Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. April 2007
Aktenzeichen: 15 W (pat) 313/04

(BPatG: Beschluss v. 02.04.2007, Az.: 15 W (pat) 313/04)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 14. November 1995 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 195 42 434 mit der Bezeichnung "Verfahren und Einrichtung zur Optimierung der Kühlung bzw. der Kühlmittelmenge beim Stranggießen" erteilt worden. die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 24. Oktober 2002 erfolgt.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"1. Verfahren zur Optimierung der Kühlung bzw. der Kühlmittelmenge beim Stranggießen, insbesondere bei variierender Stranggeschwindigkeit, wobei das Abkühl- und Erstarrungsverhalten des Stranges durch ortsfeste Kühleinrichtungen, insbesondere Wassersprüheinrichtungen, an denen der Strang vorbeigeführt wird, beeinflusst werden kann, wobei die Kühlmenge entsprechend einer vorab bestimmten, strangmaterialabhängigen Beziehung zwischen der Zeitspanne, der ein Strangsegment der Kühlung ausgesetzt ist, und der optimalen Kühlmenge bestimmt wird, und wobei die strangmaterialabhängige Beziehung zwischen der Zeitspanne, der das Strangsegment der Kühlung ausgesetzt ist, und der optimalen Kühlmenge aus bekannten, vom Ort des Strangsegments abhängigen Beziehungen zwischen Stranggeschwindigkeit und optimaler Kühlung bestimmt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Auswahl von Zusammenhängen zwischen Stranggeschwindigkeit und der Kühlung durch Festsetzung einer virtuellen Stranggeschwindigkeit, die willkürlich und unabhängig von der tatsächlichen Stranggeschwindigkeit festgesetzt wird, erfolgt."

Gegen die Erteilung des Patents ist am 21. Januar 2003 Einspruch erhoben worden.

Die Einsprechende macht u. a. geltend, die Erfindung sie im Patent nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Insbesondere könne der Fachmann nichts mit der Definition der virtuellen Geschwindigkeit anfangen und wisse auch nicht, nach welcher Regel er diese virtuelle Größe weiter zu behandeln habe, um zu einer optimalen Kühlung zu gelangen. Im Hinblick auf mögliche fehlende Patentfähigkeit weist sie vorsorglich auf folgenden Stand der Technik hin:

DE-OS 19 60 671 (D1), DE-OS 23 44 438 (D2) und J. SCHNEIDER: "Untersuchung des Zeitverhaltens der Systemkomponenten für die Sekundärkühlwasserregelung einer Dünnbrammen Stranggießanlage", 1991, Diplomarbeit, Fachhochschule Aachen (D3).

Aus dem Prüfungsverfahren ist außerdem noch folgende Entgegenhaltung bekannt:

DE 44 17 808 A1 (D4).

Der Vertreter der Einsprechenden stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin führt dagegen im Wesentlichen aus, dass die virtuelle Geschwindigkeit in der in Figur 2 der Patentschrift dargestellten Kühlkurve in dem dort im Absatz [0013] angegebenen Bereich liege und somit definiert sei. Die virtuelle Geschwindigkeitswert werde willkürlich und beliebig festgelegt. Der Erfindung nach gebe man viele virtuelle Werte als Rechengrößen in ein Modell ein, um das Kühlsystem damit zu trainieren, so dass sich eine optimale Kühlung ergebe. Da eine Optimierung der Kühlung mittels einer virtuellen Stranggeschwindigkeit im Stand der Technik nirgends angesprochen sei, weise die Erfindung darüber hinaus auch Neuheit auf und beruhe auf erdinderischer Tätigkeit, so dass ohnehin nicht gegen die Patentfähigkeit sprechen könne. Insgesamt sei der Antrag auf Widerruf des Patents somit unbegründet.

Der Vertreter der Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent im vollen Umfang aufrecht zu erhalten, hilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten gemäß

Hilfsantrag 1, Ansprüche 1 bis 8, Hilfsantrag 2, Ansprüche 1 bis 8, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung und jeweils mit einer gegebenenfalls anzupassenden Beschreibung sowie zwei Seiten Zeichnungen mit Figuren 1 und 2 gemäß der DE 195 42 434 C2.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:

"1. Verfahren zur Optimierung der Kühlung bzw. der Kühlmittelmenge beim Stranggießen, insbesondere bei variierender Stranggeschwindigkeit, wobei das Abkühl- und Erstarrungsverhalten des Stranges durch ortsfeste Kühleinrichtungen, insbesondere Wassersprüheinrichtungen, an denen der Strang vorbeigeführt wird, beeinflusst werden kann, wobei die Kühlmittelmenge entsprechend einer vorab bestimmten, strangmaterialabhängigen Beziehung zwischen der Zeitspanne, der ein Strangsegment der Kühlung ausgesetzt ist, und der optimalen Kühlmenge bestimmt wird, und wobei die strangmaterialabhängige Beziehung zwischen der Zeitspanne, der das Strangsegment der Kühlung ausgesetzt ist, und der optimalen Kühlmenge aus bekannten, vom Ort des Strangsegments abhängigen Beziehungen zwischen Stranggeschwindigkeit und optimaler Kühlung bestimmt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Auswahl von Zusammenhängen zwischen Stranggeschwindigkeit und der Kühlung durch Festsetzung einer virtuellen Stranggeschwindigkeit, die wirklich und unabhängig von der tatsächlichen Stranggeschwindigkeit festgesetzt wird, erfolgt, wobei die virtuelle Stranggeschwindigkeit derartig gewählt wird, dass sie zwischen den Sättigungsbereichen der Beziehung zwischen Stranggeschwindigkeit und optimaler Strangkühlung liegt, die unterhalb einer unteren kritischen Stranggeschwindigkeit, vmin, und oberhalb einer oberen kritischen Stranggeschwindigkeit, vmax, Sättigungsbereiche aufweist, in denen die Kühlung des Stranges unabhängig von der Stranggeschwindigkeit ist."

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:

"1. Verfahren zur Optimierung der Kühlung bzw. der Kühlmittelmenge beim Stranggießen, insbesondere bei variierender Stranggeschwindigkeit, wobei das Abkühl- und Erstarrungsverhalten des Stranges durch ortsfeste Kühleinrichtungen, insbesondere Wassersprüheinrichtungen, an denen der Strang vorbeigeführt wird, beeinflußt werden kann, wobei die Kühlmittelmenge entsprechend einer vorab bestimmten, strangmaterialabhängigen Beziehung zwischen der Zeitspanne, der ein Strangsegment der Kühlung ausgesetzt ist, und der optimalen Kühlmenge bestimmt wird, und wobei die strangmaterialabhängige Beziehung zwischen der Zeitspanne, der das Strangsegment der Kühlung ausgesetzt ist, und der optimalen Kühlmenge aus bekannten, vom Ort des Strangsegments abhängigen Beziehungen zwischen Stranggeschwindigkeit und optimaler Kühlung bestimmt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Auswahl von Zusammenhängen zwischen Stranggeschwindigkeit und der Kühlung durch Festsetzung einer virtuellen Stranggeschwindigkeit erfolgt, die willkürlich und unabhängig von der tatsächlichen Stranggeschwindigkeit derart festgesetzt wird, dass durch Wahl einer bestimmten virtuellen Geschwindigkeit eine bekannte Zeitspanne, der ein Strangsegment der Kühlung ausgesetzt ist, in einen virtuellen Ort überführt wird und aus einer diesem virtuellen Ort zugeordneten Kühlkurve die optimale Strangkühlung ermittelt wird, wobei die virtuelle Stranggeschwindigkeit derartig gewählt wird, dass sie zwischen den Sättigungsbereichen der Beziehung zwischen Stranggeschwindigkeit und optimaler Strangkühlung liegt, die unterhalb einer unteren kritischen Stranggeschwindigkeit, vmin, und oberhalb einer oberen kritischen Stranggeschwindigkeit, vmax, Sättigungsbereiche aufweist, in denen die Kühlung des Stranges unabhängig von der Stranggeschwindigkeit ist."

Wegen der übrigen Patentansprüche sowie weiterer Einzelheiten wird auf die Patentschrift und den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Das Bundespatentgericht bleibt auch nach Wegfall des § 147 Abs. 3 PatG für die Entscheidung über die Einsprüche zuständig, die in der Zeit zwischen dem 1. Januar 2002 und dem 30. Juni 2006 eingelegt worden sind. Es bestehen weder Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift (vgl. BGH v. 17. April 2007, X ZB 9/06), noch berührt die Aufhebung einer Zuständigkeitsregelung deren Geltung für alle von ihr bereits tatbestandlich erfassten Fälle (so auch BPatG 19 W (pat) 344/04 und 23 W (pat) 313/03).

2. Der frist- und formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Einspruch nach § 21 Abs. 1 PatG rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt worden, so dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der geltend gemachten Widerrufsgründe ohne eigene Ermittlungen ziehen können (§ 59 Abs. 1 PatG).

3. Der Einspruch hat Erfolg, denn die im Patentanspruch 1 angegebene Erfindung ist im Patent nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs. 1 S. 2). Das Patent war deshalb zu widerrufen (§ 61 PatG Abs. 1 S. 1).

a. Nach der im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag angegebenen Lehre erfolgt die Optimierung der Kühlung bzw. der Kühlmittelmenge beim Stranggießen dadurch, dass die Auswahl von Zusammenhängen zwischen Stranggeschwindigkeit und der Kühlung durch Festsetzung einer virtuellen Stranggeschwindigkeit, die willkürlich und unabhängig von der tatsächlichen Stranggeschwindigkeit festgesetzt wird, erfolgt.

Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist demgegenüber zusätzlich angegeben, dass die virtuelle Stranggeschwindigkeit derartig gewählt wird, dass sie zwischen den Sättigungsbereichen der Beziehung zwischen Stranggeschwindigkeit und optimaler Strangkühlung liegt, die unterhalb einer unteren kritischen Stranggeschwindigkeit, vmin, und oberhalb einer oberen kritischen Stranggeschwindigkeit, vmax, Sättigungsbereiche aufweist, in denen die Kühlung des Stranges unabhängig von der Stranggeschwindigkeit ist.

Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist schließlich zusätzlich beschrieben, dass die virtuelle Stranggeschwindigkeit derart festgesetzt wird, dass durch Wahl einer bestimmten virtuellen Geschwindigkeit eine bekannte Zeitspanne, der ein Strangsegment der Kühlung ausgesetzt ist, in einen virtuellen Ort überführt wird und aus einer diesem virtuellen Ort zugeordneten Kühlkurve die optimale Strangkühlung ermittelt wird.

b. Der Patentanspruch 1 ist sowohl nach Hauptantrag als auch nach den Hilfsanträgen formal zulässig, denn er findet jeweils seine Grundlage sowohl in der Patentschrift als auch in den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen. So entspricht der Anspruch 1 nach Hauptantrag dem erteilten Anspruch 1. In den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen finden die darin angegebenen Merkmale ihre Offenbarung in den Ansprüchen 1, 2 und 4. Die zusätzliche Kennzeichnung der virtuellen Stranggeschwindigkeit gemäß Hilfsantrag 1 erschließt sich aus dem erteilten Patentanspruch 3 und dem ursprünglichen Patentanspruch 5. Die weiteren Angaben gemäß Hilfsantrag 2 finden ihre Grundlage jeweils im letzten Absatz der Beschreibung in der Patentschrift bzw. den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen.

c. Als zuständiger Fachmann ist hier ein in der Prozessautomatisierung von Stranggussanlagen tätiger Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik oder des Maschinenbaus mit langjähriger Berufserfahrung anzusehen, der über dementsprechende Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Steuerungs- und Regelungstechnik verfügt und auch die Besonderheiten der Kühlung einer Stranggussanlage kennt.

d. Das im Anspruch 1 sowohl nach Hauptantrag als auch nach den Hilfsanträgen angegebene Verfahren ist im Patent nicht so deutlich und vollständig beschrieben, dass ein Fachmann es ausführen kann.

§ 34 Abs. 4 PatG bestimmt i. V. m. § 21 Abs. 2 PatG (vgl. Schulte, PatG, 7. Auflage, § 21 Rdn. 29), dass die Erfindung im Patent so deutlich und vollständig offenbart sein muss, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Danach ist eine Erfindung ausführbar, wenn ein Fachmann anhand der Angaben unter Einsatz seines Fachwissens in der Lage ist, die offenbarte technische Lehre praktisch zu verwirklichen. Dabei muss die Erfindung nicht buchstabengetreu realisierbar sein, sondern es reicht aus, dass der Fachmann anhand der Offenbarung das erfindungsgemäße Ziel zuverlässig in praktisch ausreichendem Maße erreichen kann (vgl. Busse PatG, 6. Auflage, § 34 Rdn. 273; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 34 Rdn. 364 - jeweils m. w. N.).

Nach ständiger Rechtsprechung müssen die insoweit erforderlichen Angaben nicht im Patentanspruch selbst enthalten sein, sondern es ist ausreichend, dass sich diese aus der Patentschrift insgesamt ergeben. Auch ist es nicht erforderlich, dass alle denkbaren unter den Wortlaut des Patentanspruchs fallenden Ausgestaltungen ausgeführt werden können (vgl. BGH GRUR 2003, 223, 225; Kupplungsvorrichtung II; BGH GRUR 2004, 47, 48 - blasenfreie Gummibahn I).

Gemäß dem Anspruch 1 nach allen gestellten Anträgen ist ein wesentliches Merkmal für die Optimierung der Kühlung bzw. der Kühlmittelmenge beim Stranggießen die Festsetzung einer virtuellen Stranggeschwindigkeit, die willkürlich und unabhängig von der tatsächlichen Stranggeschwindigkeit erfolgt.

Aus der Beschreibung der Patentschrift im Absatz [0006] geht hervor, dass Kühlkurven den Zusammenhang zwischen Stranggeschwindigkeit und Kühlung darstellen und zur Ermittlung des Zusammenhangs zwischen der Zeitspanne, die das Strangsegment der Kühlung ausgesetzt ist, und der optimalen Kühlmenge dienen. In der Beschreibung ist im Absatz [0012] zu einer solchen, in Figur 2 dargestellten Kühlkurve 15 ausgeführt, dass sie unterhalb einer kritischen Stranggeschwindigkeit, vmin, einen unteren Sättigungsbereich 16 und oberhalb einer oberen kritischen Stranggeschwindigkeit, vmax, einen oberen Sättigungsbereich 17 aufweist. Zwischen diesen kritischen Stranggeschwindigkeiten vmin und vmax weist die dargestellte Kühlkurve außerdem einen Bereich 18 mit streng monotoner Steigung auf. Für die im Anspruch 1 angegebene virtuelle Stranggeschwindigkeit, vvirt, muss gemäß dem Absatz [0013] vmin ² vvirt ² vmax gelten, d. h. die virtuelle Stranggeschwindigkeit liegt in dem zu dem streng monoton wachsenden Bereich 18 in Figur 2 gehörenden Intervall von vmin bis vmax.

Es ist im Absatz [0014] auch noch beschrieben, dass durch Wahl einer bestimmten virtuellen Geschwindigkeit eine bekannte Zeitspanne, der ein Strangsegment der Kühlung ausgesetzt ist, in einen virtuellen Ort überführt wird und anschließend aus der diesem virtuellen Ort zugeordneten Kühlkurve die optimale Strangkühlung zu ermitteln ist. Schließlich erfährt der Fachmann beim Lesen der Patentschrift, dass die optimale Kühlung sich dabei aus dem Punkt auf der Kühlkurve ergibt, der der virtuellen Geschwindigkeit vvirt zugeordnet ist.

Insgesamt entnimmt der Fachmann aufgrund seines Wissens und Könnens somit der Patentschrift folgende Lehre zur Ermittlung der optimalen Kühlung: 1. In einer dem tatsächlichen Ort eines bestimmten Strangsegments zugeordneten Kühlkurve wird unabhängig von der tatsächlichen Stranggeschwindigkeit ein beliebiger Geschwindigkeitswert vvirt aus dem Intervall von vmin bis vmax ausgewählt; 2. Mit dieser virtuellen Stranggeschwindigkeit wird das betreffende Strangsegment in einer bekannter Zeitspanne, während der das Strangsegment der Kühlung ausgesetzt ist, rein rechnerisch einen dementsprechenden Weg zurücklegen und somit an einen virtuellen Ort überführt; 3. Die zu diesem virtuellen Ort gehörende Kühlkurve wird ausgewählt und daraus die der vorher willkürlich festgesetzten virtuellen Stranggeschwindigkeit zugeordnete Kühlung ermittelt, die der optimalen Kühlung entsprechen soll.

Dem Fachmann ist dabei klar, dass, wenn er eine von der tatsächlichen Stranggeschwindigkeit unabhängige virtuelle Stranggeschwindigkeit zur Ermittlung der optimalen Kühlung auswählt, auch die Kühlung selbst unabhängig von der tatsächlichen Geschwindigkeit, mit der sich der Gießstrang bewegt, ist, wie es die dem Patent zugrunde liegende Aufgabe fordert. Er erkennt jedoch auch, dass die sich bei der im Patent beschriebenen Vorgehensweise ergebende Kühlung zwangsläufig genauso beliebig ist, wie die zugrunde liegende virtuelle Stranggeschwindigkeit selbst. Ein Hinweis darauf, unter welchen Bedingungen sich als Lösung der Aufgabenstellung eine im Vergleich zum Stand der Technik gezielt verbesserte oder sogar bei variierender Strangsegmentgeschwindigkeit optimierte Kühlung auf der Grundlage dieser beliebigen virtuellen Geschwindigkeit ermitteln lässt, wie in der Patentschrift beispielsweise in Sp. 3 Zn. 2 bis 4 behauptet, erschließt sich dem Fachmann aus dem gesamten Inhalt der Patentschrift dagegen nicht.

Nun muss dem Fachmann nicht in allen Einzelheiten vorgegeben werden, wie er ein Prozessmodell zur Optimierung der Kühlung einer bestehenden Stranggussanlage technisch umzusetzen und zu verwirklichen hat. Es genügt, ihm die entscheidende Richtung vorzugeben, aufgrund derer er die für den jeweiligen Betriebszustand der Anlage optimale Kühlung ermitteln bzw. modellieren kann. Wie aus den vorstehenden Ausführungen folgt, fehlt diese entscheidende Richtung jedoch sowohl im Patentanspruch, als auch in den übrigen Teilen der Patentschrift insgesamt. Es fehlt nämlich ein Modell, mit dem er auf der Grundlage einer in bestimmten Grenzen beliebigen, willkürlich ausgewählten Rechengröße zu einer optimierten Kühlung eines Stranggusses selbst bei variierender tatsächlicher Stranggeschwindigkeit kommen kann.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Fachmann auch dem Stand der Technik keine Hinweise entnehmen kann, an denen er sich hinsichtlich einer Prozessoptimierung orientieren könnte. So ist, wie die Patentinhaberin selbst zutreffend ausführt, in keiner der in Betracht gezogenen Entgegenhaltungen D1 bis D4 eine virtuelle Prozessgröße auch nur erwähnt.

Schließlich ist er auch nicht in der Lage, im Rahmen zumutbarer Simulationsversuche zu einer Lösung zu kommen, denn es fehlt im jegliches Vorbildmodell. Somit bleibt er bei der Optimierung der Stranggusskühlung selbst bei seinem Wissen und Können mit der Ausführung der im Anspruch 1 angegebenen Lehre vollkommen alleine.

An dieser Feststellung ändert auch der Einwand der Patentinhaberin nichts, wonach sich die Optimierung der Kühlung durch eine Eingabe vieler Werte der virtuellen Geschwindigkeit in ein Prozesssystem und damit durch ein Training eines solchen Systems einstelle. Denn in diese Richtung fehlt in der Patentschrift jeglicher Hinweis.

e. Der Patentanspruch 1 hat deshalb weder in der Fassung gemäß Hauptantrag noch in den Fassungen gemäß den Hilfsanträgen Bestand. Da nur über den Antrag insgesamt entschieden werden kann, teilen die übrigen Ansprüche das Schicksal des Patentanspruchs 1 (BGH GRUR 1997, 120, Elektrisches Speicherheizgerät).

Kahr Schwarz-Angele Maksymiw Zettler Na






BPatG:
Beschluss v. 02.04.2007
Az: 15 W (pat) 313/04


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