Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 2. September 2003
Aktenzeichen: 4a O 212/00

(LG Düsseldorf: Urteil v. 02.09.2003, Az.: 4a O 212/00)

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

III.

Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung

des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig voll-

streckbar.

Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürg-

Schaft einer in Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgin

Zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Geschmacksmusterverletzung sowie wettbewerbswidriger Leistungsübernahme auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung in Anspruch.

Der Kläger führt unter der Geschäftsbezeichnung "D" ein Unternehmen, dessen Geschäftsgegenstand die Entwicklung, Herstellung und der Vertrieb von Werbe- und Geschenkartikeln aus verschiedenen Materialien, insbesondere aus Kunststoff ist. Das Hunderte von Gegenständen umfassende Artikelsortiment des Klägers wird jedes Jahr in einem in hoher Auflage erscheinenden Katalog dargestellt und den Kunden, überwiegend Unternehmen, die die Artikel des Klägers zu Werbezwecken einsetzen, angeboten.

Die in Belgien ansässige Beklagte befasst sich mit dem Vertrieb von Fotorahmen.

Der Kläger hat mit Herrn Armin E, der eingetragener Inhaber des internationalen Geschmacksmusters DM/052 703 (nachfolgend: Klagegeschmacksmuster) ist, einen Lizenzvertrag abgeschlossen, der den Kläger zur Herstellung und zum Vertrieb der durch das Klagegeschmacksmuster geschützten Gegenstände berechtigt sowie zum unmittelbaren Vorgehen gegen Verletzer des Geschmacksmusters in eigenem Namen. In der als Anlage K 2 vorgelegten "Prozessstandschaftserklärung" vom 20.6.2002 ermächtigt Herr E die "Firma D außerdem ausdrücklich, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gegen die Beklagte zu klagen, wobei die Ermächtigung für die Unterlassungsansprüche sowie die Ansprüche auf Schadensersatz und Auskunft gelte. Die letztgenannten Ansprüche würden vorsorglich an "die Firma D abgetreten.

Das Klagegeschmacksmuster wurde am 15.6.2000 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 17.12.1999 angemeldet. Es betrifft einen Fotographie-Ständer. Die von dem Anmelder hinterlegten Fotographien werden nachfolgend wiedergegeben:

Hier folgen zwei Bilder -

Das Klagegeschmacksmuster wird von dem Kläger gewerblich genutzt und war erstmals im Produktkatalog für 2002 enthalten.

Das nachfolgend wiedergegebene Werbeblatt stammt von der Beklagten und gibt einen Fotorahmen mit Foto wieder.

Hier folgt ein Bild -

Der Kläger hat ein Muster des vorstehend gezeigten Fotorahmens als Anlage K 6 vorgelegt. Außerdem wird auf die nachfolgend im Klageantrag wiedergegebene Ablichtung des Fotorahmens der Beklagten verwiesen.

Der Kläger sieht in dem Fotorahmen der Beklagten eine widerrechtliche Nachbildung des Klagegeschmacksmusters. Außerdem liege eine unzulässige Leistungsübernahme vor. Zur Begründung behauptet der Kläger, die Beklagte habe den von ihm im Original als Anlage K 6 vorgelegten Fotorahmen auf der internationalen Messe PSI in Düsseldorf im Januar 2002 vorgestellt und beworben. Der Gegenstand des Klagegeschmacksmusters sei bei ihm bereits jetzt mit fünfstelligen Stückzahlen nachgefragt bzw. ausgeliefert worden. Der Fotorahmen sei von ihm bis heute in einer beachtlichen Stückzahl von mehr als 500.000 Stück in den Verkehr gebracht worden. Der Fotorahmen sei nicht nur in seinem - des Klägers - in hoher Auflage aufgelegten Farbkatalog präsentiert worden, sondern zudem auf den wichtigsten Fachmessen im In- und Ausland ausgestellt worden, und zwar auf der PSI in Düsseldorf und in Paris sowie der Promota in Birmingham und der Incentive in London. Er verfüge daher über wettbewerbliche Eigenart. Die Beklagte versucht durch die nahezu identische Gestaltung ihres Fotorahmens den Bekanntheitsgrad und den guten Ruf seines - des Klägers - Produkts für ihr eigenes Erzeugnis auszubeuten.

Der Kläger beantragt,

der Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder

Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an

dem Geschäftsführer der Beklagten, für jeden einzelnen

Fall der Zuwiderhandlung zu verbieten,

Rahmen zur Aufnahme von Bildern, Postkarten oder

dergleichen herzustellen und/oder feilzuhalten und/oder

in Verkehr zu bringen, mit folgenden Merkmalen:

Der Rahmen besteht aus einem flachen, einstückigen

Bauteil.

Der Rahmen besteht aus flexiblem Kunststoffmaterial.

Die Fläche des Rahmens ist durch Nuten in Funktionselemente aufgeteilt.

Die Funktionselemente sind

eine Blende,

ein Stützteil und

ein zungenförmiger Abstandshalter mit Arretiervorrichtung.

Die vier Seitenkanten des Rahmens sind leicht bogenförmig nach innen gewölbt.

Durch Biegen von Stützteil und Abstandshalter und durch Arretieren der Arretiervorrichtung kann der Rahmen zu einem dreidimensionalen Bilderrahmen aufgestellt werden.

Insbesondere wenn der Rahmen eine Gestaltung auf-

weist, wie sie aus den nachfolgenden Abbildungen er-

sichtlich ist:

Hier folgt ein Bild -

II.

Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm -

dem Kläger - allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus

Handlungen gemäß Ziffer I entstanden ist und noch

Entstehen wird,

III.

die Beklagte zu verurteilen, ihm - dem Kläger - Auskunft

zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang

sie Handlungen gemäß Ziffer I vorgenommen hat, unter

Vorlage eines verbindlichen und vollständigen Verzeich-

nisses, das sich zu erstrecken hat auf,

Angaben der Liefermangen, der Lieferzeiten, des Lieferpreises und der Lieferempfänger,

Angabe der Angebotsmengen, der Angebotszeiten, der Angebotspreise und der Angebotsempfänger,

Angaben über die betriebene Werbung unter Bezeichnung der einzelnen Werbemitteln, deren Auflagenhöhen, deren Gestehungskosten und des Umfangs ihrer Verbreitung,

Angabe der Gestehungs- und/oder Anschaffungskosten, der Vertriebskosten, des Gemeinkostenanteils und des erzielten Gewinns.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, dass das Klagegeschmacksmuster in Kraft steht. Als Anlage B 1 werde eine Abbildung eines unter der Bezeichnung "phraem" angebotenen, faltbaren Fotorahmens vorgelegt, der von einem niederländischen Unternehmen vertrieben werde. Die Verpackung trage einen Urheberrechtsvermerk für den Fotorahmen, der auf das Jahr 1998 zurückgebe. Fotorahmen nach Art des Klagegeschmacksmusters seien außerdem aus verschiedenen US-Patentschriften - wie insbesondere der US-PS 289 799, der US-PS 2 553 174 und der US-PS 812 993 - seit langem bekannt gewesen. Zudem weist die Beklagte auf das deutsche Gebrauchsmuster 299 22 188 hin. Das Klagegeschmacksmuster sei gegenüber diesem bekannten Formenschatz nicht schutzfähig. Selbst wenn es als schutzfähig anzusehen sei, verfüge es nur über einen geringen Schutzumfang, dem der beanstandete Rahmen nicht unterliege. Sie, die Beklagte, treffe auch kein Verschulden, weil sie den beanstandeten Rahmen zwar vertreibe, nicht aber herstelle. Den Händler träfen geringere Nachforschungsobliegenheiten als den Hersteller eines Produkts im Hinblick auf geschmacksmusterrechtliche Verletzungen. Schließlich verfüge der von dem Kläger vertriebene Fotorahmen nicht über wettbewerbliche Eigenart. Gestalterische Elemente, die nicht technisch bedingt seien, seien praktisch nicht vorhanden. Der Kläger trage auch nicht substantiiert vor, in welchen Stückzahlen er sein Produkt auf den Markt bringe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

I.

Dem Kläger stehen Ansprüche wegen verbotener Nachbildung seines Geschmacksmusters durch den Bilderrahmen der Beklagten nicht zu, § 14a GeschmMG. Das Klagegeschmacksmuster ist nicht eigentümlich, § 1 Abs. 2 GeschmMG. Selbst wenn das Klagegeschmacksmuster aber als eigentümlich anzusehen sein sollte, liegt in dem Bilderrahmen der Beklagten jedenfalls keine unzulässige Nachbildung" § 14a GeschmMG.

1.

Der aus den bei der Anmeldung des Klagegeschmacksmusters hinterlegten beiden Fotografien ersichtliche Fotorahmen lässt eine, das ästhetische Empfinden des Betrachters ansprechende Formgebung erkennen, die im Wesentlichen durch folgende Gestaltungselemente gekennzeichnet ist:

Der Rahmen besteht aus einem flachen, einstückigen Bauteil.

Der Rahmen ist aus flexiblem Material gebildet.

Die Fläche des Rahmens ist durch Nuten in Funktionselemente unterteilt.

Die Funktionselemente sind:

eine rechteckige Blende

ein oben an der Blende angeordnetes Stützteil mit parallelen, seitlichen Ausnehmungen

ein unten an der Blende angeordneter Abstandhalter mit einer fächerförmigen Verbreiterung am Ende, der zwischen den seitlichen Ausnehmungen des Stützteils angeordnet ist.

Die Funktionselemente unterteilenden Nuten verlaufen - mit Ausnahme der fächerförmigen Verbreiterung am Ende des Abstandshalters - geradlinig und parallel zueinander.

Durch Biegen von Stützteil und Abstandshalter und durch Verrastung des verbreiterten fächerförmigen Endes des Abstandshalters mit den Ausnehmungen im Stützteil kann der Rahmen zu einem dreidimensionalen Bilderrahmen aufgestellt werden.

Der ästhetische Gesamteindruck des vorstehend nach seinen wesentlichen Gestaltungselementen beschriebenen Fotorahmens wird aus Sicht eines mit ästhetischen Formgebungen einigermaßen vertrauten Durchschnittsbetrachter in nicht aufgestelltem, zweidimensionalen Zustand vor allem durch die einstellige Ausgestaltung des Rahmens bestehend aus den ausgeschnittenen Funktionselementen Blende, Stützteil und Abstandshalter sowie durch die - bis auf das fächerartig geschnittene Ende des Abstandhalters - gerade, von einer imaginären vertikalen Mittellinie aus betrachtet symmetrische Linienführung der die Funktionsteile voneinander trennende Nuten geprägt. In aufgestelltem Zustand besitzt die bogenförmige Ausgestaltung des aus flexiblem Material bestehenden Rahmens eine gewisse Auffälligkeit. Insgesamt entsteht der Eindruck einer einfachen, ohne weitere Ausschmückungen, allein an der Funktion des Rahmens ausgerichtete Ausgestaltung eines Fotorahmens, der durch die einfache Betätigung Stützteil und Abstandshalter von einem zweidimensionalen Vorrats- in einen dreidimensionalen Nutzzustand versetzt werden kann.

2.

Das vorstehend nach seinen Gestaltungselementen und seiner ästhetischen Wirkung beschriebene Klagegeschmacksmuster ist nicht schutzfähig. Es ist zwar neu, ihm fehlt es aber gegenüber dem aus dem US-amerikanischen Patent 289 799 vorbekannten Formengut an der erforderlichen Eigentümlichkeit, " 1 Abs. 2 GeschmMG.

a)

Entgegen der Ansicht der Klägerin gehört das US-amerikanische Patent 289 799 zum vorbekannten Formenschatz und ist deshalb geeignet, dem Klagegeschmacksmuster als eigentümlichkeitshindernd entgegengehalten zu werden.

Zum vorbekannten Formenschatz zählen alle Gestaltungen, die den inländischen Fachkreisen im Anmeldezeitpunkt bekannt waren oder bei zumutbarer Beachtung der auf den einschlägigen oder benachbarten Gewerbegebieten vorhandenen Gestaltungen bekannt sein konnten (BGH, GRUR 1969, 90, 94 - Rüschenhaube; GRUR 2001, 1023 - 3-Speichen-Felgenrad). Ausgeschlossen sind demnach Muster, die aus grauer Vorzeit oder aus den entlegensten Gebieten stammen und deshalb dem Durchschnittsgestalter verschlossen bleiben (vgl. BGH, a.a.O., 92 - Rüschenhaube). Gestaltungen, die vor Jahrhunderten geschaffen wurden, können jedoch als neuheitsschädlich oder eigentümlichkeitshindernd in Betracht zu ziehen sein, wenn sie in einer berücksichtigungsfähigen Wahrnehmungsmöglichkeit dokumentiert sind und deshalb vom Durchschnittsgestalter ohne übermäßige Schwierigkeiten recherchiert werden können. Berücksichtigungsfähig sind Veröffentlichungen, insbesondere amtliche Veröffentlichungen. Patentschriften können bei Erzeugnissen mit technischer Funktion eher berücksichtigungsfähig sein, als bei Erzeugnissen des Kunsthandwerks oder der Mode (vgl. Eichmann/von Falckenstein, GeschmMG, 2. Aufl., § 1, Rn. 26).

Nach diesen Grundsätzen ist anzunehmen, dass es sich bei der US-amerikanischen Patentschrift 289 799 um eine Veröffentlichung handelt, die einem sorgfältigen Durchschnittsgestalter für Fotografie- und Bilderrahmen bei Anmeldung des Klageschmacksmusters bekannt sein konnte. Zwar wurde die US-amerikanische Patentschrift bereits am 11. Dezember 1883 veröffentlicht. Das schließt die Berücksichtigungsfähigkeit der Entgegenhaltung jedoch nicht aus, weil es sich nicht um ein in Vergessenheit geratenes Muster handelt, sondern um eine amtliche Veröffentlichung, die auch heute noch ohne größere Schwierigkeiten recherchiert werden kann. Ein aufstellbarer Fotorahmen ist auch kein Erzeugnis des Kunsthandwerks, für das der sorgfältige Durchschnittsdesigner technische Schutzrechte als Erkenntnisquellen von vornherein ausschließt. Vielmehr lag es für ihn nahe, bei der Suche nach Anregungen für die Gestaltung eines möglichst einfach ausgebildeten aufstellbaren Fotorahmens auch im Bereich technischer Schutzrechte zu recherchieren. Ist aber von einem sorgfältigen Durchschnittsgestalter zu erwarten, dass er auch Patentschriften als eine mögliche Quelle für gestalterische Ideen und Vorstellungen ansah, so gab es für ihn auch keinen Grund, seine Suche in zeitlicher Hinsicht einzuschränken. Denn ihm war bekannt, dass die Gestaltung von aufstellbaren Foto- oder Bilderrahmen eine Technik betrifft, über die sich bereits vor hundert Jahren bekannt gemachte Patentschriften verhalten konnten. Der Berücksichtigung des US-amerikanischen Patentschrift als vorbekanntes Formengut steht daher der Umstand, dass diese bereits mehr als hundert Jahre vor Anmeldung des Klagegeschmacksmusters veröffentlicht wurde, nicht entgegen.

b)

Das Klagegeschmacksmuster wird durch den aus der genannten US-amerikanischen Patentschrift bekannten Rahmen nicht neuheitsschädlich vorweggenommen.

Nach § 13 GeschmMG wird mit der Urheberschaft des Musteranmelders die Neuheit des angemeldeten Musters vermutet (BGH, GRUR 1966, 681, 683 - Laternenflasche, GRUR 1969, 90, 95 - Rüschenhaube, GRUR 1980, 235, 236 - Play familiy). Einem Muster, dessen Gesamteindruck - wie hier - durch die Kombination mehrerer verschiedener Gestaltungselemente bestimmt wird, fehlt nur dann die Neuheit, wenn sich die vollständige Zusammenfassung aller kombinierter Elemente in einer einzigen konkreten Entgegenhaltung feststellen lässt (vgl. BGH, a.a.O. - Play family).

Das ist bei dem aus dem US-amerikanischen Patent 289 799 bekannten Rahmen nicht der Fall. Dieser besteht zwar - nicht anders als der klagegeschmacksmustergegenständliche Rahmen - aus einem flachen, einstückigen Bauteil. Denn in der Beschreibung des Patents wird ausgeführt, dass die Erfindung der Verbesserung von Präsentationsständern dient, die aus einem einzigen Stück Pappe oder anderem steifen Material hergestellt sind (vgl. Anlage B 3, Z. 8 ff.). Das Material ist zudem flexibel ausgestaltet, weil es in die richtige Form gebogen werden kann (a.a.O., Z. 11), wie sich auch aus den Figuren 2 und 3 ergibt. Die Beschreibung und den Figuren des Patents kann ferner entnommen werden, dass die Fläche des Rahmens durch Nuten in Funktionselemente unterteilt ist und der Rahmen als Funktionselemente eine Blende A, ein oben an der Blende angeordnetes Stützteil C sowie einen Abstandshalter E aufweist (a.a.O., Z. 43 ff.; Figuren 1 bis 3). Der aus dem Patent bekannte Rahmen kann auch aus einem zweidimensionalen Ruhezustand zu einem dreidimensionalen Bilderrahmen aufgestellt werden, indem das Stützteil und der Abstandshalter gebogen werden (a.a.O., Z. 36 ff.; Figuren 1 bis 3). Allerdings ist - abweichend vom Klagegeschmacksmuster - der Abstandshalter nicht unten an der Blende A, sondern unten an dem Stützteil C angeordnet und wird das freie Ende des Abstandshalters - notwendigerweise - nicht in einer Ausnehmung am Stützteil, sondern in einer Ausnehmung an der Blende verrastet (a.a.O., Figuren 1 bis 3).

Zudem ist das Stützteil C nicht mit parallelen seitlichen Ausnehmungen sowie der Abstandshalter E nicht mit einer fächerförmigen Verbreiterung am Ende ausgebildet; vielmehr weisen die drei Funktionselemente des Rahmens die Form eines Dreiecks auf, wobei das obere Ende des Dreiecks abgeflacht ist und auf der Blende zwei hornartige Vorsprünge angeordnet sind. Entsprechend der Dreiecksform der Funktionsteile verlaufen die die Funktionsteile unterteilenden Nuten zwar gradlinig, nicht aber parallel zueinander (vgl. a.a.O., Figuren 1 - 3).

c)

Gegenüber dem aus der US-amerikanischen Patentschrift 289 799 vorbekannten Bilderrahmen erweist sich das Klageschmacksmuster jedoch als nicht eigentümlich, § 1 Abs. 2 GeschmMG.

Eigentümlich ist ein Muster, wenn es in den für die ästhetische Wirkung maßgeblichen Gestaltungselementen als Ergebnis einer eigenpersönlichen form- oder farbschöpferischen Tätigkeit erscheint, die über das Durchschnittskönnen eines mit der Kenntnis des betreffenden Fachgebietes ausgerüsteten Mustergestalters hinausgeht (vgl. BGH, a.a.O., 95 - Rüschenhaube; GRUR 1975, 81, 83 - Dreifachkombinationsschalter; GRUR 1977, 547, 549 - Kettenkerze). Die Gestaltung des Musters muss Besonderheiten aufweisen, die das Muster von selbstverständlichen, ohne weiteres naheliegenden Gestaltungen deutlich abheben (BGH, GRUR 1962, 144, 147 - Bundstreifensatin 1). An die schöpferische Eigenart eines Geschmacksmusters sind dabei geringere Anforderungen zu stellen, als an die eines urheberrechtsschutzfähigen Kunstwerks. Gleichwohl dürfen aber die Anforderungen an die für ein Geschmacksmuster erforderliche eigenschöpferische Gestaltung auch nicht zu niedrig angesetzt werden. Welcher schöpferische Gehalt im Einzelnen erreicht werden muss, um Geschmacksmusterschutz zubilligen zu können, bestimmt sich dabei nach den auf dem betreffenden Gebiet geleisteten geschmacklichen Vorarbeiten in ihrer Gesamtheit und in Verbindung mit den zur Verfügung gestellten freien Formen (BGH, GRUR 1975, 81, 83 - Dreifachkombinationsschalter; GRUR 1980, 235, 236 -Play family; GRUR 1996, 767, 769 - Holzstühle).

Nach diesen Grundsätzen verfügt das Klagegeschmacksmuster über keine hinreichende Gestaltungshöhe gegenüber dem vorbekannten Formengut.

Wie dargelegt, bestehen die wesentlichen Unterschiede zwischen dem aus dem US-amerikanischen Patent bekannten und dem mit dem Klageschmacksmuster beanspruchten Bilderrahmen zum einen darin, dass der Abstandhalter nicht unten an der Blende, sondern unten an dem Stützteil angeordnet ist und sein Ende in einer Ausnehmung der Blende und nicht in einer Ausnehmung am Stützteil verrastet wird, sowie zum anderen in der Ausgestaltung der Form der Funktionsteile, die bei dem vorbekannten Rahmen im Wesentlichen dreiecksförmig ausgestaltet sind, während sie bei dem Klagegeschmacksmuster im Wesentlichen durch parallel verlaufende Nuten gebildet werden.

Ausgehend von der in dem Patent offenbarten Ausgestaltung lag es jedoch im Bereich des Durchschnittskönnens eines mit der Ausgestaltung von Bilderrahmen vertrauten Mustergestalters, das mit dem Klagegeschmacksmuster beanspruchte Muster aufzufinden. Für den Durchschnittsgestalter war es ohne weiteres naheliegend, den Halter, der den für ein Aufstellen des Bilderrahmens notwendigen Abstand zwischen Blende und Stützteil sichert, statt am Stützteil an der Blende selbst anzuordnen. Um Raum für den Abstandhalter zu schaffen, ist es dann zwingend, das Stützteil nicht als unten geschlossenen Rahmen auszugestalten, sondern die beiden senkrechten Schenkel des Stützteils offen zu lassen. Als ebenso notwendig erweist es sich, das Ende des Abstandshalters in einer Öffnung des Stützteils zu verrasten statt im waagerechten unteren Schenkel der Blende. Eine über das Durchschnittskönnen eines Mustergestalters hinausgehende Leistung liegt in diesen Maßnahmen nicht.

Das gilt gleichermaßen für die Ausgestaltung der Form der Funktionselemente des Klagegeschmacksmusters bei Kenntnis des Durchschnittsgestalters von dem aus dem genannten Patent bekannten Rahmen. Vielmehr erkannte dieser bei Einsatz seines Fachwissens, dass es keine technische Notwendigkeit gab, die Funktionselemente wie bei dem Patent im Wesentlichen dreiecksförmig auszugestalten. Ihm war es zudem ohne weiteres geläufig, Dreiecksformen durch eine parallele Linienführung der die Funktionsteile definierenden Nuten zu ersetzen. Auch die Ausgestaltung des zu verrastenden Endes des Abstandshalters stellt keine besondere eigenschöpferische Leistung für einen Durchschnittsgestalter dar. Gleiches gilt für die Erkenntnis, die beiden offensichtlich für die Anordnung eines Schals oder einer Krawatte vorgesehenen hornartigen Ausnehmungen auf der Blende einfach wegzulassen.

3.

Selbst wenn jedoch das Klagegeschmacksmuster - entgegen den vorstehenden Ausführungen - als schutzfähig angesehen werden sollte, weil in der umgekehrten Anordnung des Abstandshalters eine eigenschöpferische, Eigentümlichkeit begründende Leistung gegenüber dem aus dem genannten Patent bekannten Rahmen gesehen werden sollte, stellt sich der angegriffene Rahmen demgegenüber jedenfalls nicht als eine verbotene Nachbildung des Klagegeschmacksmusters dar, § 5 GeschmMG.

Objektiv liegt eine Nachbildung vor, wenn sich hinreichende Übereinstimmungen in den für den ästhetischen Gesamteindruck charakteristischen Merkmalen finden. Dabei ist zugunsten des Geschmacksmusters von den Übereinstimmungen und nicht von den Unterschieden auszugehen (BGH, GRUR 1965, 198, 2001 - Küchenmaschine).

Auch die nur wenig veränderte Übernahme der charakteristischen, den Gesamteindruck prägenden Eigenheiten des Musters führt zu einem übereinstimmenden ästhetischen Gesamteindruck von Muster und Nachbildung (v. Gamm, GeschmMG, 2. Aufl., § 5, Rn. 30 m.w.N.). Hebt sich das Muster allerdings nur geringfügig vom vorbekannten Formengut ab, verringert sich der Schutzumfang und umfasst nur identische oder fast identische Muster (BGH, GRUR 1988, 369, 370 - Messergriff).

Werden die mit dem Klagegeschmacksmuster beanspruchte Ausgestaltung und der beanstandete Rahmen miteinander verglichen, so bestehen zwar beide aus einem flachen, einstückigen Bauteil und sind aus flexiblem Material gebildet. Außerdem ist die Fläche des Klagegeschmacksmusters wie die des Rahmens der Beklagten durch Nuten in eine rechteckige Blende, ein oben an der Blende angeordnetes Stützteil und einen Abstandhalter als Funktionselemente unterteilt. Zudem verlaufen die Nuten in beiden Ausgestaltungen - mit Ausnahme des Endes des Abstandhalters - geradlinig. Außerdem kann der Rahmen durch Biegen des Stützteils und des Abstandhalters und durch Verrastung des verbreiteten Endes des Abstandhalters zu einem dreidimensionalen Bilderrahmen aufgestellt werden. Diese Elemente waren jedoch bereits bei Anmeldung des Klagegeschmacksmusters aus der genannten US-amerikanischen Patentschrift als Formengut bekannt, so dass der Schutzbereich des Klagegeschmacksmusters entsprechend eingeschränkt ist und sich aus der Übereinstimmung von Klagegeschmacksmuster und beanstandetem Rahmen insoweit auch keine unzulässige Nachbildung ergeben kann.

Gleiches gilt aber auch hinsichtlich der umgekehrten Anordnung des Abstandshalters im Verhältnis zwischen Blende und Stützteil. Sieht man in der beim Klagegeschmacksmuster verwirklichten Verbindung des Abstandhalters mit der Blende statt mit dem Stützteil eine Eigentümlichkeit begründende eigenschöpferische Leistung des Klagegeschmacksmuster, so führt die bei der beanstandeten Ausführungsform realisierte Anordnung des Abstandhalters am Stützteil wieder zurück zu der durch das US-amerikanische Patent vorgegebenen gestalterischen Lösung. Daher kommt auch insoweit eine unzulässige Nachbildung nicht in Betracht.

2.

Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche auch nicht wegen wettbewerbswidriger Nachahmung fremder Leistungen zu, § 1 UWG.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Nachbau fremder Erzeugnisse unabhängig von der Frage bestehenden Sonderrechtsschutzes wettbewerbswidrig sein, wenn die Erzeugnisse von wettbewerblicher Eigenart sind und besondere Umstände hinzutreten, die den Nachbau unlauter erscheinen lassen (BGH, GRUR 1966, 97, 100 - Zündaufsatz; BGH, GRUR 2000, 521, 523 - Modulgerüst; BGH, GRUR 2002, 86, 89 - Laubhefter; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., § 1 UWG Rn. 440 ff.; 454).

a)

Ein Erzeugnis verfügt über wettbewerbliche Eigenart, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (etwa BGH, GRUR 2002, 275, 276 - Noppenbahnen, WRP 2003, 496, 498 - Pflegebett). Wettbewerbliche Eigenart kann sich aus der ästhetisch ansprechenden Ausgestaltung des Erzeugnisses (BGH, GRUR 1988, 690, 693 - Kristallfiguren), aber auch aus technischen Merkmalen ergeben (BGH, GRUR 2000, 521, 523 - Modulgerüst; GRUR 2002, 86, 89 - Laubhefter).

Der ergänzende Leistungsschutz aus § 1 UWG wird aber bei technischen Erzeugnissen dadurch beschränkt, dass die technische Lehre und der Stand der Technik frei sind. Wenn ein Erzeugnis aufgrund technischer Merkmale wettbewerblich eigenartig ist, kann es deshalb grundsätzlich nicht als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden, wenn solche Merkmale übernommen werden, die dem freizuhaltenden Stand der Technik angehören und - unter Berücksichtigung des Gebrauchszwecks, der Verkäuflichkeit der Ware sowie der Verbrauchererwartung - der angemessenen Lösung der technischen Aufgabe dienen. Gemeinfreie technische Lösungen dürfen grundsätzlich verwertet werden, ohne dass der Übernehmende auf das Risiko verwiesen werden darf, es mit einer anderen Lösung zu versuchen (vgl. BGH, GRUR 2002, 275, 276 - Noppenbahnen, mit weiteren Nachweisen). Auch im Übrigen ist zu berücksichtigen, inwieweit Gestaltungsmittel für Wettbewerber freizuhalten sind. Setzt ein Erzeugnis im Wesentlichen eine gestalterische und praktische Grundidee um, kommt ein wettbewerblicher ergänzender Leistungsschutz im Allgemeinen selbst dann nicht in Betracht, wenn das betreffende Erzeugnis eine hohe Verkehrsbekanntheit aufweist (BGH, WRP 2003, 496 - Pflegebett; OLG Düsseldorf, Urt. V. 3.6.2003, 20 U 201/02, Umdruck, Seite 7).

Das Erscheinungsbild des von dem Kläger vertriebenen Rahmens von dem der Kläger ein Muster als Anlage K 4 vorgelegt hat, ist mit Ausnahme des Umstandes, dass die äußeren senkrechten Ränder des Rahmens leicht konkav gewölbt sind, entsprechend den Elementen des Klagegeschmacksmusters ausgestaltet, so dass auf die obige Merkmalsgliederung verwiesen werden kann.

Bei dem derart ausgestalteten Rahmen stellt sich die Einstückigkeit, Wahl eines flexiblen Materials, die Unterteilung der Fläche des Rahmen durch Nuten in die drei Funktionselemente Blende, Stützteil und Abstandhalter mit einem verbreiterten freien Ende als technisch bedingt dar. Denn nur wenn der Rahmen über diese Merkmale verfügt, ist es möglich, durch Biegen von Stützteil und Abstandhalter sowie durch Verrrastung des freien Endes des Abstandhalters den gewünschten zweidimensionalen Rahmen in einen dreidimensionalen Bilderrahmen zu verwandeln.

Die danach noch bestehenden gestalterischen Möglichkeiten betreffen vor allem die alternative Anordnung des Abstandhalters an der Blende oder am Stützteil sowie die Kontuierung der Funktionsteile. Insoweit hebt sich der beanstandete Rahmen jedoch in erheblicher Weise von der Ausgestaltung des Rahmens des Klägers ab. Dabei fällt vor allem ins Gewicht, dass der Abstandhalter bei dem Rahmen der Beklagten - im Gegensatz zum Rahmen des Klägers - am Stützteil und nicht an der Blende angeordnet ist. Hinzu kommt, dass der Abstandhalter des Rahmens der Beklagten - anders als der Rahmen des Klägers - keine fächerförmige Verbreiterung an seinem freien Ende aufweist, die Verrastung vielmehr über einen kleinen verkehrsschildförmigen Aufsatz auf dem Abstandhalter erfolgt, der in eine entsprechend Ausnehmung am unteren waagerechten Schenkel der Blende eingeführt und verrastet werden kann.

Eine wettbewerbswidrige Nachahmung einer fremden Leistung kann danach nicht festgestellt werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 02.09.2003
Az: 4a O 212/00


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