Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Februar 2007
Aktenzeichen: 19 W (pat) 50/04

(BPatG: Beschluss v. 07.02.2007, Az.: 19 W (pat) 50/04)

Tenor

Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 05 G des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 21. April 2004 wird aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Verstellbares Fußhebelwerk Anmeldetag: 9. Dezember 2002 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zu Grunde:

Patentansprüche 1 bis 9 und geänderte Beschreibung Seite 3, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2007, übrige Beschreibung Seiten 1, 2, 4 bis 12 und Zeichnungen gemäß ursprünglichen Unterlagen.

Gründe

I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse G 05 G - hat die am 9. Dezember 2002 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 21. April 2004 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 6. Juli 2004, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am gleichen Tag.

Sie hat in der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2007 neue Unterlagen eingereicht und beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 21. April 2004 aufzuheben und das Patent gemäß folgenden Unterlagen zu erteilen.

Patentansprüche 1 bis 9 und geänderte Beschreibung Seite 3, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2007, übrige Beschreibung Seiten 1, 2, 4 bis 12 und Zeichnungen gemäß ursprünglichen Unterlagen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet unter Hinzufügung der Gliederungsbuchstaben a) bis m):

"a) Vorrichtung zum Einstellen eines mittels einer Lagereinrichtung (1) schwenkbar gelagerten Anschlussteils (5), insbesondere eines Fußhebelwerks in einem Kraftfahrzeug, b) an das eine Übertragungseinheit (6) zum Übertragen der Bewegung des Anschlussteils (5) gekoppelt ist, c) umfassend einen Verstellmechanismus (7) zur Verstellung der Position des Anschlussteils (5), d) eine Sperreinheit (8), welche die ungewollte Positionsverstellung des Anschlussteils (5) verhindert, e) und eine Ausgleichseinheit (10) zur Kompensierung der durch die Positionsverstellung des Anschlussteils (5) hervorgerufenen Abstandsänderung der Übertragungseinheit (6) zum Anschlussteil (5), f) wobei die Lagereinrichtung (1) einen Schlitten (3) umfasstg) und mit dem eine Antriebseinheit (9) umfassenden Verstellmechanismus (7) gekoppelt ist, h) wobei der Schlitten (3) über die Antriebseinheit (9) linear bewegbar ist, i) und die an den Schlitten (3) und die Antriebseinheit (9) gekoppelte Ausgleichseinheit (10) im Wesentlichen die mit der Positionsverstellung des auf dem Schlitten (3) angeordneten Anschlussteils (5) verbundenen Abstandsänderungen des Anschlussteils (5) zur mit dem Anschlussteil (5) gekoppelten Übertragungseinheit (6) ausgleicht, j) wobei die als Getriebe ausgebildete Ausgleichseinheit (10) ein Gestänge mit mehreren Gliedern aufweist, die über Drehgelenke miteinander verbunden sind, k) die Antriebseinheit (9) über Spindelelemente, umfassend mindestens eine Spindel (14) mit zwei Spindelmuttern (15, 16), mit dem Schlitten (3) verbunden ist, um den geführten Schlitten (3) linear zu bewegen, l) die Spindel (14) in dem Bereich der Spindelmuttern (15, 16) zwei unterschiedliche Gewinde aufweist, wobei die Gewinde sich hauptsächlich durch die Gewindesteigung unterscheiden, m) und wobei mit dem Schlitten (3) ortsfest mindestens zwei Anschlussteile (5) verbunden sind."

Mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen soll die Aufgabe gelöst werden, eine Vorrichtung zu schaffen, bei der mindestens ein Anschlussteil mit einem kompakten und einfachen Verstellmechanismus einstellbar ist, wobei die Kräfteverhältnisse durch die Positionsveränderung des Anschlussteils im Wesentlichen unverändert bleiben, und wobei die Vorrichtung in Kunststoff ausführbar und damit leichter ist, um gängige Bauteile für feststehende Pedalerien wie zum Beispiel E-Gas-Module zu verwenden (S. 3 Abs. 2, 3 der am 2. Februar 2007 überreichten Unterlagen).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg, weil die Vorrichtung des Patentanspruchs 1 patentfähig ist.

Als zuständiger Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus, der spezielle Kenntnisse auf dem Gebiet betätigbarer Hebelwerke aufzuweisen hat, anzusehen.

1. Zulässigkeit der Patentansprüche 1 bis 9 Die Fassung der geltenden Patentansprüche 1 bis 9 ist zulässig.

1.1 Zu Patentanspruch 1 Die Merkmale a) bis i) entsprechen den Merkmalen des ursprünglichen Patentanspruchs 1, wobei im Merkmal g) nunmehr der bestimmte Artikel dem Wort "Verstellmechanismus (7)" vorangestellt ist.

Die Merkmale j), k) und l) ergeben sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 8, 9 und 10, wobei im Merkmal j) gegenüber dem ursprünglichen Patentanspruch 8 die Angabe "im Wesentlichen" gestrichen ist und Merkmal k) gegenüber dem ursprünglichen Patentanspruch 9 dahingehend präzisiert ist, dass eine Spindel (14) mit zwei Spindelmuttern (15, 16) vorgesehen ist (u. U. S. 3 vorle. Abs. i. V. m. Fig. 2).

Das Merkmal m) ist in den ursprünglichen Unterlagen Seite 8, letzter Absatz offenbart. Der Fachmann entnimmt hieraus und i. V. m. den Figuren 1 und 3, sowie aus Seite 10, Absatz 2, dass der Schlitten (3) außer mit den beiden Anschlussteilen (5) - die ein Brems- und Kupplungspedal darstellen - auch noch mit weiteren Anschlussteilen - etwa einem Gaspedal oder einer mechanischen Feststellbremse - verbunden sein kann, d. h. er entnimmt, dass mit dem Schlitten (3) ortsfest mindestens zwei Anschlussteile (5) verbunden sind.

1.2 Zu den Patentansprüchen 2 bis 9 Die Patentansprüche 2, 3 entsprechen den ursprünglichen Patentansprüchen 2, 3 und die Patentansprüche 5 bis 11 entsprechen den ursprünglichen Patentansprüchen 11 bis 15 in angepasster Rückbeziehung.

Patentanspruch 4 ist dahingehend abgeändert, dass nicht die Übertragungseinheit (6), sondern die Ausgleichseinheit (10) als eine flexible, bewegliche Leitung - vorzugsweise als Schlauch - ausgebildet ist (u. U. S. 10 Abs. 1).

2. Neuheit Die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 ist neu.

Aus der, eine ältere Anmeldung nach § 3 Abs. 2 PatG darstellenden, EP 1 280 034 A1 ist bekannt einea) Vorrichtung zum Einstellen eines mittels einer Lagereinrichtung (39) schwenkbar gelagerten Anschlussteils (pedal 1), insbesondere eines Fußhebelwerks in einem Kraftfahrzeug (Abs. 0001), b) an das eine Übertragungseinheit (29) zum Übertragen der Bewegung des Anschlussteils (1) gekoppelt ist (Abs. 0015, 0016, 0017), c) umfassend einen Verstellmechanismus (motor M, screw 47, block 13) zur Verstellung der Position des Anschlussteils (1) (Abs. 0023), d) eine Sperreinheit (47), welche die ungewollte Positionsverstellung des Anschlussteils (1) verhindert (Spindel 47 verhindert bei abgeschaltetem Motor M die Verstellung des Anschlussteils 1), e) und eine Ausgleichseinheit (15, 23) zur Kompensierung der durch die Positionsverstellung des Anschlussteils (1) hervorgerufenen Abstandsänderung der Übertragungseinheit (29) zum Anschlussteil (1) (Sp. 5 Z. 13 bis 17 i. V. m. Fig. 1: gestrichelte bzw. durchgezogene Darstellung des Anschlussteils 1 und der Übertragungseinheit 29), f) wobei die Lagereinrichtung (39) einen Schlitten (13) umfasst (Abs. 0019, 0021)

g) und mit dem eine Antriebseinheit (M, 47) umfassenden Verstellmechanismus (M, 47, 13) gekoppelt ist (Fig. 2), h) wobei der Schlitten (13) über die Antriebseinheit (M, 47) linear bewegbar ist (Abs. 0021, 0022), i) und die an den Schlitten (13) und die Antriebseinheit (M, 47) gekoppelte Ausgleichseinheit (15, 23) im Wesentlichen die mit der Positionsverstellung des auf dem Schlitten (13) angeordneten Anschlussteils (1) verbundenen Abstandsänderungen des Anschlussteils (1) zur mit dem Anschlussteil (1) gekoppelten Übertragungseinheit (29) ausgleicht (Sp. 5 Z. 13 bis 17 i. V. m. Fig. 1: gestrichelte bzw. durchgezogene Darstellung des Anschlussteils 1 und der Übertragungseinheit 29), j) wobei die als Getriebe (Hebelgetriebe bestehend aus den Hebeln 15, 23 in Wirkverbindung mit dem als Spindelmutter 13 ausgebildeten Schlitten und der weiteren Spindelmutter 37) ausgebildete Ausgleichseinheit (15, 23) ein Gestänge (Hebelgestänge) mit mehreren Gliedern (hier die Hebel 15, 23) aufweist, die über Drehgelenke (Fig. 1: 11, 17, 19, 35) miteinander verbunden sind (Fig. 2), k) die Antriebseinheit (M, 47) über Spindelelemente (screw 47, blocks 13, 37), umfassend mindestens eine Spindel (47) mit zwei Spindelmuttern (13, 37), mit dem Schlitten (Schlitten 13 als Spindelmutter ausgebildet) verbunden ist, um den geführten Schlitten (13) linear zu bewegen (Abs. 0020 i. V. m. Fig. 2), l) die Spindel (47) in dem Bereich der Spindelmuttern (13, 37) zwei unterschiedliche Gewinde aufweist, wobei die Gewinde sich hauptsächlich durch die Gewindesteigung unterscheiden (Fig. 4 i. V. m. Abs. 0023).

Bei der Vorrichtung nach der EP 1 280 034 A1 können zwar mehrere Anschlussteile vorgesehen sein (Abs. 0019: plurality of pedals), dabei ist jedoch jedem Schlitten (13) ein Anschlussteil (1) zugeordnet (Sp. 3 Z. 47 bis 51, Sp. 5, Z. 30 bis 41).

Die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 unterscheidet sich somit von der in der EP 1 280 034 A1 gezeigten dadurch, dass mit dem Schlitten ortsfest mindestens zwei Anschlussteile verbunden sind (Merkmal m)).

Die FR 2 715 368 zeigt eine

"a) Vorrichtung zum Einstellen eines mittels einer Lagereinrichtung (cornière 21, support 5) schwenkbar gelagerten Anschlussteils (pedale 32-34), insbesondere eines Fußhebelwerks in einem Kraftfahrzeug (Fig. 1), b) an das eine Übertragungseinheit (an den Bowdenzug 65, 67 angeschlossene in Fig. 5 nicht dargestellte Einheit) zum Übertragen der Bewegung des Anschlussteils (34) gekoppelt ist (S. 4 Z. 36 bis S. 5 Z. 1), c) umfassend einen Verstellmechanismus (Getriebemotor = motoreducteur 7, Spindel = tigefiletee 28, Schlitten = chariot 8) zur Verstellung der Position des Anschlussteils (34), d) eine Sperreinheit, welche die ungewollte Positionsverstellung des Anschlussteils (34) verhindert (der abgeschaltete Getriebemotor 7 sperrt die Spindel 28, welche die ungewollte Positionsverstellung des Anschlussteils 34 verhindert), e) und eine Ausgleichseinheit (Bowdenzug 65, 67) zur Kompensierung der durch die Positionsverstellung des Anschlussteils (34) hervorgerufenen Abstandsänderung der Übertragungseinheit (an Bowdenzug 65, 67 angeschlossene Einheit) zum Anschlussteil (34) (es ist üblicherweise die Aufgabe eines Bowdenzugs einen Ausgleich der von ihm verbundenen Teile - hier: Anschlussteil und Übertragungseinheit - zu ermöglichen), f) wobei die Lagereinrichtung (21, 5) einen Schlitten (8) umfasstg) und mit dem eine Antriebseinheit (7, 28) umfassenden Verstellmechanismus (7, 28, 26) gekoppelt ist, h) wobei der Schlitten (8) über die Antriebseinheit (7, 28) linear bewegbar ist (Fig. 5), i) und die an den Schlitten (8) und (damit auch an) die Antriebseinheit (7, 28) gekoppelte Ausgleichseinheit (65, 67) im Wesentlichen die mit der Positionsverstellung des auf dem Schlitten (8) angeordneten Anschlussteils (34) verbundenen Abstandsänderungen des Anschlussteils (34) zur mit dem Anschlussteil (34) gekoppelten Übertragungseinheit (an Bowdenzug 65, 67 angeschlossene Einheit) ausgleicht (übliche Aufgabe des Bowdenzugs).

Die Merkmale j), k), l) und m) des Patentanspruchs 1 sind bei der Vorrichtung nach der FR 2 715 368 nicht realisiert.

Die weder vom Senat noch von der Anmelderin aufgegriffenen weiteren Druckschriften gehen über den vorstehend abgehandelten Stand der Technik nicht hinaus und bringen auch keine neuen Gesichtspunkte, so dass auf sie nicht eingegangen zu werden braucht.

3. Erfinderische Tätigkeit Die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Um zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen, hätte der Fachmann darauf kommen müssen, die Vorrichtung nach der FR 2 715 368 so auszugestalten, dass dabeij) die als Getriebe ausgebildete Ausgleichseinheit ein Gestänge mit mehreren Gliedern aufweist, die über Drehgelenke miteinander verbunden sind, k) die Antriebseinheit über Spindelelemente, umfassend mindestens eine Spindel mit zwei Spindelmuttern, mit dem Schlitten verbunden ist, um den geführten Schlitten linear zu bewegen, l) die Spindel in dem Bereich der Spindelmuttern zwei unterschiedliche Gewinde aufweist, wobei die Gewinde sich hauptsächlich durch die Gewindesteigung unterscheidenm) und wobei mit dem Schlitten ortsfest mindestens zwei Anschlussteile verbunden sind.

Das ist aber nach Überzeugung des Senats mehr, als von einem auf dem Fachgebiet tätigen Fachmann zu erwarten ist, denn die FR 2 715 368 gibt dem Fachmann weder einen Anlass, von dem bereits konstruktiv sehr kompakten und einfachen Bowdenzug als Ausgleichseinrichtung, noch von einem Schlitten je Anschlussteil abzugehen.

4. Übrige Unterlagen Die Unteransprüche 2 bis 9 betreffen vorteilhafte, nicht selbstverständliche Weiterbildungen der Vorrichtung gemäß dem Patentanspruch 1; sie sind mit dem Hauptanspruch gewährbar. Die Beschreibung und die Zeichnungen genügen den an sie zu stellenden Anforderungen.






BPatG:
Beschluss v. 07.02.2007
Az: 19 W (pat) 50/04


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