Landgericht Köln:
Urteil vom 21. Oktober 2004
Aktenzeichen: 31 O 475/04

(LG Köln: Urteil v. 21.10.2004, Az.: 31 O 475/04)

Tenor

I.

Die Beklagten werden verurteilt,

es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

rechtsbesorgend so tätig zu werden, wie das im beigefügten Schreiben der Beklagten vom 05.05.2004 geschehen ist:

- Es folgt eine zweiseitige Darstellung des beanstandeten Schriftsatzes. -

II.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung. Diese beträgt hinsichtlich der

- Unterlassung 20.000 Euro

- Kosten 3.000 Euro.

Tatbestand

Der Kläger ist als Rechtsanwalt tätig.

Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, bildet eine Steuerberatungsgesellschaft. Zu ihren Mandanten zählt die Firma G GmbH. Bei der Vorbereitung der Bilanz für diese Firma warfen die Beklagten die Frage auf, ob im Hinblick auf eine etwaige Verbindlichkeit dieser Firma gegenüber der Firma J + N GmbH eine Rückstellung zu bilden sei. Das führte zu nachfolgendem Schreiben der Beklagten an diese Firma:

- Es folgt eine zweiseitige Darstellung des beanstandeten Schriftsatzes. -

Die Klägerin vertritt die Auffassung, das vorgenannte Schreiben verstoße gegen das Rechtsberatungsgesetz und sei daher wettbewerbswidrig.

Sie beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Zunächst meinen sie, die Klage sei unzulässig, weil der Klageantrag dem Bestimmtheitsgebot nicht gerecht werde.

In der Sache selbst vertreten sie die Auffassung, ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz liege nicht vor. Es sei eine seit Jahren eingespielte Übung, dass sie mit Rechtsanwälten zusammenarbeiteten, die bei schwierigen Rechtsfragen eingeschaltet würden. Das sei hier auch nach außen hin durch die Formulierung in dem Schreiben "..in Kooperation mit unserer Rechtsabteilung ..." deutlich gemacht worden. Im übrigen sei die dem angegriffenen Schreiben zugrunde liegende Rechtsfrage derart einfach gewesen, dass die Einschaltung von Rechtsanwälten zunächst nicht erforderlich gewesen sei. Diese Rechtsfrage habe zudem in einem unauflösbaren Zusammenhang mit der steuerrechtlichen Tätigkeit gestanden, so dass jedenfalls – auch im Lichte von Art. 12 GG - der Ausnahmetatbestand des Art. 1 § 5 Ziffer 2 RBerG eingreifen würde. Jedenfalls fehle es an einem geschäftsmäßigen Handeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Klageantrag nach Maßgabe von § 253 Abs. 2 ZPO hinreichend bestimmt. Der Klageantrag ist auf die konkrete Verletzungsform, also das Schreiben der Beklagten vom 05.05.2004, beschränkt. Das entspricht bei Unterlassungsansprüchen dem denkbar höchsten Grad einer Konkretisierung des Begehrens im Sinne von § 253 Abs. 2 ZPO.

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Unterlassungsanspruch nach den §§ 8 Abs. 1; 3; 4 Ziffer 11 UWG i. V. mit Art. 1 § 1 RBerG. Das hier angegriffene Schreiben der Beklagten vom 05.05.2004 verstößt gegen die Erlaubnispflicht nach Art. 1 § 1 RBerG und stellt insoweit unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs ein unlauteres Verhalten dar.

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei diesem Schreiben seinem Inhalt und seiner Form nach um eine geschäftsmäßige fremde Rechtsbesorgung im Sinne von Art. 1 § 1 RBerG.

Die Geschäftsmäßigkeit des Handelns folgt ohne weiteres schon daraus, dass die Beklagten das Schreiben vom 05.05.2004 im Rahmen ihrer geschäftlichen, d. h. freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater verfasst und versendet hatten.

Ebenso unterliegt das Vorliegen einer fremden Rechtsbesorgung im Sinne von Art. 1 § 1 RBerG keinem Zweifel.

Soweit die Beklagten in dieser Hinsicht lediglich einwenden, das Schreiben habe hinreichend deutlich gemacht, dass nicht sie – die Beklagten - selbst, sondern mit ihnen kooperierende Rechtsanwälte die rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich erledigen würden, verfängt dies nicht.

Die Beklagten selbst stellen nicht in Abrede, das in Rede stehende Schreiben ohne Einschaltung von Rechtsanwälten vorbereitet und verfasst zu haben. In diesem Schreiben wird auch nicht ansatzweise deutlich, dass ein kooperierender Rechtsanwalt an ihm mitgewirkt hat. Vielmehr spricht das Schreiben im Gegenteil von "unserer Rechtsabteilung", was ein verständig denkender Adressat – entgegen der Einschätzung der Beklagten – nur so verstehen kann, dass die Beklagte zu 1 selbst es ist, die rechtsberatende Leistungen – nämlich durch eine ihrer "Abteilungen" - erbringt.

Die gesamte Diktion des Schreibens spricht im übrigen für eine typische rechtsberatende Leistung in Gestalt einer anwaltlichen Tätigkeit im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens. Das Gleiche gilt für den Inhalt des Schreibens. So werden dort durch die Beklagten unter Hinweis auf eine bestimmte Rechtsauffassung über eine Vertragsauslegung etwaige Ansprüche abgewehrt und ein gerichtliches Vorgehen in Aussicht gestellt.

Das von den Beklagten vorgelegte interne Schreiben an ihre Mandantin vom 05.04.2004 bestätigt die Annahme einer rechtsbesorgenden Tätigkeit. Denn selbst der eigenen Auftraggeberin gegenüber gerieren sich die Beklagten dort durch Sprache und Inhalt des Schreibens als Rechtsberater, vergleichbar einem Rechtsanwalt, indem sie Informationen auf dem Gebiet des Zivilrechts erteilen (Vertragsauslegung) und eine Prognose über den weiteren Verlauf eines etwaigen Rechtsstreits abgeben.

Entgegen der Auffassung der Beklagten greift die Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 5 Ziffer 2 RBerG nicht ein.

Denn das in Rede stehende Schreiben vom 05.05.2004 steht nicht im Sinne dieser Vorschrift in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Aufgaben einer Steuerberaters. Ein solcher Zusammenhang ist nur dann zu bejahen, wenn ein sachlicher, d. h. objektiv oder subjektiv notwendiger, nicht nur ein rein äußerlicher oder zufälliger Zusammenhang zwischen steuerberatender und rechtsbesorgender Tätigkeit besteht (Chemnitz/Johnigk, Art. 1 § 5 Rn. 518 ff. m. w. N.). Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Rechtsbesorgung sachlicher Teil des steuerberatenden Hauptgeschäfts oder untergeordnetes Nebengeschäft ist (Chemnitz/Johnigk, a. a. O., Rn. 518).

Hierzu kann etwa bei weiter Auslegung unter Umständen noch der Fall gezählt werden, dass ein Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater bei Erstellung einer Bilanz den Auftraggeber auf Bedenken im Hinblick auf eine gebuchte Forderung aufmerksam macht (vgl. Chemnitz/Johnigk, a. a. O., Rn. 600).

Gemessen daran überschreitet das vorliegend angegriffene Schreiben diese möglichen Grenzen des erlaubnisfreien Verhaltens aber deutlich. Die Beklagten haben nämlich ihre Auftraggeberin gerade nicht nur im Hinblick auf die zu prüfende Rückstellung im Rahmen der Bilanz auf Bedenken intern hingewiesen, sondern sie sogar zur Grundlage eines eigenständigen rechtsbesorgenden Handelns gemacht, indem sie mit Außenwirkung wie Rechtsanwälte in dem Schreiben auftraten, also den Boden der nebengeschäftlichen Information verließen, und gleichsam im Wege eines eigenen Hauptgeschäfts die Rechtsbesorgung – wie ein Rechtsanwalt – übernahmen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war dieses Geschäft auch nicht derart einfach, dass es ausnahmsweise von ihnen selbst erledigt werden durfte. Das Gegenteil ist der Fall. Schon die Korrespondenz selbst zeigt, dass es um eine zweifelhafte und insoweit nicht einfache Vertragsauslegung ging, die zudem mit wirtschaftlichen Risiken für die Auftraggeberin der Beklagten verbunden war und deren Klärung insofern Rechtsanwälten vorbehalten bleiben musste.

Schließlich ist auch in Ansehung der Wertungen des Art. 12 GG kein anderes Ergebnis gerechtfertigt. Die Beklagten werden durch das ausgesprochene Verbot nicht in ihrer beruflichen Betätigung beeinträchtigt. Sie können ohne weiteres als Steuerberater agieren und dabei unter Umständen auf etwaige rechtliche Bedenken intern hinweisen. Das Berufsfeld eines Steuerberaters wird in keiner Weise künstlich eingeengt, wenn man ihm – wie hier geschehen –typisch anwaltliche Tätigkeit untersagt, die nicht zwangsläufig und ohne weiteres aus der Steuerberatertätigkeit erwächst. Sähe man das anders, so hätte das die nicht hinnehmbare Konsequenz, dass ein Steuerberater per se bei allen denkbaren Bilanzpositionen eines Unternehmens wie ein Rechtsanwalt vorgerichtlich agieren könnte, und das hieße letztlich – in allen Angelegenheiten eines Unternehmens. Das Rechtsberatungsgesetz verlöre so bei Steuerberatern jede Grenze.

Der danach gegebene Verstoß gegen Art. 1 § 1 RBerG ist auch wettbewerbsrechtlich nach § 4 Ziffer 11 UWG bedeutsam. Denn beim Erlaubniszwang des RBerG handelt es sich nicht nur um eine Marktzutrittsregel, sondern zugleich um eine Norm, die das Marktverhalten im Interesse der Mitbewerber, Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer reguliert (Baumbach/Hefermehl, 23. Aufl., § 4 Rn. 11.63 m. w. N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.






LG Köln:
Urteil v. 21.10.2004
Az: 31 O 475/04


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