Landgericht Bochum:
Urteil vom 13. Juli 2010
Aktenzeichen: 12 O 101/10

(LG Bochum: Urteil v. 13.07.2010, Az.: 12 O 101/10)

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Verfügungskläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Verfügungskläger verkauft im Rahmen eines Online-Shops unter der Internetadresse *Internetadresse* Badeenten in das gesamte Bundesgebiet.

Die Verfügungsbeklagte betreibt unter der Internetadresse *Internetadresse* ebenfalls einen Online-Shop. Zumindest vor dem 09.07.2009 bot sie im Rahmen dieses Online-Shops u.a. das Produkt "St. Pauli Badeente schwarz - One Size" zu einem Preis in Höhe von 5,00 € an.

Wegen der in diesem Angebot enthaltenen Formulierung "Alle weiteren Länder nach Kostenaufwand" mahnte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte ab. Diese unterwarf sich mit Schreiben vom 09.07.2009 und versprach die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,-- € für jeden Fall der Zuwiderhandlung.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Verfügungsbeklagte auch nach der Unterwerfungserklärung ihr Angebot in der bisherigen Form aufrechterhielt. Jedenfalls ließ der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 12.05.2010 erneut abmahnen. Mit Schreiben vom 28.05.2010 gab die Verfügungsbeklagte folgende Unterlassungserklärung ab:

"Die T GmbH, B-Straße 37 in C, verpflichtet sich, es zur Vermeidung einer für den Fall der schuldhaften Unterlassung vom Unterlassungsschuldner zu zahlenden Vertragsstrafe, die auch im Streitfall vom zuständigen Gericht überprüft werden kann, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Internet gegenüber Verbrauchern Angebote zum Absatz von Fernabsatzverträge über Quietscheenten und/oder Badeenten zu unterhalten und dabei folgende Klauseln zu verwenden:

"Alle weiteren Länder nach Kostenaufwand."

und/oder

"Im Regelfall liefern wir innerhalb von 5 - 10 Werktagen."

Die Angabe dieser Unterlassungserklärung erfolgt unter der auflösenden Bedingung einer Änderung oder endgültigen Klärung der Rechtslage. Die Anwendbarkeit des § 348 HGB wird ausgeschlossen. Es wird eine Aufbrauchfrist von 10 Werktagen vereinbart."

Mit Schreiben vom 01.06.2010 nahm der Verfügungskläger die Unterwerfungserklärung nur hinsichtlich der Lieferfrist an und kündigte im Übrigen die mit diesem Verfahren erfolgte gerichtliche Geltendmachung an.

Der Verfügungskläger behauptet mit weiterem Vorbringen, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, die Verfügungsbeklagte habe gegen die Unterwerfungserklärung vom 09.07.2009 verstoßen. Die strafbewehrte Unterlassungserklärung vom 28.05.2010 habe die Wiederholungsgefahr nicht ausschließen können, so dass weiterhin ein Unterlassungsanspruch bestehe. Hierzu trägt der Verfügungskläger die Auffassung vor, bei einer zweiten Unterlassungserklärung sei das Versprechen einer Vertragsstrafe nach dem sogenannten neuen Hamburger Brauch nicht ausreichend.

Der Verfügungskläger beantragt,

der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben,

es bei Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen.

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, im Zusammenhang mit dem Angebot von Waren an Verbraucher im Fernabsatz im Rahmen eines Internetshops Quietscheenten und/oder Badeenten anzubieten

und dabei im Rahmen der Angaben zu den anfallenden Versandkosten die folgende Formulierung zu verwenden:

"Alle weiteren Länder nach Kostenaufwand"

wenn dies wie in Anlage ASt 1 ersichtlich geschieht.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte hält das Unterlassungsbegehren des Verfügungsklägers bereits für rechtsmissbräuchlich. Außerdem habe sie Badeenten schon vor dem 09.07.2009 aus ihrem Angebot herausgenommen und den Vermerk "Ausverkauft" eingestellt. Ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien bestehe daher nicht mehr. Es liege auch kein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung vor. Zudem fehle wegen der Unterlassungserklärung vom 28.05.2010 jedenfalls die Wiederholungsgefahr.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der dortigen Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unzulässig und war daher zurückzuweisen. Denn der Antragsbefugnis des Verfügungsklägers steht entgegen, dass die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG ist.

Für die Beurteilung eines Missbrauchs gelten zunächst die folgenden, in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 20.05.2010 (I-4 U 225/09) zusammengefassten Grundsätze:

"Von einem Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Diese müssen zwar nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein, aber eindeutig überwiegen. Als typischen Beispielsfall eines sachfremden Motivs nennt das Gesetz ausdrücklich das Gebührenerzielungsinteresse. Dabei dient die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs vorwiegend dazu, gegen die Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Von einem solchen Gebührenerzielungsinteresse ist auszugehen, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalls aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Gläubiger kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann und deshalb allein oder ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgt haben muss. Daneben kommt auch ein besonderes Kostenbelastungsinteresse als sachwidriges Motiv in Betracht. Davon ist auszugehen, wenn es dem Anspruchsteller in erster Linie darum geht, einen bestimmten oder mehrere Wettbewerber mit Kosten und Risiken zu belasten, die geeignet sind, seine personellen und finanzielle Kräfte zu binden (BGH GRUR 2001, 82, 83 - Neu in Bielefeld I; Köhler/Bornkamm, a.a.O. § 8 Rdn. 4.13)."

In der soeben genannten Entscheidung hat das Oberlandesgericht im Ergebnis kein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Verfügungsklägers angenommen. Auch die erkennende Kammer hat noch in einem Urteil vom 25.05.2010 (I-12 O 235/09) letztlich keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs erkennen können. Aufgrund nach Erlass dieser Entscheidung bekannt gewordener neuer Erkenntnisse ergibt sich zusammen mit den bereits in den früheren Entscheidungen enthaltenen Indizien nunmehr ein eindeutiges Übergewicht sachfremder Motive des Verfügungsklägers.

a)

Die in der mündlichen Verhandlung angesprochene Auflistung der beim Landgericht Bochum anhängig gemachten Verfahren zeigt, dass der Verfügungskläger in durchaus erheblichem Umfang Abmahnungen aussprechen lässt. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass eine größere Zahl von Abmahnungen ihr Ziel erreicht haben dürfte, so dass es nicht zu Gerichtsverfahren kam. Auch umfangreiche Abmahntätigkeiten können für sich allein aber noch keinen Missbrauch belegen, wenn umfangreiche Wettbewerbsverstöße in Betracht kommen (OLG Hamm vom 20.05.2010 - I-4 U 225/09 m.w.N.). Die Anzahl der ausgesprochenen Abmahnungen belegt aber, ohne dass es auf ihre genaue Zahl ankäme, immerhin, dass auch bei dem vom Verfügungskläger in dem Verfahren I-12 O 235/09 behaupteten Umsatz von über 200.000,-- € im Jahre 2009 die durch den Ausspruch von Abmahnungen und die Einleitung gerichtlicher Verfahren erzielbaren Kostenerstattungs- und Vertragsstrafeansprüche nicht so unerheblich waren, das finanzielle Ziele von vornherein auszuschließen wären.

b)

Die vom Verfügungskläger ausgesprochene Abmahnung und die eingeleiteten Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass überhöhte Streitwerte angesetzt werden. Wenn die Gerichte diesen Angaben folgen würden, ergäben sich somit besonders hohe Gebührenforderungen auf Verfügungsklägerseite. So ist in dem Verfahren I-13 O 164/08 Landgericht Bochum ein Streitwert von 60.000,-- € angegeben worden. Dieser wurde vom Gericht auf 20.000,-- € herabgesetzt. Mit dieser den ansonsten üblichen Streitwerten entsprechenden Festsetzung hat sich der Verfügungskläger nicht zufrieden gegeben, sondern versucht mit Hilfe der Beschwerde seine Streitwertvorstellungen durchzusetzen. Die Beschwerde ist jedoch vom Oberlandesgericht Hamm zurückgewiesen worden (I-4 U 120/08). In seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in dem Verfahren I-12 O 16/10 Landgericht Bochum gab der Verfügungskläger den Streitwert mit 30.000,-- € an, obwohl er in der zugrunde liegenden Abmahnung, die sich auf die Erledigung der Hauptsache insgesamt bezog, selbst auch nur von einem Streitwert in Höhe von 30.000,-- € ausgegangen war. Mit den überhöhten Streitwertangaben im Gerichtsverfahren korrespondieren überhöhte Streitwertbemessungen in vorgerichtlichen Schreiben. So wurden mit der Abmahnung vom 17.11.2008, deren Beanstandungen später Gegenstand des Verfahrens I-12 O 317/08 Landgericht Bochum wurden, ein trotz der Vielzahl der gerügten Verstöße weit überhöhter Streitwert von 60.000,-- € angesetzt. In derselben Sache ließ der Verfügungskläger im Rahmen einer Kostenerstattungsforderung für ein Abschlussschreiben vortragen, der Streitwert des Hauptsacheverfahrens sei mit 90.000,-- € zu beziffern. Mit diesem Verhalten als - im konkreten Fall allerdings nicht ausreichendes - Indiz für rechtsmissbräuchliches Verhalten hat sich bereits das Oberlandgericht Hamm in der Entscheidung vom 04.05.2010 (I-4 U 12/10) auseinandergesetzt. In diese Versuche, durch überhöhte Streitwertangaben hohe Gebühren zu realisieren, passt sich stimmig ein, dass Kostenerstattungsansprüche mit demselben Nachdruck verfolgt werden, wie die Hauptansprüche. So wurde in der Abmahnung vom 03.07.2009 (vgl. Verfahren I-12 O 235/09) nicht nur eine Frist zur Abgabe der Unterwerfungserklärung bis zum 15.07.2009, 12.00 Uhr, gesetzt, sondern zugleich sollte diese Frist auch zur Erfüllung des Kostenerstattungsanspruchs gelten.

Von der abgemahnten Partei wurden ferner Gebühren auch dann verlangt, wenn keine Erstattungspflicht bestand. In dem Verfahren I-12 O 85/10 und I-12 O 101/10 (Schriftsätze vom 12.05.2010 und 21.04.2010) wurden Gebühren auch für die erstmalige Einforderung einer Vertragsstrafe gefordert, ohne dass die beklagte Partei sich in Verzug befand.

c)

Das den Abmahnungen beigefügte Formular einer Unterwerfungserklärung sieht regelmäßig (vgl. z.B. die Verfahren I-12 O 235/09, I-12 O 101/10, I-12 O 114/10 und I-12 O 121/10) den Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs vor. Bereits in seiner Entscheidung vom 10.12.1992 hat der Bundesgerichtshof (I-ZR 186/90) das systematische Abverlangen uneingeschränkter Verzichtsklauseln als bedenklich angesehen, weil sie den Zweck, mittels gehäufter Strafsanktionen möglichst hohe Einnahmen zu erzielen, deutlich und möglicherweise auch ungebührlich in den Vordergrund treten lassen. Die - dem Verfügungskläger möglicherweise unbekannte - Fortentwicklung der Rechtsprechung zur Frage des Fortsetzungszusammenhangs ändert an der Motivationslage nichts.

d)

In dem nunmehr zu entscheidenden Verfahren I-12 O 101/10 hatte die Verfügungsbeklagte sich zunächst unterworfen und die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,-- € im Fall der Zuwiderhandlung versprochen. Nach einem erneuten Verstoß begehrte der Verfügungskläger eine Unterwerfungserklärung mit einer Vertragsstrafenverpflichtung in Höhe von 7.500,-- € für den Fall eines neuerlichen Verstoßes. Die Verfügungsbeklagte gab daraufhin eine Unterwerfungserklärung ab, die beide Parteien als eine solche nach Hamburger Brauch ansehen. Der Verfügungskläger verweigerte die Annahme dieser Unterwerfungserklärung. Dabei störte er sich allerdings nicht an einzelnen Formulierungen, sondern er befürchtet, dass Gerichte im Wiederholungsfall die Vertragsstrafe aus seiner Sicht zu niedrig ansetzen könnten. Diese Besorgnis hält für die Kammer für so fernliegend, dass sie vollständig in den Hintergrund treten muss. Denn beim sogenannten Hamburger Brauch bestimmt zunächst der Gläubiger die Höhe der Vertragsstrafe und die Gerichte überprüfen dann nur deren Angemessenheit. Es kann als sicher davon ausgegangen werden, dass Gerichte berücksichtigen werden, dass die bisherige Vertragsstrafe von 5.100,-- € den Schuldner nicht von weiteren Verstößen abgehalten hat und daher eine höhere Vertragsstrafe für den Wiederholungsfall anzusetzen ist. Die Ablehnung der vorgelegten Unterwerfungserklärung und die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens geben einen weiteren Anhaltspunkt dafür, dass es dem Verfügungskläger in besonderem Maße um die Erzielung von Einnahmen geht.

e)

Abgerundet wird das bisherige Bild besonders vom Verhalten des Verfügungsklägers in dem Verfahren I-12 O 114/10. Der dortige Verfügungsbeklagte hat fristgerecht dem Begehren des Verfügungsklägers entsprochen, eine Unterwerfungserklärung abzugeben. Das berechtigte Interesse (vgl. auch Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Auflage 2010, § 12 Rdn. 1.28) daran, eine Originalvollmacht zu erhalten, liegt auf der Hand und braucht nicht weiter ausgeführt zu werden. Diesem verständlichen und nachvollziehbaren Wunsch des Verfügungsbeklagten stand ein nur völlig unerheblicher Aufwand auf Seiten des Verfügungsklägers gegenüber. Die Übersendung der Originalvollmacht wäre weder mit nennenswertem Aufwand noch mit nennenswerten Kosten verbunden gewesen. Dies gilt umso mehr, als im anschließenden Prozess ohnehin auf die zu erwartende Rüge des Verfügungsbeklagten die Originalvollmacht vorzulegen war. Gerade auch im Hinblick auf die höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage, ob einer Abmahnung die Originalvollmacht beizufügen ist und die unterschiedlichen Standpunkte hierzu in Literatur und Rechtsprechung ist kein billigenswertendes Motiv zu erkennen, aufgrund dessen der Verfügungskläger die Übersendung der Originalvollmacht verweigern durfte. Dem Verfügungskläger war vielmehr offenbar erneut daran gelegen, ein gerichtliches Verfahren mit dessen Kostenfolgen einzuleiten.

Die Gesamtschau aller vorstehenden Indizien, von denen einzelnen nur geringeres Gewicht zukommen mag, die aber insgesamt ein stimmiges Bild ergeben, belegt, dass der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs zumindest weit überwiegend sachfremde Motive zugrunde lagen. Damit fehlt dem Verfügungskläger aber die Antragsbefugnis. Der gleichwohl gestellte Antrag war kostenpflichtig als unzulässig zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.






LG Bochum:
Urteil v. 13.07.2010
Az: 12 O 101/10


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