Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Dezember 2008
Aktenzeichen: 7 W (pat) 321/05

(BPatG: Beschluss v. 17.12.2008, Az.: 7 W (pat) 321/05)

Tenor

Das Patent 195 00 781 wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen die am 23. September 2004 veröffentlichte Erteilung des Patents 195 00 781 mit der Bezeichnung "Abgasanlage für Verbrennungsmotoren" ist Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei.

Die Einsprechende macht eine offenkundige Vorbenutzung des angefochtenen Patentgegenstandes nach Anspruch 1 geltend und legt zum Nachweis u. a. folgende Unterlagen vor:

Zeichnung-Nr. 220 6061 002 der Firma Zeuna Stärker, Bezeichnung: "ZB Abgasanlage vorne geschweißt DB R129 E50 4V", 1988, letzte Änderung Juni 1994 (kurz: Z1) Zeichnung-Nr. 221 6061 201 der Firma Zeuna Stärker, Bezeichnung: "ZB Vorrohr links DB R129 E50 4V", 1988, letzte Änderung September 1990 (Z2)

Ausschnitt der Zeichnung Nr. 221 6061 202 der Firma Zeuna Stärker, Bezeichnung: "Vorrohr, links DB R129 E 50", 1988

(Z3)

Ausschnitt der Zeichnung Nr. 221 6061 009 der Firma Zeuner Stärker, Bezeichnung: "ZB Vorrohr rechts", (Datum nicht lesbar)

(Z4)

Sie gibt an, bei der in den vorgenannten Zeichnungen dargestellten Abgasanlage handele es sich um die seit August 1988 ausgelieferte Serien-Abgasanlage des Mercedes 500 SL (R129 E50) mit zwei Vorrohren unterschiedlicher Rohrlängen und unterschiedlich großer Rohrquerschnitte, und bietet hierfür Zeugenbeweis an.

Ferner beruft sich die Einsprechende auf den Stand der Technik u. a. nach den in der mündlichen Verhandlung abgehandelten Druckschriften JP 01294911 A aus ÔPatent Abstracts of Japan' (D7) und US 3 525 419 (D3).

Die Einsprechende trägt vor, die Abgasanlage nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents sei gegenüber dem Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung nicht mehr neu. Gegenüber den vorgelegten Druckschriften beruhe sie zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 3 des Streitpatents sei gegenüber dem Inhalt der JP 1294911 A (D7) nicht neu, gegenüber dem Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung in Verbindung mit dem Stand der Technik nach US 3 525 419 (D3) auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend. Dem Gegenstand des dritten unabhängigen Anspruchs 5 des Streitpatents fehle es ebenfalls an erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf den Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung in Verbindung mit dem Stand der Technik u. a. nach Druckschrift D3. Auch die Gegenstände der Unteransprüche 2 und 4 enthielten keine erfinderischen Lehren.

Durch Vernehmung des Zeugen Z... hat der Senat Beweis erhoben über die von der Einsprechenden behauptete Lieferung von Abgasanlagen nach den vorliegenden Zeichnungen (Z1 bis Z4) für den Einbau in die Fahrzeuge des o. a. Typs Mercedes SL 500 lange vor dem Prioritätstag des Streitpatents.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das angefochtene Patent zu widerrufen.

Sie beantragt zudem, die der Einsprechenden entstandenen Kosten für die mündliche Verhandlung der Patentinhaberin aufzuerlegen, weil das Streitpatent in Kenntnis des Vorbenutzungsgegenstandes erwirkt und damit der Einspruch provoziert worden sei, was nach ständiger Rechtssprechung zu einer Kostenfolge führe.

Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2008 Hilfsanträge 1 bis 5 eingereicht und den Antrag gestellt, den Einspruch zurückzuweisen und das Patent wie erteilt aufrecht zu erhalten, hilfsweise das Patent im Umfang einer der Hilfsanträge 1 bis 5 aufrecht zu erhalten.

Außerdem hat sie beantragt, den Kostenantrag der Einsprechenden mangels Begründetheit zurückzuweisen.

Zugleich hat sie mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen und nicht vertreten sein werde.

Die unabhängigen Ansprüche nach Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 5 lauten wie folgt:

a) Hauptantrag

"1. Abgasanlage mit zwei Vorrohren (1, 3) unterschiedlicher Länge (l1, l3), die sich an einer Sammelstelle (2) vereinigen, für Verbrennungsmotoren, die Störschall mit Harmonischen (H) der Motordrehfrequenz (F) erzeugen entsprechend der Gleichung Hx = 0,5*N*F (N = 1, 2, 3...), dadurch gekennzeichnet, dass der Querschnitt (S3) des längeren (l3) Vorrohrs (3) größer ist als der Querschnitt (S1) des kürzeren (l1) Vorrohrs (1)."

"3. Abgasanlage mit zwei Vorrohren (1, 3) unterschiedlicher Länge (l1, l3), die sich an einer Sammelstelle (2) vereinigen, für Verbrennungsmotoren, die Störschall mit Harmonischen (H) der Motordrehfrequenz (F) erzeugen entsprechend der Gleichung Hx = 0,5*N*F (N = 1, 2, 3...), dadurch gekennzeichnet, dass an das kürzere Vorrohr (1) ein Resonanzraum (7) seitlich angekoppelt ist."

"5. Abgasanlage mit zwei Vorrohren (1, 3) unterschiedlicher Länge (l1, l3), die sich an einer Sammelstelle (2) vereinigen, für Verbrennungsmotoren, die Störschall mit Harmonischen (H) der Motordrehfrequenz (F) erzeugen entsprechend der Gleichung Hx = 0,5*N*F (N = 1, 2, 3...), dadurch gekennzeichnet, dass der Querschnitt (S3) des längeren (l3) Vorrohrs (3) größer ist als der Querschnitt (S1) des kürzeren (l1) Vorrohrs (1) und dass an das kürzere Vorrohr (1) ein Resonanzraum (7) seitlich angekoppelt ist."

b) Hilfsantrag 1

"1. Abgasanlage mit zwei Vorrohren (1, 3) unterschiedlicher Länge (l1, l3), die sich an einer Sammelstelle (2) vereinigen, für Verbrennungsmotoren, die Störschall mit Harmonischen (H) der Motordrehfrequenz (F) erzeugen entsprechend der Gleichung Hx = 0,5*N*F (N = 1, 2, 3...), wobei der Querschnitt (S3) des längeren (l3) Vorrohrs (3) größer ist als der Querschnitt (S1) des kürzeren (l1) Vorrohrs (1), dadurch gekennzeichnet, dass die Querschnitte (S1, S3) der beiden Vorrohre (1, 3) nach der Gleichung S3/S1 = l3/l1 bei H 0,5 = 0,5*F dimensioniert sind."

"2. Abgasanlage mit zwei Vorrohren (1, 3) unterschiedlicher Länge (l1, l3), die sich an einer Sammelstelle (2) vereinigen, für Verbrennungsmotoren, die Störschall mit Harmonischen (H) der Motordrehfrequenz (F) erzeugen entsprechend der Gleichung Hx = 0,5*N*F (N = 1, 2, 3...), wobei an das kürzere Vorrohr (1) ein Resonanzraum (7) seitlich angekoppelt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Querschnitte (S1, S3) der beiden Vorrohre (1, 3) gleich sind und dass der Abstand (l2) der Ankoppelstelle des Resonanzraums (7) von der Sammelstelle (2) nach der Formel l2 = S1*(l32 - l12) /2*V bestimmt ist."

Der Patentanspruch 3 lautet wie der erteilte Patentanspruch 5.

c) Hilfsantrag 2 Der Wortlaut des Patentanspruchs 1 stimmt mit dem Wortlaut des Patentanspruchs 2 nach Hilfsantrag 1 überein. Der Wortlaut des Patentanspruchs 2 entspricht dem des erteilten Patentanspruchs 5.

d) Hilfsantrag 3 Der Wortlaut des Patentanspruchs 1 stimmt mit dem Wortlaut des Patentanspruchs 2 nach Hilfsantrag 1 überein.

Patentanspruch 2 lautet: "Abgasanlage mit zwei Vorrohren (1, 3) unterschiedlicher Länge (l1, l3), die sich an einer Sammelstelle (2) vereinigen, für Verbrennungsmotoren, die Störschall mit Harmonischen (H) der Motordrehfrequenz (F) erzeugen entsprechend der Gleichung Hx = 0,5*N*F (N = 1, 2, 3...), wobei der Querschnitt (S3) des längeren (l3) Vorrohrs (3) größer ist als der Querschnitt (S1) des kürzeren (l1) Vorrohrs (1) und dass an das kürzere Vorrohr (1) ein Resonanzraum (7) seitlich angekoppelt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Querschnitte (S1, S3) der beiden Vorrohre (1, 3) gleich sind und dass der Abstand (l2) der Ankoppelstelle des Resonanzraums (7) von der Sammelstelle (2) nach der Formel l2 = S1*(l32 - l12) /2*V bestimmt ist."

e) Hilfsantrag 4 Der Wortlaut des Patentanspruchs 1 stimmt mit dem Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 5 überein.

f) Hilfsantrag 5 Der Wortlaut des Patentanspruchs 1 stimmt mit dem Wortlaut des Patentanspruchs 2 nach Hilfsantrag 3 überein.

Zum Wortlaut der den nebengeordneten Patentansprüchen 1 und 3 nach Hauptantrag nachgeordneten, erteilten Patentansprüchen 2 und 4 wird auf die Streitpatentschrift DE 195 00 781 B4 verwiesen.

In der Streitpatentschrift ist als Aufgabe der Erfindung angegeben, eine Abgasanlage mit zwei Vorrohren unterschiedlicher Länge anzugeben, mit deren Hilfe auch unter ungünstigen Umständen eine erhebliche Störschallreduzierung, insbesondere bei der 1,5-fachen Harmonischen der Grundfrequenz erreicht werden kann (Abs. [0009]).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der -mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten -Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG noch auf Grund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG analog zuständig (im Anschluss an den Beschluss des 23. Senats vom 19. Oktober 2006 -Az.: 23 W (pat) 327/04).

III.

Der Einspruch ist zulässig. Er ist auch begründet.

Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt keine patentfähige Erfindungi. S. d. PatG §1 bis § 5 dar.

1. Zum Hauptantrag:

Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung nicht mehr neu. Die Vernehmung des Herrn Z... hat ergeben, dass eine Abgasanlage gemäß den vorgelegten Zeichnungen Z1 und Z2 sowie den Zeichnungsausschnitten Z3 und Z4 vor dem Prioritätstag des angefochtenen Patents hergestellt und in serienmäßig produzierte Fahrzeuge des Typs Mercedes SL 500 eingebaut worden ist und die Öffentlichkeit somit Kenntnis von dieser Abgasanlage bekommen hat, zumindest bekommen konnte. Für Einzelheiten der Aussage des Zeugen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Der Senat ist von der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Richtigkeit seiner Angaben überzeugt. Dadurch, dass der Zeuge selbst mit der Fertigung von Abgasanlagen der Firma Z1... seit 1988 - 1988/89 als Fertigungsplaner -be fasst war, sind ihm Einzelheiten trotz des lang zurückliegenden Zeitabschnittes gut erinnerlich. Seit 1989 und bis etwa 2001 wurden nach seinen Angaben im Auftrag der D... AG ca. ... dieser zeichnungsgemäßen Abgasanlagen in Augsburg gefertigt und in Bremen am Fahrzeug Mercedes 500 SL der Baureihe DB R129 mit einem 8-Zylinder-Motor verbaut. Der Zeuge hat auch angegeben, dass ab 1991/1992 die Fachwerkstätten die Abgasanlage als Ersatzteil abrufen konnten. Spätestens ab diesem Zeitraum ist nach der Lebenserfahrung daher von einer Offenkundigkeit der Abgasanlage gemäß den vorgelegten Zeichnungen auszugehen. Zwar seien die Vorrohre mit einer Isolierung ausgeliefert worden. Das habe, so die Zeugenangabe, jedoch nicht die Erkennbarkeit der unterschiedlichen Rohrdurchmesser verhindert. Diese Angabe erscheint insofern glaubhaft, als die Isolierung zum einen nicht die gesamte Rohrlänge erfasst (Z2) und zum anderen aufgrund etwa gleicher Temperaturbelastungen im Fahrzeugbetrieb eher von gleichen Isolierdicken für beide Vorrohre auszugehen ist. Die in der Zeichnung Z1 gezeigte Abgasanlage und das in der Zeichnung Z2 gezeigte Verlängerungsrohr, das sog. "linke Vorrohr", wurden einzeln geliefert und vor Ort zusammengebaut. Die beiden Endflansche an den beiden Vorrohren bildeten nach Zeugenaussage die Anschlüsse für den Abgaskrümmer. Danach zeigen die Zeichnungen den kompletten Rohrsatz zwischen Abgaskrümmer und Katalysator, so dass auch die tatsächliche Gesamtlänge der am Fahrzeug verbauten Vorrohre aus den Zeichnungen entnehmbar ist.

Die Zeichnung Z1 zeigt im Einzelnen zwei parallel bzw. horizontal nebeneinander liegende Katalysatoren mit jeweils einem Abgas-Endrohr (in der Zeichnung am rechten Ende des Katalysators dargestellt). Ein horizontales Abgas-Sammelrohr (Z1 Mitte) verzweigt sich an seinem einen Ende zu den beiden Katalysatoren. Am anderen (in der Zeichnung linken) Ende des Sammelrohrs vereinigen sich zwei Vorrohre, ein länger gezeichnetes, das nach oben, also in vertikaler Richtung ausgebogen verläuft, und ein kürzer gezeichnetes, das etwa einen horizontal liegenden 90¡-Bogen beschreibt. An das Ende des 90¡-Bogens wird nach der Zeugenaussage bei der Montage das Rohrstück nach Z2 angefügt, das als "Vorrohr links" bezeichnet ist. Die gestreckten Längen der Vorrohre nach Z1 sind in dem Ausschnitt der Zeichnung Nr. 221 6061 009 (Z4) angegeben, auf die auch Z1 verweist (nahe der Vorrohr-Vereinigungsstelle). Das längere Rohr, das das "rechte Vorrohr" bzw. das Rohr I darstellt, weist danach eine gestreckte Länge von etwas über 543 mm, einen Außendurchmesser von 50 mm und eine Wandstärke von 2 mm auf (Schreibweise: ¯ 50 x 2 DIN 2463). Das kürzere Rohrstück (Rohr II) weist eine gestreckte Länge von 183,06 mm, einen Außendurchmesser von 55 mm und eine Wandstärke von 2 mm auf. Die gestreckte Länge des Verlängerungsrohres bzw. des linken Vorrohres nach Z2 geht aus der Zeichnung Nr. 221 6061 202 (Z3) hervor, auf die in Z2 (links unten) verwiesen ist. Sie beträgt 828,9 mm. Das Rohrmaß ¯ 55 x 2 DIN 2463 entspricht dem des Rohres II nach Z1. Daraus ergibt sich, dass die Gesamtlänge des linken Vorrohres mit ca. 1 m deutlich größer als die des rechten Vorrohres (ca. 543 mm) und der Querschnitt des längeren (linken) Vorrohres größer als der Querschnitt des kürzeren (rechten) Vorrohres ist, übereinstimmend mit Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1.

In der Streitpatentschrift ist als bekannt beschrieben, dass bei 6-Zylinderund V8-Motoren aufgrund ungleicher Maße der Vorrohre im Abgas außer der Motorgrundfrequenz F auch ein Störschall H mit Harmonischen der Grundfrequenz entsprechend der Gleichung H = 0,5 * N * F (N = 1, 2, 3,...) auftritt (StrPS Abs. 0005, 0007). Das Auftreten eines derartigen Störschalls ist danach auch bei der vorbenutzten und in ein Fahrzeug des Typs o. a. Mercedes 500 SL eingebauten Abgasanlage zu unterstellen. Damit weist der Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung sämtliche Merkmale des angefochtenen Patentanspruchs 1 auf.

Da mit dem Hauptantrag ein nicht patentfähiger Gegenstand beansprucht wird und über einen Antrag nur ganzheitlich entschieden werden kann, konnte dem Antrag insgesamt nicht stattgegeben werden.

2. Zu den Hilfsanträgen 1, 2 und 4 Den Hilfsanträgen 1, 2 und 4 konnte nicht stattgegeben werden, weil sie übereinstimmend jeweils einen unabhängigen bzw. nebengeordneten Patentanspruch enthalten, dessen Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

Der nebengeordnete Patentanspruch 3 nach Hilfsantrag 1, der nebengeordnete Patentanspruch 2 nach Hilfsantrag 2 sowie der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 umfassen sämtliche Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1. Insoweit gelten die obigen Ausführungen zum Hauptantrag auch hierzu uneingeschränkt.

Diese Ansprüche enthalten darüber hinaus das Merkmal, dass an das kürzere Vorrohr ein Resonanzraum seitlich angekoppelt ist.

Diese Merkmalskombination kann eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

Der Fachmann, der von der vorbenutzten Abgasanlage eines Mercedes 500 SL ausgeht und vor der stets gegenwärtigen Aufgabe der Fahrzeughersteller steht, die Schalldämpfung im Abgassystem weiter zu verbessern, erhält aus der D7 (Figur und Abstract) bereits die Anregung, bei einem V-Motor, dessen Abgasanlage zwei sich vereinigende Vorrohre (15b, 15c) unterschiedlicher Längen aufweist, einen Interferenzraum (interference pipe 16) seitlich an das kürzere Vorrohr (15c) anzukoppeln, um die Entstehung von Interferenz-Geräuschen im Abgas zu reduzieren. Die Patentinhaberin hat in ihrem Schriftsatz vom 4. Dezember 2008 ausgeführt, dass der Interferenzraum nach D7 die Funktion eines Helmholtzresonators aufweise (S. 4 Abs. 4), nicht jedoch die des Resonanzraums nach dem erteilten Patentanspruch 3. Diese Schlussfolgerung ist nicht nachvollziehbar, da über die Art des Resonanzraums in der Streitpatentschrift keine näheren Angaben gemacht sind und unter dem sehr weiten Begriff "Resonanzraum" nach Überzeugung des Senats auch ein Helmholtzresonator fällt. Im Übrigen verweist die Patentinhaberin in ihrem Erwiderungsschriftsatz auf den Einspruch auf das - offensichtlich auch der Abgasanlage nach dem Streitpatent zugrundeliegende -Bedürfnis der Fachwelt hin, vom Verbrennungsmotor erzeugten Lärm unter Einsatz des physikalischen Phänomens der Interferenz zu dämpfen (Ss. v. 26. April 2005, S. 5 le. Abs.), so dass mit den Begriffen Resonanzraum (StrP) und Interferenzrohr (D7) und mit Blick auf die übereinstimmenden Anordnungen an dem jeweils kürzeren Vorrohr der Abgasanlagen nach Streitpatent und D7 im Wesentlichen das Gleiche gemeint bzw. beabsichtigt ist. Die Übertragung der aus der D7 bekannten Lehre auf den Gegenstand der Vorbenutzung zur Nutzung ihrer bekannten Vorteile führt den Fachmann somit in nahe liegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 3 nach Hilfsantrag 1.

3. Zu den Hilfsanträgen 3 und 5 Die Hilfsanträge 3 und 5 mussten erfolglos bleiben, weil sie jeweils einen Gegenstand beanspruchen, der nicht ausführbar ist.

Der nebengeordnete Patentanspruch 2 nach Hilfsantrag 3 und der einzige Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5 beschreiben einen Gegenstand, der durch Vereinigung der Merkmale der erteilten Patentansprüche 4 und 5 gebildet worden ist. Im erteilten Patentanspruch 4 ist gefordert, dass die Querschnitte (S1, S3) der beiden Vorrohre (1, 3) gleich sind. Hingegen ist im erteilten Patentanspruch 5 beansprucht, dass der Querschnitt (S3) des längeren (l3) Vorrohrs (3) größer ist als der Querschnitt (S1) des kürzeren (l1) Vorrohrs (1). Aufgrund dieses Widerspruchs enthalten die benannten Patentansprüche nach Hilfsantrag 3 und nach Hilfsantrag 5 keine ausführbaren Lehren.

IV.

Dem Kostenantrag der Einsprechenden war nicht stattzugeben.

Die Kosten der mündlichen Verhandlung der Patentinhaberin aufzuerlegen, entspricht nicht der Billigkeit.

Das Vorbringen der Einsprechenden und die von ihr zum Nachweis der offenkundigen Vorbenutzung vorgelegten Unterlagen reichten nicht aus, um davon ausgehen zu müssen, dass der Patentinhaberin die Benutzung vor dem Prioritätstag des Streitpatents bekannt war. Vor allem hat die Einsprechende sich aber gegen die Aufrechterhaltung des Patents nicht nur im vollem sondern auch im beschränkten Umfang gewandt. Es war aber keineswegs von vornherein offensichtlich, dass die Patentinhaberin auch mit ihrem Begehren, das Patent im beschränkten Umfang aufrechtzuerhalten, keinen Erfolg haben würde. Abgesehen davon hat die Einsprechende das Streitpatent nicht nur durch die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung, sondern auch mit einem neuen druckschriftlichen Stand der Technik angegriffen und damit Anlass zur mündlichen Erörterung des daraus entnehmbaren Standes der Technik gegeben. Ein Verhalten der Patentinhaberin, das nicht mit der Sorgfalt in Einklang steht, konnte der Senat deshalb nicht erkennen.

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BPatG:
Beschluss v. 17.12.2008
Az: 7 W (pat) 321/05


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