Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 29. August 2000
Aktenzeichen: 7A D 38/98.NE

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 29.08.2000, Az.: 7A D 38/98.NE)

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag der Vollstreckungsgläubiger,

die Vollstreckung aus dem Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Senates vom 07.07.2000 zu verfügen und einen Gerichtsvollzieher zu beauftragen, wegen eines Betrages von 2.839,97 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 02.03.2000 und der nachfolgend berechneten Kosten des Vollstreckungsverfahrens die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen der Schuldner zu betreiben,

war abzulehnen, weil der Senat für die begehrte Vollstreckung nicht zuständig ist.

Gegenstand des Vollstreckungsantrags ist der Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Senats vom 7. Juli 2000, mit dem die gemäß § 19 BRAGO von den Vollstreckungsschuldnern an die Vollstreckungsgläubiger zu zahlende Vergütung auf 2.839,97 DM festgesetzt wurde.

Ob für die Vollstreckung eines die Vergütung des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten festsetzenden Beschlusses nach § 19 BRAGO, der - wie im vorliegenden Fall - gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 BRAGO vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eines Verwaltungsgerichts erlassen wurde, die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder die der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuständig sind, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Im Einzelnen lässt sich die vorliegende Rechtsprechung wie folgt zusammenfassen:

Die Zuständigkeit der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird bejaht von

- OVG NRW, Beschluss vom 2. April 1980 - 4 B 1810/79 - NJW 1980, 2373; - OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 1984 - 18 B 21544/83 - NJW 1984, 2484; - OVG NRW, Beschluss vom 16. Oktober 1985 - 19 B 1946/85 - NJW 1986, 1190.

Die Zuständigkeit der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit wird hingegen bejaht von

- OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. März 1980 - 9 E 1/80 - NJW 1980, 1541; - VG Berlin, Beschluss vom 6. Oktober 1980 - 1 A 198.80 - NJW 1981, 884; - LG Berlin, Beschluss vom 7. April 1982 - 81 T 204/82 - MDR 1982, 679; - OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. Februar 1984 - 8 B 39/83 - NJW 1984, 2485; - OVG NRW, Beschluss vom 20. März 1985 - 17 B 1171/83 - RPfleger 1986, 152 mit zustimmender Anmerkung von Lappe; - LG Heilbronn, Beschluss vom 17. Dezember 1992 - 1b T 358/92 - NJW-RR 1993, 575 = RPfleger 1993, 252.

Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung aus den in den angeführten Entscheidungen dargelegten Gründen an. Maßgeblich hierfür ist insbesondere folgende Erwägung:

Eine Vollstreckung durch die Verwaltungsgerichte findet nach § 168 Abs. 1 VwGO nur auf Grund folgender Vollstreckungstitel statt: 1. Rechtskräftige und vorläufig vollstreckbare gerichtliche Entscheidungen, 2. einstweilige Anordnungen, 3. gerichtliche Vergleiche, 4. Kostenfestsetzungsbeschlüsse, 5. für vorläufig vollstreckbar erklärte Schiedssprüche öffentlichrechtlicher Schiedsgerichte und schiedsrichterliche Vergleiche, sofern die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt ist.

Schon der Wortlaut dieser Regelungen spricht dagegen, dass die Verwaltungsgerichte auch aus Beschlüssen zu vollstrecken haben, mit denen gemäß § 19 BRAGO die Gebühren eines Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten festgesetzt werden. Diese Gebühren sind keine "Kosten" und demgemäß Beschlüsse über ihre Festsetzung auch keine "Kostenfestsetzungsbeschlüsse".

Für die Sicht des Senats spricht weiter, dass es sich bei den in § 168 Abs. 1 VwGO aufgelisteten Vollstreckungstiteln ausnahmslos um solche handelt, die den gerichtlichen Streitstoff selbst und seine vom Gericht zu regelnde kostenmäßige Abwicklung (vgl. § 161 Abs. 1 VwGO) betreffen. Bei der nach § 19 BRAGO festzusetzenden Gebühr geht es jedoch nicht um den Streitstoff selbst und seine kostenmäßige Abwicklung. Eigenständige materielle Grundlage ist vielmehr das zivilrechtliche Auftragsverhältnis zwischen dem bevollmächtigten Rechtsanwalt und seinem Mandanten. Dass die dem Rechtsanwalt von seinem Mandanten zu zahlenden Gebühren dann, wenn nicht der - einfachere - Weg über eine Festsetzung nach § 19 BRAGO gewählt wird, vor den ordentlichen Gerichten einzuklagen und ggf. auch zu vollstrecken sind, unterliegt keinem Zweifel. Angesichts dessen kann der Umstand, dass § 19 Abs. 3 BRAGO die Festsetzung der Gebühren in Verfahren vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanzgerichtsbarkeit und der Sozialgerichtsbarkeit dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zugewiesen hat, nur als eine aus verfahrensökonomischen Gründen getroffene Sonderregelung gewertet werden, die dem Rechtsanwalt im vereinfachten Verfahren die Erzielung eines vollstreckbaren Titels ermöglicht. Aus ihr kann aber nicht geschlossen werden, dass auch eine Vollstreckung des im vereinfachten Verfahren nach § 19 BRAGO festgesetzten zivilrechtlichen Anspruchs durch die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit (bzw. Finanzgerichtsbarkeit oder Sozialgerichtsbarkeit) erfolgt. Maßgeblich bleibt vielmehr der zivilrechtliche Charakter der Vergütung

- vgl. auch: von Eicken in Gerold/ Schmidt, BRAGO, 11. Aufl., § 19 RdNr. 59 -,

sodass Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse auch dann, wenn sie nicht von einem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit erlassen wurden, jedenfalls von den Gerichten dieser Gerichtsbarkeit zu vollstrecken sind.

Von der Erhebung von Kosten für den Vollstreckungsantrag wird mit Blick auf die nach dem Vorstehenden unzutreffende "Rechtsmittelbelehrung" im Beschluss vom 7. Juli 2000 abgesehen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 29.08.2000
Az: 7A D 38/98.NE


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