Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Oktober 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 166/03

(BPatG: Beschluss v. 28.10.2003, Az.: 27 W (pat) 166/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 19. März 2001 und vom 24. März 2003 aufgehoben.

Gründe

I Die Kennzeichnungsoll als Wortbildmarke für "Bekleidungsstücke; Spitzen und Stickereien, Bänder und Schnürbänder; Knöpfe, Haken und Ösen; Dienstleistungen im Internet" in das Register eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit zwei Beschlüssen vom 19. März 2001 und 24. März 2003, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, die Anmeldung wegen mangelnder Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Wortbestandteile "Belle Dessous" der Anmeldemarke nur im Sinne von "schöne Damenunterwäsche" verstehen; dass die Wortkombination grammatikalisch nicht korrekt sei, stehe dem nicht entgegen, da der inländische Verkehr nur über geringe Französischkenntnisse verfüge, ihm aber die jeweiligen einzelnen Wörter "belle" und "dessous" im obigen Sinne geläufig seien. In dieser Bedeutung beschreibe die Wortfolge aber lediglich die beanspruchten Waren und den Gegenstand der beanspruchten Dienstleistung. Auch die grafische Gestaltung der Marke begründe nicht deren Schutzfähigkeit, da sie sich lediglich in der Wiedergabe der Wortelemente in einer werbeüblichen Schriftart und der Abbildung eines mit einem Dessous bedeckten weiblichen Oberkörpers erschöpfe, was der Verkehr in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren nur als deren Wiedergabe verstehen werde.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Ihrer Auffassung nach ist die Anmeldemarke ähnlich wie die vom BGH als schutzfähig erachtete Marke "INDIVIDUELLE" unterscheidungskräftig. Es treffe schon nicht zu, dass "belle" den inländischen Verkehrskreisen für "schön" bekannt sei, weil das geläufige französische Wort "beau" sei. Auch bedeute "Unterwäsche" im Französischen nicht "dessous", sondern "lingerie". Wörtlich bedeuteten die Wortelemente in der Anmeldemarke daher nur "Schöne unten". Eine die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibende Sachaussage könne der Verkehr der Anmeldemarke wegen ihrer Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit somit nicht entnehmen. Schließlich dürfe auch die grafische Ausgestaltung der Anmeldemarke nicht vernachlässigt werden. Diese sei durch die großen Buchstaben "B" und "D", welche weibliche Rundungen fantasievoll nachahmten, geprägt. Insgesamt könne der Anmeldemarke daher die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen und an ihr kein Freihaltebedürfnis festgestellt werden.

II Die zulässige Beschwerde hat Erfolg, weil der Eintragung der Anmeldemarke jedenfalls in der ganz konkreten Verbindung ihrer einzelnen Gestaltungselemente das hier allein in Betracht kommende absolute Schutzhindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG nicht entgegensteht.

Allerdings werden die von den beanspruchten Waren angesprochenen Durchschnittsverbraucher die Wortbestandteile "Belle Dessous" ohne weiteres Nachdenken im Sinne von "Schöne (Damen-)Unterwäsche" verstehen. Denn das zum französischen Grundwortschatz gehörende (vgl LANGENSCHEIDTS Grundwortschatz Französisch, 13. Aufl, S 4) Wort "belle" ist auch denjenigen Teilen des Verkehr, welche die französische Sprache nicht beherrschen, wegen seiner vielfältigen Verwendung im Inland in der Bedeutung "schön" geläufig und das weitere ursprünglich aus dem Französischen stammende Wort "dessous" ist in der Bedeutung "(Damen-) Unterwäsche" bereits Bestandteil der deutschen Sprache (vgl DU-DEN, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl, S 370). Der Einwand der Anmelderin, die Verbindung beider Wörter in der angemeldeten Marke sei grammatikalisch falsch gebildet, weil "dessous" im Französischen eine maskuline Pluralform sei, so dass das vorangestellte Adjektiv zutreffend "beaux" und nicht in der Feminin-Singular-Form "belle" heißen müsste, ist zwar zutreffend, steht dem vorgenannten Verständnis aber nicht entgegen. Denn als fantasievoll könnte der Verkehr entgegen der Auffassung der Anmelderin das Anmeldezeichen wegen der grammatikalischen Unrichtigkeit nur dann ansehen, wenn er diese überhaupt erkennte und sie dem eingangs genannten Verständnis entgegenstünde. Beides ist aber nicht der Fall. Um die grammatikalische Unrichtigkeit der Wortverbindung in der Anmeldemarke festzustellen, bedürfte es schon näherer Kenntnis der Feinheiten der französischen Sprache, die auch bei denjenigen Teilen des inländischen Verkehrs nicht vorausgesetzt werden kann, welche - ohne sich mit ihr wie Dolmetscher, Übersetzer oder Sprachwissenschaftler näher zu beschäftigen - diese Sprache gelernt haben. Denn es kommt häufig vor, dass sich Fremdsprachler im Geschlecht eines Wortes irren und bei solchen Worten wie dem hier in Rede stehenden Begriff "dessous" die Singularform von der Pluralbildung nicht unterscheiden können, wenn sie wie hier identisch sind. Gerade die Verwechslung von Maskulin- und Femininform stellt aber keine so starke Abweichung von der grammatikalisch richtigen Wortbildung dar, dass dies ihrem Verständnis entgegenstünde. In der sich daher ohne weiteres aufdrängenden Bedeutung von "Schöne Unterwäsche", welche die beanspruchten Waren glatt beschreibt und einen möglichen Gegenstand der beanspruchten Dienstleistung ihrem Inhalt nach bezeichnet, sind die Wortbestandteile der Anmeldemarke aber schutzunfähig, so dass sich aus ihnen auch keine gesonderten Rechte herleiten lassen.

Auch der Bildbestandteil in der Anmeldemarke stellt lediglich die beanspruchten Waren bzw den möglichen Gegenstand der beanspruchten Dienstleistung dar; denn er deutet erkennbar einen weiblichen Oberkörper an, der mit einem Dessous, nämlich einem Korsett, bedeckt ist.

Schließlich vermag auch die grafisch ausgestaltete Schreibweise der Wortelemente für sich genommen einen betrieblichen Herkunftshinweis nicht zu vermitteln, da der gewählte Schrifttyp und die Betonung der jeweiligen Anfangsbuchstaben beider Wörter durch Wiedergabe in einem besonders auffälligen Schrifttyp über werbeübliche Gestaltungen kaum hinausgeht (vgl BGH, WRP 2001, 1201, 1202 - anti-KALK).

Der Umstand, dass die Anmeldemarke aus für sich genommen schutzunfähigen Einzelbestandteilen gebildet ist, steht ihrer Eintragung aber nicht entgegen. Denn die Unterscheidungskraft einer Marke hängt nicht von der Schutzfähigkeit ihrer Einzelbestandteile ab, vielmehr ist darauf abzustellen, ob sie nach ihrem Gesamteindruck zur Kennzeichnung der Waren nach ihrer betrieblichen Herkunft geeignet ist (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 8 Rn 136 und 393), wobei an das Erfordernis der Unterscheidungskraft grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen ist (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 8 Rn 100 mwN). Diese geringen Anforderungen an die Unterscheidungskraft erfüllt die Anmeldemarke aber aufgrund der ganz konkreten Verbindung ihrer Einzelteile eben noch. Denn die Gesamtwirkung des Anmeldezeichens erschöpft sich nicht in der bloßen "Summe" von beschreibenden Einzelbestandteilen, sondern geht darüber hinaus. Hierfür spricht zum einen, dass die Wortbestandteile und das Bildelement so angeordnet sind, dass beide in einer Weise ineinander greifen, wie dies für die bloße Wiedergabe bzw Benennung der beanspruchten Waren und Dienstleistung unüblich ist. Hinzu kommt, dass - worauf die Anmelderin hingewiesen hat - die besondere Stellung der Anfangsbuchstaben der beiden Wörter "Belle" und "Dessous" auch als fantasievolle Darstellung des weiblichen Busens aufgefasst werden kann, was ebenfalls über die bloße Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistung hinausgeht. Schließlich ist auch die "Einrahmung" der Wortelemente und des Bildteils durch zwei parallele dicke Striche sowie die Darstellung des weiblichen Körpers durch eine Art Inversdarstellung zu berücksichtigen, bei der der Körper selbst nur aufgrund der Kontrastwirkung zu dem allein in schwarzer Farbe dargestellten Korsett, welches den Körper bedeckt, "erahnt" werden kann. Gerade wegen dieser ganz konkreten Anordnung der einzelnen Bestandteile wird der Verkehr daher eher dazu neigen, der Gesamtmarke eine über die einzelnen beschreibenden Elemente hinausgehende eigenständige Bedeutung beizulegen und sie daher als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Waren anzusehen.

Da der Anmeldemarke daher in ihrer konkret ausgeprägten Gesamtwirkung die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden kann, war auf die Beschwerde der Anmelderin der ihr die Eintragung versagende Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

Wegen des zu unbestimmten Dienstleistungsbegriffs "Dienstleistungen im Internet" wird die Anmelderin vor der Eintragung noch klarstellen müssen, für welche Dienstleistungen konkret Schutz beansprucht wird.

Dr. Schermer Dr. van Raden Schwarz Pü






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