Bundesgerichtshof:
Urteil vom 26. Februar 2014
Aktenzeichen: I ZR 178/12

(BGH: Urteil v. 26.02.2014, Az.: I ZR 178/12)

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. August 2012 aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. März 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil des Landgerichts wie folgt abgeändert.

1. Die Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt, es zu unterlassen, Babynahrung mit der Angabe Praebiotik¨ + Probiotik¨

Mit natürlichen Milchsäurekulturen Praebiotik¨ zur Unterstützung einer gesunden Darmflora wie in der nachfolgend wiedergegebenen Anlage A zu vertreiben und/oder vertreiben zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin sämtlichen bereits entstandenen und künftig noch entstehenden Schaden aus dem Vertreiben und/oder Vertreiben lassen und/oder dem Bewerben und/oder Bewerben lassen von Babynahrung mit der Angabe Praebiotik¨ + Probiotik¨

Mit natürlichen Milchsäurekulturen Praebiotik¨ zur Unterstützung einer gesunden Darmflora wie in Anlage A zu ersetzen hat.

Anlage A:

3. Die Beklagte wird außerdem verurteilt, der Klägerin mittels eines chronologischen Verzeichnisses und unter Vorlage der entsprechenden Belege Auskunft zu erteilen - über die Anzahl der Abnehmer der Erzeugnisse von Babynahrung unter der Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨", die die unter 1. bezeichneten Angaben tragen, unter Angabe der jeweiligen Einkaufsmenge seit der Produkteinführung in Deutschland im April 2010;

- mit welchem Medium, wann, bei welcher Gelegenheit und wie oft sie die Erzeugnisse von Babynahrung unter der Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨", die die unter 1. bezeichneten Angaben tragen, beworben hat.

4. Im Umfang der weitergehenden Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts (Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨" und die darauf bezogenen Anträge auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht) wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Parteien vertreiben Babynahrung. Die Beklagte bot unter der Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨" in Deutschland Babynahrung an, die als präbiotische Komponente Calactooligosaccharide und als probiotische Komponente das Bakterium Lactobacillus fermentum hereditum enthielt. Auf der Verpackung verwendete die Beklagte neben der Bezeichnung die Angaben "mit natürlichen Milchsäurekulturen" und "Praebiotik¨ zur Unterstützung einer gesunden Darmflora".

Nach Ansicht der Klägerin handelt es sich bei der Bezeichnung und den weiteren Aussagen um unzulässige gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über n hrwert- und gesundheitsbezogene Angaben ber ebens itte (im Folgenden: Verordnung (EG) Nr. 1924/2006).

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen es zu unterlassen Babynahrung 1. unter der Bezeichnung Praebiotik¨ + Probiotik¨

und/oder 2. mit der Angabe Praebiotik¨ + Probiotik¨

Mit natürlichen Milchsäurekulturen Praebiotik¨ zur Unterstützung einer gesunden Darmflora wie in Anlage A [im Tenor abgebildet]

zu vertreiben und/oder vertreiben zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen.

Die Klägerin hat die Beklagte ferner auf Auskunft in Anspruch genommen und Feststellung der Schadensersatzpflicht beantragt.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Unterlassung gemäß dem Antrag zu 1 verurteilt und die darauf bezogenen Folgeanträge auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen (OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2012, 484).

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Gründe

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨" sei keine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Die Bezeichnung suggeriere keine gesundheitliche Wirkung, sondern sei lediglich als Beschaffenheits- bzw. Inhaltsangabe anzusehen. Auch die Angaben Praebiotik¨ + Probiotik¨

Mit natürlichen Milchsäurekulturen Praebiotik¨ zur Unterstützung einer gesunden Darmflora seien mit den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vereinbar. Die Aussage "Praebiotik¨ zur Unterstützung einer gesunden Darmflora" sei zwar eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 dieser Verordnung. Sie dürfe jedoch nach der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung von der Beklagten verwendet werden, weil für eine inhaltlich entsprechende Angabe ein Zulassungsantrag nach Art. 14 ff. der Verordnung gestellt worden sei.

B. Die dagegen gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt im Hinblick auf den Unterlassungsantrag zu 1 und die darauf bezogenen Folgeanträge zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (dazu I). Im Hinblick auf den Unterlassungsantrag zu 2 und die darauf bezogenen Folgeanträge ist die Sache entscheidungsreif; die Revision führt insoweit zur Verurteilung der Beklagten (dazu II).

I. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, bei der Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨" handele es sich nicht um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, kann die Klage mit dem Unterlassungsantrag nicht abgewiesen werden.

1. Die allgemeinen Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs liegen vor. Die Vorschrift des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Ihre Verletzung ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 - I ZR 5/12, GRUR 2013, 958 Rn. 22 = WRP 2013, 1179 - Vitalpilze).

2. Im Streitfall sind auch die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gegeben.

a) Danach sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen in Kapitel IV der Verordnung entsprechen, nach ihr zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen sind. Da bei der angegriffenen Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨" jedenfalls das letztere nicht der Fall ist, kommt es im Streitfall darauf an, ob die Bezeichnung eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ist. Das Berufungsgericht hat dies verneint. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

b) Die Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨" stellt eine Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar. Der Begriff "Angabe" bezeichnet jede Aussage oder Darstellung, die nach dem Unionsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist und mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt. Die angegriffene Bezeichnung ist keine rechtlich zwingend vorgeschriebene Kennzeichnung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts versteht der angesprochene Verkehr die Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨" dahin, dass die von der Beklagten angebotenen Lebensmittel "Präbiotika" und "Probiotika", also Bestandteile enthalten, die sich als probiotisch und präbiotisch qualifizieren lassen. Damit wird durch die Verwendung von "Praebiotik¨ + Probiotik¨" zumindest mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass das so bezeichnete Lebensmittel präbiotische und probiotische Eigenschaften besitzt.

c) Das Berufungsgericht hat allerdings verneint, dass diese Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gesundheitsbezogen ist. Es hat angenommen, eine gesundheitsbezogene Angabe setze nach dieser Bestimmung voraus, dass die in Rede stehende Aussage aus sich selbst heraus den Bezug zu einer gesundheitlichen Wirkung erkennen lasse. Deswegen fehle es an einer gesundheitsbezogenen Angabe, wenn die für ein Lebensmittel verwendete Bezeichnung aus der Sicht des Verbrauchers nur die Beschaffenheit dieses Lebensmittels wie insbesondere einen darin enthaltenen Inhaltsstoff beschreiben solle, nicht aber die gesundheitlichen Wirkungen, die mit dem Lebensmittel oder dem darin enthaltenen Wirkstoff erzielt werden könnten. Das gelte unabhängig davon, ob der Verkehr auf Grund seiner Vorerwartung dem Inhaltsstoff und damit dem Lebensmittel mehr oder weniger konkrete gesundheitliche Wirkungen zuschreibe. Allein eine solche Vorerwartung könne nicht ausreichen, um eine inhaltsbeschreibende Angabe als gesundheitsbezogen anzusehen.

Mit dieser Begründung kann das Vorliegen einer gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht verneint werden. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung ein zu enges Verständnis des danach erforderlichen Gesundheitsbezugs zugrunde gelegt.

aa) Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) 1924/2006 ist eine gesundheitsbezogene Angabe gegeben, wenn mit einer Angabe erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff "Zusammenhang" ist dabei weit zu verstehen (EuGH, Urteil vom 6. September 2012 - C-544/10, GRUR 2012, 1161 Rn. 34 = WRP 2012, 1368 - Deutsches Weintor; EuGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - C-299/12, GRUR 2013, 1061 Rn. 22 = WRP 2013, 1311 - Green - Swan Pharmaceuticals). Der Begriff "gesundheitsbezogene Angabe" erfasst daher jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (EuGH, GRUR 2012, 1161 Rn. 35 - Deutsches Weintor; BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2012 - I ZR 36/11, GRUR 2013, 189 Rn. 9 = WRP 2013, 180 - Monsterbacke; BGH, GRUR 2013, 958 Rn. 10 - Vitalpilze). Darüber hinaus wird jeder Zusammenhang erfasst, der impliziert, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen. Dabei sind sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen (EuGH, GRUR 2012, 1161 Rn. 35, 38 - Deutsches Weintor).

Nach Erwägungsgrund 16 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 kommt es darauf an, wie Angaben über Lebensmittel vom Verbraucher verstanden werden. Dabei ist vom normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auszugehen. Es gilt kein statistischer, sondern ein normativer Maßstab, nach dem die nationalen Gerichte und Verwaltungsbehörden gehalten sind, von ihrer eigenen Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszugehen.

bb) Nach diesen Grundsätzen liegt eine gesundheitsbezogene Angabe entgegen der Annahme des Berufungsgerichts auch dann vor, wenn nach dem Verständnis des Durchschnittsverbrauchers, das naturgemäß auch durch Vorerwartungen und Kenntnisse geprägt wird, ein Zusammenhang zwischen dem Bestandteil eines Lebensmittels und dem Gesundheitszustand des Konsumenten suggeriert wird.

d) Mit Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨" sei lediglich als Beschaffenheits- oder Inhaltsangabe anzusehen.

Die Beurteilung der Auffassung des Verbrauchers obliegt zwar im Wesentlichen dem Tatrichter. Im Revisionsverfahren ist allerdings zu prüfen, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff zutreffend erfasst und ohne Widersprüche zu Denkgesetzen und Erfahrungssätzen geurteilt hat und ob das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird (BGH, Urteil vom 11. April 2013 - I ZR 214/11, GRUR 2013, 1239 Rn. 21 = WRP 2013, 1601 - VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion).

Im Streitfall kann auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht angenommen werden, dass der Verkehr in der Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨" allein den Hinweis auf die Inhaltsstoffe des so bezeichneten Lebensmittels sieht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass das Lebensmittel als Inhaltsstoffe die präbiotische Komponente Calactooligosaccharide und als probiotische Komponente das Bakterium Lactobacillus fermentum hereditum enthält. Es ist ferner davon ausgegangen, dass der angesprochene Verkehr die Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨" dahin versteht, dass das von der Beklagten angebotene Lebensmittel Probiotika und Präbiotika, also Bestandteile enthält, die sich als probiotisch und präbiotisch qualifizieren lassen. Durch die Eigenschaften "probiotisch" und "präbiotisch" eines Lebensmittels wird ein Wirkungsbezug zum Gesundheitszustand des Konsumenten hergestellt. So hat das Landgericht festgestellt, dass damit die Fähigkeit ausgedrückt wird, die natürliche Darmfunktion und die Abwehrkräfte zu stimulieren. Dies entspricht der Lebenserfahrung (vgl. auch Gerstberger, ZLR 2012, 723, 725 mwN) und wird auch dadurch gestützt, dass die Kommission der Europäischen Union in der Angabe "contains probiotics/prebiotics" ein typisches Beispiel für die Erklärung einer gesundheitsfördernden Wirkung im Sinne einer gesundheitsbezogenen Angabe gesehen hat (vgl. Guidance on the implemantation of Regulation No 1924/2006 on nutrition and health claims made on foods conclusions of the Standing Committee on the Food Chain and Animal Health vom 14. Dezember 2007, S. 11, vgl. dazu auch Gerstberger, ZLR 2012, 723, 727; Omsels, jurisPR-WettbR 9/2012, Anm. 3, E). Abweichende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es sind auch sonst keine Umstände ersichtlich, die dafür sprechen könnten, dass die normativ zu bestimmende Auffassung des Durchschnittsverbrauchers nicht allein in den Angaben "Calactooligosaccharide" und "Lactobacillus fermentum hereditum" die Beschreibung eines Inhaltsstoffs sieht, sondern auch in der Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨", die erkennbar eng an die Wörter "Praebiotikum" und "Probiotikum" und damit an Begriffe angelehnt sind, die - wie etwa Narkotikum und Analgetikum - nach der Lebenserfahrung regelmäßig ein Mittel speziell in seiner Eigenschaft benennen, eine bestimmte Wirkung auf Körperfunktionen zu erzielen.

3. Die Abweisung des Klageantrags zu 1 ist auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 561 ZPO). Die Verwendung der Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨" ist nicht durch Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 erlaubt. Danach dürfen Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen, die in der Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung für ein Lebensmittel verwendet werden und als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden können, ohne die in der Verordnung vorgesehenen Zulassungsverfahren verwendet werden, sofern der betreffenden Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung eine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist, die der Verordnung entspricht. Wie bei der Prüfung des Klageantrags zu 2 dargelegt werden wird, ist der Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨" mit der Wendung "zur Unterstützung einer gesunden Darmflora" eine gesundheitsbezogene Angabe beigefügt. Die Annahme des Berufungsgerichts, diese Angabe entspreche ebenfalls der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, weil sich die Beklagte auf die Übergangsvorschrift nach Art. 28 Abs. 6 Buchst. b dieser Verordnung berufen könne, ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern (dazu unter II). Es kann deshalb offenbleiben, ob es für die Privilegierung des Art. 1 Abs. 3 der Verordnung ausreicht, dass der zulassungsbedürftigen Marke Angaben beigefügt werden, die nicht positiv zugelassen sind, sondern hinsichtlich deren lediglich die Übergangsvorschrift nach Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung eingreift. Auch die Beifügung der Angabe "Mit natürlichen Milchsäurekulturen" rechtfertigt die Verwendung der Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨" nicht (vgl. Gerstberger, ZLR 2012, 723, 730 f.). Abweichendes macht auch die Revisionserwiderung nicht geltend.

4. Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Klägerin der mit dem Unterlassungsantrag zu 1 geltend gemachte Anspruch und die darauf bezogenen Folgeansprüche in Bezug auf die Verwendung der Bezeichnung "Praebiotik¨ + Probiotik¨" zustehen. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Verwendung dieser Bezeichnung auch dann, wenn sie als gesundheitsbezogene Angabe anzusehen ist, nach der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zulässig ist. Danach dürfen Produkte mit bereits vor dem 1. Januar 2005 bestehenden Handelsmarken oder Markennamen, die als eine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Verordnung aufgefasst werden können (vgl. EuGH, GRUR 2013, 1061 Rn. 36 - Green-Swan Pharmaceuticals) und die der Verordnung nicht entsprechen, bis zum 19. Januar 2022 weiterhin in den Verkehr gebracht werden. Die Revisionserwiderung weist insoweit im Wege der Gegenrüge auf den Vortrag der Beklagten hin, wonach die Marken "Praebiotik" und "Probiotik" bereits vor dem 1. Januar 2005 zur Kennzeichnung von Lebensmitteln benutzt worden seien.

II. Mit Erfolg wendet sich die Revision ferner gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der auf die Untersagung der Verwendung der Angabe Praebiotik¨ + Probiotik¨

Mit natürlichen Milchsäurekulturen Praebiotik¨ zur Unterstützung einer gesunden Darmflora gerichtete Unterlassungsantrag zu 2 und die darauf bezogenen Folgeanträge seien unbegründet.

1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, die Aussage Praebiotik¨ zur Unterstützung einer gesunden Darmflora sei zwar eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Sie dürfe jedoch nach der Übergangsbestimmung des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b dieser Verordnung von der Beklagten derzeit noch verwendet werden. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Nach Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dürfen gesundheitsbezogene Angaben, die - wie im Streitfall - keiner Bewertung durch einen Mitgliedstaat unterzogen und nicht zugelassen wurden, weiterhin verwendet werden, sofern vor dem 19. Januar 2008 ein Antrag nach der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gestellt wurde; gesundheitsbezogene Angaben, die nicht nach diesem Verfahren zugelassen wurden, dürfen bis zu sechs Monate nach einer Entscheidung im Sinne des Art. 17 Abs. 3 der Verordnung weiter verwendet werden.

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Dachorganisation der Hersteller diätetischer Lebensmittel IDACE am 18. Januar 2008 nach Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bei der Wettbewerbsbehörde Frankreichs einen Antrag auf Zulassung unter anderem der Angabe Prebiotic fibre supports development of healthy intestinal flora gestellt hat. Dagegen erhebt die Revision keine Beanstandung.

b) Im Streitfall kann offenbleiben, ob ein Antrag eines Verbandes für die Anwendung des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ausreicht oder ob ein Antrag von jedem Unternehmen gesondert gestellt werden muss, das die Angabe verwenden möchte (vgl. dazu Meisterernst/Haber aaO Art. 28 Rn. 28g f.). Zugunsten der Beklagten kann weiter unterstellt werden, dass die Antragstellung bei einem Mitgliedstaat ausreicht, also kein entsprechender Antrag für jeden Mitgliedstaat der Europäischen Union gestellt werden muss (vgl. dazu OLG Hamburg, WRP 2013, 99, 101; Meisterernst in Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Lfg. Feb. 2013, Art. 28 Rn. 28h). Offenbleiben kann schließlich, ob die Beklagte die angegriffene Angabe bereits vor dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 am 19. Januar 2007 im Sinne von Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung verwendet hat (vgl. dazu OLG Hamburg, WRP 2013, 99, 102; Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO Art. 28 Rn. 26; Gerstberger, ZLR 2012, 723, 733). Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass der Antrag der IDACE die Verwendung der Aussage "Praebiotik¨ zur Unterstützung einer gesunden Darmflora" inhaltlich rechtfertigt.

aa) Bei der Prüfung, ob eine verwendete gesundheitsbezogene Angabe inhaltlich mit einer im Sinne von Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 angemeldeten Angabe übereinstimmt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (OLG Hamburg, WRP 2013, 99, 101; Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO Art. 28 Rn. 28h). Dafür spricht zunächst der Wortlaut der Bestimmung. Danach kann diejenige Angabe weiterhin verwendet werden, hinsichtlich deren ein Antrag nach der Verordnung gestellt worden ist. Es muss sich also um die nämliche Angabe handeln. Auch der Sinn und Zweck sowie die Systematik der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sprechen dafür, an die Übereinstimmung der verwendeten mit der beantragten Angabe strenge Anforderungen zu stellen. Die Übergangsbestimmung des Art. 28 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ist eine Ausnahme vom Verbotstatbestand des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung. Das dort statuierte grundsätzliche Verbot der Verwendung nicht zugelassener Angaben dient dem Zweck der Richtlinie, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten (Erwägungsgründe 1, 36). Aus der systematischen Konzeption der Verordnung, wonach die Zulassung von gesundheitsbezogenen Angaben grundsätzlich die Aufnahme in eine Positivliste nach einer wissenschaftlichen Nachprüfung voraussetzt, folgt ferner, dass dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit besondere Bedeutung zukommt (vgl. auch Erwägungsgrund 31). Damit stünde es nicht im Einklang, im Wege einer extensiven Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 die Verwendung von Angaben zu gestatten, die sich nicht eng mit der beantragten Angabe decken.

bb) Diese Anforderungen an die inhaltliche Übereinstimmung der werblichen Behauptung Praebiotik¨ zur Unterstützung einer gesunden Darmflora mit der Angabe im Zulassungsantrag Prebiotic fibre supports development of healthy intestinal flora sind im Streitfall nicht erfüllt. In der angemeldeten Angabe wird einem Inhaltsstoff ("fibre", also "Faser/Ballaststoff") eine probiotische Wirkung zur Unterstützung der Entwicklung einer gesunden Darmflora zugeschrieben. Dagegen handelt es sich bei dem von der Beklagten verwendeten Begriff "Praebiotik¨" um ein Kunstwort, das der Verbraucher - auch nahegelegt durch das stilisierte "R" im Kreis (¨) (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - I ZR 1/88, GRUR 1990, 364, 366 - Baelz; Urteil vom 26. Februar 2009 - I ZR 219/06, GRUR 2009, 888 Rn. 15 = WRP 2009, 1080 - Thermoroll; Urteil vom 10. Januar 2013 - I ZR 84/09, GRUR 2013, 840 Rn. 35 = WRP 2013, 1039 - PROTI II) - als Marke und damit als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen versteht. Dass das Markenwort sich an den Begriff "Praebiotikum" anlehnen und im Sinne eines sprechenden Zeichens beschreibende Anklänge im Sinne eines Mittels mit probiotischer Wirkung aufweisen mag, ändert nichts daran, dass der Begriff - auch nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - eindeutig als ein Kennzeichen gebildet ist und auch als solches erkannt wird.

Zwischen einem markentypisch auf ein einziges Unternehmen hinweisenden Kennzeichen und der - zudem von einem Verband zugunsten einer Vielzahl von in Betracht kommenden Verwendern angemeldeten - rein beschreibenden Angabe eines Inhaltsstoffs besteht aber ein grundlegender inhaltlicher Unterschied, der der Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 entgegensteht (ebenso OLG Hamburg, WRP 2013, 99, 101 f.; Gerstberger, ZLR 2012, 723, 732).

Die abweichende Ansicht des Berufungsgerichts läuft auf eine Privilegierung der Verwendung von Marken mit beschreibenden Anklängen hinaus, die mit der Systematik und dem Sinn und Zweck der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht im Einklang steht. Nach Erwägungsgrund 4 der Verordnung findet diese auch auf Handelsmarken und sonstige Markennamen Anwendung, die als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe ausgelegt werden können. Eine Privilegierung solcher Marken sieht die Verordnung allein insoweit vor, als dem Verwender nach Art. 1 Abs. 3 der Verordnung ein Wahlrecht im Hinblick auf die Beifügung einer gesundheits- oder ernährungsbezogenen Angabe zusteht und ihm in Art. 28 Abs. 2 der Verordnung eine weitreichende Übergangsfrist gewährt wird. Dagegen ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Verwender einer solchen Marke darüber hinaus auch eine Privilegierung dahingehend zukommen soll, dass bei der Prüfung der Übereinstimmung der angemeldeten mit der verwendeten Angabe im Sinne des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung der Kennzeichencharakter der verwendeten Angabe außer Betracht gelassen werden kann. Vielmehr steht dem der Zweck der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 entgegen, ein hohes Verbraucherschutzniveau und eine transparente und rechtssichere Handhabung der Erlaubnistatbestände zu gewährleisten.

c) Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten, da keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung der hier entscheidungserheblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bestehen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 - C.I.L.F.I.T.).

2. Die auf den Unterlassungsantrag zu 2 bezogenen Folgeanträge sind ebenfalls begründet. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch folgt aus § 9 UWG, der Auskunftsanspruch ergibt sich aus § 242 BGB.

3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Unterlassungsantrag zu 2 und die darauf bezogenen Folgeanträge auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung seien unbegründet, erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bedarf es insoweit nicht, weil der Senat auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts selbst entscheiden kann und weiterer Sachvortrag der Beklagten hierzu nicht zu erwarten ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

1. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuweisen, soweit es in Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Unterlassungsantrag zu 1 und die darauf bezogenen Folgeanträge abgewiesen hat (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob die Marken "Praebiotik" und "Probiotik" bereits vor dem 1. Januar 2005 zur Kennzeichnung von Lebensmitteln benutzt worden sind. War dies nicht der Fall, scheidet die Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 von vornherein aus. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut erlaubt diese Bestimmung die Fortsetzung des Vertriebs von Produkten, die bereits vor dem 1. Januar 2005 in den Verkehr gebracht wurden. Dass zu diesem Zeitpunkt lediglich die beanstandete Marke bestand, reicht nicht aus (vgl. EuGH, GRUR 2013, 1061 Rn. 37 und Leitsatz 3 - Green-Swan Pharmaceuticals; Schoene, GRUR-Prax 2013, 369; aA Blass in Blass/Brustbauer/Hauer/Kainz/Königshofer/Mahmood/Natterer/Stangl/Stuller, Lebensmittelrecht, 8. Lieferung, März 2013, Art. 28 EG-ClaimsVO Rn. 5; Oechsler, LMK 2013, 351275). Sollte das Berufungsgericht eine Verwendung der beanstandeten Bezeichnungen für Lebensmittel vor dem Stichtag feststellen, wird es der weiteren Frage nachgehen müssen, ob es sich bei der vom Unterlassungsantrag zu 1 erfassten Babynahrung um ein Produkt handelt, dass vom vor dem 1. Januar 2005 unter diesen Bezeichnungen in den Verkehr gebrachten Lebensmittel im Hinblick auf Rezeptur oder Eigenschaften abweicht. Liegt eine solche Abweichung vor, stellt sich die weitere, vom Gerichtshof der Europäischen Union noch nicht entschiedene Frage, ob es für die Anwendung des Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ausreicht, dass es vor 2005 überhaupt Produkte mit der beanstandeten Kennzeichnung gab oder ob die Privilegierung dieser Vorschrift nur für solche gekennzeichneten Lebensmittel gilt, die seit dem 1. Januar 2005 unverändert vertrieben werden (vgl. Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO Art. 28 Rn 11; Hüttebräuker, ZLR 2013, 578, 584 f.; Gerstberger, ZLR 2012, 723, 728 f.; Ziegler, ZLR 2007, 529, 536).

2. Soweit das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin im Hinblick auf den Unterlassungsantrag zu 2 und die darauf bezogenen Folgeanträge zurückgewiesen hat, ist sein Urteil aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Bornkamm RiBGH Pokrant ist in Urlaub Büscher und kann daher nicht unterschreiben.

Bornkamm Koch Löffler Vorinstanzen:

LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 23.03.2011 - 2-6 O 568/10 -

OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 09.08.2012 - 6 U 67/11 -






BGH:
Urteil v. 26.02.2014
Az: I ZR 178/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/08e5f6d0b067/BGH_Urteil_vom_26-Februar-2014_Az_I-ZR-178-12




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