Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Juli 2001
Aktenzeichen: 32 W (pat) 111/00

(BPatG: Beschluss v. 25.07.2001, Az.: 32 W (pat) 111/00)

Tenor

Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 9. März 1998 und 4. Februar 2000 werden insoweit aufgehoben, als die Anmeldung zurückgewiesen wurde für die Waren "Anstecknadeln, Aufkleber; Bekleidungsstücke, insbesondere Schals und Krawatten".

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Angemeldet ist die Wortmarke Aurikulo-Medizinfür die Waren und Dienstleistungen Anstecknadeln, Aufkleber; Bekleidungsstücke, insbesondere Schals und Krawatten; Lehrmaterial, Zeitschriften, Bücher, Skripten; Bild- und Tonträger, insbesondere Videokassetten und CDs; Veranstaltung von Seminaren, Kursen, Kongressen.

Die Markenstelle für Klasse 41 hat die Anmeldung mit Beschluss vom 9. März 1998 und die dagegen eingelegte Erinnerung mit Beschluss vom 4. Februar 2000 zurückgewiesen, weil das angemeldete Zeichen die Thematik der Angebote beschreibe. Es gäbe Aurikulo-Akupunktur und andere so benannte Therapieformen. Die angesprochenen Kreise, die sich für solche Therapieformen interessierten, verstünden das Wort auch. Die dem Beschluss beigefügten Nachweise zeigten die Gebräuchlichkeit des Ausdrucks als Fachbegriff. Von wem die Aufsätze und Bücher stammten, sei unbeachtlich.

Dagegen hat der Anmelder Beschwerde eingelegt. Er ist der Ansicht, auricula sei zwar der lateinische Ausdruck für das äußere Ohr. Es stehe aber auch für Ohrläppchen bzw -muschel und ohrförmige Gebilde oder Anhängsel. Medizinischbiologische Fachkreise dächten an die Quallenart Halkiclystus auricula sowie ähnlich benannte Muscheln, Pilze und Pflanzen. Wegen der Mehrdeutigkeit und Unschärfe erwarteten viele Besucher seiner Kurse, auch Ärzte, ganz andere Lehrinhalte. Damit sei die angemeldete Marke nicht eindeutig beschreibend. Es gebe auch keine Aurikulo-Medizin, wie es etwa eine Zahnmedizin gebe. Anders als Aurikulo-Akupunktur enthalte der Begriff "Aurikulo-Medizin" keine sinnvolle Aussage; das Ohr werde dabei ohnehin nicht behandelt. "Aurikulo" sei außerdem eine schutzfähige Abwandlung, wenn man "auricula" als beschreibend ansehen wollte. Den Ausdruck "Aurikulo-Medizin" habe er selbst geprägt. Die im Literaturnachweis enthaltenen Bücher stammten entweder von ihm selbst oder von seinen Schülern, oder aber sie bezögen sich auf das Herzohr, also nicht auf das Innenohr.

Die Anmelder beantragt, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. März 1998 und 4. Februar 2000 aufzuheben.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der begehrten Eintragung in das Markenregister steht hinsichtlich der Waren "Anstecknadeln, Aufkleber; Bekleidungsstücke, insbesondere Schals und Krawatten" weder das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) noch das nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen.

Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die einer Marke innewohnende Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Anbieters gegenüber solchen anderer aufgefasst zu werden. Hierbei ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, dieses Schutzhindernis zu überwinden (stRspr; vgl BGH MarkenR 2000, 48 - Radio von hier; 2000, 50 - Partner with the Best).

Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH GRUR 2000, 722 - LOGO).

Diese kann "Aurikulo-Medizin" für die im Tenor genannten Waren nicht abgesprochen werden, denn dem Markenwort kommt insoweit nicht ohne weiteres ein beschreibender Begriffsinhalt zu. Hinsichtlich der og Waren darf nicht unterstellt werden, dass "Aurikulo-Medizin" auf ihnen plakativ werbemäßig für die ebenfalls beanspruchten Dienstleistungen verwendet wird. Vielmehr ist von einer markenmäßigen Verwendung auszugehen. Dabei kann nicht festgestellt werden, dass "Aurikulo-Medizin" für diese Waren jeglicher Unterscheidungskraft entbehrt, zumal hierbei alle Verkehrskreise als Adressaten in Betracht kommen, wenn die beanspruchten Waren außerhalb von Seminaren in allgemeinen Geschäften angeboten werden, für die "Aurikulo-Medizin" eine Inhaltsangabe ist. Diese Verkehrskreise haben dort keinen Anlass, an eine Therapieform zu denken.

Insoweit ist auch das Eintragungshindernis nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht gegeben. Keinem Hersteller oder Anbieter von Anstecknadeln, Aufklebern und Bekleidung dient "Aurikulo-Medizin" zur unmissverständlichen Beschreibung dieser Waren.

Im übrigen kann der Wortmarke ein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden; für "Seminare, Kurse, Kongresse, Bild- und Tonträger, Lehrmaterial und Druckwerke aller Art" ist "Aurikulo-Medizin" nämlich eine Inhaltsangabe, womit der angemeldeten Marke insoweit die Unterscheidungskraft fehlt.

Das Wort "auricula" entstammt der lateinischen Sprache und deutet im medizinischen bzw biologischen Bereich auf den Bereich des Ohrs oder ohrförmige Teile von Körperorganen bzw ohrförmige Tiere und Pflanzen hin. Dies ergibt jedoch keine Mehrdeutigkeit, die dem angemeldeten Zeichen Unterscheidungskraft verleihen könnte. Insofern unterscheidet sich "Aurikulo-Medizin" von Begriffen oder Aussagen, die sich in Folge ihrer Mehrdeutigkeit zur Beschreibung der gekennzeichneten Waren oder Leistungen nicht oder nur eingeschränkt eignen (BGH GRUR 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt mwNachw). Die Wortkombination "Aurikulo-Medizin" verdichtet sich zu einer Aussage über eine Therapieform, bei der das Ohr oder ein ohrförmiger Fortsatz anderer Organe eine Rolle spielt.

Auch wenn die angesprochenen Kreise von vornherein nicht genau wissen, um welche Therapieform es sich handelt, verstehen sie "Aurikulo-Medizin" nicht als Herkunftshinweis. Wer sich mit Therapieformen, wie Akupunktur, als Arzt oder Heilpraktiker befasst, für den liegt eine solche Bedeutung im Sinn einer Therapieform auch nahe. Dies zeigen die von der Markenstelle ermittelten Literaturnachweise. Das Wort "Aurikulomedizin" wird dort als Fachbegriff neben anderen, wie Akupunktur oder Homöopathie, verwendet und ins Englische mit auriculotherapy übersetzt. Bereits 1994 wird Aurikulomedizin als komplementäre biologische Medizin beschrieben.

"Aurikulo" ist dabei keine unterscheidungskräftige Abwandlung von "auricula". Zum einen sind die Abwandlungen von A zu O bzw von C zu K sehr geringfügig, zum anderen sind gerade im medizinischen Bereich entsprechende Wortbildungen üblich (vgl Aureotherapie (von aurum), aurikulokardialer Reflex, aurikulotemporales Syndrom, Gastrotomie, Neurochirurgie). Ferner gibt es Auriculo-Akupunktur, die 1958 von Nogier entwickelt wurde (Brockhaus Enzyklopädie 19. Aufl, 2. Bd S 333). Das Roche Lexikon Medizin, 4. Aufl (S 138 f) und Pschyrembel, 1996 (S 24), führen ebenso die dort jeweils aufgeführte Aurikulotherapie auf Nogier zurück. Im Pschyrembel finden sich bereits 1982 (S 105): aurikulookuläres Syndrom, aurikulotemporäres Syndrom und Aurikulotemporalpunkt.

Dass sich die Literaturstellen auf den Anmelder und eine von ihm begründete Schule beziehen, kann unterstellt werden; selbst diese Verwendungsform macht den Begriff allgemein bekannt. Die Verwendung in den Lexika mag eine Folge davon sein, sie zeigt aber, dass Aurikulo-Medizin ein Fachausdruck (geworden) ist.

Winkler Klante Dr. Albrecht Hu






BPatG:
Beschluss v. 25.07.2001
Az: 32 W (pat) 111/00


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