Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Beschluss vom 30. Juli 2008
Aktenzeichen: 1 Ws 111/08

(Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 30.07.2008, Az.: 1 Ws 111/08)

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 5. Dezember 2007 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein eingetragener Verein, erstattete am27. Juli 2006bei der Staatsanwaltschaft Potsdam Strafanzeige - zunächst gegen Unbekannt - wegen des Verdachts der Untreue zu Lasten unbekannter so genannter Neusiedlererben bzw. zu Lasten des so genannten Entschädigungsfonds. Konkret heißt es in der Strafanzeige:€Es besteht der dringende Tatverdacht der Veruntreuung von Mündel-Vermögen zu Lasten des Entschädigungsfonds angesichts der Überführung dieser [€Bodenreform-€] Liegenschaften in das Eigentum des Landesfiskus durch die rechtswidrige Bestellung eines gesetzlichen Vertreters bei gleichzeitiger Umgehung der Kontrollbefugnisse des Vormundschaftsgerichts €€.

Der Antragsteller ist ein so genanntes €Aktionsbündnis€, ein Zusammenschluss von €14 Aktionsgruppen in den Bundesländern€. Mitglied dieses Dachverbandes ist u.a. der €Bund der N.€. Aufgrund der vereinsrechtlichen Aufgabenstellung nimmt der Antragsteller in Geschäftsbesorgung u.a. für den €Bund der N.€ die Interessen der dort zusammengeschlossenen ca. 1.000 Mitglieder bzw. Neusiedlererben wahr. Zu den weiteren Aufgaben des Antragstellers gehört auch die Wahrnehmung der Interessen anonymer Erben im Wirkungskreis der Bestimmungen über die gesetzliche Vertretung gem. § 2 Abs. 3 Art. 233 EGBGB im Zusammenhang mit dem Anspruch des Landesfiskus auf Auflassung von Bodenreformflächen gem. §§ 11 Abs. 3, 12 ff. Art. 233 EGBGB. Hierbei geht es insbesondere darum, dass das Land Brandenburg im Rahmen der Überführung der Liegenschaft in das Eigentum des Landes aufgrund unzureichender Erbenermittlung u.a. nicht habe überprüfen können, ob möglicherweise die Voraussetzungen für eine Besserberechtigung gem. § 12 Abs. 3 Art. 233 EGBGB für einen unbekannt gebliebenen Erben vorgelegen habe.

Erklärter Hintergrund der Strafanzeige ist der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 3. August 2004 (8 Wx 28/04), das auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin in diesem Verfahren, W. W., das Amtsgericht € Grundbuchamt € angewiesen hatte, gegen die am 15. April 2003 erfolgte Eigentumsübertragung an das Land Brandenburg zu Gunsten der Antragstellerin W. W. von Amts wegen einen Widerspruch einzutragen. In dieser Entscheidung hatte das Brandenburgische Oberlandesgericht die Praxis des Landes Brandenburg (Grundstücksfonds Brandenburg), vertreten durch das Ministerium der Finanzen, dieses Vertreten durch das Grundstücks- und Vermögensamt Brandenburg, sich zur Sicherung von Auflassungsansprüchen als gesetzliche Vertreter im Sinne von § 2 Abs. 3 Art. 233 EGBGB bestellen zu lassen und unter gleichzeitiger Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens gem. § 181 BGB (§ 2 Abs. 3 Satz 3 Art. 233 EGBGB) die Auflassung und Grundstücksübertragung zu betreiben, als unwirksam bezeichnet, da die nach § 7 GBBerG erforderliche Erlaubnis des Vormundschaftsgerichts gefehlt habe.

Nachdem der Antragsteller die für das vorliegende Klageerzwingungsverfahren maßgebliche Strafanzeige vom 27. Juli 2006 angebracht hatte, hat das Brandenburgische Oberlandesgericht in einer weiteren, zeitlich erst danach ergangenen Entscheidung vom 11. Januar 2007 (5 U 41/06) im Berufungsverfahren der dortigen Kläger H. und E. N. gegen das beklagte Land Brandenburg, eine weitere Grundstücksübertragung als unwirksam angesehen. Zwar sei die Vertreterbestellung für unbekannt gebliebene Neusiedlererben nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB unter Befreiung der Beschränkungen des § 181 BGB gültig gewesen, und ein Missbrauch der Vertretungsmacht habe nicht vorgelegen, jedoch sei die Auflassung unwirksam, da die erforderliche Erlaubnis des Vormundschaftsgerichts nicht vorgelegen habe. Auf die Revision des Landes Brandenburg hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 7. Dezember 2007 (V ZR 65/07) entschieden, dass die Erklärung eines nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB vom Vertreter unbekannten Eigentümers eines Grundstücks aus der Bodenreform bestellten Landes, das Grundstück an sich selbst aufzulassen, wegen Missbrauchs der verliehenen Vertretungsmacht sittenwidrig und nichtig sei, wenn das Bestehen eines Anspruchs auf Auflassung nicht geprüft wurde.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Klageerzwingung) vom 4. Juni 2008 richtet sich gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 22. Mai 2008, durch den diese dem Anzeigeerstatter mit näheren Ausführungen mitgeteilt hat, dass sie keinen Anlass sehe, in Abänderung des angefochtenen Einstellungsbescheids der Staatsanwaltschaft Potsdam vom 10. März 2008 die Wiederaufnahme der Ermittlungen und die Erhebung der öffentlichen Klage anzuordnen.

Mit dem Antrag vom 4. Juni 2008 überreichte der Antragsteller eine €Abtretungs- und Ermächtigungsvereinbarung€ vom selben Tag, wonach die Erben des verstorbenen Ri. N., H. N.l und E. N., dem Antragsteller Nutzungsentgeltansprüche für Bodenreformgrundstücke€durch missbräuchliche Verwendung durch das Land Brandenburg€in einer Höhe von bis zu 1.000 € abtreten und darüber hinaus den Antragsteller ermächtigen,€alle notwendigen Rechtshandlungen zur Verfolgung und Aufklärung von Straftaten im Zusammenhang mit der missbräuchlichen Verwendung der Stellung als gesetzlicher Vertreter im Wirkungskreis der Abwicklungsbestimmungen der Bodenreform vorzunehmen.€

Ebenfalls im Klageerzwingungsantrag hat der Antragsteller den ursprünglich gegen Unbekannt gestellten Strafantrag konkretisiert und nunmehr erstmalig€Frau D. B., Herrn E. (Verantwortlicher für die Freistellungserklärungen), Frau S. (frühere Finanzministerin), Herrn Dr. S. (früherer Ministerpräsident), Frau L. (Referat 49)€-sowie darüber hinaus mit Schriftsatz vom 23. Juni 2008 Herrn B. - als Tatverdächtige benannt.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig, weil der Antragsteller nicht Verletzter im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO ist.

1. Dem Antragsteller steht die Beschwerde an den Generalstaatsanwalt gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft nur zu, wenn er zugleich Verletzter ist (§ 172 Abs. 1 Satz 1 StPO). Infolgedessen setzt auch der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 S. 1 StPO voraus, dass der Antragsteller durch die den € erstmals im Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 4. Juni 2008 namentlich benannten € Beschuldigten zur Last gelegte Straftat verletzt worden ist. Dies jedoch ist nicht der Fall, weil der Anzeigeerstatter € wie die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ihrer Stellungnahme vom 20. Juni 2008 zutreffend ausführt € durch das den Beschuldigten zur Last gelegte Vergehen der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB nicht unmittelbar in seinen eigenen Rechten betroffen ist, so dass ihm ein Antragsrecht nach § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht zusteht.

a) Das Klageerzwingungsverfahren sichert das Legalitätsprinzip, hat seinen Ursprung jedoch im Begriff des Verletzten und dessen Interessen, wie die Entstehungsgeschichte verdeutlicht. Das Institut der Klageerzwingung ist das Ergebnis eines Kompromisses zwischen der Regelung des im Jahr 1874 vom damaligen Bundesrat eingebrachten Entwurfs, der € abgesehen von den Privatklagedelikten € bei Einstellung des Verfahrens nur die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft, und zwar durch den Verletzten, vorsah, und der Forderung der Reichstagskommission, jedem Anzeigeerstatter die Erzwingung der öffentlichen Klage zu ermöglichen. Dem Kompromiss war eine scharfe Auseinandersetzung zwischen den Regierungsvertretern und dem Reichstag vorausgegangen, die im Hinblick auf die Frage der Notwendigkeit einer Kontrolle der Entscheidungen durch die Staatsanwaltschaft durch eine unabhängige Instanz überhaupt grundsätzlichen Charakter angenommen hatte (siehe § 146 Abs. 2 des Entwurfs einerseits und § 148 der Kommissions-Fassung andererseits, Hahn, Materialien II, 2. Aufl. 1886, S. 2216 f.; vgl. auch v. Liszt, Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge I, 1905, S. 30 ff.).

Durch die Verankerung prozessförmiger Verfahren erfüllt der Staat nicht nur Bedürfnisse der Allgemeinheit wie vorliegend die Gewährung des Legalitätsprinzips, sondern zugleich auch € durch Justizgewährung € gewisse Individualinteressen. Nur insoweit diese konkret unterstützend zu den öffentlichen Interessen hinzutreten, wird das Klageerzwingungsverfahren zulässig (vgl. Frisch JZ 1974, S. 7, 9; Maiwald GA 1970, S. 33, 52; Hefendehl GA 1999, S. 584, 587). Das Verhältnis zum oben angeführten Zweck des Klageerzwingungsverfahrens, der Sicherung des Legalitätsprinzips, ist dahin zu konkretisieren, dass es nicht um die Gewährleistung des § 152 Abs. 2 StPO als eines objektiven Rechtsprinzips geht, sondern das Klageerzwingungsverfahren den Schutz des Verletzten bezweckt, soweit dieser durch die Einstellung des Verfahrens beschwert erscheint; erst insoweit dient das Klageerzwingungsverfahren dem Legalitätsprinzip (vgl. OLG Stuttgart NJW 2001, S. 840; OLG Düsseldorf VRS 98, S. 136; OLG Düsseldorf NStZ 1995, S. 49; OLG Düsseldorf NJW 1992, S. 2370; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2001, S. 112; OLG Koblenz NJW 1985, S. 1409; OLG Bremen NStZ-RR 2000, S. 270; OLG Hamm NJW 1972, S. 1874; OLG Köln NJW 1972, S. 1338; Frisch JZ 1974, S. 7, 9 f.; Krehl in: Heidelberger Kommentar, StPO, 2. Aufl. 1999, § 172 Rdnr. 1; KK-Schmid, StPO, 5. Aufl. 2003, § 172 Rdnr. 1, 18; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl. 2005, S. 172 Rdnr. 1; Roxin, Strafverfahrensrecht, 25. Aufl. 1998, § 39 Rdnr. 2; Beulke, Strafprozeßrecht, 7. Aufl. 2004, Rdnr. 344; Maiwald GA 1970, S. 33, 52; Hefendehl GA 1999, S. 584, 587; Karlsbach, Die gerichtliche Nachprüfung von Maßnahmen der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren, 1967, S. 82). Der Gesetzgeber hat durch das €limitierende Prinzip€ (Frisch aaO.) - das Erfordernis der Verletzung - darauf verzichtet, der Sicherung und Durchsetzung des Legalitätsprinzips uneingeschränkte Priorität einzuräumen.

b)Der Begriff des Verletzten hat dabei noch keine einheitliche Definition erfahren. Die früher vertretene Auslegung, wonach als verletzt anzusehen sei, wer durch die behauptete strafbare Handlung in seinen berechtigten Interessen so beeinträchtigt ist, dass sein Verlangen nach Strafverfolgung einem als berechtigt anzusehenden Vergeltungsbedürfnis entspringe (Eb. Schmidt, Lehrkommentar 1957, § 171 Rdnr. 12, § 172 Rdnr. 15; vgl. auch OLG Braunschweig, NdsRPfl 1965, S. 17; OLG Celle NdsRPfl 1954, S. 209; OLG Bremen NJW 1950, S. 960) ist zwischenzeitlich als zu verschwommen und zu weitgehend kritisiert und als nicht brauchbar verworfen worden (vgl. Ostendorf, Recht und Politik, 1980, S. 200, 201). Die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung charakterisiert als Verletzten im Sinne von § 172 Abs. 1 S. 1 StPO denjenigen, der durch die schädigende Handlung € ihre Begehung unterstellt € unmittelbar in seinen Rechten, Rechtsgütern oder rechtlich anerkannten Interessen beeinträchtigt ist, und rückt damit den Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm in den Mittelpunkt der Diskussion (vgl. BGHSt 18, S. 283, 284 ff.; OLG Stuttgart NJW 2001, S. 840; OLG Düsseldorf VRS 98, S. 136; OLG Frankfurt NStZ-RR 1998, S. 279; OLG München NJW 1985, S. 2430; OLG Düsseldorf NStZ 1995, S. 49; OLG Karlsruhe NJW 1986, S. 1277; OLG Koblenz NJW 1985, S. 1409; OLG Hamm NStZ 1986, S. 327; OLG Hamm NJW 1972, S. 1874; OLG Köln NJW 1972, S. 1338; vgl. auch Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. 2007, § 172 Rdnr. 9; Frisch JZ 1974, S. 7 f.; Bloy JR 1980, S. 480 f.).

Diese Abgrenzung ist zwar nicht €absolut sicher€ (KK- Schmid, StPO, 5. Aufl. 2003, § 172 Rdnr. 19), gibt aber bei Orientierung an den Wertentscheidungen des geltenden Rechts eine brauchbare Richtlinie. Bei der Auslegung ist zu beachten, dass jemand durch eine Tat nur dann verletzt sein kann, wenn die übertretene Norm € jedenfalls auch € die Rechte dieser Person unmittelbar schützen will (BGHSt 18, 283, 284).

c)Privatrechtliche Vereinigungen und Verbände sind nur dann unmittelbar verletzt, wenn sich die Straftat gegen die ihnen zugeordneten Rechtsgüter (Hausrecht, Eigentum, Vermögen) richtet (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1987, S. 1835; OLG Karlsruhe NStZ 1997, S. 254). Sie werden aber grundsätzlich nicht schon dadurch zu Verletzten im Sinne der §§ 171, 172 StPO, dass zu ihrem satzungsmäßigen Ziel die Pflege gemeinschaftsbezogener Rechtsgüter oder fremder Vermögensinteressen gehört. Dies würde auf die Anerkennung einer vom Gesetzgeber nicht gewollten und der Strafprozessordnung fremden Popularklageerzwingung hinauslaufen (vgl. Graalmann-Scheerer in: LR, StPO, 26. Aufl. 2008; § 172 Rdnr. 61). Nicht €Verletzter€ im Sinne der §§ 171, 172 StPO ist beispielsweise der Kinderschutzbund bei Kindesmisshandlungen oder Verstößen gegen die Jugendschutzbestimmungen oder ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen bei Vermögensstraftaten gegen seine Mitglieder (vgl. OLG Braunschweig MDR 1971, S. 1028; ausf. Graalmann-Scheerer, a.a.O.). Die Verletzteneigenschaft privatrechtlicher Vereinigungen und Verbände wird dagegen dann zu bejahen sein, soweit die Vertretung rechtlich geschützter Interessen nicht nur zu ihrem satzungsmäßigen Ziel gehört, sondern darüber hinaus durch die Rechtsordnung deren Geltendmachung ausdrücklich zugewiesen worden ist, sei es ausschließlich oder neben dem individuellen Betroffenen. Verletzt sein können daher beispielsweise nach dem Urheberrechtsgesetz gebildete Verwertungsgesellschaften bei Straftaten gegen das Urheberrecht (vgl. § 54h UrhG), Verbraucherschutzverbände bei Verstößen gegen verbraucherschützende Vorschriften (vgl. früher § 13 Abs. 2 AGBG, zum 1. Januar 2000 außer Kraft getreten) oder Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen bei Straftaten des gewerblichen Rechtsschutzes (vgl. § 8 Abs. 3 UWG).

d) Der Antragsteller, ein eingetragener Verein, ist durch die schädigende Handlung € ihre Begehung vorausgesetzt € nicht unmittelbar in seinen Rechten, Rechtsgütern oder rechtlich anerkannten Interessen beeinträchtigt, sondern allenfalls mittelbar dadurch, dass zu seinem satzungsmäßigen Ziel die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen gehören mag. Auch ist dem Verein die Vertretung rechtlich geschützter Interessen nicht durch die Rechtsordnung zugewiesen. In seiner Eigenschaft als Dachverband handelt der Antragsteller allein in Wahrnehmung der Interessen seiner Mitglieder und ist deshalb von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht oder jedenfalls nur mittelbar betroffen (vgl. hierzu OLG Stuttgart NJW 2001, S. 840; OLG Düsseldorf VRS 98, S. 136; OLG Düsseldorf NStZ 1995, S. 49; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2001, S. 112; OLG Karlsruhe NJW 1986, S. 1276; OLG Koblenz NJW 1985, S. 1409; Senatsbeschluss vom 15. Mai 2006 € 1 Ws 75, 76/06 € ).

2. Der Antragsteller kann seine Antragsbefugnis auch nicht aus der erst mit dem Klageerzwingungsantrag vorgelegten €Abtretungs- und Ermächtigungsvereinbarung€ vom 4. Juni 2008 herleiten.

a) Dies gilt zunächst in Bezug auf die darin enthaltene Abtretung von Schadensersatz- und Nutzungsentgeltansprüchen durch die Kläger, H. N. und E. N., des vom Bundesgerichtshof durch Urteil vom 7. Dezember 2007 (V ZR 65/07) entschiedenen Rechtsstreits an den Antragsteller. Insoweit ist ein Übergang vermögensrechtlicher Ansprüche im Wege der Abtretung im Ergebnis nicht anders zu beurteilen als ein Erbfall. Diesbezüglich aber ist anerkannt, dass die nur mittelbar geschädigten Erben nicht zu den Verletzten im Sinne des § 172 Abs. 1 StPO gehören, und dass das höchstpersönliche Antragsrecht gem. § 172 StPO nicht durch Erbfall oder Rechtsgeschäft übergehen kann (vgl. OLG Düsseldorf, wistra 1994, S. 155; OLG Düsseldorf NJW 1992, S. 2370; OLG Stuttgart NJW 1986, S. 3153; OLG Karlsruhe, Die Justiz, 1985, S. 361; OLG Braunschweig NdsRpfl 1954, S. 91; OLG Celle NStZ 1988, S. 568; OLG Hamm NStZ 1986, S. 327; OLG Koblenz NJW 1985, S. 1409; Graalmann-Scheerer in: LR, StPO, 26. Aufl. 2008; § 172 Rdnr. 44; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. 2007, § 172 Rdnr. 12; KMR-Plöd, StPO, Loseblatt 1998 ff., § 172 StPO Rdnr. 40). Hinsichtlich der nachträglichen Abtretung einer Forderung kann nichts anderes gelten; auch der Abtretungsempfänger ist nicht Verletzter im Sinne von §§171, 172 StPO, er ist allenfalls mittelbar geschädigt und daher nicht antragsbefugt. Denn anderenfalls würde das vom Gesetzgeber als höchstpersönliches Recht ausgestaltete Antragsrecht im Klageerzwingungsverfahren unterlaufen werden, und dieses Antragrecht zudem durch die Möglichkeit einer Forderungsabtretung gleichsam käuflich gestellt.

b) Wirkungslos ist die mit dem Klageerzwingungsantrag vorgelegte €Abtretungs- und Ermächtigungsvereinbarung€ vom 4. Juni 2008 auch insoweit, als darin der Antragsteller, ermächtigt wird,€alle notwendigen Rechtshandlungen zur Verfolgung und Aufklärung von Straftaten im Zusammenhang mit der missbräuchlichen Verwendung der Stellung als gesetzlicher Vertreter im Wirkungskreis der Abwicklungsbestimmungen der Bodenreform vorzunehmen€, und die Abtretenden ferner erklärt haben, dass sie sich€vorsorglich einem bereits anhängigen Verfahren zur Durchsetzung von Ermittlungsverfahren gegen Straftatverdächtige in diesem Komplex€anschließen.

Dies gilt bereits deshalb, weil in der Strafanzeige vom 27. Juli 2006 auf den die Verletzten H. N. und E. N. betreffenden Sachverhalt nicht Bezug genommen wurde und zu diesem Zeitpunkt das Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. März 2007 auch noch nicht ergangen war. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 StPO kann nur stellen, wer selbst die Strafanzeige erstattet und auch (Vorschalt-) Beschwerde eingelegt hat (vgl. OLG Braunschweig NJW 1965, S. 598, KK-Schmid, StPO, 5. Aufl. 2003, § 172 Rdnr. 17). Die bloße Erklärung nach erfolgter Einstellung des Verfahrens und abgeschlossener Vorschaltbeschwerde, sich einem Klageerzwingungsantrag anschließen zu wollen, begründet eine Antragsbefugnis nicht. Dies gilt hier umso mehr, als sich die der Klageerzwingung zu Grunde liegende Strafanzeige vom 27. Juli 2006 € wie oben dargelegt € ursprünglich auf einen anderen Sachverhalt bezog und das der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Dezember 2007 zugrunde liegende Geschehen erst später auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Potsdam in die Sachprüfung mit einbezogen worden ist. Dementsprechend geht die zu Gunsten des Antragstellers erst jetzt erteilte Vollmacht der Zedenten zur Wahrnehmung ihrer Interessen im Klageerzwingungsverfahren € ungeachtet der überdies bestehenden Problematik des Verletztenbegriffs € ins Leere.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da der Antrag aus formellen Gründen als unzulässig zu verwerfen war. In diesem Fall fällt keine Gerichtsgebühr an, und der Antragsteller hat seine notwendigen Auslagen ohnehin selbst zu tragen.






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Beschluss v. 30.07.2008
Az: 1 Ws 111/08


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