deshalb auch nicht im Sinne eines betrieblichen Herkunftshinweises verstehe. Außerdem sei die Marke freihaltebedürftig. Die graphische Gestaltung rechtfertige keine andere Beurteilung. Die Erinnerungsprüferin hat noch zusätzlich darauf hingewiesen, daß die Marke im Sinne von "Mehrfachpolster, Vielfachpolster" verstanden werde und die Silbe "multi-" damit nicht nur ein Hinweis auf verschiedene Arten der Polsterung sein könne, sondern auch ein Hinweis auf verschiedene Verwendungsmöglichkeiten und damit auf eine besondere Variabilität der Polster.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Die Marke sei unterscheidungskräftig, denn maßgeblich sei ihr Gesamteindruck. Sie sei nicht beschreibend und nicht lexikalisch nachweisbar. Ein Bedürfnis der Mitbewerber zur Verwendung der Bezeichnung bestehe nicht.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, die angegriffenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Juli 1998 und 4. August 1999 aufzuheben.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Nach Ansicht des Senats stehen der Eintragung der angemeldeten Marke die Schutzhindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht entgegen.

Bei der aus den Wörtern "multi" und "Polster" zusammengesetzten Wortkombination handelt es sich bereits nicht um eine Angabe, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren dienen könnte und die deshalb für die Mitbewerber der Anmelderin freigehalten werden müßte (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG). Zwar hat die Markenstelle die Begriffsgehalte der einzelnen Wörter "multi" und "Polster" zutreffend festgestellt. Da zudem beide Wortelemente in die deutsche Sprache eingegangen sind (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 3. Aufl, 1996, S 1041 und 1164) werden auch die beteiligten Verkehrskreise den Bedeutungsgehalt dieser einzelnen Wortelemente erkennen. Deren Kombination kann jedoch in vorliegenden Fall kein konkret warenbeschreibender Sinngehalt entnommen werden. Bei der Beurteilung der angemeldeten Marke ist nämlich zu beachten, daß diese in ihrer Gesamtheit zu betrachten ist, weil sie nur so dem angesprochenen inländischen Publikum, auf dessen Auffassung es ankommt, entgegentritt (BGH BlPMZ 1997, 26 - THE HOME DEPOT; GRUR 1995, 408 - PROTECH). Bereits die Markenstelle selbst hat in ihren Beschlüssen der Anmeldung mehrere mögliche Bedeutungen beigemessen. Sie hat nämlich ausgeführt, das Zeichen werde im Sinne von "Mehrfachpolsterung" bzw "mit mehrfacher unterschiedlicher Auflage ausgestattet", aber auch als "Mehrfachpolster, Vielfachpolster" verstanden werden. Unabhängig von der grundsätzlichen Überlegung, ob es ein "Mehrfachpolster" begrifflich überhaupt als solches gibt, läßt der Begriff "multi-" auch weitere Interpretationen zu, worauf sich dieses "Mehrfach-" beziehen könnte. So kann das Polster bzw die Polsterung mehrfach geschichtet sein oder aus mehreren unterschiedlichen Materialien bestehen; ebenso kann es mehrfach bearbeitet sein oder mehrfachen Funktionen dienen. Insgesamt ist der Wortbestandteil der angemeldeten Marke damit zwar ein andeutender Hinweis, dessen verschwommener Aussagegehalt von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres erahnt wird, der aber wegen seiner Vieldeutigkeit letztlich nicht genau und bestimmt werden kann. Er ist damit als sog "sprechendes Zeichen" zu sehen, nicht aber als eine konkrete, eindeutig warenbezogenen Aussage, an der ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber anzunehmen ist.

Dem angemeldeten Zeichen kann auch nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft besitzt eine Marke dann, wenn sie geeignet ist, die Waren eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Einer Marke kann aber dann nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden, wenn ihr kein für die in Frage stehenden Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (BGH BlPMZ 1999, 408 - YES). Der Wortteil der angemeldeten kombinierten Marke ist jedoch, wie bereits festgestellt, nicht eindeutig beschreibend. Der Senat hat auch keine Feststellungen zu treffen vermocht, die das Wort "Multipolster" oder das Wortelement "multi-" allein als gebräuchliches Wort der Alltagssprache ausweisen, das vom Verkehr allein und stets als solches aufgenommen und nur in seinem Ursprungssinn verstanden wird (BGH aaO, S 351). Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß der Verkehr erfahrungsgemäß wenig geneigt ist, eine Warenkennzeichnung begrifflich zu analysieren und solche Bezeichnungen in der Regel so annimmt, wie sie ihm entgegentreten (BGH GRUR 1992, 515- Vamos; 1995, 409 - PROTECH). Deshalb ist auch im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß der hier angesprochene Verkehr die angemeldete Marke lediglich als solche, nicht aber als beschreibende Angabe ansehen wird. Erfahrungsgemäß wird nämlich der Verkehr die Marke bei markenmäßiger Verwendung im Zusammenhang mit den in Betracht zu ziehenden Waren als solche verstehen und aufnehmen (BGH BlPMZ 2000, 53, 55 - FÜNFER).

Aus den genannten Gründen war der Beschwerde der Anmelderin mithin stattzugeben.

Kraft Reker Ederprö






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Az: 26 W (pat) 162/99


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