Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. November 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 27/97

(BPatG: Beschluss v. 13.11.2000, Az.: 17 W (pat) 27/97)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird das Patent 39 29 798 auch im Umfang des zweiten Hilfsantrags widerrufen.

Gründe

I Gegen die Erteilung des vorliegenden Patents 39 29 798 mit der Bezeichnung

"Diagnosesystem für die Diagnose eines elektronischen Steuerungssystems für einen Fahrzeugmotor in einem Kraftfahrzeug"

wurde ein Einspruch erhoben. Mit Beschluß vom 20. Dezember 1996 hat die Patentabteilung 52 des Deutschen Patentamts das Patent unverändert aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluß hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt.

In der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 1999 hat der Senat im Teilbeschluß 17 W (pat) 27/97 den Beschluß der Patentabteilung 52 aufgehoben und das Patent im Umfang des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags widerrufen.

Hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags wurde festgestellt, daß das Verfahren nach Ablauf der Frist des § 39 Abs 3 PatG im schriftlichen Verfahren fortgesetzt werde.

Für die Teilungsanmeldung hat die Patentinhaberin innerhalb der gesetzlichen Frist die Voraussetzungen des § 39 Abs 2 und 3 PatG erfüllt, so daß nunmehr über die beschränkte Aufrechterhaltung des um die Teilung verringerten (Stamm-)Patents gemäß dem zweiten Hilfsantrag der Patentinhaberin zu befinden ist.

Der von der Patentinhaberin gemäß dem zweiten Hilfsantrag im Stammpatent verfolgte Patentanspruch besteht aus der Zusammenziehung der erteilten Patentansprüche 1 und 3 und lautet:

"Diagnosesystem für die Diagnose eines elektronischen Steuerungssystems für einen Fahrzeugmotor in einem Kraftfahrzeug, mit einem Diagnosegerät und Anschluß- und Verbindungsmitteln, die das Diagnosegerät mit dem elektronischen Steuerungssystem verbinden,

- wobei das elektronische Steuerungssystem Abtasteinrichtungen zur Abtastung von Betriebszuständen des Motors und des Fahrzeuges,

- eine Einrichtung, um Eingangsdaten von den Abtasteinrichtungen zu speichern und Ausgangsdaten zur Steuerung des Motors und des Fahrzeugs zu liefern,

- eine Datenübertragungseinheit zum Empfang von Datenanfragesignalen vom Diagnosegerät zur Sendung von Datensignalen an das Diagnosegerät, und - einen Rufsignalempfänger aufweist, wobei - die Anschluß- und Verbindungsmittel mindestens eine Rufsignalleitung enthalten, und - das Diagnosegerät eine Steuereinheit aufweist, die auf Daten vom elektronischen Steuerungssystem anspricht, diese diagnostiziert und Diagnosedaten liefert, wobei - eine Anzeige zur Anzeige der Diagnosedaten,

- eine Tastatur zur Eingabe von Signalen in die Steuereinheit,

- eine Datenübertragungseinheit zum Empfang der Datensignale von der Datenübertragungseinheit des elektronischen Steuerungssystems und zur Sendung der Datenanfragesignale an diese in Abhängigkeit von der Eingabe einer Diagnosebetriebsart, und - ein Rufsignalsender vorgesehen sind.

dadurch gekennzeichnet, daß der Rufsignalsender (56a) und der Rufsignalempfänger (54ad) derart ausgebildet sind, daß ein kontinuierliches Signal mit einem hohen oder einem niedrigen Pegel übertragen wird und die Datenübertragungseinheit (55ad) des elektronischen Steuerungssystems (2) bei einem Pegel des Rufsignals arbeitet und beim anderen Pegel des Rufsignals gesperrt ist und daß das elektronische Steuerungssystem eine Vielzahl von Betriebs-Steuereinheiten (2; 101 bis 104) aufweist, und daß die Betriebs-Steuereinheit (2; 101 bis 104) mit dem Diagnosegerät (25) über die jeweiligen Rufsignalleitungen (CXL) verbunden sind."

Die Einsprechende führt zur Begründung ihrer Beschwerde hinsichtlich dieser Anspruchsfassung aus, daß die gegenüber dem erteilten Anspruch 1 ergänzte Maßnahme, die Vielzahl von Betriebssteuereinheiten des elektronischen Steuerungssystems jeweils über eine einzelne Rufsignalleitung mit dem Diagnosegerät zu verbinden, dem Fachmann von früher verwendeten Lösungen her geläufig sei.

Auch hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags der Patentinhaberin beantragt die Einsprechende, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das erteilte Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat gemäß ihrem zweiten Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 1999 die Teilung des Patents erklärt unter Abtrennung eines Patentanspruchs, der eine Zusammenziehung der Patentansprüche 1 und 2 des erteilten Patents ist, wobei im Stammpatent die Patentansprüche 1 und 3, zusammengezogen, verbleiben.

Sie beantragt daher gemäß dem zweiten Hilfsantrag nunmehr sinngemäß die beschränkte Aufrechterhaltung des Stammpatents mit dem nach erfolgter Teilung verbliebenen Gegenstand.

Die Patentinhaberin vertritt, wie bereits im Teilbeschluß ausgeführt, die Auffassung, daß der Gegenstand des Patents in der beschränkten Fassung nach dem zweiten Hilfsantrag auch bei einer gemeinsamen Betrachtung des aus der EP 0 225 971 A2 und der Kundendienstschrift "OPEL-MULTEC-Zentraleinspritzung" entnehmbaren Standes der Technik nicht nahegelegt sei.

II Die Beschwerde der Einsprechenden ist auch hinsichtlich des nunmehr zur Entscheidung stehenden Gegenstands des Patentanspruchs gemäß dem zweiten Hilfsantrag begründet. Denn der Gegenstand des Patents in dieser Fassung ist ebenfalls nicht patentfähig, weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (vgl §§ 1 Abs 1, 4 PatG iVm § 21 Abs 1 Nr 1 PatG).

1. Die mit dem zweiten Hilfsantrag erklärte Teilung des Patents ist wirksam, denn sie hat eine Aufspaltung des Patents in mindestens zwei Teile bewirkt (vgl BGH BlPMZ 1996, 493 - Informationssignal; BGH BlPMZ 1996, 351, 353 re Sp - Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem).

Nach der Teilungserklärung wird der Gegenstand der zusammengezogenen Patentansprüche 1 und 2, also Diagnosesysteme, bei denen das Diagnosegerät einen Computer mit einer Zentraleinheit und einen Speicher mit einer Vielzahl von Dienstprogrammen aufweist, aus dem Patent entfernt. Im Patent verbleiben sonach nur die Diagnosesysteme, bei denen das Diagnosegerät nicht mit einem derartigen Computer ausgerüstet ist. Unter diesen im Patent verbliebenen Diagnosesystemen verfolgt die Patentinhaberin nunmehr eine Zusammenziehung der Gegenstände der erteilten Patentansprüche 1 und 3, also solche Diagnosesysteme, bei denen das elektronische Steuerungssystem eine Vielzahl von Betriebs-Steuereinheiten aufweist, die jeweils über eine Rufsignalleitung mit dem Diagnosegerät verbunden sind.

Die Teilungserklärung hat sonach zu einer wirksamen Teilung des Patents geführt.

Gegen die von der Patentinhaberin vorgenommene Teilung des Patents hat auch die Einsprechende keine Bedenken geäußert.

2. Die vorliegende Fassung des Patentanspruchs gemäß dem zweiten Hilfsantrag ist zulässig. Denn dieser Patentanspruch besteht aus der Zusammenziehung der erteilten Ansprüche 1 und 3, wobei nach der Erklärung der Patentinhaberin die Diagnosesysteme ausgenommen sein sollen, bei denen das Diagnosegerät einen Computer der im erteilten Anspruch 2 genannten Art umfaßt.

3. Das Diagnosesystem nach dem zweiten Hilfsantrag beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen EP 0 225 971 A2 ist ein Diagnosesystem für die Diagnose eines elektronischen Steuerungssystems für ein Kraftfahrzeug bekannt, bei dem ein Diagnosegerät über Anschluß- und Verbindungsmittel mit dem elektronischen Steuerungssystem verbunden ist (vgl Ansprüche 1, 15 u Sp 5, Z 25 - 38 iVm Fig 3). Dieses bekannte Diagnosesystem weist neben anderen Anspruchsmerkmalen einen Rufsignalsender und einen Rufsignalempfänger auf, mit dem das Diagnosegerät dem elektronischen Steuerungssystem den Wunsch nach Übertragung von Daten signalisieren kann. Die Ausbildung des Rufsignals als kontinuierlich anliegendes Signal mit bestimmtem Pegel ist dem Fachmann hierbei durch die Ausführungen in der Kundendienstzeitschrift der A... AG "OPEL-MULTEC-Zentraleinspritzung" vom 30. Oktober 1985 nahegelegt, wie im Teilbeschluß ausführlich dargelegt ist.

Was das durch die Hinzuziehung des erteilten Anspruchs 3 hinzugekommene Merkmal anbelangt, daß das elektronische Steuerungssystem eine Vielzahl von Betriebssteuereinheiten (zB Motorsteuerung 101, Getriebesteuerung 102) aufweist, die mit dem Diagnosegerät über jeweils eine Rufleitung verbunden sind, so ist eine solche Ausbildung durch die erwähnte EP 0 225 971 A2 nahegelegt. Denn in dieser Druckschrift ist ausgeführt, daß auch mehrere Betriebssteuereinheiten ("eine beliebige Anzahl ... von Steuersystemen") vorhanden sein können, die wechselweise mit dem Diagnosegerät in Datenübertragung treten können. Dabei erfolgt die Auswahl einer bestimmten Betriebs-Steuereinheit entsprechend dem dort verwendeten Bus-Prinzip dadurch, daß über eine einzige gemeinsame Rufsignalleitung (Reizleitung) sequentiell die Adresse der bestimmten Betriebs-Steuereinheit übermittelt wird (vgl Sp 4, Z 1 - 24 u Z 41 - 46).

Da, wie die Einsprechende zutreffend ausführt, es dem Grundlagenwissen eines Elektronikingenieurs zuzurechnen ist, daß eine Auswahl unter mehreren Modulen nicht nur entsprechend dem Bus-Prinzip, sondern - in einfacherer Weise - über gesonderte Leitungen erfolgen kann, war es naheliegend, die Auswahl unter mehreren Betriebs-Steuereinheiten mittels jeweils einer zugeordneten Rufsignalleitung vorzunehmen.

Das Diagnosesystem gemäß dem Patentanspruch nach dem zweiten Hilfsantrag ist sonach nicht patentfähig. Das Patent war daher auch im Umfang des zweiten Hilfsantrags und damit insgesamt zu widerrufen.

Grimm Prasch Püschel Schuster Be






BPatG:
Beschluss v. 13.11.2000
Az: 17 W (pat) 27/97


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