Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. April 2010
Aktenzeichen: 19 W (pat) 41/09

(BPatG: Beschluss v. 30.04.2010, Az.: 19 W (pat) 41/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Beschluss des Bundespatentgerichts vom 30. April 2010 mit dem Aktenzeichen 19 W (pat) 41/09 hebt den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G07C des Deutschen Patentund Markenamtes vom 31. Januar 2006 auf und erteilt das beantragte Patent. Das Patent betrifft eine Anordnung zur variablen Wiedergabe artikelspezifischer Informationen. Der Anmelder hatte gegen den ursprünglichen Beschluss Beschwerde eingelegt und in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht, um seine Ansprüche zu verteidigen. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass der geänderte geltende Anspruch 1 neu und erfinderisch ist und somit patentfähig. Es wird festgestellt, dass die vorgeschlagene Anordnung im Vergleich zum Stand der Technik neuartige Merkmale aufweist, wie die Befestigung an einem Kleiderbügel oder stummen Diener und die Verwendung einer Kundenkarte. Das Gericht entscheidet, dass das Patent mit den vorgelegten Unterlagen erteilt wird.

Der Beschluss basiert auf einer ausführlichen Begründung, die die verschiedenen Entgegenhaltungen und den relevanten Stand der Technik analysiert. Es wird darauf hingewiesen, dass die vorgeschlagene Anordnung im Vergleich zu ähnlichen Systemen einen innovativen Ansatz verfolgt und neue Möglichkeiten zur variablen Wiedergabe von Informationen bietet. Insbesondere wird betont, dass die Kombination aus Befestigung an einem Kleiderbügel oder stummen Diener und Verwendung einer Kundenkarte eine technische Lösung darstellt, die im Stand der Technik nicht vorhanden ist.

Das Gericht stellt fest, dass der geänderte geltende Anspruch 1 auf den ursprünglich offenbarten Merkmalen basiert und somit den Anforderungen des Patentgesetzes entspricht. Es wird betont, dass Fachkenntnisse und Erfahrung in der Entwicklung von Verkaufs-, Überwachungs- und Verkaufsanlagen sowie im Vertrieb und Verkaufskonzepten bei der Bewertung des Sachverhalts eine Rolle spielen. Die Entscheidung des Gerichts lautet, dass der geänderte geltende Anspruch 1 patentfähig ist und somit das beantragte Patent erteilt wird.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 30.04.2010, Az: 19 W (pat) 41/09


Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G07C des Deutschen Patentund Markenamtes vom 31. Januar 2006 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bez eichnung: Anordnung zur variablen Wiedergabe artikelspezifischer Informationen.

Anmeldetag: 30. Juni 2004.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 7 mit angepasster Beschreibung (Seite 1 bis 15), wie überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2, vom Anmeldetag 30. Juni 2004.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse G07C -hat die am 30. Juni 2004 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 31. Januar 2006 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegendstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht und beantragt den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G07C des Deutschen Patentund Markenamts vom 31. Januar 2006 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 7 mit angepasster Beschreibung, wie überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2, vom Anmeldetag 30. Juni 2004.

Der Anmelder vertritt die Ansicht, der gültige Anspruch 1 sei neu und erfinderisch.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg.

1. Die Anmeldung bezieht sich auf eine Anordnung zur variablen Wiedergabe artikelspezifischer Informationen. An einem als Kleiderbügel oder stummer Diener ausgebildeten Halter soll eine Erfassungseinrichtung und ein Display angebracht werden, das ein Kennzeichnungsmittel (vorzugsweise einen RFID-Transponderchip als Ersatz für den bisher verbreiteten Barcode) am Kleidungsstück drahtlos abfragt und dort gespeicherte Informationen, insbesondere den Preis anzeigt. Kommt ein Kunde mit einer (RFID-Transponder-) Kundenkarte in den Erfassungsbereich, so wird eine kundenspezifisch veränderte Information zum Beispiel ein reduzierter Preis angezeigt.

Damit wird die Aufgabe gelöst, eine variable Wiedergabe artikelspezifischer (und kundenspezifischer) Informationen zu ermöglichen (S. 4, Z. 4 bis 6 der Beschreibung).

Der gültige Anspruch 1 (mit einer für diesen Beschluss eingefügten Gliederung) beschreibt das wie folgt:

"1. Anordnung (1, 10), a) mit mindestens einer Erfassungsvorrichtung, b) die mit zumindest einer Steuereinrichtung verbundenen ist, c) und mindestens einem Kennzeichnungsmittel, das zumindest einem Artikel zugeordnet ist, d) wobei eine drahtlose Verbindung zwischen der Erfassungsvorrichtung und dem Kennzeichnungsmittel innerhalb einer Erfassungszone herstellbar ist, e) und mit zumindest einer Wiedergabevorrichtung zur Ausgabe mindestens einer artikelspezifischen Information, f) wobei die Wiedergabe der artikelspezifischen Information durch die Steuereinrichtung steuerbar ist, g) wobei das Kennzeichnungsmittel (5) permanent in der Erfassungszone der Erfassungsvorrichtung (3) angeordnet ist, h) wobei die Erfassungsvorrichtung (3) und die Wiedergabevorrichtung (4) an einer Haltevorrichtung (7) für den Artikel (11) befestigt sindh1) und wobei der Artikel (11) ein Kleidungsstück, und die Haltevorrichtung (7) ein Bügel oder stummer Diener ist, i) und wobei mindestens ein zweites Kennzeichnungsmittel (13), welches in eine Kundenkarte integriert ist und kundenspezifische bzw. personenbezogene Informationen enthält, vorgesehen isti1) und eine zusätzliche drahtlose Verbindung (14) zwischen der Erfassungsvorrichtung (3) und dem zweiten Kennzeichnungsmittel (13) herstellbar ist."

2.

Für diesen Sachverhalt ist der Fachmann ein Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik, der Erfahrung in der Entwicklung von Verkaufs-, Überwachungsund Verkaufsanlagen z. B. auch in RFID-Technik und Kenntnisse im Bereich Vertrieb und Verkaufskonzepte hat.

3.

Der geänderte geltende Anspruch 1 ist ursprünglich offenbart (§ 38 Satz 1 PatG).

Der Anspruch 1 setzt sich aus den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 10, 16, 17 und 19 sowie einer Einfügung in Merkmal i), die der Seite 9, Zeile 23 bis 25 der ursprünglichen Beschreibung entnommen ist, zusammen.

4.

Die Anordnung nach Anspruch 1 ist neu (§ 3 PatG).

Der Senat sieht die EP 1 204 081 A2 als nächstkommenden Stand der Technik. Sie zeigt ein System mit einem Kundenterminal 1 ("customer terminal") mit einer Erfassungseinrichtung 6 für Produktinformationen und einem Display 5. In einem kontaktlosen Speichermedium 3 (ein "Label Tag IC", also ein Transponderchip siehe Sp. 5, Z. 19 bis 23 in Verbindung mit Absatz 0009) wird eine Kundenkennziffer ("Customer ID") und weitere Kundendaten gespeichert (siehe Abs. 0010; dieses Speichermedium soll in dem Terminal 1 angeordnet sein. Offenbar schiebt es der Kunde zu Beginn des Einkaufs in das Terminal ein, was aber in vorliegendem Zusammenhang nicht von Bedeutung ist. Ein Transponderchip 8 am jeweiligen Artikel 7 (Sp. 5, Z. 13 bis 19 in Verbindung mit Absatz 0009) das Kundenterminal 1, das Speichermedium 3 und ein zentraler Kassenrechner 15 ("charging device", Abs. 0031, 0032) stehen untereinander über Funk ("radio wave") in Verbindung (Absatz 0009, 0011, 0019, 0021, 0028, 0030, sowie die Pfeile in Fig. 1). Das gilt auch für die Verbindung zwischen dem kontaktlosen Speichermedium 3 und dem Kundenterminal 1, denn die in Spalte 8, Zeile 4 bis 8 beschriebene Übertragung der Kundendaten von der Steuereinrichtung 15 über das Kundenterminal 1 zum kontaktlosen Speicher 3 kann nur auf dem in Absatz 0009 beschriebenen Funkweg erfolgen. Die zugehörige Erfassungsvorrichtung im Terminal ist nicht beschrieben, muss aber vorhanden sein und ergänzt die Erfassungseinrichtung 6. Der Kunde liest mit dem Terminal 1 die Daten vom Artikel-Transponderchip 8 ein. Das Terminal 1 summiert die Preise (Abs. 0018, 0019) und gibt gegebenenfalls Rabatt (Abs. 0020, le. Satz).

Damit ist mit den Worten des Anspruchs 1 bekannt eine Anordnung mit:

a) mindestens einer Erfassungsvorrichtung 6, b) die mit zumindest einer Steuereinrichtung 15 verbundenen ist, c) und mindestens einem Kennzeichnungsmittel 8, das zumindest einem Artikel 7 zugeordnet ist, d) wobei eine drahtlose Verbindung zwischen der Erfassungsvorrichtung 6 und dem Kennzeichnungsmittel 8 innerhalb einer Erfassungszone herstellbar ist, e) und mit zumindest einer Wiedergabevorrichtung 5 zur Ausgabe mindestens einer artikelspezifischen Information (Preis), f) wobei die Wiedergabe der artikelspezifischen Information durch die Steuereinrichtung 15 steuerbar ist, i) und wobei mindestens ein zweites Kennzeichnungsmittel 3, welches in eine Kundenkarte integriert ist und kundenspezifische bzw. personenbezogene Informationen enthält, vorgesehen isti1) und eine zusätzliche drahtlose Verbindung zwischen der Erfassungsvorrichtung 6 und dem zweiten Kennzeichnungsmittel 3 herstellbar ist.

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist dort das Kundenterminal 1 ein Handgerät und nicht an einem Kleiderbügel oder stummen Diener befestigt (Merkmale h, h1). Damit ist auch das Kennzeichnungsmittel des Artikels nicht permanent in der Erfassungszone der Erfassungsvorrichtung angeordnet (Merkmal g).

Die DE 199 50 554 A1 zeigt ein Verkaufssystem mit einem Erfassungssystem 600 an einem Einkaufswagen (Fig. 5, Sp. 8, Z. 6 bis 33) das die "Smart Marks" genannten Transponderchips 500 von Waren im Einkaufswagen über elektromagnetische Signale erfasst und die gespeicherten Informationen, insbesondere die Preise und den Gesamtpreis am Wagen anzeigt (Sp. 8, Z. 53 bis 59).

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist dort das Erfassungssystem 600 am Einkaufwagen befestigt, der zwar als Artikel-Haltevorrichtung, aber nicht als Kleiderbügel oder stummer Diener angesehen werden kann. Kundenspezifische Informationen werden dort nur am Rande berücksichtigt. Eine Kundenkarte ist nicht erwähnt. Die Anordnung unterscheidet sich somit vom Gegenstand des Anspruchs 1 zumindest durch die Merkmale h1), i) und i1).

Die weiteren Entgegenhaltungen sieht der Senat als weniger relevant an. Auch sie zeigen keine an einem Kleiderbügel oder stummen Diener angeordnete Wiedergabevorrichtung.

5. Die Anordnung nach Anspruch 1 ist erfinderisch (§ 4 PatG).

Ausgehend von der EP 1 204 081 A2 gibt es keinen Anlass, das Kundenterminal fest an einem Kleiderbügel oder stummen Diener anzuordnen. Denn das würde der Grundidee eines kundenspezifischen Geräts, das den Kunden beim Einkauf begleitet, zuwiderlaufen. Die DE 199 50 554 A1 zeigt zwar ein Erfassungsund Anzeigegerät an einem Einkaufswagen, der als Artikelhalter angesehen werden könnte. Aber auch dieses Gerät begleitet den Kunden zusammen mit dem Einkaufswagen über den gesamten Einkauf, wandert also zusammen mit dem Kunden von Artikel zu Artikel, während das anmeldungsgemäße Gerät (Erfassungsvorrichtung, Wiedergabevorrichtung) bei einer Haltevorrichtung oder einem stummen Diener für ein Kleidungsstück (Artikel) verbleibt, an dem die verschiedenen Kunden vorbeiziehen und das ihnen kundenspezifische Informationen liefert, sofern sie eine Kundenkarte besitzen, die sie in seinen Erfassungsbereich bringen. Dafür gab es im Stand der Technik keinen Hinweis.

6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit, ebenso wie die Gegenstände der auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 patentfähig.

Bertl Kirschneck Groß Dr. Scholz Pü






BPatG:
Beschluss v. 30.04.2010
Az: 19 W (pat) 41/09


Link zum Urteil:
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