Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 6. September 2001
Aktenzeichen: 4 U 77/01

(OLG Hamm: Urteil v. 06.09.2001, Az.: 4 U 77/01)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 22. Februar 2001 verkündete Urteil der IV. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und beschwert die Klägerin mit 100.000, DM.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,- DM abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Den Parteien wird nachgelassen, die Sicherheit durch unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge in der Europäischen Union zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

Tatbestand

Die Parteien sind Apotheker in M2. Die Klägerin betreibt in der Innenstadt die "F-Apotheke". Der Beklagte ist Inhaber der "H-Apotheke" in M2-Süd, die etwa 2 bis 2,5 km entfernt von der Apotheke der Klägerin liegt.

Im November und Dezember 1996 warben einige (5 bis 7) der etwa 20 Apotheken in M2, darunter auch die des Beklagten gemeinsam in dem Haushaltsblatt "M Anzeiger" für Produkte des Nebensortiments unter dem Slogan "Beratung ist unsere Stärke". Wegen der Einzelheiten dieser Werbung wird auf zwei Anzeigen von November und Dezember 1996 (Bl. 47 und 48 d.A.) Bezug genommen. Seit dieser Zeit warben die Apotheker mit jeweils einem apothekenspezifischen Beratungsthema auch unter wechselnder Beteiligung jeden Monat im M Anzeiger. Wegen der Themen im einzelnen wird auf deren Auflistung (Bl. 50 d.A.) verwiesen. Spätestens ab April 1999 traten sie unter der Bezeichnung "S-Apotheken" in Erscheinung. Seit September 2000 befindet sich in ihrer Werbung ein Sternchenhinweis hinter den Worten "S-Apotheken", der auf eine Fußnote mit dem Hinweis "Interessengemeinschaft eigenständiger Apotheken" verweist. Im M Anzeiger vom 2. August 2000 wurde von fünf im einzelnen am linken Rand der Anzeige aufgezählten Apotheken gemeinsam eine Hilfeleistung "Rund um den diabetischen Fuß" angeboten (Bl. 6 d.A.) und am 06. September 2000 von denselben Apotheken in demselben Blatt eine gemeinsame Werbung zum Thema "Ruhiger und erholsamer Schlaf" veröffentlicht (Bl. 7 d.A.).

Die Klägerin hat den Beklagten, den sie für federführend hält, wegen dieser beiden Anzeigen am 10. September 2000 erfolglos abgemahnt. Sie hat sich ausdrücklich gegen die dortige Werbung gewandt, die sie für wettbewerbswidrig hält, und die Unterlassung der Verwendung des Slogans "Beratung ist unsere Stärke" ebenso verlangt wie die der Bezeichnung "S-Apotheken" mit und ohne Sternchenhinweis. Eine Erweiterung der Klage in Zusammenhang mit einer zusätzlich geltend gemachten Markenrechtsverletzung hat sie später wieder zurückgenommen oder nicht mehr weiter verfolgt.

Im einzelnen hat die Klägerin geltend gemacht: Die Werbung sei zunächst deshalb unzulässig, weil darin die Bezeichnung "S-Apotheken" gebraucht werde. Darin sei eine unzulässige Geschäftsbezeichnung zu sehen. Damit werde der unrichtige Eindruck erweckt, als ob ein Verbund der Apotheken bestehe. Jedenfalls habe der Beklagte mit den anderen Apothekern eine Kette gebildet, innerhalb derer sie nicht mehr selbständig seien. Das stehe dem Leitbild des Apothekers als freiem Beruf entgegen und mindere das Ansehen der Apotheker in der Öffentlichkeit herab..

Auch der verwendete Slogan "Beratung ist unsere Stärke" sei irreführend. Obwohl alle Apotheker schon nach § 20 Abs. 1 ApBetrO zur Beratung der Kunden gesetzlich verpflichtet und nach ihrer Ausbildung auch in der Lage seien, stelle diese Werbung die eigenen Leistungen und Fähigkeiten in diesem Bereich unzulässig heraus. Dadurch werde auch in Zusammenhang mit dem Hinweis auf die "S-Apotheken" der Eindruck erweckt, als wenn in anderen Apotheken nicht entsprechend gut beraten werde.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 100.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu drei Monaten zu unterlassen,

im Geschäftsverkehr mit folgender Behauptung zu werben und / oder werben zu lassen:

"Beratung ist unsere Stärke

S - Apotheken",

und

"Beratung ist unsere Stärke

S - Apotheken *, Interessengemeinschaft eigenständiger Apotheker",

insbesondere wenn dies geschieht wie in der nachstehend wiedergegebenen Werbung im M Anzeiger vom 02.08.2000 und 06.09.2000:

"Beratung ist unsere Stärke

S- Apotheken",

und

"Beratung ist unsere Stärke

S - Apotheken *, Interessengemeinschaft eigenständiger Apotheker".

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht: Er sei jedenfalls nicht allein passiv legitimiert. Er habe diese beiden Anzeigen wie weitere 45 Anzeigen zuvor gemeinsam mit den anderen darin jeweils erwähnten Apothekern aufgegeben. Die Klägerin wisse seit langem davon, dass die Werbegemeinschaft den Slogan "Beratung ist unsere Stärke" gebrauche und den Begriff der "S-Apotheken" verwende. Wenn sie das so lange hingenommen habe und sich erstmals gegen eine am 02. August 2000 geschaltete Anzeige wende, so fehle der Klage das Rechtsschutzbedürfnis.

Mit der Bezeichnung "S-Apotheken" werde auch kein unzulässiger Verbund von Apotheken vorgetäuscht. Sämtliche in den Anzeigen aufgeführten Apothekeninhaber seien selbständig und blieben es auch. Sie seien in der Anzeige namentlich und in Verbindung mit ihren Apotheken aufgeführt. Auf ihre Unabhängigkeit werde seit September 2000 in dem Fußnotenzusatz auch ausdrücklich hingewiesen. Jedenfalls in Zusammenhang damit habe auch die Apothekenkammer Westfalen-Lippe keine berufsrechtlichen Bedenken mehr gegen diese Bezeichnung erhoben.

Mit dem Slogan "Beratung ist unsere Stärke" wolle man sich nicht gegenüber anderen Apotheken, sondern nur gegenüber Wettbewerbern mit anderen Vertriebskanälen wie Drogerieketten abgrenzen. "Unsere" beziehe sich nicht auf die "S-Apotheken", sondern meine die Apotheken an sich im Unterschied zu anderen Verkaufstellen. Das werde auch vom Verkehr nicht anders verstanden. Eine Irreführung scheide schon deshalb aus, weil es sich bei der Beratung durch die Apotheken um eine Selbstverständlichkeit handele, die den angesprochenen Verbraucherkreisen bekannt sei. Im übrigen seien die Werbeaussagen auch inhaltlich zutreffend. Es seien in erheblichem Umfang Fortbildungsveranstaltungen zu bestimmten Themen an Abenden oder auch an drei kompletten Wochenenden durchgeführt worden. Die Werbung müsste auch im Lichte der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG gesehen und für zulässig erachtet werden.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, soweit sie weiter verfolgt worden ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin vom Beklagten nach § 1 UWG verlangen könne, dass dieser es unterlässt, in der Öffentlichkeit unter der Bezeichnung "S-Apotheken" mit oder ohne Fußnotenzusatz aufzutreten. Diese Bezeichnung sei irreführend, denn sie suggeriere den angesprochenen durchschnittlich informierten Verbrauchern fälschlicherweise einen Zusammenschluss und die damit einhergehende Leistungsstärke insbesondere beim gemeinsamen Einkauf und bei der Preisgestaltung. Es könne auch die Unterlassung der Benutzung des Slogans "Beratung ist unsere Stärke" verlangt werden, da dieser irreführend und wettbewerbswidrig im Sinne des § 3 UWG sei. Selbstverständlich beziehe jeder Leser des Slogans dessen Aussage auf die "S-Apotheken", die sich mit der Anzeige insgesamt als Kleingruppe hervortun wollten. Irreführend sei die Werbung deshalb, weil die Beratung zum gesetzlichen Auftrag einer jeden Apotheke gehöre und mithin eine Selbstverständlichkeit darstelle, von der die angesprochenen Verbraucherkreise nicht ohne weiteres Kenntnis hätten.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er verbleibt unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens dabei, dass seine gemeinschaftliche Werbung mit den anderen Apothekern nicht irreführend sei. Das Landgericht habe der Werbung auch als Folge einer unzulässigen isolierten Betrachtung einzelner Elemente Aussageinhalte entnommen, die mit der Verkehrsauffassung nicht in Einklang zu bringen seien. Bereits die optische Gestaltung der Anzeigen zeige den angesprochenen Verbrauchern deutlich, dass es sich um eine Gemeinschaftswerbung einer Interessengemeinschaft selbständiger Apotheken gehandelt habe, die im Rahmen konkreter Einzelaktionen jeweils ein bestimmtes Thema aus dem Gesundheitsbereich betreffe. Die einzelnen Apotheken wollten dabei erkennbar besondere Beratungsleistungen nur im Rahmen der jeweiligen Aktion erbringen. Nur diese objektiv richtige Tatsache sollte werblich herausgestellt werden und werde auch so verstanden und nicht etwa in der Weise, wie es das Landgericht angenommen habe. Eine solche Werbung mit einer punktuellen Beratungsstärke, die auf nachvollziehbaren konkreten Fortbildungsmaßnahmen beruhe, entspreche dem Leistungswettbewerb.

Selbst wenn bei einem Teil der Verbraucher trotz des geänderten Verbraucherleitbildes Fehlvorstellungen hervorgerufen werden sollten, scheide ein Verstoß gegen § 3 UWG aus. Bei den objektiv richtigen Aussagen und angesichts der zu schützenden geringen Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit in diesem Fall und der fraglichen Relevanz bedürfte es jedenfalls eines besonders hohen Quorums an Getäuschten, das bei weit über 80 % anzusetzen und nicht zu erreichen sei.

Es handele sich bei dem Slogan "Beratung ist unsere Stärke" auch keinesfalls um eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Die mit den Aktionen von der Interessengemeinschaft in Anspruch genommene Beratungskompetenz gehe weit über den gesetzlichen Beratungsauftrag aller Apotheker hinaus und unterstreiche gerade diese besondere Beratungsleistung als Stärke. Der Beklagte stelle somit zusammen mit den weiteren Interessenten gerade das heraus, was ihn von der absoluten Mehrzahl der Konkurrenten abhebe. Einer Einordnung als wettbewerbswidrig stehe bei objektiv wahren Angaben im übrigen nicht nur das Europarecht, sondern auch die angleichende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegenüber. Weiteres Korrektiv insoweit sei das Übermaßverbot. Die Werbung, die den kaufmännischen Bereich des Apothekers betreffe, in dem die Freiheit der Berufsausübung einen besonders hohen Stellenwert habe, sei schon im Rahmen der Abwägung mit dem Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht vertiefend geltend: Die Angabe "Beratung ist unsere Stärke" sei ohne Zweifel irreführend. Der angesprochene Verkehr verstehe sie so, als ob die S-Apotheker auf dem Aufgabengebiet der Beratung generell gegenüber anderen Apothekern besonders qualifiziert seien. Im übrigen sei auch auf den Gebieten der konkreten gesundheitlichen Themen, die in den Anzeigen angesprochen worden seien, keine besondere Beratungskompetenz des Beklagten und der anderen S-Apotheker gegeben. Das könne aber dahin stehen, weil der Verkehr die Aussage zur Beratungskompetenz ganz allgemein verstehe und die angesprochenen Themen nur Beispiele dafür seien. Die Werbung nehme auch auf keinerlei Konkurrenten im Nebensortiment Bezug.

Die Angabe betreffend die Beratungsstärke sei auch nicht objektiv richtig. Sie sei nämlich nicht nachprüfbar, weil es dafür keine objektiven Kriterien gebe. Es handele sich um Werbung mit besonderen Qualitäten aufgrund nicht nachprüfbarer Selbsteinschätzung. Es werde bestritten, dass sich eine solche Kompetenz aus zahlreichen Sonderaktionen bis hin zu Fachseminaren zwangsläufig ergeben habe. Aus der Anzahl der Fortbildungsveranstaltungen lasse sich insoweit überhaupt nichts herleiten. Es gehe um Qualitätsvorstellungen, nicht nur um Mengenangaben.

Die Bezeichnung "S-Apotheken" erwecke den unzutreffenden Eindruck eines Zusammenschlusses mehrerer Apotheken, der aufgrund der geballten Kraft in der Lage sei, dem Verkehr besondere Preisvorteile und Sortimentstiefe zu bieten. Der Begriff "S" sei als typische Bezeichnung für solche Zusammenschlüsse bekannt. Diese Fehlvorstellung werde auch nicht durch den Sternchenhinweis beseitigt. Dieser sei zu klein ausgefallen und der erläuternde Hinweis als solcher sei auch nichtssagend. Der Verkehr erfahre nichts über die Wirkung und die Interessen der Gemeinschaft. Es werde auch kein Zusammenhang mit dem Slogan "Beratung ist unsere Stärke" hergestellt, so dass der Verkehr daraus schliessen könne, dass es sich um einen Beratungsring handele.

Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet, weil der Klägerin der von ihr geltend gemachte Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die beanstandeten Werbebehauptungen aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zusteht.

1) Der Unterlassungsantrag ist jedenfalls hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO, nachdem klargestellt worden ist, dass der Inhalt der beiden Anzeigen Gegenstand der Verbotsanträge sein soll und die verallgemeinernde Formulierung vor dem "insbesondere" - Zusatz sich auf kein allgemeines Verbot der Werbung mit dem Slogan "Beratung ist unsere Stärke" einerseits und der Bezeichnung "S-Apotheken" andererseits bezieht, sondern diese beiden Behauptungen nur aus dem Zusammenhang betonend herausgreift.

2) Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG insbesondere wegen einer den Standesrichtlinien für Apotheker widersprechenden und damit unlauteren Werbung nicht zu.

a) Der Beklagte hat zwar mit der Erstellung und Verbreitung der Anzeigen im geschäftlichen Verkehr gehandelt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er die Anzeige allein oder zusammen mit den anderen Inhabern der "S-Apotheken" gestaltet und in Auftrag gegeben hat. Es reicht aus, dass er in gleicher Weise mitverantwortlich und damit wettbewerbsrechtlicher Mitstörer im Sinne des § 1004 BGB (analog) in Verbindung mit §§ 1, 3 UWG ist. Das Handeln erfolgte auch zu Zwecken des Wettbewerbs, weil der Beklagte sich in der Anzeige als Mitglied der Interessengemeinschaft vorstellt und sich so darstellt, dass das Interesse der mutmaßlichen Kunden auch an seiner Apotheke geweckt oder gesteigert werden soll.

b) Der Inhalt der Anzeigen verstößt aber nicht gegen wirksame Standesrichtlinien für Apotheker.

aa) Nach § 9 der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der Apothekerkammer Westfalen - Lippe vom 6. Dezember 1995 (WestfL BO 1995) ist eine Werbung nicht erlaubt, wenn sie irreführend ist oder nach Form, Inhalt oder Häufigkeit übertrieben wirkt. Ausdrücklich als unerlaubt angeführt ist dabei das Werben in Zeitungen. Ausgenommen von diesem Verbot ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Einzelwerbung einmal monatlich. Dieses Werbeverbot ist jedenfalls teilweise verfassungsgemäß im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG und wirksam, soweit eine nach Form, Inhalt und Häufigkeit übertriebene Werbung verboten wird. Das ergibt sich aus der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des alten § 8 WestfL BO 1978 und verwandter Vorschriften anderer Länder durch das Bundesverfassungsgericht (NJW 1996, 3067, 3068, 3069).

bb) Übertrieben in diesem Sinne könnte allenfalls die Werbung mit dem Slogan "Beratung ist unsere Stärke" sein. Berücksichtigt man aber die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 22. Mai 1996 angeführten Gesichtpunkte, dass der Apotheker nicht nur Angehöriger eines freien Berufes ist, sondern auch Kaufmann, und dass die Beurteilung der dadurch erforderlichen Werbeformen als angemessen oder übertrieben zeitbedingten Veränderungen unterliegt, ist auch diese Werbeform nach ihrem Gesamteindruck unter Berücksichtigung üblicher Werbepraktiken jedenfalls heute nicht mehr als übertrieben anzusehen.

aaa) Gerade angesichts der zu teilenden Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kann auf das Berufsbild der Apotheker an sich und auf eine sich daraus ergebende Verpflichtung zu besonders maßvoller Werbung nur noch bedingt abgestellt werden, soweit Apotheker im Hinblick auf die apothekenfreien Arzneimittel und das gesamte Randsortiment im allgemeinen Wettbewerb stehen. Unangemessen im Hinblick auf das Berufsbild erscheint eine Werbung vor allem dann, wenn sie anreißerisch auf das Apothekensortiment hinweist und massiv zum Kauf anlockt, weil dann zu befürchten ist, dass das Hauptgewicht der Tätigkeit auf das Randsortiment verlagert wird und die eigentliche Aufgabe der Arzneimittelversorgung vernachlässigt wird (BGH GRUR 1983, 249 - Apothekenwerbung). Um eine solche Werbung geht es hier aber nicht, sondern um die Bewerbung von Beratungsleistungen, die dem Kauf vorausgehen.

bbb) Die Werbeaussage "Beratung ist unsere Stärke" ist insbesondere deshalb hinnehmbar, weil sie sich nicht auf allgemein gute Beratungsleistungen, sondern einschränkend auf Beratungsleistungen in Bezug auf die in der jeweiligen Anzeige beworbene konkrete Aktion bezieht. Ein solches Verständnis ergibt sich daraus, dass in den beiden hier fraglichen Anzeigen die jeweilige "S - Apotheken - Aktion" auch gegenüber der Aussage "Beratung ist unsere Stärke" optisch deutlich hervorgehoben ist. Die Art der Beratung wird dann auch in beiden Fällen konkret angesprochen. Bei einer Anzeige findet sich unter dem Hinweis auf helfende Broschüren und Tips die zusätzliche Aufforderung "Kommen Sie vorbei und lassen sich beraten". Bei der anderen Anzeige wird mit Fettdruck auf "8 Tipps" hingewiesen. Dagegen spricht auch nicht, dass der Hinweis auf die Beratungsstärke oben in dem Rahmen um die Anzeige steht. Das wäre nämlich nur dann von Bedeutung, wenn darin wie in einer Überschrift die Kernaussage der Werbung enthalten wäre. Kernaussage ist aber das Thema der jeweiligen Aktion selbst, nämlich einmal "der diabetische Fuß" und einmal "der ruhige und erholsame Schlaf in einer Baldrian - Dispert Nacht". Es wird auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt, dass die Apotheken gemeinsam solche wiederkehrenden Aktionen durchführen dürfen. Dann dürfen die beteiligten Apotheken auch darauf aufmerksam machen und dafür werben. Berücksichtigt man die heute üblich gewordene Werbung auch seriöser Einzelhändler für Waren des Randsortiments, die sich mit ähnlichen Werbeaussagen Aufmerksamkeit und Gehör verschaffen will, fällt der beanstandete Slogan nicht mehr aus dem Rahmen.

cc) Die Werbung ist auch nicht deshalb unangemessen und irreführend, weil ein Fall einer Werbung mit Selbstverständlichkeiten vorliegen könnte. Eine solche Art der Werbung wäre gleichfalls schon als den Standesregeln widersprechend und berufswidrig anzusehen. Darum geht es aber bei dem Slogan "Beratung ist unsere Stärke" nicht.

aaa) Von einer Werbung mit Selbstverständlichkeiten ist auszugehen, wenn in der Werbung Eigenschaften einer Leistung, die genuin zu ihrem Wesen gehören oder gesetzlich vorgeschrieben sind, besonders betont werden. Die Werbeaussage ist dann trotz ihrer objektiven Richtigkeit irreführend, wenn der Verkehr das Selbstverständliche der Eigenschaft nicht kennt und deshalb zu Unrecht von einem Vorzug der beworbenen Leistung vor vergleichbaren anderen Angeboten ausgeht. Derartige Eigenschaften, die den entsprechenden Angeboten der Mitbewerber ebenfalls eigen sind, dürfen deshalb zur Vermeidung einer Irreführung des Verkehrs nicht als Besonderheiten des eigenen Angebots hingestellt werden (Köhler/Piper, UWG, 2. Auflage, § 3 Anm. 180).

bbb) Dieser rechtliche Ansatz passt hier nicht. Es geht nicht darum, dass die Werbung des Beklagten allgemein darauf hinweist, dass bei den "S-Apothekern" beraten wird, obwohl dies in allen Apotheken geschieht. Die Aussage ist vielmehr dahin zu verstehen, dass mit einer besonderen Beratung geworben wird, bezogen auf die jeweiligen Aktionen. Gerade diese ist aber weder gesetzlich vorgeschrieben noch selbstverständlich, wie schon der vorgelegte Testbericht der Stiftung Warentest zur Beratungsqualität deutlich macht.

ccc) Eine Irreführung ist darüberhinaus auch deshalb nicht gegeben, weil der Verkehr eine etwaige Selbstverständlichkeit der Werbeaussage, nämlich die zu erwartende Beratung in den Apotheken, die schon zum gesetzlichen Auftrag jeder Apotheke gehört, ohne weiteres erkennen würde. Der verständige Verbraucher würde einer solchen Werbeaussage keine besondere Bedeutung beimessen, sondern sie als Aufforderung verstehen, sich beraten zu lassen und sich dabei von der Beratungsstärke zu überzeugen (vgl. BGH GRUR 1963, 371 - Wäschestärkemittel).

dd) Die Werbung ist auch nicht deswegen unangemessen, weil es sich bei dem Slogan "Beratung ist unsere Stärke" um eine unzulässige Selbstherausstellungswerbung handelt.

aaa) Entgegen der Auffassung der Berufung kann sich das Possessivpronomen "unsere" nur auf die in der Anzeige genannten Apotheken und Inhaber, also die "S-Apotheken" beziehen. Diese führen die Aktion durch, auf die sich die Werbung bezieht. Eine Bezugnahme auf die Gruppe aller Apotheker, die in der Anzeige überhaupt nicht genannt sind, hätte schon semantisch keinen Sinn. Außerdem wäre dann auch nach dem eigenen weiteren Vorbringen der Sinn der Werbung, nämlich das Herausstellen der besonderen Beratungskompetenz im Hinblick auf die Aktion, auf deren Thema man sich nur als "S-Apotheker" jeweils besonders vorbereitet hatte, verfehlt worden. Es ist lediglich eine weitere Aufgabe des Slogans, die Werbenden als Apotheker von anderen Konkurrenten abzugrenzen.

bbb) Damit wird die Beratungsstärke der "S-Apotheken" in den Anzeigen von deren Inhabern und somit auch vom Beklagten zwar besonders herausgestellt. Eine solche Hervorhebung der eigenen Leistung ist aber der Werbung immanent und deshalb in der Regel nicht zu beanstanden. Eine solche Werbung ist ausnahmsweise nur dann unlauter, wenn damit die Betonung einer Abgrenzung und die Herabwürdigung von Konkurrenten verbunden wird. Das ist hier nicht festzustellen. Diese Hervorhebung sollte sich ohnehin nur auf die im Rahmen der beworbenen Aktionen zu erwartenden Beratungsleistungen der genannten Apotheken beziehen. Entscheidend kommt aber hinzu, dass bei dem Hinweis auf die eigene Beratungsstärke weder ausdrücklich noch konkludent auf die Leistung der Konkurrenten überhaupt Bezug genommen wurde (vgl. dazu BGH GRUR 1987, 178, 180 - Guten Tag-Apotheke II). Der Hinweis auf eine "qualifizierte" Leistung unterstreicht die Qualität der eigenen Leistung, besagt aber nicht, dass Mitbewerber keine qualifizierten Leistungen erbringen (OLG Koblenz GRUR 1989, 129, 130). Eine Herabwürdigung der nicht erwähnten anderen Apotheken könnte sich dann allenfalls als ein Reflex der ausschließlichen Erwähnung der besonderen Fähigkeiten der "S-Apotheker" ergeben, was für ein wettbewerbswidriges Verhalten insoweit nicht ausreicht.

3) Der Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 3 UWG. Weder bei der Behauptung "Beratung ist unsere Stärke" noch bei der Bezeichnung der beteiligten Apotheken als "S-Apotheken" handelt es sich um irreführende Angaben im Sinne dieser Vorschrift.

a) Unter Angaben sind objektiv nachprüfbare Aussagen zu verstehen. Diese liegen hier vor. Man kann es nachprüfen, ob die "S-Apotheken" im Rahmen der Aktionen besonders (gut) beraten oder nicht. Nachprüfbar ist auch, ob und welche Apotheken sich zu dem Apotheken - S zusammengeschlossen haben und welche Konsequenzen sich daraus für sie ergeben.

b) Irreführend sind Angaben, wenn die Gefahr besteht, dass sie von einer nicht unerheblichen Zahl der angesprochenen Verkehrskreise falsch verstanden werden. Wann eine solche Zahl erreicht ist, kann nur im Einzelfall bestimmt werden. Es ist auch nicht zwingend erforderlich, dass die Angaben objektiv falsch sind. Es reicht aus, wenn die Angaben zwar richtig sind, aber die Gefahr besteht, dass sie falsch verstanden werden. Dann müsste aber der Anteil der Irregeführten erheblich höher liegen als bei einer falschen Angabe. Letztlich entscheidend ist, welchen Inhalt die angesprochenen Verkehrskreise der Anzeige entnehmen und ob dieser mit der Wirklichkeit übereinstimmt (BGH GRUR 1998, 949, 950 - D-Netz-Handtelefon).

aa) Im Hinblick auf die Angabe "S-Apotheken" entnehmen die Verkehrskreise der Angabe nicht, dass es sich um einen festen Zusammenschluss von Apotheken handelt, der mit einer besonderen Leistungsstärke im Wettbewerb, insbesondere günstigen Preiskalkulationsmöglichkeiten einhergeht. Sie gehen vielmehr davon aus, dass es sich um einen Beratungsring handelt. Das kann der Senat selbst beurteilen, weil seine Mitglieder auch zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen.

Das verwendete Bild des Ringes allein kann bei dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, auf den es ankommt (EuGH, NJW 1998, 3183 - Gut Springenheide), nicht den Eindruck eines festen Zusammenschlusses vermitteln, der Einkauf und Preisgestaltung mitumfasst. In diesem Zusammenhang wird üblicherweise nicht an einen Ehering gedacht, sondern an im Wirtschaftsleben gängigere Begriffe wie Musterring, Werbering, Lesering, Ring - Foto und andere, die die Art und auch die Festigkeit der jeweiligen Verbindung offen lassen. In den Anzeigen sind alle betroffenen Apotheker selbständig mit ihren Apotheken aufgeführt und in der zweiten Anzeige von September 2000 ist diese Selbständigkeit in dem verwendeten Sternchenhinweis noch einmal besonders betont. Entscheidend ist aber auch hier, dass jeweils nur von einer bestimmten "S-Apotheken-Aktion" die Rede ist. Diese erkennbar im Vordergrund der Anzeigen stehende Aktion deutet im Gesamtzusammenhang auf einen Zusammenschluss selbständiger Apotheken zur Durchführung gemeinsamer Beratungsaktionen hin, also auf einen Beratungsring. Mehr lässt sich den Anzeigen nicht entnehmen. Da es ersichtlich nicht um eine gemeinsame Verkaufswerbung geht, liegt ein Hinweis auf einen umfassenden Zusammenschluss mit günstigen Einkaufsmöglichkeiten und damit günstigen Preisen für den Verbraucher fern.

bb) Auch die Angabe "Beratung ist unsere Stärke" ist nicht irreführend.

aaa) Es kommt auch hier zunächst wieder darauf an, wie sie von dem Verbraucher verstanden wird. Die Beratung bezieht sich aus dessen Sicht jeweils auf die in der Werbung besonders hervorgehobene Aktion. Die Werbung wird nicht so verstanden, dass die "S-Apotheker" ständig besser beraten als andere Apotheker. Eine so weit gehende objektive Aussage entnimmt der dem oben genannten Bild entsprechende Verbraucher, der im Umgang mit Werbesprüchen erfahren ist, einem solchen Slogan nicht. Durch den erkennbaren Zusammenhang mit der bestimmten Aktion und die Aufforderung, sich zu dem Thema beraten zu lassen, wird die besondere Beratungskompetenz zwangsläufig in Zusammenhang mit der angebotenen speziellen Beratung im Rahmen der Sonderaktionen gesehen.

bbb) Es ist auch nicht festzustellen, dass eine solche "starke" aktionsgerechte Beratung entgegen der Werbeaussage nicht durchgeführt wird. Der Beklagte hat im einzelnen unter Hinweis auf Eigeninitiative, verschiedene Fortbildungsveranstaltungen und die Schulung des Personals dazu vorgetragen, dass zu den ausgewählten Themen tatsächlich eine besondere Vorbereitung und Beratung stattfindet.

Das Gegenteil hat die beweispflichtige Klägerin nicht dartun können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 06.09.2001
Az: 4 U 77/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/bce74e950b90/OLG-Hamm_Urteil_vom_6-September-2001_Az_4-U-77-01




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share