Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. März 2002
Aktenzeichen: 1 Ni 3/98

(BPatG: Beschluss v. 25.03.2002, Az.: 1 Ni 3/98)

Tenor

Die Erinnerung des Antragstellers gegen den Beschluß der Rechtspflegerin des Bundespatentgerichts vom 17. Mai 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die beantragte Festsetzung der Vergütung abgelehnt wird.

Gründe

I.

Der Antragsteller war patentanwaltlicher Vertreter des Antragsgegners als Beklagten in dem Patentnichtigkeitsverfahren 1 Ni 3/98. Dem Verfahren waren auf Seiten des Beklagten zwei Nebenintervenienten beigetreten (vgl BPatG GRUR 2001, 774 "Künstliche Atmosphäre"). Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 1998 hatte der Antragsteller die Vertretung des Antragsgegners in diesem Nichtigkeitsverfahren niedergelegt.

Unter dem 20. Oktober 1998 beantragte der Antragsteller "Festsetzung der Vergütung gemäß § 19 BRAGO" auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von DM 5.000.000.--. Eine Bezifferung des Antrags unterblieb. Der Antragsgegner beantragte, den Festsetzungsantrag zurückzuweisen.

Mit Beschluß vom 17. Mai 2001 hat die Rechtspflegerin des Bundespatentgerichts den Festsetzungsantrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß nach § 19 BRAGO nur die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts festsetzungsfähig sei. Dabei handle es sich um die dem Rechtsanwalt nach den Regeln der BRAGO zustehende Vergütung. Die Vergütung des Patentanwalts ergebe sich demgegenüber aus der Patentanwaltsgebührenordnung (PAGO). Diese verweise zwar in Abschnitt N auf die Gebührensätze der BRAGO, soweit in dem betreffenden Verfahren eine Festsetzung des Gegenstandswertes erfolgt sei. Die PAGO stelle jedoch keine gesetzliche Regelung dar.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Erinnerung des Antragstellers, mit der er seinen Festsetzungsantrag weiterverfolgt. Die Nichtanwendung des § 19 BRAGO auf die Gebührenforderung eines Patentanwalts habe zur Folge, daß dieser seinen Vergütungsanspruch gegen den Auftraggeber im Streitfall nur im Wege der Klage vor den ordentlichen Gerichten durchsetzen könne. Darin liege eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Patentanwälte gegenüber den Rechtsanwälten. Patent- und Rechtsanwälte hätten im wesentlichen den gleichen standesrechtlichen Status und einen vergleichbaren Kreis von Rechten und Pflichten. Auch im Bereich des Gebührenrechts sei die Stellung der Patentanwälte derjenigen der Rechtsanwälte angeglichen worden. Nach ständiger Rechtsprechung aller Nichtigkeitssenate des Bundespatentgerichts könne in einem Nichtigkeitsverfahren auch dann ein Gegenstandswert gemäß § 10 BRAGO festgesetzt werden, wenn eine Vertretung nur durch Patentanwälte stattfinde, so daß der Patentanwalt seine Vergütung über Abschnitt N der PAGO nach den Sätzen der BRAGO abrechnen könne.

Seine Vergütung hat der Antragsteller zuletzt auf der Basis eines Gegenstandswertes von DM 1.000.000.-- mit DM 7.597,30 berechnet.

Er beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß der Rechtspflegerin aufzuheben und als Vergütung den Betrag von DM 7.597,30 festzusetzen.

Der Antragsgegner beantragt (sinngemäß), die Erinnerung zurückzuweisen.

Der Antragsgegner wendet anderweitige Rechtshängigkeit ein, da der Antragsgegner am 4. Januar 2001 einen Mahnbescheid beantragt habe. Des weiteren habe der Antragsteller auch die dem Nichtigkeitsverfahren 1 Ni 3/98 auf seiner, des Antragsgegners (Beklagten) Seite beigetretenen Nebenintervenienten vertreten und von diesen seine volle Vergütung erhalten. Die Berechnung der Vergütung sei im übrigen fehlerhaft.

II.

Die Erinnerung des Antragstellers ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im übrigen zulässig (§ 19 Abs 2 Satz 3 BRAGO iVm § 104 Abs 3 Satz 1 ZPO; § 23 Abs 1 Nr 12 und Abs 2 RPflG). Im Ergebnis muß ihr der Erfolg jedoch versagt bleiben.

1. Im Ansatz zutreffend wendet sich der Antragsteller dagegen, daß die Rechtspflegerin seinen Vergütungsfestsetzungsantrag als unstatthaft angesehen hat. Soweit in der bisherigen Rechtsprechung eine (entsprechende) Anwendung des § 19 BRAGO auf die Vergütungsforderungen von Patentanwälten im Nichtigkeitsverfahren abgelehnt worden ist, kann hieran nicht festgehalten werden.

a) § 19 BRAGO stellt dem Rechtsanwalt ein einfaches und kostengünstiges Verfahren zur Verfügung, um im Streitfall wegen seiner Vergütungsforderung gegen den Auftraggeber einen vollstreckbaren Titel erlangen zu können (vgl Gerold/Schmidt, BRAGO, 14. Aufl 1999, § 19 Rn 1). Die Möglichkeit einer Vergütungsfestsetzung ist auf die gesetzliche Vergütung des Rechtsanwalts beschränkt (§ 19 Abs 1 Satz 1 BRAGO). Gemeint ist damit die ihrer Höhe nach gesetzlich durch die BRAGO festgelegte vertragliche Vergütung des Rechtsanwalts. Eine vertraglich in abweichender Höhe vereinbarte Vergütung (vgl § 3 BRAGO) unterliegt nicht der Festsetzung nach § 19 BRAGO, sondern kann nur im Klageweg vor den ordentlichen Gerichten durchgesetzt werden (Gerold/Schmidt, aaO Rn 15).

b) Die Anwendung des § 19 BRAGO auf die Vergütungsforderung des Patentanwalts gegenüber seinem Auftraggeber wird ganz überwiegend mit der Begründung abgelehnt, daß der Patentanwalt kein Rechtsanwalt sei und seine Vergütung auch nicht auf einer gesetzlichen Regelung beruhe, sondern sich in erster Linie aus den vertraglichen Abreden mit dem Auftraggeber ergebe (OLG München MDR 2001, 353 m. zahlr. Nachw.; OLG München GRUR 1978, 450; BPatG MDR 1976, 963 = BPatGE 18, 164; BPatGE 9, 272; Gerold/Schmidt, aaO Rn 9; Hartmann, KostG, 31. Aufl 2002, BRAGO § 19 Rn 25).

Die früher vereinzelt vom LG Berlin (GRUR 1954, 418 = NJW 1954, 1086) und vom LG München I (GRUR 1957, 239) vertretene Auffassung, daß das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach der BRAGO auf die Vergütungsforderung von Patentanwälten entsprechend angewendet werden könne (vgl auch Benkard/Rogge, PatG/GebrMG, 9. Aufl 1993, PatG § 143 Rn 19 im Anschluß an die genannten Entscheidungen des LG Berlin und des LG München I), hat, soweit ersichtlich, keinen Einfluß auf die neuere Praxis gewinnen können.

c) Daß § 19 BRAGO seinem Wortlaut nach auf die Vergütungsforderung des Patentanwalts nicht anwendbar ist, bedarf keiner näheren Ausführungen; dies wird auch vom Erinnerungsführer nicht in Frage gestellt. Auch eine gesetzliche Bestimmung über die entsprechende Anwendbarkeit (vgl § 45 StBGebV; OLG München MDR 2001, 353) fehlt. Insoweit kann es nur darum gehen, ob eine entsprechende Anwendung des § 19 BRAGO gerechtfertigt ist, soweit der Patentanwalt nach den Gebührensätzen der BRAGO abrechnet. Das ist zu bejahen.

aa) Vorab ist festzuhalten, daß es sich sowohl bei der Vergütungsforderung des Rechtsanwalts als auch des Patentanwalts um vertragliche Forderungen handelt (§§ 675, 612 BGB). Der Unterschied besteht lediglich darin, daß die Vergütungsforderung des Rechtsanwalts mangels abweichender vertraglicher Vereinbarungen (vgl § 3 BRAGO) der Höhe nach gesetzlich durch die BRAGO festgelegt ist, wogegen der Patentanwalt bei Fehlen besonderer Abreden ein Bestimmungsrecht gemäß § 315 BGB nach Maßgabe billigen Ermessens hat. Als Billigkeitsmaßstab wurde früher (bis 1983) insoweit grundsätzlich die - als solche nicht verbindliche - PAGO (abgedruckt in: DPMA (Hrsg), Taschenbuch des gewerblichen Rechtsschutzes, Band I, Nr 366) angesehen. Danach hatte der Patentanwalt regelmäßig nach den dort vorgesehenen Festbeträgen (vgl Abschnitt K) zuzüglich etwaiger Teuerungszuschläge abzurechnen (vgl Busse/Keukenschrijver, PatG, 5. Aufl 1999, § 80 Rn 52 ff.).

bb) Die ratio legis des § 19 BRAGO mit seiner Beschränkung auf die gesetzliche Vergütung wird - zutreffend - darin gesehen, daß diese Vergütung gewöhnlich ohne nennenswerte Schwierigkeiten anhand gesetzlicher Bestimmungen ermittelt werden kann (OLG München GRUR 1978, 450). Vor diesem Hintergrund ist in der früheren Rechtsprechung des BPatG eine entsprechende Anwendung des § 19 BRAGO auf die Vergütungsforderung von Patentanwälten mit der Begründung abgelehnt worden, daß sich die Vergütung des Patentanwalts nicht auf so einfache Weise ermitteln lasse. Die Feststellung der geschuldeten Vergütung nach dem System der Festbeträge mit Teuerungszuschlägen gestalte sich umständlicher als dies bei der gesetzlichen Vergütung des Rechtsanwalts der Fall ist (BPatG MDR 1976, 963).

cc) Diesen früher berechtigten Erwägungen ist jedoch dadurch die Grundlage entzogen worden, daß nach der einhelligen Rechtsprechung der Nichtigkeitssenate des BPatG seit 1983 die Gebührensätze der BRAGO als Billigkeitsmaßstab für die Berechnung der Vergütung der patentanwaltlichen Tätigkeit im Nichtigkeitsverfahren herangezogen werden und in entsprechender Anwendung von § 10 BRAGO eine Gegenstandswertfestsetzung auch dann stattfindet, wenn nur eine Vertretung durch Patentanwälte, nicht auch durch Rechtsanwälte gegeben ist (BPatG GRUR 1983, 648 "Patentanwaltsgebühren" = BPatGE 25, 222; BPatGE 26, 68; 28, 193).

Sofern der Patentanwalt sein Bestimmungsrecht (§ 315 BGB) nach Maßgabe der Gebührensätze der BRAGO auf der Basis des festgesetzten Gegenstandswertes ausübt, gestaltet sich die Gebührenberechnung daher im Ergebnis nicht aufwendiger als bei einem Rechtsanwalt. Die Gründe für eine unterschiedliche Behandlung sind insoweit jedenfalls für Forderungen aus einer Vertretung in einem Nichtigkeitsverfahren entfallen. Allerdings eröffnet § 315 Abs 3 Satz 1 BGB dem Auftraggeber eines Patentanwalts - anders als gegenüber einem Rechtsanwalt - die Möglichkeit, die Billigkeit der patentanwaltlichen Forderungsbestimmung zu bestreiten. Insoweit läge jedoch eine außergebührenrechtliche Einwendung vor, die, wenn sie nicht gänzlich unsubstantiiert ist und insoweit unbeachtet bleiben kann (vgl Gerold/Schmidt, aaO Rn 35), nach § 19 Abs 5 Satz 1 BRAGO zur Ablehnung der Festsetzung mit der Folge führen würde, daß der Streit im Klageverfahren auszutragen wäre (vgl auch § 315 Abs 3 Satz 2 BGB, wonach in solchen Fällen die Bestimmung durch Urteil zu erfolgen hat; a.A. zu dem - rechtlich anders gelagerten - Fall der rechtsanwaltlichen Bestimmung zur Konkretisierung einer Rahmengebühr Gerold/Schmidt, aaO Rn 19).

Wesentliche, im vorliegenden Zusammenhang bedeutsame Unterschiede im rechtlichen Status von Patent- und Rechtsanwälten einschließlich der damit verbundenen Rechte und Pflichten sind - wie der Erinnerungsführer zutreffend dargelegt hat - ebenfalls nicht gegeben.

Bei dieser Sachlage erscheint es nicht (mehr) gerechtfertigt, dem Patentanwalt den Weg des § 19 BRAGO zu verschließen.

2. Der geltend gemachte Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit (§ 261 Abs 3 Nr 1 ZPO) greift nicht durch. Eine anderweitige Rechtshängigkeit wird nicht schon dadurch begründet, daß der Antragsteller gegen den Antragsgegner einen Mahnbescheid beantragt hat. Nach § 696 Abs. 3 ZPO gilt die Streitsache nur dann als mit der Zustellung des Mahnbescheids rechtshängig geworden, wenn sie alsbald nach der Erhebung des Widerspruchs (§ 694 ZPO) an das im Mahnbescheid bezeichnete Gericht abgegeben wird. Die Abgabe erfolgt nur, sofern eine Partei die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt (§ 696 Abs 1 ZPO). Hierzu hat der Antragsgegner nichts vorgetragen (vgl zum Nebeneinander von Mahnverfahren und Vergütungsfestsetzungsverfahren auch Gerold/Schmidt, aaO Rn 3).

3. Die begehrte Vergütungsfestsetzung scheitert jedoch daran, daß sich der Antragsgegner darauf berufen hat, daß die Vergütungsforderung des Antragstellers durch die von ihm ebenfalls vertretenen Nebenintervenienten erfüllt worden ist (§§ 362, 267 BGB). Insoweit handelt es sich um eine Einwendung außerhalb des Gebührenrechts, die gemäß § 19 Abs 5 Satz 1 BRAGO zur Ablehnung der beantragten Festsetzung führt (vgl auch Gerold/Schmidt, aaO Rn 15 a.E.). Soweit der Antragsgegner eingeräumt hat, daß dem Antragsteller allenfalls eine Erhöhungsgebühr nach § 6 BRAGO zustehe, kommt eine Festsetzung nicht in Betracht, da sie nicht beantragt worden ist.

4. Auf die vom Antragsgegner erhobenen gebührenrechtlichen Einwendungen kommt es nach alledem nicht mehr an.

5. Eine Kostenentscheidung hat zu unterbleiben, da die Ablehnung der Festsetzung gemäß § 19 Abs 5 Satz 1 BRAGO kein Unterliegen des Erinnerungsführers beinhaltet (Gerold/Schmidt, aaO Rn 50).

6. Die vom Erinnerungsführer beantragte mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich erachtet (vgl §§ 23 Abs 2, 11 Abs 2 Satz 4 RPflG iVm § 573 Abs 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden, hier gemäß § 26 Nr 10 EGZPO anzuwendenden Fassung; sachlich gleichbedeutend § 128 Abs 4 ZPO n.F.).

Dr. Landfermann Dr. Barton Dr. Hacker Hu






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Az: 1 Ni 3/98


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