Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juli 2009
Aktenzeichen: 17 W (pat) 107/05

(BPatG: Beschluss v. 28.07.2009, Az.: 17 W (pat) 107/05)

Tenor

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 2. März 2002 beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Bezeichnung

"Vorrichtung zum Ablenken eines Lichtstrahles und Scanmikroskop"

eingereicht worden.

Die Prüfungsstelle für Klasse G02B hat durch Beschluss vom 14. März 2005 die Anmeldung zurückgewiesen, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G02B des Deutschen Patentund Markenamts vom 14. März 2005 aufzuheben, und ein Patent zu erteilen auf der Basis der am 28. Januar 2003 eingereichten und am 30. Januar 2003 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangenen Unterlagen, nämlich -Patentansprüche 1 bis 26 vom 28. Januar 2003, eingegangen am 30. Januar 2003, sowie -Beschreibung Seiten 1 bis 11 und 4 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 5, jeweils vom Anmeldetag (2. März 2002).

Zudem regt sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt sind folgende Druckschriften genannt worden:

D1: DE 199 61 502 A1 D2: US5365288A D3: DE 198 60 015 A1 D4: DE 196 54 210 C2 D5: DE 196 05 505 A1 D6: DE 100 33 549 A1 D7: DE4322694A1 Vom Senat wurden zusätzlich die Druckschriften D8: JP 62-073444 A, englisches Abstract in: Patents Abstracts of Japan D8a: JP 62-073444 A (japanische Schrift zu D8) D9: DE 2354 562 A eingeführt.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"1. Vorrichtung zum Ablenken eines Lichtstrahles mit einer um eine erste Achse drehbaren Einheit, die mindestens zwei zueinander ortsfeste Reflexionsflächen -nämlich eine erste und eine zweite Reflexionsfläche -beinhaltet, und die einen Lichtstrahl empfängt und an eine dritte Reflexionsfläche weiterleitet, die um eine zweite Achse, die senkrecht zur ersten Drehachse verläuft, drehbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die drehbare Einheit mindestens eine zu der ersten und zu der zweiten Reflexionsfläche ortsfeste weitere Reflexionsfläche aufweist, wobei die Gesamtanzahl der Reflexionsflächen -nämlich der ersten, der zweiten, der dritten und der zumindest einen weiteren Reflexionsfläche -gerade ist und wobei sich die erste, die zweite, die dritte und die zumindest eine weitere Reflexionsfläche stets gleichzeitig im Strahlengang des Lichtstrahles befinden."

Der nebengeordnete Patentanspruch 14 lautet:

"14. Scanmikroskop mit einer Lichtquelle, die einem Lichtstrahl zur Beleuchtung einer Probe emittiert und mit einer Vorrichtung zum Ablenken des Lichtstrahles, die eine um eine erste Achse drehbare Einheit aufweist, die zwei mindestens zueinander ortsfeste Reflexionsflächen -nämlich eine erste und eine zweite Reflexionsfläche -beinhaltet, wobei die drehbare Einheit einen Lichtstrahl empfängt und an eine dritte Reflexionsfläche weiterleitet, die um eine zweite Achse, die senkrecht zur ersten Drehachse verläuft, drehbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die drehbare Einheit mindestens eine zu der ersten und zu der zweiten Reflexionsfläche ortsfeste weitere Reflexionsfläche aufweist, wobei die Gesamtanzahl der Reflexionsflächen -nämlich der ersten, der zweiten, der dritten, und der zumindest einen weiteren Reflexionsfläche -gerade ist und wobei sich die erste, die zweite, die dritte, und die zumindest eine weitere Reflexionsfläche stets gleichzeitig im Strahlengang des Lichtstrahles befinden."

Der Anmeldung soll gemäß der Eingabe vom 28. Januar 2003 S. 2 drittle. Abs. die Aufgabe zugrunde liegen, eine Vorrichtung zur Ablenkung eines Lichtstrahles (bzw. ein Scanmikroskop) anzugeben, die die Polarisation des Lichtstrahles, insbesondere bei Bildrotationen, weitgehend unbeeinflusst lässt.

Zu den Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Sie konnte jedoch keinen Erfolg haben, da die Gegenstände des Patentanspruchs 1 und des nebengeordneten Patentanspruchs 14 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen (§ 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Satz 1 PatG).

1. Gemäß dem mit einer möglichen Gliederung versehenen Patentanspruch 1 betrifft die Anmeldung eine

(a)

Vorrichtung zum Ablenken eines Lichtstrahles

(b)

mit einer um eine erste Achse drehbaren Einheit,

(c)

die mindestens zwei zueinander ortsfeste Reflexionsflächen -nämlich eine erste und eine zweite Reflexionsfläche -beinhaltet,

(d)

und die einen Lichtstrahl empfängt und an eine dritte Reflexionsfläche weiterleitet,

(e)

die um eine zweite Achse, die senkrecht zur ersten Drehachse verläuft, drehbar ist,

(f)

dass die drehbare Einheit mindestens eine zu der ersten und zu der zweiten Reflexionsfläche ortsfeste weitere Reflexionsfläche aufweist,

(g)

wobei die Gesamtanzahl der Reflexionsflächen -nämlich der ersten, der zweiten, der dritten und der zumindest einen weiteren Reflexionsfläche -gerade ist und

(h)

wobei sich die erste, die zweite, die dritte und die zumindest eine weitere Reflexionsfläche stets gleichzeitig im Strahlengang des Lichtstrahles befinden.

dadurch gekennzeichnet, Zudem betrifft die Anmeldung gemäß dem Patentanspruch 14 ein

(A) Scanmikroskop mit einer Lichtquelle, die einemn Lichtstrahl zur Beleuchtung einer Probe emittiert, wobei das Scanmikroskop eine Vorrichtung mit den Merkmalen (a), (b), dem in seiner Formulierung von Merkmal (c) abweichenden Merkmal

(c') die zwei mindestens zueinander ortsfeste Reflexionsflächen -nämlich eine erste und eine zweite Reflexionsfläche -beinhaltet, sowie den Merkmalen (d) bis (h) enthält.

Als Fachmann sieht der Senat hier einen Physiker mit speziellen Kenntnissen in der Optik und Erfahrung in der Entwicklung von Scanvorrichtungen an, wie sie in Scanmikroskopen eingesetzt werden.

2. Die Gegenstände des geltenden Anspruchs 1 und des nebengeordneten Anspruchs 14 beruhen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da sie dem Fachmann durch die vorveröffentlichten Druckschriften D6 und D8 (mit D8a) nahegelegt waren.

Die Druckschrift D6, die von der Anmelderin selbst genannt wurde und auch von dieser stammt, betrifft gemäß Fig. 1 und 3 mit Beschreibung eine Vorrichtung zum Ablenken eines Lichtstrahles mit einer um eine erste Achse (7) drehbaren Einheit (16), die zwei zueinander ortsfeste Reflexionsflächen (erste Reflexionsfläche 8 und zweite Reflexionsfläche 9) beinhaltet - Merkmale (a), (b), (c), (c'). Über einen in einer Ausnehmung angeordneten (drehfesten) Reflektor (15) empfängt die Einheit (16) einen Lichtstrahl und leitet diesen an eine dritte Reflexionsfläche (10) weiter, die um eine zweite Achse (6), die senkrecht zur ersten Drehachse (7) verläuft, drehbar ist - Merkmale (d), (e). Hierbei befinden sich die erste, die zweite und die dritte Reflexionsfläche stets gleichzeitig im Strahlengang des Lichtstrahles - teilweise Merkmal (h). Zur Minimierung von Verzeichnungsfehlern sind die Reflexionsflächen so angeordnet, dass die optische Achse des von der zweiten zur dritten Reflexionsfläche verlaufenden Lichtstrahls etwa senkrecht zur Drehachse der Einheit (16) liegt, vgl. die Zusammenfassung. Die aus der Einheit 16 und der dritten Reflexionsfläche 10 bestehende Vorrichtung ist insgesamt um die Achse (7) drehbar, wodurch die Orientierung der Strahlablenkeinrichtungen und damit des erzeugten Ablenkmusters 20 beliebig veränderbar ist, vgl. Sp. 4 Abs. [0018] sowie Sp. 6 Abs. [0036] i. V. m. Fig. 3. Die Vorrichtung ist in einem konfokalen Rastermikroskop einsetzbar, vgl. Sp. 1 Z. 6 und 7, das selbstverständlich eine einen Lichtstrahl zur Beleuchtung einer Probe emittierende Lichtquelle enthält - Merkmal A. Eine zur ersten und zweiten Reflexionsfläche ortsfeste, weitere Reflexionsfläche ist nicht vorgesehen.

Die englische Druckschrift D8, die eine Zusammenfassung der japanischen Druckschrift D8a darstellt, betrifft einen Optikkopf zum Auslesen von Information aus einem Speichermedium. Gemäß der in D8 Kap. "Purpose" dargelegten Lehre ist im Strahlengang eine gerade Anzahl von Reflexionen so vorgesehen, dass die Richtung des reflektierten Strahls für die eine Hälfte der Anzahl von Reflexionen etwa senkrecht steht auf der Richtung des reflektierten Strahls für die andere Hälfte der Anzahl von Reflexionen. Dadurch heben sich die durch die Reflexion an den einzelnen Reflexionsflächen erzeugten Phasendifferenzen zwischen den unterschiedlich polarisierten Komponenten des Lichtstrahls gegenseitig auf, so dass durch die Reflexionen insgesamt die Polarisation des Lichtstrahls nicht verändert wird, vgl. den letzten Satz in D8. Im Ausführungsbeispiel gemäß der Figur in D8 (Fig. 1 in D8a) mit Beschreibung im Kap. "Constitution" wird Licht aus einer Lichtquelle (Laser 50) über einen Strahlteiler 54, einen Spiegel 58 und eine Linse 60 auf das Speichermedium fokussiert; das reflektierte Licht, in dem die auszulesende Information als Polarisation kodiert ist, wird über zwei Reflexionsflächen (58, 56) zum Polarisationsstrahlteiler 68 gelenkt, in dem es je nach seiner Polarisation unterschiedlich reflektiert und auf ein Element 76 (Detektor) gelenkt wird. Wie in der Figur zu erkennen ist, stehen hier Einfallsund Ausfallswinkel eines Lichtstrahls für jede der beiden einander polarisationsmäßig ausgleichenden, parallelen Reflexionsflächen 58 und 56 etwa senkrecht aufeinander.

In seinem ständigen Bestreben nach Verbesserung liegt es für den Fachmann nahe, die in D6 als vorteilhaft beschriebene Vorrichtung, die insbesondere in einem konfokalen Rastermikroskop einsetzbar ist, unter Beibehaltung ihrer Vorteile möglichst universell auszugestalten, so dass mit ihr unterschiedliche bekannte mikroskopische Verfahren durchführbar sind, auch polarisationsmikroskopische Verfahren. Wie der Fachmann erkennt, wird die Polarisation des in die Vorrichtung einfallenden Lichts durch die Reflexionen an den Reflexionsflächen verändert, und zwar je nach Drehstellung der gemäß D6 Sp. 4 Abs. [0018] und Sp. 6 Abs. [0036] insgesamt drehbaren Vorrichtung in unterschiedlicher Weise, so dass die Vergleichbarkeit von in unterschiedlichen Drehstellungen gewonnenen Messergebnissen beeinträchtigt ist. Auf der Suche nach Kompensationsmöglichkeiten für diese störenden Polarisationsveränderungen sieht sich der Fachmann in dem Stand der Technik um, der die polarisationsoptische Untersuchung von Objekten betrifft, etwa bei polarisationsoptischen Abtastund Messvorrichtungen. Hierbei stößt er auf die Druckschrift D8 (mit D8a), die eine Kompensation von durch Reflexionen verursachten Polarisationsänderungen durch das Vorsehen einer geraden Anzahl von Reflexionen mit jeweils zueinander senkrechten Reflexionsrichtungen lehrt. Diese Lehre wendet der Fachmann ohne Weiteres auf die aus D6 bekannte Vorrichtung an, wobei sich eine Ergänzung der ersten Reflexionsfläche 8 in D6 Fig. 3 durch eine zweite, die erste polarisationsmäßig ausgleichende Reflexionsfläche anbietet derart, dass gemäß D8 die jeweils reflektierten Lichtstrahlen in einem rechten Winkel zueinander stehen; bei den beiden Spiegeln 9 und 10 ist diese Anordnung bereits ungefähr gegeben, so dass hier keine Ergänzung von Reflexionsflächen nötig ist - Merkmale (f), (g), (h).

Durch diese Überlegungen konnte der Fachmann zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gelangen, wozu keine erfinderische Tätigkeit erforderlich war. Ein über die zu erwartende Wirkung der einzelnen Maßnahmen hinausgehender, synergistischer Effekt ist nicht ersichtlich.

Der Anspruch 1 ist somit nicht gewährbar. Entsprechendes gilt für den nebengeordneten Anspruch 14.

Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann, sind auch die abhängigen Patentansprüche 2 bis 13 und 15 bis 26 nicht gewährbar (BGH in GRUR 1997, 120 "Elektrisches Speicherheizgerät").

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war gemäß § 80 Abs. 3 PatG anzuordnen. Danach ist die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Maßgebend dafür sind alle Umstände des Falles. Die Billigkeit der Rückzahlung kann sich u. a. aus der Sachbehandlung durch das Deutsche Patentund Markenamt ergeben (vgl. Benkard, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, 10. Auflage (2006), PatG § 80 Rdnr. 21; Schulte, Patentgesetz, 8. Auflage (2008), § 80 Rdnr. 111, 112 sowie § 73 Rdn. 132 ff.). Das ist hier der Fall. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Mängel des Erteilungsverfahrens vor der Prüfungsstelle die Ursache für die Einlegung der Beschwerde waren.

Dass die Prüfungsstelle die von der Anmelderin mehrfach beantragte erste Anhörung abgelehnt hat, war nicht sachdienlich. Sachdienlich ist eine Anhörung grundsätzlich in jedem Verfahren einmal (BPatGE 18,30). Sie ist immer sachdienlich, wenn sie das Verfahren fördern kann, insbesondere wenn sie eine schnellere und bessere Klärung als eine schriftliche Auseinandersetzung verspricht. Die Ablehnung eines Antrags auf eine Anhörung kommt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht. Das gilt besonders dann, wenn es sich wie hier um eine erste Anhörung handelt. Für die Ablehnung des Antrages müssen daher triftige Gründe vorliegen, z. B., dass die Anhörung zu einer überflüssigen Verfahrensverzögerung führen würde (Schulte, a. a. O., § 46 Rdnr. 9 f.).

Im vorliegenden Fall sind objektive, die Ablehnung des Antrags auf eine erste Anhörung rechtfertigende Gründe nicht ersichtlich. Insbesondere gab das Verhalten der Anmelderin keinen Anlass für die Vermutung, dass in einer Anhörung die gegensätzlichen Bewertungen lediglich noch einmal wiederholt würden und das Verfahren lediglich verzögert würde.

Die Anmelderin hat vielmehr durch die Neuformulierung der Patentansprüche nach dem Erstbescheid, eine eingehende Erläuterung ihrer von der Beurteilung der Prüfungsstelle abweichenden Sicht der Dinge auf den zweiten Bescheid hin und die zweimalige Beantragung einer Anhörung deutlich ihre Bereitschaft erkennen lassen, an einer zielgerichteten Weiterführung des Verfahrens mitzuwirken und auch auf Einwände der Prüfungsstelle einzugehen.

Auch war der der Anmeldung zugrunde liegende, relativ komplexe Sachverhalt nicht so klar und unmittelbar einsichtig, dass die Durchführung einer Anhörung nicht sachgerecht gewesen wäre.

Es erscheint durchaus denkbar, dass im Rahmen einer Anhörung das Verfahren so weit hätte gefördert werden können, dass die Anmelderin auf die Einlegung der Beschwerde verzichtet hätte. Diese Möglichkeit ist der Anmelderin durch die Ablehnung des Antrags auf Anhörung auf unbillige Weise genommen worden.

Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die festgestellten Mängel in der Verfahrensführung durch die Prüfungsstelle der Grund für die Beschwerdeerhebung waren. Das macht die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr recht und billig i. S. v. § 80 Abs. 3 PatG.

Dr. Fritsch Werner Baumgardt Dr. Thum-Rung Bb/Me






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Beschluss v. 28.07.2009
Az: 17 W (pat) 107/05


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