Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Januar 2010
Aktenzeichen: 6 W (pat) 317/09

(BPatG: Beschluss v. 19.01.2010, Az.: 6 W (pat) 317/09)

Tenor

Das Patent 199 18 414 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:

Patentansprüche 1 bis 11, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, übrige Unterlagen wie erteilt.

Gründe

I.

Gegen das am 3. November 2005 veröffentlichte Patent 199 18 414 mit der Bezeichnung "Antriebseinheit für ein Tor und Verfahren zum Betrieb einer Antriebseinheit für ein Tor" ist am 3. Februar 2006 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 bzw. des nebengeordneten Anspruchs 8 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende auf die bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften

(E1) DE 197 05 543 A1 und (E3) DE 196 39 501 A1 sowie zusätzlich noch auf die Druckschriften

(E2) DE 29 33 517 A1, (E4) DE 195 23 210 C1 und (E5) DE 31 32 549 A1.

Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin überreicht in der mündlichen Verhandlung neue Ansprüche 1 bis 11 und beantragt, das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

Patentansprüche 1 bis 11, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, übrige Unterlagen wie erteilt.

Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 bzw. des nebengeordneten Anspruchs 8 auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

"Antriebseinheit für ein Tor mit einem elektromechanischen Antriebsmotor (10), mit einem Getriebe (12), wobei mittels dessen Abtriebsachse (13) das Tor bewegbar ist, mit einer Positionserfassungseinrichtung, bestehend aus einer elektronischen Steuerungseinheit (14) und einem Informationsgeber (17) und mit einem Informationsträger (15), der auf der Abtriebsachse (13) zentrisch angeordnet ist, an dessen Umfang beabstandete Informationsinhalte (2 bis 8) abgelegt sind, wobei mindestens ein ungleichmäßig beabstandeter Informationsinhalt (1) und mindestens ein ungleichmäßig ausgebildeter Informationsinhalt (1) vorhanden ist, so dass auch die Drehrichtung erfassbar ist, und dass die elektronische Steuerungseinheit (14) ein Abtastsystem (16) aufweist, das mit dem Informationsträger (15) so zusammenwirkt, dass pro Umdrehung des Informationsträgers (15) ein in der zeitlichen Länge veränderter Impuls erfasst wird und in der elektronischen Steuerungseinheit (14) nicht flüchtig speicherbar und weiterverarbeitbar ist."

Der nebengeordnete Anspruch 8 lautet:

"Verfahren zum Betrieb einer Antriebseinheit für ein Tor mit einem elektromechanischen Antriebsmotor (10) mit einem Getriebe (12), wobei mittels dessen Abtriebsachse (13) das Tor bewegbar ist, mit einer Positionserfassungseinrichtung, bestehend aus einer elektronischen Steuerungseinheit (14) und einem Informationsgeber (17) und mit einem Informationsträger (15), der auf der Abtriebsachse (13) zentrisch angeordnet ist, an dessen Umfang beabstandete Informationsinhalte (2 bis 8) abgelegt sind, wobei mindestens ein unregelmäßig beabstandeter Informationsinhalt (1) und mindestens ein unregelmäßig ausgebildeter Informationsinhalt (1) vorhanden ist, so dass auch die Drehrichtung erfassbar ist, und dass die elektronische Steuerungseinheit (14) ein Abtastsystem (16) aufweist, das mit dem Informationsträger (15) so zusammenwirkt, dass pro Umdrehung des Informationsträgers (15) ein in der zeitlichen Länge veränderter Impuls erfasst wird und in der elektronischen Steuerungseinheit (14) nicht flüchtig speicherbar und weiterverarbeitbar ist."

Wegen der rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 und 9 bis 11 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt sind zusätzlich noch folgende Druckschriften berücksichtigt worden:

DE 41 06 149 A1 DE 89 15 971 U1 EP 05 00 984 B1.

II.

1.

Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig geblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. -Informationsübermittlungsverfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II; BGH GRUR 2009, 184 f. -Ventilsteuerung).

2.

Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.

Dies ist seitens der Patentinhaberin nicht bestritten worden.

3.

Die geltenden Ansprüche sind zulässig.

Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2 i.

V. m. S. 3, Z. 7 der Anmeldungsunterlagen bzw. dem erteilten Anspruch 1 i.

V. m. Abs. [0011] der Streitpatentschrift. Der geltende Anspruch 8 ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2 i. V. m. S. 3, Z. 7 und dem die Seiten 3 und 4 übergreifenden Absatz der Anmeldungsunterlagen bzw. dem erteilten Anspruch 8 i. V. m. Abs. [0011] der Streitpatentschrift. Die geltenden Ansprüche 2 bis 7 entsprechen den ursprünglichen bzw. erteilten Ansprüchen 3 bis 8. Die geltenden Ansprüche 9 bis 11 ergeben sich aus dem die Seiten 3 und 4 übergreifenden Absatz der Anmeldungsunterlagen bzw. den erteilten Ansprüchen 9 bis 11.

4. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu.

Die Neuheit des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1 gegenüber den genannten Entgegenhaltungen ist seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden, sie ist auch gegeben, wie eine Überprüfung durch den Senat ergeben hat und wie im Übrigen die nachfolgenden Ausführungen zeigen.

b. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Antriebseinheit gemäß dem geltenden Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als Ergebnis der mündlichen Verhandlung sieht der Senat als wesentlichen Aspekt der vorliegenden Erfindung die Möglichkeit, bei einer Antriebseinheit für ein Tor mit ein und derselben Vorrichtung sowohl die jeweilige Position des Tores als auch die Drehrichtung des Antriebsmotors bestimmen zu können. Dies wird im Wesentlichen durch die Merkmale erreicht, wonach mindestens ein ungleichmäßig beabstandeter Informationsinhalt und mindestens ein ungleichmäßig ausgebildeter Informationsinhalt vorhanden ist.

Eine derartige Vorrichtung ist durch den nachgewiesenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahe gelegt.

Die (E1) DE 197 05 543 A1 offenbart eine Antriebseinheit für ein Tor mit einem elektromechanischen Antriebsmotor 60, mit einem Getriebe 17, wobei mittels dessen Abtriebsachse 17 das Tor 18 bewegbar ist (Anspruch 1), mit einer Positionserfassungseinrichtung (Baugruppe 62 -Sp. 6, Z. 2 bis 7), bestehend aus einer elektronischen Steuerungseinheit 12 (Sp. 5, Z. 38 bis 40) und einem Informationsgeber (Drehstellungsbzw. Winkelgeber 62) und mit einem Informationsträger.

Ein Informationsträger ist in der (E1) DE 197 05 543 A1 zwar nicht expressis verbis erwähnt oder beschrieben, er muss jedoch für eine ordnungsgemäße Funktion des Torantriebes unterstellt werden.

Zu den übrigen Merkmalen des geltenden Anspruchs 1 vermag die (E1) DE 197 05 543 A1 schon allein deshalb keine Anregung zu liefern, da dort lediglich das Vorhandensein eines Drehstellungsbzw. Winkelgebers zur Ermittlung der absoluten Torposition beschrieben ist (Sp. 6, Z. 2 bis 7), so dass mit dieser Antriebseinheit zwar die Position des Tores, nicht jedoch die Drehrichtung des Antriebsmotors ermittelt werden kann, wie es erfindungsgemäß vorgesehen ist.

Aus der (E2) DE 29 33 517 A1 ist ein Geber zur Erfassung der Drehzahl und/oder eines markierten Drehwinkels einer Welle bekannt (vgl. Anspruch 1). Dieser Geber weist eine mit Markierungen 21 -32 versehene Scheibe auf, die derart in zwölf Bereiche unterteilt ist, dass in einem der Bereiche eine Bezugsmarke 33 angeordnet ist, deren Winkelabstand zur vorangehenden oder zur nachfolgenden Markierung wesentlich kleiner wie der Winkelabstand zur vorhergehenden Markierung 32 ist bzw. umgekehrt (vgl. Anspruch 1 und die einzige Figur). Somit offenbart die (E2) DE 29 33 517 A1 in der Terminologie der Erfindung allenfalls das Merkmal, wonachbei einem Informationsträger mindestens ein ungleichmäßig beabstandeter Informationsinhalt vorhanden ist.

Darüber hinausgehende Merkmale sind der (E2) DE 29 33 517 A1 nicht zu entnehmen und insbesondere nicht das Merkmal, wonach mindestens ein ungleichmäßig ausgebildeter Informationsinhalt vorhanden ist. Dort sind nämlich alle Informationsinhalte (= Bezugsmarken 21 bis 33) gleich ausgebildet (vgl. die einzige Figur). Ebenso wenig vermag die (E2) DE 29 33 517 A1 einen Hinweis dahingehend zu geben, dass mit der dort beschriebenen Ausgestaltung auf die Drehrichtung eines Motors geschlossen werden kann. Die Erfassung der Drehrichtung ist dort auch gar nicht erforderlich, da besagter Geber im Zusammenhang mit einer Brennkraftmaschine eingesetzt werden soll (S. 4, Abs. 2), welche grundsätzlich nur in einer Richtung dreht.

Die (E3) DE 196 39 501 A1 offenbart einen Antrieb für eine Tür oder ein Fenster (Anspruch 1), mit einer Antriebseinheit mit einem elektromechanischen Antriebsmotor 3, mit einem Getriebe 61a -61c, wobei mittels dessen Abtriebsachse 61 die Tür bewegbar ist, mit einer Positionserfassungseinrichtung, bestehend aus einer elektronischen Steuerungseinheit 2 und einem Informationsgeber 6 und mit einem Informationsträger 63, der auf der Abtriebsachse 61 zentrisch angeordnet ist, an dessen Umfang beabstandete Informationsinhalte abgelegt sind, wobei die elektronische Steuerungseinheit 2 ein Abtastsystem aufweist.

Darüber hinausgehende Merkmale sind der (E3) DE 196 39 501 A1 nicht zu entnehmen und insbes. nicht die Merkmale, wonach mindestens ein ungleichmäßig beabstandeter Informationsinhalt und mindestens ein ungleichmäßig ausgebildeter Informationsinhalt vorhanden ist. Dort werden vielmehr die Informationsinhalte von einem Strichcode gebildet, welcher auf eine Codescheibe 63 aufgebracht ist (Sp. 4, Z. 19 bis 37).

Die (E4) DE 195 23 210 C1 offenbart eine Betätigungsvorrichtung für elektromotorisch bewegbare Teile von Kraftfahrzeugen (Sp. 1, Z. 3 bis 5), bei der ein Informationsträger 9 vorgesehen ist, welcher mit einer Vielzahl von unterschiedlich gepolten Magneten besetzt ist, welche mit Magnetsensoren 10, 10a und einem Mikroprozessor 7 zusammenwirken (Fig. 2 und Sp. 3, Z. 42 bis 52). Des Weiteren ist ein Istwertgeber 11 vorgesehen, mittels dessen Zählfehler des Mikroprozessors ausgeglichen werden können (Sp. 3, Z. 67 bis Sp. 4, Z. 5). Durch diese Anordnung kann zwar sowohl die Drehrichtung des Motors (Sp. 3, Z. 50 bis 52) als auch die Position des bewegten Teils (Sp. 3, Z. 55/56) ermittelt werden, dies erfolgt aber nicht über mindestens einen ungleichmäßig beabstandeten Informationsinhalt und mindestens einen ungleichmäßig ausgebildeten Informationsinhalt, sondern über mit Magneten besetzte Scheiben.

Die (E5) DE 31 32 549 A1 offenbart eine Vorrichtung zur Erfassung der Drehzahl von rotierenden Teilen mit einer elektronischen Steuerungseinheit und einem Informationsgeber 3 und mit einem Informationsträger 1, an dessen Umfang beabstandete Informationsinhalte 2 abgelegt sind, wobei mindestens ein ungleichmäßig ausgebildeter Informationsinhalt 2 vorhanden ist (Fig. 1 und S. 6, Abs. 2, letzter Satz). Eine Ausgestaltung, bei der zusätzlich zu dem ungleichmäßig ausgebildeten Informationsinhalt noch mindestens ein ungleichmäßig beabstandeter Informationsinhalt vorgesehen ist, ist dort jedoch nicht zu entnehmen.

Der übrige Stand der Technik, der in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen worden ist, liegt erkennbarerweise noch weiter vom Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ab, da auch dort kein Informationsträger entnehmbar ist, der mindestens einen ungleichmäßig beabstandeten und mindestens einen ungleichmäßig ausgebildeten Informationsinhalt aufweist.

Die Einrichtungen nach den angezogenen Druckschriften arbeiten auf der Basis von abweichenden Informationsinhalten und unterschiedlichen Messmethoden, die bei der patentgemäßen Antriebseinheit keine Anwendung finden. Insbesondere ist daraus keine Anregung zu entnehmen, einen Informationsträger zu schaffen, der mindestens einen ungleichmäßig beanstandeten Informationsinhalt und mindestens einen ungleichmäßig ausgebildeten Informationsinhalt aufweist, um damit sowohl die Position des Tores als auch die Drehrichtung des Antriebsmotors zu ermitteln. Auch wenn darüber hinaus separat jeweils für sich einzelne Merkmale bekannt sein mögen, erhält der Fachmann keinen Hinweis, diese in der beanspruchten Weise miteinander zu kombinieren und damit zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 zu gelangen (Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 4, Rdn. 63).

Der geltende Anspruch 1 ist somit gewährbar.

c. Neuheit und erfinderische Tätigkeit des nebengeordneten Anspruchs 8.

Die vorstehenden Ausführungen gelten sinngemäß auch für den nebengeordneten Anspruch 8, der ein Verfahren zum Betrieb einer Antriebseinheit für ein Tor betrifft. Denn da dieser Anspruch als Verfahrensanspruch im Wesentlichen die gleichen Merkmale aufweist wie der geltende Anspruch 1, treffen die obigen Ausführungen auch auf ihn zu.

Der nebengeordnete Anspruch 8 ist somit ebenfalls gewährbar.

d. Zusammen mit dem Anspruch 1 bzw. 8 sind auch die rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 und 9 bis 11 gewährbar, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen des Erfindungsgegenstandes betreffen.

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BPatG:
Beschluss v. 19.01.2010
Az: 6 W (pat) 317/09


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