Verwaltungsgericht Karlsruhe:
Urteil vom 19. November 2014
Aktenzeichen: 4 K 2270/12

(VG Karlsruhe: Urteil v. 19.11.2014, Az.: 4 K 2270/12)

§ 38 Abs. 5 Satz 2 PolG regelt ausdrücklich, dass spätere Speicherungen berücksichtigt werden, indem sie die Löschung hinausschieben, bis für alle Eintragungen die Löschungsvoraussetzungen erfüllt sind.

Tenor

1. Der Bescheid des beklagten Landes vom 18.10.2011 wird insoweit aufgehoben, als die Löschung der unter Nr. 2.1.12 gespeicherten Ermittlungen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vor dem 31.10.2012 abgelehnt wurde.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ehemals gespeicherte Daten über seine Person durch das Landeskriminalamt früher, spätestens 2011, jedenfalls vor dem 31.10.2012, hätten gelöscht werden müssen.

Der Kläger wendete sich mit mehreren Schreiben an das Landeskriminalamt Stuttgart und bat darum, ihm eine Auflistung aller gegen ihn je erstatteten Anzeigen zu schicken. Auf die Schreiben vom 17.02.1998 und vom 13.03.1998 verwies er.

Mit Schreiben des Landesbeauftragten für Datenschutz vom 17.05.2011 teilte dieser dem Kläger mit, die erbetenen Nachforschungen für die von ihm vor allem als belastend empfundenen Datenspeicherungen seien in den polizeilichen Informationssystemen eingeleitet worden. Man werde unaufgefordert auf ihn zurückkommen.

Mit Bescheid vom 18.10.2011 teilte das Bundeskriminalamt Baden-Württemberg unter Bezugnahme auf die Schreiben des Klägers, zuletzt vom 10.06.2011, mit, dass seinem Antrag auf Auskunft nicht entsprochen wird. Ferner heißt es, seinem Antrag auf Löschung von Daten könne derzeit nur teilweise entsprochen werden. In der Begründung dazu ist ausgeführt, die weitere Speicherung personenbezogener Daten und Aufbewahrung von Unterlagen seien gerechtfertigt, wenn der Tatverdacht im Zusammenhang mit früher geführten Ermittlungsverfahren nicht ausgeräumt wurde, Wiederholungsgefahr bestehe und die Frist zur Überprüfung der Daten noch nicht heran stehe. Dies sei in den Fällen Ziff. 2.1 bis 2.1.12 gegeben. Laut Bescheid vom 18.10.2011 waren folgende Verfahren bis 31.10.2012 gespeichert:

2.1.1 Nachstellung (Stalking) im Zeitraum vom 28.07.2007 bis 21.09.2007 2.1.2 Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz vom 19.01.2007 bis 04.04.2007 2.1.3 Beleidigung am 23.05.2006 2.1.4 Polizeidirektion Heidelberg, VG: 2004/02-M, wegen Beleidigung auf sexueller Grundlage im Zeitraum vom 01.08.2000 bis 03.01.2002. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg, Az.: 22 Js 1936/02, stellte diese Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. 2.1.5 Diebstahl im Zeitraum vom 01.11.1997 bis 12.12.1997 2.1.6 Diebstahl im Zeitraum vom 29.07.1997 bis 30.07.1997 2.1.7 Unterschlagung im Zeitraum vom 01.07.1997 bis 31.08.1997 2.1.8 Polizeidirektion Heidelberg, VG: 3467/92-M, wegen Ladendiebstahl am 14.07.1992. Das AG Heidelberg, Az.: 8 Cs 554/92, verurteilte zu 15 Tagessätzen à 30 DM. 2.1.9 Polizeidirektion Heidelberg, VG: 5378/92-M, wegen Diebstahls am 17.05.1992. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg, Az.: 22 Js 4225/93, stellte dieses Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Absatz 2 StPO ein. 2.1.10Polizeidirektion Heidelberg, VG: 2454/91, wegen Bedrohung am 27.02.1991. Das AG Heidelberg, Az.: 8 Ds 38/91, stellte dieses Ermittlungsverfahren gemäß § 153 Absatz 2 StPO ein. 2.1.11Polizeidirektion Heidelberg, VG: 2454/91, wegen Beleidigung auf sexueller Grundlage am 27.02.1991. Das AG Heidelberg, Az.: 8 Ds 38/91, stellte dieses Ermittlungsverfahren gemäß § 153 Absatz 2 StPO ein. 2.1.12 Polizeidirektion Heidelberg, VG: 13438/93, wegen allgemeinem Verstoß gegen § 29 Betäubungsmittelgesetz (BTMG) € mit Cannabis im Zeitraum vom 01.01.1990 bis 31.12.1990. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg, Az.: 46 Js 5259/93, stellte dieses Ermittlungsverfahren gemäß §§ 31 a, 37 und 38 Betäubungsmittelgesetz (BTMG) ein.Mit Schreiben vom 14.11.2011 teilte der Kläger mit, er wolle hiermit seinen mit Schreiben vom 02.11. lediglich per E-Mail erhobenen Widerspruch in schriftlicher Form aufrechterhalten bzw. in gewahrter Form offiziell, allerdings unter Vorbehalt, nochmals erheben. Ein weiteres Schreiben vom 16.02.2012 folgte. In der Folgezeit entschuldigte sich das Landeskriminalamt beim Kläger dafür (s. Schreiben vom 09.08.2012), dass bislang kein Widerspruchsbescheid ergangen ist. Zugleich verwies es auf den Ausgangsbescheid vom 18.10.2011 und wies darauf hin, die Schuldfrage bei Tatbegehung spiele bei der Speicherungsberechtigung keine Rolle.

In einem Schreiben ohne Datum mit dem Betreff (110C-1237.5, 110C-1237.6) beantragte der Kläger €Eigenauskunft€ über die über ihn in den beim LKA zentral geführten Registern immer noch gespeicherten Daten und die Löschung sämtlicher Vorfälle vor 2007. Die Löschung der im Bescheid vom 18.10.2011 erfassten Daten erfolgte am 31.10.2012 (s. Schriftsatz des Beklagten vom 14.10.2014).

Am 17.12.2012 hat der Kläger Klage erhoben; in der mündlichen Verhandlung beantragte er,

festzustellen, dass der Bescheid des beklagten Landes vom 18.10.2011 insoweit rechtswidrig war, als eine Löschung der unter Ziff. 2.1.4, 2.1.8 bis 2.1.12 gespeicherten Daten über ihn abgelehnt worden ist.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Ihm habe bereits vor der tatsächlich durchgeführten Löschung der in dem angefochtenen Bescheid vom 18.10.2011 unter Ziff. 2.1.8 bis 2.1.12 gespeicherten Daten ein Anspruch auf Löschung zugestanden. Ein Teil der Daten habe nicht gespeichert werden dürfen, ein Teil hätte gelöscht werden müssen. Bezüglich der unter Ziff. 2.1.4 gespeicherten Daten hätte richtigerweise eine Speicherung überhaupt nicht erfolgen dürfen. Der Löschungsanspruch ergebe sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG. Das beklagte Land sei bereits zum 01.01.1996 verpflichtet gewesen, die über ihn gespeicherten Daten unter den Ziffern 2.1.8 bis 2.1.12 zu löschen, weil die Voraussetzungen der gewohnheitsmäßigen Begehung nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 GVO PolG a.F. bzw. der gewohnheits- oder serienmäßigen Tatbegehung gemäß § 5 Abs. 4 DVO PolG a.F. nicht vorgelegen hätten. Vielmehr habe es sich hierbei vollumfänglich um Taten von geringer Bedeutung gemäß § 5 Abs. 3 DVO PolG a.F. gehandelt. Der versuchte Diebstahl bezüglich eines Paares Sportschuhe im Wert von 129,90 DM (66,42 €) sei ein Fall von geringer Bedeutung im Sinne des § 5 Abs. 3 DVO PolG a.F..

Hinsichtlich der Daten unter Ziff. 2.1.9 falle ins Auge, dass die Ermittlungen offensichtlich fehlerhaft ausgeführt worden seien. Bezüglich des Werts des entwendeten Fahrrads werde ein Sachverständigen-Gutachten beantragt, um festzustellen, dass der Wert eines gebrauchten Damenfahrrades der Marke Peugeot im Jahr 1992 deutlich unter 500,-- DM gelegen habe.

Die Daten unter Ziff. 2.1.10 und 2.1.11 beträfen Vorwürfe, die jedenfalls von geringer Bedeutung gemäß § 5 Abs. 3 DVO PolG a.F. seien. Deshalb sei das Verfahren gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Unabhängig davon sei die Verwirklichung der in Rede stehenden Tatbestände (Bedrohung und Beleidigung) fraglich.

Die Daten unter Ziff. 2.1.12 beträfen den Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, der sich im Nachhinein als unbegründet erwiesen habe. Ein erheblicher Restverdacht sei nicht festzustellen. Was den Eigenverbrauch von Haschisch angehe, sei von einer Verfolgung gemäß § 31 a Abs. 1 BTMG wegen Geringfügigkeit der Schuld von der Verfolgung abgesehen worden. Deshalb lägen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 DVO PolG a.F. vor.

Die Daten unter Ziff. 2.1.4 seien unzureichend ermittelt worden. Richtigerweise hätte das Ermittlungsverfahren mangels zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat gemäß § 170 Abs. 2 StPO und nicht wegen möglicherweise fehlender Schuldfähigkeit des Klägers gemäß § 20 StGB nach derselben Vorschrift eingestellt werden dürfen. Rein vorsorglich werde Zeugenbeweis angeboten.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es ist der Ansicht, für das Klagebegehren im Sinne der Aktensicherung sei das Verwaltungsgericht Karlsruhe örtlich zuständig, auch für das Begehren der Datenlöschung. Dafür fehle das Verfahren. Das Widerspruchsverfahren sei zwar anhängig, über den Widerspruch sei aber bislang noch nicht abschließend entschieden worden. Die Feststellungsklage sei unzulässig, weil das erforderliche Feststellungsinteresse fehle.

Darüber hinaus seien alle Anträge unbegründet. Auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 30.11.2012 und vom 23.01.2014 werde Bezug genommen. Ergänzend dazu werde angemerkt: Zu Ziff. 2.1.9: Nach hiesiger Bewertung sei das von der Mutter des Klägers zum Polizeirevier ... verbrachte Fahrrad mit dem vom Kläger geliehenen Fahrrad nicht identisch, da es sich bei den Farben €creme€ und €olivgrün€ eindeutig um zwei verschiedene Farben handele.

Zu Ziffern 2.1.10 und 2.1.11: Die gespeicherten Vorwürfe würden unter der gleichen Vorgangsnummer bearbeitet, bereits hieraus ergebe sich, dass es sich um einen Sachverhalt handele, der verschiedene Tatbestände erfülle. Der erhobene Tatverdacht sei durch die justizielle Entscheidung (Einstellung gemäß § 153 Abs. 2 StPO) nicht ausgeräumt worden. Der Kläger sei beim Verfassen des Briefs bereits 22 Jahre alt gewesen und die die Wirkung seiner Ausdrucksweise auf die Geschädigte sei entscheidend.

Zu Ziff. 1.2.12: Auch hier sei der gegen den Kläger hinsichtlich des Eigenverbrauchs von Betäubungsmitteln erhobene Tatverdacht durch die Einstellung des Verfahrens gemäß § 31 a BTMG nicht ausgeräumt worden.

Zu Ziff. 2.1.4: Der angezeigten Ausdrucksweise habe sich der Kläger schon im Fall 2.1.11 bedient. Seine Mutter habe ihn beim Vorgang Ziff. 2.1.9 nicht sofort, sondern erst dann als Täter benannt, als sie in einem Telefonat über den möglichen Tatverdacht gegen ihren Sohn informiert worden sei, der sich darauf gestützt habe, dass er in einem gleichgelagerten Vorfall bereits polizeilich in Erscheinung getreten sei. Da der Kläger die Täterschaft in diesem Fall nicht einräume, seien die Ausführungen zum Verhalten der Mutter nicht nachvollziehbar.

Kein Fall sei von geringer Bedeutung. Bei der Gesamtbetrachtung der innerhalb einer recht kurzen Zeit angezeigten Vorgänge sei der Fall des Klägers anlässlich und aufgrund der Verurteilung im Verfahren Ziff. 2.1.8 bereits im Jahre 1993 als €Normalfall€ im Sinne des § 38 Abs. 4 PolG BW i.V.m . § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 PolG BW und § 5 Abs. 1 Nr. 1 DVO PolG BW eingestuft und eine Speicherfrist von fünf Jahren vergeben worden. Die Regelvermutung zum Vorliegen eines Falles geringer Bedeutung (§ 5 Abs. 3 Satz 2 DVO PolG BW) sei sowohl durch die Fallzahl als auch das hierbei zu Tage getretene fehlende Unrechtsbewusstsein des Klägers entkräftet worden. Die weiteren hinzugespeicherten Vorgänge hätten aufgrund ihrer Häufung keine andere Bewertung zugelassen, sondern bestätigten seine kriminelle Neigung.

In der mündlichen Verhandlung ergänzte er. Bei der Berechnung der Frist des § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG sei keine Einzelfall-, sondern eine Gesamtbetrachtung aller gespeicherten Fälle anzustellen mit der Folge, dass ein hinzukommendes Ermittlungsverfahren die bisherigen Fälle mitziehe. Die letzte Frist (bis 31.10.2012) ergebe sich aus § 38 Abs. 5 Satz 2 PolG.

Mit Beschluss vom 17.04.2013 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart (5 K 3078/12) den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Karlsruhe verwiesen. Dem Gericht liegen die einschlägigen Ermittlungsakten sowie die Akten des beklagten Landes (2 Hefte) vor.

Gründe

Die zulässige Klage ist überwiegend unbegründet.

Die Klage mit dem Feststellungsantrag, dass der Bescheid des beklagten Landes vom 18.10.2011 insoweit rechtswidrig ist, als eine Löschung der unter Ziff. 2.1.4, 2.1.8 bis 2.1.12 des Bescheids vom 18.10.2011 gespeicherten Daten des Klägers abgelehnt worden ist, ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Denn auf eine erledigte Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Datenlöschung ist § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechend anzuwenden. Die Erledigung des Löschungsanspruchs ist dadurch eingetreten, dass das beklagte Land die streitgegenständlichen Daten zum 31.10.2012 gelöscht hat. Das beklagte Land hat dieses Löschdatum in der mündlichen Verhandlung klargestellt.

Der zulässige Übergang auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren stellt keine Kla-geänderung im Sinne des § 91 VwGO dar (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.12.2003 - 1 S 2211/12 - <juris>). Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse (BVerwG, Beschl. v. 09.03.2005 - - 2 B 111.04 - <juris>) ist hier anzuerkennen. Denn mit der Speicherung der Daten, die anlässlich von Ermittlungs- und Strafverfahren angelegt wurde, greift das beklagte Land möglicherweise in nicht unerheblicher Weise in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht insbesondere in der Ausprägung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ein. Wegen einer möglicherweise gegebenen Grundrechtsverletzung ist deshalb ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen. Der Antrag ist auch nicht unbestimmt, weil aus der Klagebegründung im Einzelnen hervorgeht, ab wann der Kläger eine Löschung der streitgegenständlichen Daten begehrt hat.

Die Klage auf Unterlassung der Aktenvernichtung hat der Kläger nicht weiterverfolgt, nachdem das beklagte Land die Ermittlungsakten in den streitgegenständlichen Verfahren nicht vernichtet hat.

Die Klage ist überwiegend unbegründet, teilweise begründet. Der Bescheid des be-klagten Landes vom 18.10.2011 ist insoweit rechtmäßig, als eine Löschung der unter Ziff. 2.1.4, 2.1.8 bis 2.1.11 und Nr. 2.1.12 betreffend den Eigenkonsum von Betäubungsmitteln gespeicherten Daten des Klägers vor dem 31.10.2012 abgelehnt worden ist. Der Kläger hatte keinen Anspruch darauf, dass die streitgegenständlichen Daten zu einem früheren Zeitpunkt, etwa nach drei Jahren ab Tatzeit, zu löschen waren. Insoweit war die Klage abzuweisen. Im Übrigen, was die in Nr. 2.1.12 enthaltenen Ermittlungen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln angeht, ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten. In diesem Umfang war festzustellen, dass die Ablehnung der Löschung dieser Daten vor dem 31.10.2012 rechtswidrig und der Bescheid insoweit aufzuheben war.

Gegenstand der Klage sind die im Bescheid des Beklagten vom 18.10.2011 unter Ziff. 2.1. 4 und 2.1.8 bis 2.1.12 genannten Daten über den Kläger.

Es kann dahinstehen, ob sich ein Anspruch auf Löschung von in polizeilichen Sammlungen gespeicherten Daten aus § 38 Abs. 1 Satz 4 PolG BW - PolG - (so Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Kommentar, 6. Aufl., § 38, Rn. 5; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl. 2009, § 38, Rn. 21; vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 24.02.2005 - 8 K 1829/03 - <juris>) oder aus § 46 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG (so zu § 45 PolG a.F.: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.05.1992 - 1 S 668/90 - <juris>; offen gelassen von VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 20.02.2001 - 1 S 2054/00 - <juris> u. Urt. v. 27.09.1999 - 1 S 1781/98 - NVwZ-RR 2000, 287) ergibt. Denn die Voraussetzungen für die Speicherung der über den Kläger gespeicherten Daten aus den Jahren 1990 bis 2002 lagen, mit Ausnahme des in Nr. 2.1.12 enthaltenen Ermittlungsverfahrens wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, bis 31.12.2012 vor (§ 38 Abs. 1 Satz 4 PolG) bzw. die Speicherung dieser Daten ist bis zum 31.12.2012 nicht unzulässig geworden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG).

Ob die Voraussetzungen für eine Speicherung der Daten des Klägers aus diesen Ermittlungsverfahren gegeben waren und, falls ja, wie lange, beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung und damit nach der derzeit geltenden Fassung des Polizeigesetzes. Gegenteiliges lässt sich dem Polizeigesetz auch mit Rücksicht auf die mit der im Jahr 2008 erfolgten Änderung (Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes vom 18.11.2008, GBl. 2008, S. 390) nicht entnehmen, zumal die ehemals geltende Übergangsvorschrift des § 85 PolG mit Wirkung zum 31.12.2004 außer Kraft getreten ist und keine neue Übergangsregelung geschaffen wurde. Die Zielsetzung des Änderungsgesetzes, die Rechtsgrundlagen für die polizeiliche Informationsverarbeitung zu schaffen und die polizeilichen Informationssysteme zu verbessern (LT-Drucksache 14/3165 S. 1 ff, 72 ff.), sprechen dafür, das derzeit geltende PolG auch auf Daten anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung gespeichert worden sind, und auf diesbezügliche Löschungs- und Auskunftsbegehren unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Geltendmachung (VG Karlsruhe, Urt. v. 13.12.2013 - 3 K 1899/12 - rkr.; siehe dazu auch BVerwG, Urt. v. 09.06.2010 - 6 C 5.09 - <juris).

Nach § 38 Abs.1 Satz 1 PolG kann der Polizeivollzugsdienst personenbezogene Daten, die ihm im Rahmen von Ermittlungsverfahren bekannt geworden sind, speichern, verändern und nutzen, soweit und solange dies zur Abwehr einer Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Für Daten, die durch eine Maßnahme nach § 100 c der StPO erhoben wurden, gilt dies nach § 38 Abs. 1 Satz 2 PolG nur zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person. Für Daten, die durch eine Maßnahme nach § 100 a StPO erhoben wurden, bestimmt § 38 Abs. 1 Satz 3 PolG, dass dies nur gilt zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung (§ 22 Abs. 5 PolG). Nach § 38 Abs. 1 Satz 4 PolG sind die Daten zu löschen, wenn die Voraussetzungen für die Speicherung entfallen sind.

Bei den über die Person des Klägers gespeicherten Daten handelte es sich um per-sonenbezogene Daten, die dem Polizeivollzugsdienst im Rahmen von Ermittlungs-verfahren bekannt geworden sind. Unstreitig ging es nicht um Daten, die durch Maßnahmen nach § 100 c StPO oder § 100 a StPO erhoben wurden, so dass die in § 38 Abs. 1 Satz 2 und 3 PolG genannten erhöhten Anforderungen an die Speicherung und Nutzung der Daten nicht anwendbar sind.

§ 38 Abs. 1 Satz 1 PolG wird weiter konkretisiert durch die Regelungen in § 38 Abs. 2 und 3 PolG. § 38 Abs. 2 Satz 1 PolG bestimmt, dass zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten die Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten bis zu einer Dauer von zwei Jahren erforderlich ist, wenn auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht besteht, dass die betroffene Person eine Straftat begangen hat. Ein solcher Verdacht besteht nach Satz 2 der Vorschrift allerdings nicht, wenn die betroffene Person im Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen sie unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt ist und sich aus den Gründen der Entscheidung ergibt, dass die betroffene Person die Straftaten nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat. Bis zum Ablauf dieser Fristen geht der Gesetzgeber grundsätzlich von der Erforderlichkeit der nach § 38 Abs. 1 PolG zulässigerweise gespeicherten Daten aus (VGH Bad.-Württ:, Urt. v. 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 ff. = <juris>; BVerwG, Beschl. v. 12.11.1992 - 1 B 164/92 - <juris> m.w.N.).

§ 38 Abs. 3 Satz 1 PolG sieht eine weitere Speicherung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten über zwei Jahre hinaus nur dann als zulässig an, wenn - kumulativ zum Tatverdacht - tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die betroffene Person zukünftig eine Straftat begehen wird, wobei sich tatsächliche Anhaltspunkte insbesondere aus Art, Ausführung und Schwere der Tat ergeben können (§ 38 Abs. 3 Satz 2 PolG). Lagen solche Anhaltspunkte im Zeitpunkt der Speicherung der personenbezogenen Daten noch nicht vor, dürfen die Daten zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten über die Dauer von zwei Jahren hinaus nur dann gespeichert werden, wenn auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht besteht, dass die betroffene Person während des Laufs dieser zwei Jahre eine weitere Straftat begangen hat (§ 38 Abs. 3 Satz 3 PolG).

Ausgehend hiervon bestand für alle streitgegenständlichen Straftaten ein Verdacht, ausgenommen für die in Nr. 2.1.12 enthaltenen Ermittlungen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, (1.) sowie eine Wiederholungsgefahr (2.). Eine Löschung mit Ablauf der Regelspeicherungsfrist von zwei Jahren war für das aufgrund § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG gespeicherte Verfahren Nr. 2.1.12 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln geboten, für die übrigen nicht (3.). Keiner abschließenden Beurteilung bedarf, ob sich der Kläger in allen oder einzelnen Verfahren auf die dreijährige Regelspeicherfrist nach § 38 Abs. 2 Satz 4 PolG i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 1 DVO PolG , statt der fünfjährigen (§ 38 Abs. 2 Satz 2 PolG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 DVO PolG), berufen kann. Denn die für alle zulässigerweise über zwei Jahre hinaus gespeicherten Verfahren geltenden und nach Maßgabe des § 38 Abs. 5 Satz 1 PolG beginnenden Löschfristen für die einzelnen Speichervorgänge (§ 38 Abs. 4 i.V.m. § 5 DVO PolG) werden gemäß § 38 Abs. 5 Satz 2 PolG in dem Sinne verlängert, dass für alle Speicherungen gemeinsam die Frist gilt, die als letzte endet. Dies war hier am 31.12.2012 der Fall (4.).

1.

Für die Speicherung der personenbezogenen Daten gemäß § 38 Abs. 2 Satz 2 PolG reicht bereits ein weiterhin bestehender Anfangsverdacht aus. Denn anders als eine strafrechtliche Verurteilung beinhaltet eine Speicherung personenbezogener Daten, die in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gewonnen wurden, zu Zwecken der präventiven Gefahrenabwehr keine Aussage dahingehend, dass die betroffene Person dieser Straftat schuldig ist. Deshalb steht auch die Unschuldsvermutung einer Datenspeicherung bei einer Verfahrensbeendigung nach §§ 153 ff. StPO oder bei einem Freispruch, der aus Mangel an Beweisen erfolgt, nicht entgegen (BayVGH, Beschl. v. 01.08.2012 - 10 ZB 11.2438 - <juris>; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 12.11.1992 - 1 B 164/92 - <juris> m.w.N.). Dieser Anfangsverdacht entfällt, worauf im Einzelnen noch eingegangen wird, nicht durch eine Einstellung des Verfahrens gem. §§ 153 Abs. 1 und 2, 153 a, 154 StPO oder § 170 Abs. 2 StPO, es sei denn, aus dem Einstellungsbeschluss ergeben sich eindeutige Anhaltspunkte dafür, dass kein Anfangsverdacht bestanden hat (s. § 38 Abs. 2 Satz 2 PolG). Bei den Verfahrenseinstellungen nach §§ 153 ff. StPO wird nämlich teilweise eine Feststellung zum Tatverdacht getroffen (§ 153 StPO, hinreichender Tatverdacht) oder es besteht der durch die Anklagerhebung bzw. die Eröffnung des Hauptverfahrens von der Staatsanwaltschaft bzw. vom Gericht bejahte Tatverdacht trotz der Einstellungsverfügung fort (BayVGH, Beschl. v. 01.08.2012, aaO unter Hinweis auf BayVGH, Urt. v. 12.05.2011 - 10 ZB 10.778 - <juris> Rn 4 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 20.02.2001, aaO). In Fällen des Freispruchs oder der Verfahrenseinstellung ist deshalb ein (fortbestehender) Restverdacht (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 20.02.2001, aaO; BVerwG, Urt. v. 22.10.2003 - 6 C 3/03 - <juris> Rn. 14 zu § 8 Abs. 3 BKAG) zu fordern. Dieser ergibt sich in den gemäß §§ 153, 153 a StPO eingestellten Verfahren bereits daraus, dass der hinreichende Tatverdacht Voraussetzung für die Einstellung nach diesen Bestimmungen ist (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 20.02.2001, aaO). Ob ein Restverdacht in diesem Sinne vorliegt, ist im Übrigen anhand der Ermittlungsakten und insbesondere des Einstellungsbeschlusses festzustellen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.05.1992, aaO zu § 170 Abs. 2 StPO; Urteile v. 23.02.1987 - 1 S 2624/86 - NJW 1987, 2763 und - 1 S 2808/86 - NJW 1987, 2764).

Wenn € wie hier € personenbezogene Daten zu mehreren Vorkommnissen gespeichert sind, ist für die Daten zu den einzelnen Vorkommnissen jeweils gesondert zu prüfen, ob die Speicherung zulässig war und noch erforderlich ist. Diese Sicht ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 38 Abs. 2 und 3 PolG geboten, obwohl dies zu einem erheblichen Prüfungsaufwand der Behörde führen kann.

Der Kläger ist verdächtig, die im Bescheid vom 18.10.2011 bezeichneten Daten unter den Nr. 2.1.4 und 2.1.8 bis 2.1.12 begangen zu haben (§ 38 Abs.1 Satz 2 1.Halbs. PolG), mit Ausnahme der in Nr. 2.1.12 neben dem Eigenverbrauch auch enthaltenen und gespeicherten Ermittlungen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.

Bezüglich aller Verfahren ist zu bemerken, dass der Tatverdacht nicht schon wegen der Besonderheiten hinsichtlich der Schuldfähigkeit des Klägers entfällt. Denn die strafrechtliche Schuldfähigkeit (§ 20 StGB) berührt nicht die Beurteilung, ob ein Anfangs- oder (bestehender) Restverdacht gegeben ist.

Die Einstellung des Verfahrens wegen Beleidigung auf sexueller Grundlage (im Zeitraum vom 01.08.2000 bis 03.01.2002) nach § 170 Abs. 2 StPO (2.1.4) durch die Staatsanwaltschaft Heidelberg mit Beschluss vom 13.02.2002 (22 Js 1936/02) lässt den Tatverdacht nicht entfallen, weil der Beschluss damit begründet ist, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Beschuldigte bei Tatbegehung schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB gehandelt hat. Hinreichende Anhaltspunkte für einen Anfangs- und Restverdacht ergeben sich aus der Geschädigten-Vernehmung vom 03.01.2002, den die detaillierte schriftliche Aussage der Mutter des Klägers nicht zu beseitigen vermag. Aus der Aussage der Mutter geht zwar hervor, dass es zu gegenseitigen Störungen und Spannungen im Mietverhältnis kam, möglicherweise auch zu verbalen Übergriffen der Mieter gegenüber dem Kläger und seiner Mutter. Dies vermag aber den Anfangsverdacht für die Tat unter Nr.2.1.4 nicht in Abrede stellen.

Soweit die Ermittlungsverfahren zur Verurteilung des Klägers geführt haben, wie es für den Ladendiebstahl unter Nr. 2.1.8 zutrifft, wird ein Tatverdacht auch vom Kläger nicht in Frage gestellt.

Für das Verfahren Nr. 2.1.9 (Diebstahl eines Damenfahrrads, Marke Peugeot, cremefarben, 5-Gang, 28-Zoll, Zahlenschloss; s. Anzeigenaufnahme vom 17.05.1992 - 22 Js 4225/93 -) besteht ein Tatverdacht fort, obwohl das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger gem. § 170 Abs.2 StPO eingestellt worden ist. Die bei der Anzeigenaufnahme durch PHM ... vom 28.11.1993 zur Farbe des Fahrrades gemachte Feststellung (€cremefarben€) steht zwar im Widerspruch zur Erklärung der Zeugin ... vom 21.05.1992, wonach ihre Schwester dem Kläger ein €olivgrünes€ Fahrrad des gleichen Typs (Peugeot) zur Verfügung gestellt bzw. ausgeliehen habe. Die Zeugin war sich aber nicht sicher, ob der Kläger das Rad tatsächlich benutzte und der Kläger selbst kann sich an diesen Vorgang nicht erinnern. Die weitgehende Übereinstimmung der Beschreibung des Fahrrades, abgesehen von dessen Farbe, ist aber nicht geeignet, den Anfangsverdacht eines Diebstahls entfallen zu lassen, weil die Herkunft des Fahrrades erst nach umfangreichen Ermittlungen geklärt werden konnte. Dabei waren die Angaben der Mutter des Klägers zwar nicht abwegig, aber auch nicht hilfreich und erschienen nicht klärend, weil sie Hinweise machte, die für die Täterschaft ihres Sohnes sprachen, diese aber auch nicht ausräumte. Deshalb blieb ein Restverdacht bestehen, der durch die Einstellung dieses Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO nicht entfallen ist, weil er mit mangelnder Schuldfähigkeit begründet wurde.

In den Verfahren (Nrn. 2.1.10 und 2.1.11) wegen Beleidigung und Bedrohung zum Nachteil von ... (23 Js 7125/91) zog die Staatsanwaltschaft eine Einstellung nach § 153 a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße in Betracht, womit der Kläger aber nicht einverstanden war. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft am 04.04.1991 Anklage wegen Beleidigung und Bedrohung mit der Begehung eines gegen ihn (das Opfer) gerichteten Verbrechens (§§ 185, 194, 241StGB) erhoben. Das AG Heidelberg hat dann mit Beschluss vom 30.08.1993 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft das Verfahren €wegen Bedrohung u.a.€ gem. § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Im Hinblick auf diesen Betreff ist davon auszugehen, dass sowohl der Vorwurf der Bedrohung als auch der in der Formulierung €u.a.€ enthaltene Vorwurf der Beleidigung von der Verfahrenseinstellung erfasst ist. Begründet ist der Beschluss nicht. Aus dem vorausgegangenen Anhörungsschreiben des AG Heidelberg vom 03.06.1991 geht hervor, dass das AG Heidelberg eine Einstellung €gemäß §§ 153 Abs. 2, 153 a StPO wegen Geringfügigkeit€ erwog. Dies und der Einstellungsbeschluss lassen keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der Anfangsverdacht weggefallen wäre.

Für das Verfahren unter der Nr. 2.1.12 wegen Besitzes von Haschisch zum Eigenverbrauch bestand ein Anfangsverdacht, der trotz Einstellung des Verfahrens nach § 31 a BtMG mit Beschluss vom 08.10.1993 fortbestand. Die Einstellungsvoraussetzungen des § 31 a BtMG setzen wie bei § 153 StPO eine geringe Schuld voraus (vgl. VG Hannover, Urt. v. 23.09.2013 - 10 A 2028/11 - <juris> zu § 81 g StPO), verlangen aber einen Anfangsverdacht, der sich aus dem Geständnis des Klägers ergibt, er habe €bis zum Jahr 1990 ab und zu einen Joint geraucht und auch solche zum Eigenkonsum erworben€.

Für das im gleichen Beschluss von der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellte Verfahren wegen Handels mit Betäubungsmitteln ist ausgeführt, dass aufgrund einer Zeugenaussage der Verdacht des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln aufkam, dass sich dies aber nicht beweisen lasse, weil der Kläger dies vehement bestritt und weil gegen den Zeugen selbst zwei Verfahren anhängig seien, eines wegen Verstoßes gegen das BtMG und eines wegen Betrugs. Deshalb wurde von einer Anklageerhebung abgesehen. Dies lässt den Tatverdacht entfallen. Dass dieser Vorgang tatsächlich gespeichert war und nicht nur der Vorwurf des Eigenkonsums von Cannabis, ergibt sich aus der Formulierung im Bescheid des Beklagten €wegen allgemeinem Verstoß gegen § 29 Betäubungsmittelgesetz (BTMG) - mit Cannabis€.

Die Speicherung des Verfahrens 2.1.12 (im Zeitraum vom 01.01.1990 bis 31.12.1990) war aber trotz fehlenden Tatverdachts für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln aufgrund § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG zunächst zulässig und zwar grundsätzlich über die Dauer von zwei Jahren hinaus, weil gegen den Kläger im Zwei-Jahreszeitraum seit der angezeigten Tat verschiedene Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, so die Verfahren Nrn. 2.1.11 bis 2.1.8., für die im Übrigen Entsprechendes gilt. Aufgrund dieser - innerhalb von zwei Jahren seit Tatbegehung im Zeitraum vom 01.01.1990 bis 31.12.1990 bis zu der am 27.02.1991 begangenen Beleidigung und Bedrohung, die am 19.03.1991 angezeigt wurden, - hinzugekommener Ermittlungsverfahren wird das Verfahren wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gewissermaßen €mitgezogen€, mit der Folge des § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG. Begrenzt wird diese Rechtsfolge durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (s. 3.).

Dabei bedarf hier keiner Entscheidung, wann der in § 38 Abs. 2 PolG genannte Zwei-Jahreszeitraum beginnt, an den die Vorschrift des § 38 Abs. 3 PolG anknüpft, zum Tatzeitpunkt oder mit Kenntnis der Polizei, weil die maßgeblichen Ermittlungsverfahren Nrn. 2.1.10 und 2.1.11 innerhalb des Zwei-Jahreszeitraums begangen und angezeigt wurden. Das erkennende Gericht neigt jedoch zu der Auffassung, dass maßgebend der Zeitpunkt der (mutmaßlichen) Tat ist (so VG Karlsruhe, Urt. v. 13.12.2013, aaO; offen gelassen in: Hess. VGH, Urt. v. 16.12.2004 € 11 UE 2982/02 € <juris> Rn. 29 zu § 27 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 3 HSOG, § 5 Abs. 1 Satz 1 PrüffristVO), nicht der der Kenntnis des Polizeivollzugsdienstes von der (mutmaßlichen) Straftat oder deren Fortgang oder vom Abschluss des Ermittlungsverfahrens (s. VG Sigmaringen, Urt. v. 24.02.2005, aaO). Denn jede andere Bestimmung des Beginns des Zwei-Jahreszeitraums könnte zu zufälligen Ergebnissen führen. Ferner kann die Vorschrift des § 38 Abs. 5 PolG im Rahmen des § 38 Abs. 3 PolG keine Anwendung finden, weil die Regelung des Absatz 5 sich nicht auf die Speicherungsmodalitäten des Absatzes 3 bezieht, sondern auf die Überprüfungsfristen (siehe dazu auch Wolf/Stephan/Deger, aaO, § 38 Rn. 14), die vom Polizeivollzugsdienst gemäß § 38 Abs. 4 PolG für die regelmäßige Überprüfung der über zwei Jahre hinaus gespeicherten Daten einzuhalten sind.

2.

Die vom Gesetz geforderte Wiederholungsgefahr unterliegt einer vollumfänglichen gerichtlichen Kontrolle, insbesondere kommt dem Beklagten kein Beurteilungsspielraum zu (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.05.1992 € 1 S 668/90 € DVBl 1992, 1309). Die Wiederholungsgefahr lässt sich im Falle des Klägers aus der Vielzahl der ange-zeigten Delikte ableiten, wobei mehrere Beleidigungstatbestände auffallen sowie Eigentumsdelikte. Auch sie entfällt nicht wegen der im Einzelfall fraglich gewordenen Schuldfähigkeit des Klägers. Mit dem festgestellten Tatverdacht in den Verfahren Nr. 2.1.4 und 2.1.8 bis 2.1.12. und der auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhenden Wiederholungsgefahr waren die Voraussetzungen erfüllt, unter denen der generalisierenden Wertung des Gesetzgebers in § 38 Abs. 1 Satz 2 und 3 PolG zufolge die Speicherung der personenbezogenen Daten aus diesen Ermittlungsverfahren zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist (§ 38 Abs. 1 Satz 1 PolG).

3.

Liegen - wie hier - die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 S. 1 PolG vor, so kann die Behörde im Regelfall davon ausgehen, dass die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten bis zum Ablauf der gesetzlichen Regelspeicherfristen (§ 38 Abs. 2 Satz 2 PolG) geboten und damit zulässig ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.05.1992, aaO.) Die Löschung der Daten vor Ablauf der Regelspeicherfristen, die zugleich Löschfristen sind, ist nur im Ausnahmefall geboten, wenn die Überprüfung im Einzelfall (§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PolG) ergibt, dass die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr zur Abwehr einer Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist (§ 38 Abs. 1 Satz 1 PolG). Dies kann bei der Speicherung von Daten zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten etwa der Fall sein bei Wegfall der Wiederholungsgefahr (§ 38 Abs. 1 Sätze 2 u. 3 PolG) oder wenn besondere Umstände die Unverhältnismäßigkeit der weiteren Datenspeicherung für den Betroffenen begründen (VG Sigmaringen, Urt. v. 24.02.2005, aaO)

Die Notwendigkeit der (Anfertigung und) Aufbewahrung bzw. Speicherung erkennungsdienstlicher Unterlagen bemisst sich danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Ermittlungs- oder Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene mit guten Gründen in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden anderen strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen überführend oder entlastend - fördern könnten. Bei den Einzelfallumständen sind insbesondere Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit sowie der Zeitraum zu berücksichtigen, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist (OVG NW, Beschl. v. 14.04.2010 - 5 A 479/09 - <juris>; BVerwG, Beschl. v. 06.07.1988 - 1 B 61.88 - NJW 1989, 2640 m.w.N. u. Urt. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - DVBl 2006, 923, 925). Die bereits seit 1991 bekannt gewesene psychiatrische Erkrankung (s. Beschluss des AG Heidelberg vom 30.07.2007) und die damit einhergehende Frage der Schuldfähigkeit des Klägers führen nicht per se zur Unverhältnismäßigkeit einer (weiteren) Speicherung hinzugekommenen Ermittlungsverfahren. Abgesehen vom Verfahren wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die die Notwendigkeit der Speicherungen in Frage stellen könnten.

Die aufgrund § 38 Abs. 3 Satz 3 PolG zulässige Speicherung des Verfahrens wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unter Nr. 2.1.12 war aber über die Zwei-Jahresfrist hinaus unverhältnismäßig und deshalb unzulässig. Denn die weiteren vom Kläger begangenen Taten stehen in keinerlei Zusammenhang mit Verstößen gegen das BTMG und der dazu gehörenden Beschaffungskriminalität, sie betreffen weitgehend Eigentums- und Beleidigungs- sowie Bedrohungsdelikte, also Delikte mit anderem Unrechtsgehalt. Vor dem Hintergrund des Anlasses der Speicherung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und der der hinzugekommenen Verfahren bestand kein Bedarf, die zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln angefallenen erkennungsdienstlichen Ermittlungen länger als zwei Jahre zu speichern. Diese Speicherung war über diesen Zeitraum hinaus unverhältnismäßig und deshalb unzulässig.

4.

Die für alle Verfahren geltenden Höchstfristen für die Speicherung, sowohl die fünfjährige als auch die dreijährige Frist (§ 38 Abs. 2 Satz 2 und Satz 4 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 DVO PolG) (4.1.), beginnen mit Ablauf des Jahres, in dem die Speicherung liegt (§ 38 Abs. 5 Satz 1 PolG), und werden gem. § 38 Abs. 5 Satz 2 PolG in dem Sinne verlängert, dass für alle Speicherungen gemeinsam die Frist gilt, die als letzte endet, was hier am 31.12.2012 der Fall war (4.2.).

4.1.

Die gesetzliche Regelspeicherfrist für die vom Kläger gespeicherten Daten beträgt fünf Jahre (§ 38 Abs. 2 Satz 2 PolG i. V. m. § 5 Abs.1 Nr.1 DVO PolG). Gemäß § 38 Abs. 2 Satz 4 PolG i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 1 DVO PolG verkürzt sich die Frist in €Fällen von geringer Bedeutung€ auf drei Jahre. § 5 Abs.3 Satz 2 DVO PolG in der ab 01.01.2014 geltenden Fassung vom 23.07.2013 beschreibt Fälle von geringer Bedeutung, wozu in der Regel ein Diebstahl bis zu einer Schadenshöhe von 500.-- € gehört. Ferner verkürzt § 5 Abs. 3 Satz 3 DVO PolG die Überprüfungsfristen auch in anderen Fällen, die denen von geringer Bedeutung im Hinblick auf deren geringen Unrechtsgehalt und die geringen Folgen der Tat gleichstehen. Keine Fälle geringer Bedeutung sind nach § 5 Abs. 4 DVO PolG solche Taten, die gewerbs-, gewohnheits-, serien-, bandenmäßig oder sonst organisiert begangen worden sind.

Den Beginn der Fristen regelt § 38 Abs. 5 Satz 1 PolG. Sie beginnen mit Ablauf des Jahres, in dem das letzte Ereignis erfasst worden ist, das zur Speicherung der personenbezogenen Daten geführt hat.

Für die Beurteilung, ob ein geringer Unrechtsgehalt (§ 5 Abs.3 Satz 3 DVO PolG) anzunehmen ist, ist u.a. danach zu differenzieren, ob neben den vorgeworfenen Tatbeständen möglicherweise (nicht verwirklichte) besonders strafbewehrte Begehungsformen oder andere tatbestandliche Qualifikationen bestehen, die in Abgrenzung zur einfachen Begehungsweise bei der Einordnung des Unrechtsgehalts der vorgeworfenen Taten hätten berücksichtigt werden können (VG Hannover, Urt. v. 23.09.2013 - 10 A 2028/11 - <juris>). Daraus, dass bei § 5 Abs. 3 Satz 3 DVO PolG keine mit § 81 g Abs. 1 Satz 2 StPO vergleichbare Regelung enthalten ist, wonach die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen kann (Absatz 1 Satz 2), ist der Umkehrschluss gerechtfertigt, dass die wiederholte Begehung anderer Straftaten nicht generell den Unrechtsgehalt erhöht. Für dieses Verständnis spricht der Wortlaut des § 5 Abs. 4 DVO PolG, der die wiederholte Begehung anderer Straftaten nicht nennt, sondern nur Taten, die gewerbs-, gewohnheits-, serien-, bandenmäßig oder sonst organisiert begangen worden sind. Die €Fallzahl€ ist entgegen der Ansicht des beklagten Landes für sich genommen kein Kriterium für die Beurteilung, ob die Bedeutung gering ist. Aus der Vielzahl der Delikte kann schließlich nicht auf ihre serienmäßige Begehung geschlossen werden. Denn diese setzt voraus, dass der Täter von vorneherein mit dem Ziel gehandelt hat, sich durch eine Vielzahl gleichmäßig begangener Taten strafbar zu machen, wobei die einzelnen Taten räumlich, zeitlich oder sonst besonders eng verschränkt sind (BGH Urt. v. 15.05.2013 - 1 StR 476/12 - u. Beschl. v. 25.09.2012 - 1 StR 407/12 - jeweils in <juris>). Diese im Strafrecht entwickelte Auslegung der serienmäßigen Begehung ist auch im Rahmen des § 5 Abs. 4 DVO PolG anzuwenden, weil es in beiden Zusammenhängen um den nicht geringen Unrechtsgehalt einer Straftat geht. Anhaltspunkte dafür, dass hier atypische Umstände vorliegen, die ein Abweichen vom Regelfall der Fünf-Jahresfrist gebieten, sind nicht ersichtlich.

Ferner lassen die jeweils als erfüllt angesehenen Einstellungsvoraussetzungen der §§ 31 a BtMG, 153 StPO (geringe Schuld), 153 a StPO (keine entgegenstehende Schwere der Schuld) und des § 154 StPO, der die Einstellung hinsichtlich Neben-straftaten erlaubt, die nicht beträchtlich ins Gewicht fallen, keine Rückschlüsse auf einen geringen Unrechtsgehalt im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 3 DVO PolG zu (vgl. VG Hannover, Urt. v. 23.09.2013 - 10 A 2028/11 - <juris> zu § 81 g StPO). Denn Unrechtsgehalt und Schuld im strafrechtlichen Sinne sind nach unterschiedlichen Maßstäben zu beurteilen, ebenfalls abweichend von letzterer ist der Unrechtsgehalt im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 3 DVO PolG zu bestimmen.

Die Löschfristen berechnen sich im Einzelnen wie folgt: Die Ermittlungen zu der unter Nr. 2.1.4 gespeicherten Beleidigung auf sexueller Grundlage im Zeitraum vom 01.08.2000 bis 03.01.2002 weisen keine Anhaltspunkte für einen geringen Unrechtsgehalt und damit für eine Straftat von geringer Bedeutung auf. Für sie gilt die Fünf-Jahresfrist.

Was den Diebstahl der Sportschuhe angeht (Nr. 2.1.8.), wurde der Kläger wegen vollendeten Diebstahls durch Strafbefehl vom 12.11.1992 zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen verurteilt. Der Wert der Sportschuhe liegt zwar mit 129,90 DM unter dem Wert von 500.-- €, weshalb auch hier der Regelfall des § 5 Abs. 3 Satz 2 DVO PolG in Betracht kommt. Zu berücksichtigen ist aber auch die kriminelle Energie, mit der der Kläger vorgegangen ist, indem er der Verkäuferin erklärte, er brauche Sport-schuhe und habe nur 70 DM dabei. Der Kläger warf dann ein Paar Sportschuhe durch das offene Fenster im 1. OG auf die Straße und verließ das Geschäft in der Absicht, die Schuhe mitzunehmen. Die Dreistigkeit dieses Vorgehens ist als atypischer Umstand zu werten, der den Unrechtsgehalt erhöht und ein Absehen vom Regelfall wegen der geringen Werts der Sache und die Geltung der fünfjährigen Frist gebietet.

Von geringer Bedeutung ist der Unrechtsgehalt im Verfahren Nr. 2.1.9 (laut Straf-anzeige 28.01.1993: Diebstahl eines Damenfahrrads, Marke Peugeot, cremefarben, 5-Gang, 28-Zoll, Zahlenschloss, im Wert von ca. 500.-- DM; s. Az. 22 Js 4225/93 -) deshalb, weil der Wert des Fahrrades trotz der Schätzung in der Strafanzeige auf 500.-- DM laut Anzeigenaufnahme (s. Anzeigenaufnahme vom 17.05.1992 - 22 Js 4225/93 -) auf 150.-- DM angesetzt wurde und damit unter 500.-- DM lag (s. § 5 Abs. 3 Satz 2 DVO PolG in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung vom 16.09.1994). Letzteres erscheint realistisch, zumal bei der Anzeigenaufnahme nicht von einem neuwertigen Rad die Rede war. Insoweit liegen keine besonderen Umstände vor, die es gebieten würden, vom Regelfall der Drei-Jahresfrist abzusehen.

Was die Verfahren unter 2.1.10 und 2.1.11 angeht, weisen die Beleidigung und Be-drohung entgegen der Auffassung des Klägers keinen geringeren Unrechtsgehalt auf. Dagegen sprechen schon die möglichen nicht unerheblichen Folgen beim be-troffenen Opfer, die der Brief des Klägers vom 27.02.1991 ausgelöst hat und auslösen konnte. Darin war u.a. der Satz: €Dich zu vögeln, das war noch lange nicht alles.€ Außerdem war er mit der Aufschrift versehen: €PS.: Nächstes Mal komm ich mit der Kalaschnikoff. Du kannst jetzt wählen: gehe jämmerlich zugrunde€. Schon allein diese Ausdrücke sind geeignet, den Empfänger einzuschüchtern und in Angst zu versetzen. Dies ist auch tatsächlich eingetreten. Wie aus der Anzeigenaufnahme vom 27.02.1991 hervorgeht, fühlte sich das Opfer durch den Brief vom 27.02.1991 bedroht, obwohl sie den Kläger seit Langem aus der Abitursklasse kannte und bislang als €harmlosen Irren€ einstufte. Die Betroffene äußerte, dass sie Angst habe und sie sich vorstellen könne, dass er ihr €tatsächlich etwas antun könnte€. Die Erklärungsversuche des Kläger-Vertreters sind nicht geeignet, den Unrechtsgehalt der Bedrohung und Beleidigung zu schmälern.

Der dem Kläger zum Vorwurf gemachte Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln in geringen Mengen zum Eigenkonsum nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG (2.1.12) wiegt in seinem Unrechtsgehalt nicht schwer, was § 29 Abs. 5 BtMG zeigt. Danach kann das Gericht von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt. Hinzu kommt, dass nach der obergerichtlichen Rechtsprechung in den Fällen des Besitzes geringer Mengen Betäubungsmittel zum Eigenkonsum im Sinne der §§ 29 Abs. 5, 31 a BtMG auch bei einschlägig vorbestraften abhängigen Drogenkonsumenten die Verhängung einer Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt und sich - soweit sie sich als unerlässlich erweist - im untersten Bereich des Strafrahmens des § 29 Abs. 1 BtMG zu bewegen hat (OLG Hamm, Beschl. v. 06.03.2014 € III-1 RVs 10/14, 1 RVs 10/14 € <juris>). Dies und der Umstand, dass nach Aktenlage in den durchsuchten Räumen keine Betäubungsmittel gefunden wurden, sprechen für eine Straftat geringer Bedeutung.

4.2.

Das beklagte Land hat die streitgegenständlichen Daten - mit Ausnahme des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln - zu Recht bis 31.10.2012 gespeichert. Ein Anspruch darauf, die Daten früher, bereits nach dreijähriger Speicherung zu löschen, bestand nicht. Denn für die zulässigerweise drei oder länger als drei und fünf Jahre gespeicherten Verfahren gilt § 38 Abs. 5 Satz 2 PolG, der Folgendes bestimmt: Werden innerhalb der Fristen weitere personenbezogene Daten über dieselbe Person gespeichert, so gilt für alle Speicherungen gemeinsam die Frist, die als letzte endet. Im Wortlaut dieser Vorschrift kommt eindeutig ein sog. Mitzieheffekt zum Ausdruck, mit der Folge, dass spätere Speicherungen, die innerhalb der zulässigen Speicherfristen früherer Speicherungen, hinzugekommen sind, bei der Fristberechnung berücksichtigt werden müssen, und für €alle Speicherungen gemeinsam€ die Frist erst endet, wenn die für eine innerhalb der Fristen hinzugekommene Speicherung geltende letzte Frist endet. Mit anderen Worten, die Vorschrift schiebt die Löschung aller innerhalb der Frist vorangegangener Speicherungen hinzugekommener Speicherungen hinaus, bis für alle Eintragungen die Löschungsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 22.10.2003 - 6 C 3/03 - <juris> = Buchholz 402.46 BKAG Nr. 2 zu §§ 489 Abs. 6, 494 Abs. 2 StPO im Unterschied zu § 32 Abs. 5 BKAG).

Ausgehend davon enden hier alle - mit Ablauf des Jahres, in dem das letzte Ereignis erfasst worden ist, das zur Speicherung der personenbezogenen Daten geführt hat (§ 38 Abs. 5 Satz 1 PolG), beginnenden Speicherfristen am 31.12.2012, weil die früheren Speicherungen durch spätere mitgezogen werden.

Die dreijährige Speicherfrist für das Verfahren unter Nr. 2.1.12 (wegen Eigenkonsums von Betäubungsmitteln, Tatzeit 01.01.1990 bis 31.12.1990) wurde aufgrund der am 27.02.1991 begangenen Beleidigung auf sexueller Grundlage (2.1.11) und Bedrohung (2.1.12) gemäß § 38 Abs. 5 Satz 2 PolG verlängert. Denn für die beiden zuletzt genannten Verfahren gilt die Fünf-Jahresfrist, innerhalb derer zwei Verfahren wegen Ladendiebstahls (2.1.9, Tatzeit 17.05.1992 und 2.1.8, Tatzeit 14.07.1992) begangen wurden. Jedenfalls die Verurteilung wegen Ladendiebstahls hinsichtlich der Sportschuhe am 14.07.1992 (Nr. 2.1.8) löste die - am 31.12.1992 beginnende und frühestens am 31.12.1997 endende - Fünf-Jahresfrist aus. Deshalb ist unerheblich, dass für die am 17.05.1992 begangene Tat eine dreijährige Frist läuft. Innerhalb der fünfjährigen Frist lagen weitere Taten im Jahr 1997, die zwar nicht Streitgegenstand sind, aber für die Fristberechnung nach § 38 Abs. 5 Satz 2 PolG heranziehbar sind. Dies sind die Ermittlungsverfahren unter den Nrn. 2.1.7 bis 2.1.5 wegen Unterschlagung (im Zeitraum vom 01.07.1997 bis 31.08.1997), Diebstahls in zwei Fällen (im Zeitraum vom 29.07.1997 bis 30.07.1997 und vom 01.11.1997 bis 12.12.1997), die sämtlich gemäß § 153 Abs. 1 StPO, also wegen geringer Schuld und fehlendem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung, nicht aber mangels Beweisen am Tatverdacht, eingestellt wurden. Diese lösten wiederum die - am 31.12.2003 endende - Fünf-Jahresfrist aus, in die die Tat unter Nr. 2.1.4 fällt (begangen im Zeitraum vom 01.08.2000 bis 03.01.2002). Auch dieser Vorgang unter Nr. 2.1.4 setzte die Fünf-Jahresfrist in Gang, innerhalb der die Taten unter Nr. 2.1.3 (Tatzeit am 23.05.2006), 2.1.2 (Tatzeit vom 19.01.2007 bis 04.04.2007) und Nr. 2.1.1 (im Zeitraum vom 28.07.2007 bis 21.09.2007) begangen wurden. Weil beide im Jahr 2007 begangenen Taten wiederum die Fünf-Jahresfrist ausgelöst haben, beginnend am 31.12.2007 (§ 38 Abs. 5 Satz 1 PolG), endete die Höchstfrist der Speicherung gemäß § 38 Abs. 5 Satz 2 PolG am 31.12.2012. Es verletzt den Kläger jedoch nicht in seien Rechten, dass das beklagte Land die Löschung der streitgegenständlichen Ermittlungsverfahren am 31.10.2012, statt am 31.12.2012 vorgenommen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Da der Kläger nur zu einem geringen Teil obsiegt hat, waren ihm die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen. Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil keiner der Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf € 5000.-- festgesetzt.

Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.






VG Karlsruhe:
Urteil v. 19.11.2014
Az: 4 K 2270/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c0c0d9849291/VG-Karlsruhe_Urteil_vom_19-November-2014_Az_4-K-2270-12




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