Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. September 2009
Aktenzeichen: 10 W (pat) 5/07

(BPatG: Beschluss v. 10.09.2009, Az.: 10 W (pat) 5/07)

Tenor

1.

Der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts -Prüfungsstelle für Klasse A 61 B -vom 6. November 2006 wird aufgehoben.

2.

Der Anmelderin wird Wiedereinsetzung in die Frist des Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 PCT zur Einleitung der deutschen nationalen Phase ihrer internationalen Patentanmeldung -Aktenzeichen PCT/US03/025305 gewährt.

3.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Auf der Grundlage ihrer internationalen Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen PCT/US03/025305 vom 14. August 2003 erklärte die Anmelderin gegenüber dem Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) die Einleitung der deutschen nationalen Phase der Anmeldung einer Erfindung mit der Bezeichnung "Vorrichtung für verbesserte Schockwellen-Nierenzertrümmerung (SWL) unter Verwendung eines piezoelektrischen Ringanordnungs-(PEAA) Schockwellengenerators in Kombination mit einer primären Schockwellenquelle". Der Schriftsatz mit Unterlagen der Anmeldung in deutscher Sprache, der auch einen Prüfungsantrag enthielt und dem eine Einzugsermächtigung für eine Gebührenzahlung in Höhe von 210,-€ beigefügt war, ging beim DPMA ausweislich der von der dortigen Eingangsstelle vorgenommenen Datumslochung am 16. Februar 2006 ein. Die Anmeldung wird beim Patentamt unter dem Aktenzeichen 103 94 286.6 geführt.

Am 6. März 2006 beantragte die Anmelderin, den 16. Februar 2006 durch den 14. Februar 2006 als Eingangstag zu ersetzen. Zur Begründung gab sie folgenden Sachverhalt an: Der Patentanwaltskandidat Dr. K..., ein Mitarbeiter in der Kanzlei ihrer inländischen Vertreter, habe die vollständigen Unterlagen der Anmeldung am 14. Februar 2006 in den Nachtbriefkasten des DPMA eingeworfen. Er habe anschließend am selben Tag um 19.00 Uhr die in derselben Kanzlei tätige Patentanwaltsfachangestellte Frau A... angerufen und ihr den Vollzug der Ablieferung der Unterlagen mitgeteilt. Diese Vorgänge wurden durch Herrn Dr. K... mit eidesstattlicher Versicherung bestätigt.

Mit Zwischenbescheid der Prüfungsstelle vom 19. Mai 2006 wurde der Anmelderin mitgeteilt, dass die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung zur Glaubhaftmachung des angegebenen Sachverhalts nicht geeignet seien. Die dortigen Ausführungen ließen auch den Schluss zu, dass die Herrn Dr. K... ausgehändigte und von diesem in den Nachtbriefkasten eingeworfene Briefsendung andere Unterlagen als die Anmeldeunterlagen der vorliegenden Patentanmeldung beinhaltet habe. Die Datumslochung sei eine öffentliche Urkunde und begründe vollen Beweis des Eingangstages beim DPMA.

Die Anmelderin beantwortete diesen Bescheid am 14. Juni 2006 mit dem Hinweis auf ein Telefonat, das ihr Vertreter am 13. März 2006 mit der DPMA-Mitarbeiterin Frau F... geführt habe, und von dem sie eine Aktennotiz vorlegte. Frau F... habe angegeben, die Sache mit ihrem Vorgesetzten ausführlich erörtert zu haben und von diesem angewiesen worden zu sein, die Stammdaten im Anmelderegister entsprechend zu korrigieren. Dieser Anruf sei ausschlaggebend dafür gewesen, dass sie bislang von der hilfsweisen Beantragung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgesehen habe, was sie nunmehr vorsorglich nachhole.

Im Übrigen legte die Anmelderin u. a. zwei weitere eidesstattliche Versicherungen vor, zum einen wiederum von Herrn Dr. K..., zum anderen von Frau A....

Herr Dr. K... ergänzte seine früheren Ausführungen dahingehend, er habe am Abend des 14. Februar 2006 eine Übersetzung der Anmeldung, die am selben Tag noch fristwahrend einzureichen gewesen sei, fertiggestellt und anschließend bei der in der Kanzlei durchgeführten Überprüfung der Vollständigkeit der Unterlagen sowie bei deren Einpacken in einen Umschlag zugeschaut. Der Umschlag sei, um Verwechslungsmöglichkeiten auszuschließen, mit "DPMA" handschriftlich gekennzeichnet worden. Er habe keinen weiteren Umschlag zum Einwurf beim DPMA oder beim benachbarten Europäischen Patentamt erhalten.

Frau A... bestätigte die Darlegungen von Herrn Dr. K... hinsichtlich der Überprüfung der Unterlagen auf Vollständigkeit und deren Eintüten in einen mit "DPMA" beschrifteten Umschlag. Den Umschlag habe sie Herrn Dr. K... überreicht und ihn angewiesen, diesen im Nachtbriefkasten des DPMA einzuwerfen. Sie habe sich seiner Kenntnis der Adresse und der Lage des Nachtbriefkastens vergewissert. Auch habe sie mit ihm vereinbart, dass er sie über den erfolgten Einwurf telefonisch unterrichten solle, um sicher zu gehen, dass die Anmeldung fristgerecht eingereicht werde. Gegen 19.00 Uhr habe sie den entsprechenden Anruf erhalten.

Zur Glaubhaftmachung des genannten Telefonats legte die Anmelderin einen Einzelverbindungsnachweis bzgl. des Mobiltelefons von Herrn Dr. K... vor. Darin ist für den 14. Februar 2006, 19.01 Uhr, eine Verbindung mit einer Rufnummer aufgeführt, die Frau A... in ihrer eidesstattlichen Versicherung als die ihre bezeichnet hat.

In Beantwortung eines weiteren für sie ungünstigen Prüferbescheids beantragte die Anmelderin die Vernehmung von Herrn Dr. K... und Frau A... als Zeugen und stellte sich auf den Standpunkt, dass ihr jedenfalls bereits auf Grund ihrer Einlassungen vom 6. März 2006 auch ohne ausdrücklichen Antrag Wiedereinsetzung hätte gewährt werden müssen.

Gleichwohl erließ die Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des DPMA am 6. November 2006 einen Beschluss, durch den sie den "Antrag, als Eingangstag des Prüfungsantrags den 14. Februar 2006 zuzuerkennen" sowie den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückwies. Zur Begründung wird in dem Beschluss ausgeführt, die beantragte Zeugenvernehmung sei kein geeignetes Mittel, um den durch die Datumslochung erbrachten Beweis für den Eingang der Unterlagen am 16. Februar 2006 zu entkräften. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung sei unzulässig, weil der Sachvortrag der Klägerin nicht erkennen lasse, warum es zu der Verspätung gekommen und in welchem Umfang die Schuld daran der Anmelderin zuzurechnen sei. Überdies sei der am 14. Juni 2006 gestellte Antrag verspätet eingegangen, weil der Anmelderin spätestens seit dem 6. März 2006 eine Empfangsbescheinigung mit der Datumsangabe 16. Februar 2006 vorgelegen habe und eine etwaige telefonische Ankündigung seitens des DPMA, dass der Datumsstempel korrigiert werde, keinen Vertrauensschutz begründen könne.

Gegen den Beschluss der Prüfungsstelle wendet sich die Anmelderin mit einer Beschwerde. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Erteilung der Patentanmeldung zu beschließen.

Eine Begründung der Beschwerde ist nicht zu den Akten gelangt.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.

Zur Einleitung der deutschen nationalen Phase ihrer internationalen Patentanmeldung hatte die Anmelderin gemäß Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 PCT innerhalb von dreißig Monaten nach dem Anmeldetag beim DPMA die Gebühr für das Anmeldeverfahren zu entrichten und (da die Anmeldung ursprünglich nicht in deutscher Sprache eingereicht war) eine Übersetzung vorzulegen. Ausgehend vom 14. August 2003 als dem internationalen Anmeldetag waren diese Handlungen im vorliegenden Fall bis spätestens 14. Februar 2006 vorzunehmen. Auf die Stellung des Prüfungsantrags kommt es -entgegen der Tenorierung im angefochtenen Beschluss -in diesem Zusammenhang nicht an.

2.

Die Anmelderin hat jedoch ausweislich der Datumslochung auf den zur Einleitung der nationalen Phase eingereichten Unterlagen diese erst am 16. Februar 2006 eingereicht. Gemäß § 8 Abs. 1 DPMAV wird auf den Geschäftssachen des DPMA der Tag des Eingangs vermerkt, und darauf gestützt wird dem Anmelder gemäß § 8 Abs. 2 DPMAV unverzüglich eine Empfangsbestätigung übersandt. Diese erbringt als öffentliche Urkunde gemäß § 415 Abs. 1 ZPO Beweis für den Eingangstag (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. Juni 1986 -BPatGE 28, 109, 111 -und vom 24. Juli 2000 -BlPMZ 2001, 153, 154). Bis zum Beweis des Gegenteils ist von der Richtigkeit des bescheinigten Empfangsdatums auszugehen. Für eine davon abweichende Feststellung müsste nachgewiesen sein, dass der Eingangstag unrichtig beurkundet worden ist (§ 415 Abs. 2 ZPO analog). Dieser Nachweis müsste im Wege eines vollen Gegenbeweises erbracht werden; die bloße Erschütterung der durch den Urkundenbeweis vermittelten Beweisregel genügt dafür nicht (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 415 Rn. 6). Auch eine Glaubhaftmachung durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen ist insoweit nicht ausreichend.

Die Anmelderin hat zum Beweis dafür, dass die in Rede stehenden Unterlagen bereits am 14. Februar 2006 eingegangen seien, die Vernehmung der Mitarbeiter in der Kanzlei ihrer inländischen Vertreter, Herrn Dr. K... und Frau A..., als Zeugen angeboten. Dieses Angebot durfte die Prüfungsstelle nicht mit dem Hinweis ablehnen, der Zeugenbeweis sei zur Entkräftung des auf Grund der die Datumslochung erbrachten Beweises nicht geeignet. Es handelt sich insoweit um eine unzulässige Vorwegnahme des Beweisergebnisses (Schulte, PatG, 8. Aufl., Einleitung Rn. 137).

3. Auf die Vernehmung der angebotenen Zeugen und auf den Gebrauch sonstiger Beweismittel kann jedoch verzichtet werden, weil der Anmelderin -ausgehend vom 16. Februar 2006 als Einreichungstag -die hilfsweise von ihr beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

a) Die Wiedereinsetzung ist gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG i. V. m. Art. 48 Abs. 2 PCT statthaft, weil durch die Überschreitung der in Art. III § 4 Abs. 2 Int-PatÜG i. V. m. Art. 22 PCT genannten Frist die internationale Anmeldung in Deutschland als zurückgenommen gilt (Art. 24 Abs. 1 lit. iii) und der Anmelderin dadurch ein Nachteil entsteht.

b) Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht deshalb unzulässig, weil ihn die Anmelderin nicht innerhalb der Zweimonatsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG gestellt hat. Diese Frist hat mit Wegfall des Hindernisses begonnen, also in dem Zeitpunkt, in dem das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (Schulte, a. a. O, § 123 Rn. 27). Da die Anmelderin durch die Übersendung der auf den 16. Februar 2006 bezogenen Empfangsbescheinigung Kenntnis von dem verspäteten Eingang erhielt, war die zweimonatige Antragsfrist allerdings bei der hilfsweisen Antragsstellung am 14. Juni 2006 bereits verstrichen.

Diese Antragsfrist ist jedoch, wenn sie versäumt wird, ihrerseits einer Wiedereinsetzung zugänglich (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 31) und es liegen hier auch insoweit die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung vor. Die Anmelderin hat vorgetragen, dass sie auf Grund eines vom ihrem Vertreter am 13. März 2006 mit dem Patentamt geführten Telefongesprächs davon ausgegangen sei, dass das Eingangsdatum auf den 14. Februar 2006 berichtigt werde. Dieser Vortrag erscheint -auch im Hinblick auf die vorgelegte anwaltliche Aktennotiz -glaubhaft.

Nachdem in dem besagten Gespräch die Patentamtsmitarbeiterin Frau F... erklärte, sie sei nach ausführlicher Erörterung der Sache mit ihrem Vorgesetzten von diesem zur Korrektur der Stammdaten angewiesen worden, erscheint es nicht schuldhaft, wenn sich die Anmelderin auf diese Auskunft verlassen und nicht sofort einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt hat. Somit war es ausreichend, dass sie diesen Antrag innerhalb der neuerlichen, mit Zugang des Zwischenbescheids vom 19. Mai 2006 bei ihr beginnenden Zweimonatsfrist gestellt hat.

Im Übrigen hat die Anmelderin zutreffend darauf hingewiesen, dass vorliegend selbst ohne zulässigen Antrag -auf der Grundlage des Vorbringens vom 6. März 2006 auch eine Wiedereinsetzung von Amts wegen (§ 123 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 PatG) in Betracht zu ziehen war.

c) Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt. So sind innerhalb der Antragsfrist Angaben zu den die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Tatsachen gemacht und die zur Einleitung der nationalen Phase der internationalen Patentanmeldung erforderlichen Unterlagen nachgereicht worden (§ 123 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1, Satz 3 Halbsatz 1 PatG).

d) Der Wiedereinsetzungsantrag ist begründet, weil die Anmelderin nach ihrem durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemachten Vorbringen die dreißigmonatige Frist des Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 PCT schuldlos versäumt hat. Legt man diese Ausführungen zu Grunde, hat die Anmelderin alles Erforderliche zur Fristeinhaltung getan. Die Unterlagen zur Einleitung der nationalen Phase wurden in der Kanzlei ihrer Vertreter noch rechtzeitig vorbereitet, so dass eine Zuleitung an das DPMA durch Einwurf in den dortigen Nachtbriefkasten am letzten Tag der Frist noch möglich war. Dass es dennoch nicht mehr innerhalb der Frist dazu gekommen war, beruht nicht auf einem Verschulden der Vertreter, das sich die Anmelderin gemäß § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsste.

Insbesondere ist ein Verschulden der Anwälte hinsichtlich der Organisation ihres Kanzleibetriebs nicht erkennbar. Diese durften den bei ihnen tätigen Herrn Dr. K... im Wege einer Einzelanweisung mit der Aufgabe des Briefes in den Nachtbriefkasten des Patentamts betrauen und sich auf deren ordnungsgemäße Erfüllung verlassen. Herr Dr. K... war als Patentanwaltskandidat für diese Aufgabe geeignet. Er kannte -wie sich aus den eidesstattlichen Versicherungen ergibt -die Adresse und Lage des Nachtbriefkastens. Dass sich die Patentanwaltsfachangestellte Frau A... von Herrn K... unmittelbar im Anschluss an den Einwurf des Umschlags mit den Unterlagen in den Nachtbriefkasten telefonisch von diesem Vorgang unterrichten ließ, war eine sinnvolle und in jedem Fall ausreichende Kontrollmaßnahme. Einer Überprüfung durch die Anwälte persönlich bedurfte es jedenfalls nicht.

4.

Der Erfolg des Wiedereinsetzungsantrags bewirkt, dass die Anmelderin so behandelt wird, als habe sie die am 16. Februar 2006 eingereichten Unterlagen noch rechtzeitig innerhalb der Frist zur Einleitung der nationalen Phase ihrer internationalen Patentanmeldung, d. h. spätestens am 14. Februar 2006, eingereicht. Einer förmlichen Korrektur des Eingangstages (entsprechend dem von der Anmelderin im Verfahren vor dem Patentamt am 6. März 2006 gestellten Antrag) bedarf es hierfür nicht.

5.

Da das Patentamt in der Sache noch nicht entschieden hat, wird das Verfahren gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG an die Prüfungsstelle zurückgegeben. Soweitdie Anmelderin gemäß ihrem in der Beschwerdeschrift gestellten Antrag eine Patenterteilung durch das Bundespatentgericht anstrebt, hat ihre Beschwerde keinen Erfolg.

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BPatG:
Beschluss v. 10.09.2009
Az: 10 W (pat) 5/07


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