Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 23. Februar 2000
Aktenzeichen: 13 B 1996/99

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 23.02.2000, Az.: 13 B 1996/99)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird geändert.

Der Antrag der Antragstellerin wird abgelehnt.

Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge jeweils auf 448.250,- DM festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerden sind begründet.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage 1 K 4502/99 VG Köln gegen Nr. 1. Buchst. d) bis h) des Beschlusses der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) der Antragsgegnerin vom 11. Mai 1999 zu Unrecht stattgegeben.

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft und auch im übrigen zulässig. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Regelungen der angeführten Bestimmungen des Beschlusstenors einen selbständig anfechtbaren Teil des Beschlusses vom 11. Mai 1999 darstellen, weil die übrigen Regelungen unter Nr. 1 des Tenors rechtlich und tatsächlich isoliert fortbestehen können und vor allem nach dem erkennbaren Willen der den Beschluss erlassenden Behörde auch isoliert fortbestehen sollen. Letzteres ergibt sich, wie im angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts überzeugend dargelegt, eindeutig aus Nr. 1. Buchst. h) Satz 2 des Tenors des Beschlusses der RegTP vom 11. Mai 1999, wo lediglich flankierend zu der zuvor erfolgten Anordnung der Zusammenschaltung, der Bestimmung der Zusammenschaltungsbedingungen und der Verpflichtungen der Zusammenschaltungsparteien ein Recht der Beigeladenen als einer Zusammenschaltungspartei begründet wird, von dem sie bei gegebenen Voraussetzungen künftig Gebrauch machen kann, aber nicht muss. Von den aus einer Überschreitung des Schwellenwertes von 48,8 Erlang folgenden Konsequenzen soll die Zusammenschaltung als solche in ihrem Bestand grundsätzlich unberührt bleiben; die Beigeladene soll in dem Fall nur eine Begrenzung des Verkehrs vornehmen dürfen, die übrigen Rechtsbeziehungen zwischen den Zusammenschaltungsparteien sollen indes bestehen bleiben.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet, weil die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Ungunsten der Antragstellerin ausfällt. Die Klage in der Hauptsache wird bei der in der vorliegenden Verfahrensart nur möglichen Prüfungsdichte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos sein, weil bezüglich des angefochtenen Teils des Beschlusses der RegTP vom 11. Mai 1999 Rechtsfehler zu Lasten der Antragstellerin nicht erkennbar sind.

Der Bescheid ist gestützt auf § 37 TKG iVm § 9 NZV. Danach hat die RegTP die Zusammenschaltung anzuordnen, wenn zwischen Betreibern öffentlicher Telekommunikationsnetze eine Zusammenschaltungsvereinbarung nicht zustande kommt und sie zur Herbeiführung dessen von einem Beteiligten angerufen wird. Bei ihrer Entscheidung, ob und ggf. unter welchen Modalitäten die Zusammenschaltung zu erfolgen hat, hat sich die RegTP innerhalb der europarechtlichen Vorgaben, der Regelungen des Telekommunikationsgesetzes und der Netzzugangsverordnung zu verhalten sowie die allgemeinen Grundsätze rechtsstaatlichen Verwaltungshandelns zu beachten; im übrigen steht ihr bei der Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten und deren Gewichtung ein Entscheidungsfreiraum zu. Die Entscheidung der RegTP, nach welcher die Beigeladene von der Antragstellerin nach Überschreitung des Schwellenwertes 48,8 Erlang die Anbindung an einem weiteren Ort der Zusammenschaltung (OdZ) der Kategorie A mit zwei Interconnectionsanschlüssen (ICA) im Bereich des Entstehens des überschießenden Verkehrs verlangen kann, lässt bei in diesem Verfahren nur möglicher summarischer Betrachtung eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin nicht erkennen.

Die europarechtlichen Vorgaben weisen der RegTP für den Fall des Nichtzustandekommens einer Zusammenschaltungsvereinbarung zwischen zwei Netzbetreibern eine Vermittler- oder Streitschlichterrolle zu, die die Vorgabe sowohl allgemein verbindlicher einzelner Bedingungen der Zusammenschaltung, als auch einer individuell anzuwendenden Zusammenschaltungsvereinbarung zwischen zwei Netzbetreibern erlaubt. Nach Art. 9 Abs. 5 der Richtlinie 97/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 (Zusammenschaltungs-RL), ABl. EG Nr. L 199/32, unternimmt sie Schritte, um den Streit beizulegen. Die Streitbeilegung muss einen fairen Ausgleich der berechtigten Interessen beider Parteien zum Ergebnis haben. Die Regulierungsbehörde fördert und sichert eine adäquate Zusammenschaltung im Interesse aller Benutzer mit dem Ziel des größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzens und größtmöglichen Nutzens für die Endbenutzer (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Zusammenschaltungs-RL), sie berücksichtigt insbesondere die Notwendigkeit der Sicherstellung einer zufriedenstellenden Ende-Zu-Ende-Kommunikation für die Benutzer und die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit. Vor diesem Hintergrund durfte die RegTP eine für die Antragstellerin und die Beigeladene als beteiligte Netzbetreiberin verbindliche Regelung für den Fall drohender Beeinträchtigungen der Kommunikation infolge eines übermäßigen atypischen Verkehrs im Netz der Beigeladenen treffen.

Dabei kann offen bleiben, ob eine dahingehende Regelung für die Antragstellerin als eine Beschränkung des Netzzugangs im Sinne des § 35 Abs. 2 Satz 2 TKG zu werten ist. Denn selbst wenn das der Fall wäre, wäre die Regelung aus Gründen erfolgt, die auf den grundlegenden Anforderungen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1990 (90/387/EWG) (ONP-RL), ABl. EG Nr. L 192/1, beruhen. Die RegTP hat die Verpflichtung der Antragstellerin zur Anbindung an einen weiteren Ort nach Maßgabe der Nr. 1, Buchst. d) des angegriffenen Beschlusses auf Gründe der Netzintegrität gestützt. Dieser Begriff ist allerdings weder in den europarechtlichen Vorgaben noch im nationalen Telekommunikationsrecht definiert. Es spricht mehr dafür, ihn unter Berücksichtigung der Ziele der ONP-Richtlinie dahin zu interpretieren, dass er nicht nur den physischen Bestand, sondern auch die jederzeitige Funktionsfähigkeit des Netzes hinsichtlich einer reibungslosen, wartezeitfreien Ende-Zu- Ende-Kommunikation beinhaltet. Die grundlegenden Anforderungen, zu denen die Aufrechterhaltung der Netzintegrität zählt, sind im "allgemeinen Interesse" liegende Gründe (vgl. Art. 2 Nr. 6 ONP-RL). Das allgemeine Interesse im Telekommunikationsbereich ist auf die Erhaltung oder Erlangung eines Telekommunikationsnetzes gerichtet, das allzeit verfügbare, reibungslose Verbindungen ohne überlastbedingte Wartezeiten gewährleistet. Das Anliegen der ONP-Richtlinie ist die Marktöffnung für einen allseits diskriminierungsfreien offenen Wettbewerb, nicht der uneingeschränkte Zugriff auf die begrenzte Ressource Telekommunikationsnetz, der mit Qualitätseinbußen - im extremen Fall bis zur Funktionsunfähigkeit des Netzes - verbunden sein kann. Überdies zielt die ONP-Richtlinie auf einen effizienten Zugang zu den Telekommunikationsnetzen und -diensten und es soll deren effiziente Benutzung sichergestellt werden (Art. 2 Nr. 10 Satz 1 ONP-RL). Eine solche Effizienz ist nur dann zu bejahen, wenn der Netzzugang zu einer allseits sinnvollen und zufriedenstellenden Nutzung der Netzressource führt. Das ist jedenfalls nicht der Fall, wenn Teile des Netzes einer qualitäts- und funktionsmindernden Überlast ausgesetzt sind, die technisch problemlos auf andere Netzteile in der Fläche verteilt werden kann. Nur ein solches Verständnis vom Inhalt des Begriffs Netzintegrität dürfte dem Anliegen des Telekommunikationsgesetzes gerecht werden, die Kommunikation der Nutzer - das sind ausgehend von § 3 Nr. 11 TKG neben den Wettbewerbern auch die Endbenutzer - untereinander zu verbessern (§ 36 Satz 2 TKG) und deren Interessen zu wahren (§ 2 Abs. 2 TKG).

Einer weiteren Vertiefung der Interpretation des Begriffs Netzintegrität bedarf es nicht, weil die zu betrachtende Regelung auch von der grundlegenden Anforderung der Wahrung der Interoperabilität der Dienste (Art. 2 Nr. 6 ONP-RL) gedeckt sein dürfte. Diesen Begriff interpretiert der Senat im Sinne einer uneingeschränkten Weitergabe der herangeführten Sprach- und Datenkommunikationsverkehre, die nur bei einer wartezeitfreien oder sonstigen störungslosen Weiterleitung des Verkehrs zu bejahen ist. So gesehen verlangt Interoperabilität auch die Bewahrung der Qualität des Verkehrs auf dem Übermittlungswege unter Einschaltung mehrerer Netze. Das wird bestätigt durch die Inhaltsbestimmung für den Begriff Interoperabilität von Diensten in Art. 10 Abs. 2 Buchst. c) der Zusammenschaltungs-RL. Danach können die Mitgliedsstaaten alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Aufrechterhaltung der Integrität öffentlicher Telekommunikationsnetze sicherzustellen; dazu gehören auch die Bedingungen zur Sicherstellung einer zufriedenstellenden durchgehenden Qualität. Insbesondere zählen zu solchen Bedingungen auch die Einhaltung spezifischer technischer Normen (Art. 10 Buchst. c Satz 2 Zusammenschaltungs-RL), die hier mit der "Begrenzung" auf einen bestimmten Erlang-Wert in Frage stehen. Der Senat ist nicht gehindert, auf diesen - objektiv gegebenen - Rechtfertigungsgrund zurückzugreifen, auch wenn ihn die RegTP in ihrem Beschluss vom 11. Mai 1999 nicht herangezogen hat.

Soweit das Verwaltungsgericht anknüpfend an möglicherweise unglücklich gewählte Formulierungen in den Gründen des Beschlusses der RegTP meint, die angegriffenen Regelungen seien nur zum Schutz wirtschaftlicher Interessen der Beigeladenen ergangen, ist damit allenfalls ein und nicht der einzige Aspekt des gesamten Problemspektrums angesprochen. Die betreffenden Erwägungen dürften richtigerweise dem von der RegTP vorzunehmenden Interessenausgleich zuzuordnen sein.

Die von der Antragstellerin verfolgte Zusammenschaltung ohne die Verpflichtung aus der angegriffenen Regelung birgt die Gefahr eines Qualitätsverlusts der Dienstleistungen in sich.

Ein Verstoß der RegTP gegen allgemeine Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns zu Lasten der Antragstellerin sind bei der im vorliegenden Verfahren eingeschränkten Prüfungsdichte nicht erkennbar. Insbesondere ist die angefochtene Regelung nicht unverhältnismäßig.

Es kann nicht ernsthaft daran gezweifelt werden, dass ein von einem Verbindungsnetzbetreiber an das Netz der Beigeladenen übergebener oder von diesem bezogener Verkehr, für den das Netz nicht konzipiert und nicht ausgelegt ist, begrifflich atypischer Verkehr ist. Der Senat hat im vorliegenden Verfahren keine Zweifel, dass ein durch einen Verbindungsnetzbetreiber veranlasster atypischer Verkehr zu Überlastungen des Netzes der Beigeladenen einschließlich der Knotenpunkte führen kann, was zu Wartezeiten bei der Herstellung der Verbindungen (Besetztzeichen) führt, und dass diese Folge durch die automatische Wahlwiederholung erfolgloser Endteilnehmer noch verstärkt wird. Soweit die Antragstellerin der Demonstration dieser Auswirkung durch die Beigeladene am 12. März 1999 in B. keine Überzeugungskraft beimisst, weil es sich um eine Simulation gehandelt habe, sei darauf hingewiesen, dass ein tatsächlich vorhandener, normalerweise auf der kürzesten Netzverbindung verlaufender Verkehr zwischen zwei Orten lediglich demonstrationshalber auf einen Umweg über einen Zusammenschaltungspunkt geleitet worden ist und dass dieser atypische Verkehr dort eine tatsächlich und nicht nur simulierte Überlast bis nahe an die Kapazitätsgrenze zur Folge hatte. Der Antragstellerin sollte nach ihrer Beteiligung an der öffentlichen Anhörung der RegTP über die regulatorische Behandlung von Verbindungsnetzen und öffentlichen Telekommunikationsnetzen im Hinblick auf die Zusammenschaltungsvorschriften des TKG und an Zusammenschaltungsverfahren anderer Wettbewerber (z.B. BK 4 98-04/Z03.06.98) die Möglichkeit des Eintritts atypischen Verkehrs und dessen Folgen bekannt sein. Dass eine Verteilung eines solchen atypischen Verkehrs in die Fläche bei Erreichen des Schwellenwertes unter Benutzung einer weiteren Anbindung an einem Ort der Kategorie A zum Abbau der Überlast und zur Vermeidung der aufgezeigten Folgen führt, insoweit also ein geeignetes Mittel darstellt, ist ebenfalls ohne weiteres nachvollziehbar.

Gegen den Schwellenwert von 48,8 Erlang, an dem die Beigeladene den Ausbau ihrer Netzkapazität ausrichtet und der die maßgebende Bestimmungsgröße für eine Migrationspflicht der Antragstellerin ist, bestehen im vorliegenden Verfahren keine Bedenken. Mit diesem Wert wird die RegTP dem Auftrag aus § 9 Abs. 4 NZV gerecht, wonach sie die unternehmerische Freiheit des Netzbetreibers zur Gestaltung seines Telekommunikationsnetzes zu berücksichtigen hat. Den europarechtlichen Vorgaben und dem Telekommunikationsgesetz lässt sich keine Verpflichtung des marktbeherrschenden Betreibers eines Telekommunikationsnetzes entnehmen, eine die Integrität seines Netzes und die Interoperabilität der Dienste beeinträchtigende Benutzung seines Netzes durch einen Wettbewerber hinzunehmen oder sein Netz durch derartige Beeinträchtigungen ausgleichende Installationen zu verstärken - mag ihm auch bei gleichwohl erfolgter Verstärkung ein grundsätzlicher Anspruch gegen die Wettbewerber auf nachträgliche Kostenerstattung zustehen. Der die Netzzusammenschaltung in Anspruch nehmende Wettbewerber hat grundsätzlich nur einen Teilhabeanspruch an der vorhandenen Netzinfrastruktur des marktbeherrschenden Netzbetreibers in Form eines Mitbenutzungsanspruchs.

Vgl. hierzu auch Beschlüsse des Senats vom 7. Februar 2000 - 13 A 179 u. 180/99 - sowie die Hinweise in der Sitzungsniederschrift vom 29. September 1997 - 13 B 1987/97 u.a. -, Seite 10.

Der marktbeherrschende Netzbetreiber braucht daher nicht den Eintritt einer Überlastung von Teilen seines Netzes durch einen Wettbewerber abzuwarten und zur Wahrnehmung der Qualitätsansprüche anderer Netzbenutzer und seiner eigenen Endkunden durch Netzverstärkungen in Vorleistung zu treten, wofür er möglicherweise nachträglich den oder die Wettbewerber als Verursacher der Leistungen in Anspruch nehmen könnte. Soweit die Beigeladene in der Vergangenheit so verfahren ist und Entgeltnachforderungen zu erheben versucht hat - nach den glaubhaften Angaben der Antragsgegnerin und der Beigeladenen sind diese Nachforderungen allerdings lediglich wegen Mängel in der Zuordnung der Kosten zu den Wettbewerbern nicht genehmigt worden -, ist sie dadurch nicht ein für alle Mal an diese Verfahrensweise gebunden, weil sachliche Gründe für eine andere Verfahrensweise vorliegen. Nach Öffnung des Telekommunikationsmarktes für den Wettbewerb und der sprunghaften Nachfrage nach Mitbenutzung des Telekommunikationsnetzes der Beigeladenen durch Verbindungsnetze betreibende Wettbewerber mit der Folge von Netzüberlastungen in Teilbereichen blieb der Beigeladenen seinerzeit keine andere Möglichkeit als die Netzverstärkung auf ihre Kosten und die Nacherhebung von Zusatzentgelten bei den Alt-Wettbewerbern. Als wesentlich sinnvoller drängt sich indes auf, einen die Netzintegrität und Interoperabilität beeinträchtigenden atypischen Verkehr im Netz der Beigeladenen durch künftige Neu-Wettbewerber erst gar nicht aufkommen zu lassen, um so die ansonsten unvermeidbare temporäre Hinnahme von Beeinträchtigungen der übrigen Netzbenutzer und das Risiko der Nichtrealisierbarkeit nachträglicher Zusatzentgelte auszuschließen. Wie die Beigeladene überzeugend vorgetragen hat, sind die Verträge mit den Alt-Wettbewerbern zwischenzeitlich ausgelaufen oder laufen in Kürze aus, so dass sie auf die neue Konzeption der Beigeladenen umgestellt werden können. Vor dem Hintergrund liegt auch keine Diskriminierung der Antragstellerin gegenüber den Alt-Wettbewerbern vor.

Das nunmehr eingeschlagene Konzept der Beigeladenen zur Vermeidung übermäßigen atypischen Verkehrs und dessen Folgen sowie die dem Rechnung tragenden Regelungen im Beschluss der RegTP vom 11. Mai 1999 unterliegen nicht deshalb Bedenken, weil ein gleich geeignetes milderes Mittel zur Verfügung steht. Die von der Antragstellerin vorgeschlagenen Alternativen des Umroutens oder des separierten Interkonnectionsanschlusses führen, wie die übrigen Verfahrensbeteiligten nachvollziehbar dargelegt haben, nicht zur Vermeidung des atypischen Verkehrs. Auch Planungsabsprachen, zu deren konkreten Inhalt sich die Antragstellerin im übrigen nicht geäußert hat, könnten nur bezüglich der Reaktionen auf einen erst einmal festzustellenden und daher temporär hinzunehmenden übermäßigen atypischen Verkehr vorstellbar sein.

Die angegriffene Modalität der Zusammenschaltung führt aus gegenwärtiger Sicht auch nicht zu einer unzumutbaren Belastung für die Antragstellerin. Mag auch die geforderte Anbindung an einen weiteren Ort mit hohen Kosten verbunden sein, so unterliegt doch der von der Antragstellerin angegebene Kostenbetrag aus den von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen dargelegten, hier nicht zu wiederholenden Gründen Zweifeln. Zudem übersieht die Antragstellerin, dass sich ihre Einkommenslage und finanzielle Leistungsfähigkeit bei einer den Schwellenwert überschreitenden Verkehrsmenge entsprechend günstiger darstellen wird und sie zudem von den grundsätzlich berechtigten, nachträglichen Zusatzentgelten für andernfalls notwendige verstärkende Netzinstallationen durch die Beigeladene verschont bleiben sowie der durch Benutzung einer weiteren Anbindung erhaltene Qualitätsstandard für ihre Endkunden ihr - der Antragstellerin - in geschäftsfördernder Weise zugute kommen wird. Schließlich muss auch ein Neu- Wettbewerber, der für sich reklamiert, im Sinne des § 8 Abs.3 Nr. 2. Buchst. a) TKG leistungsfähig zu sein, Kosten für notwendige Erweiterungen seiner Infrastruktur tragen können und notfalls über seine Preise weitergeben.

Der Senat geht von den glaubhaften Angaben der RegTP aus, der Schwellenwert 48,8 Erlang schließe Beeinträchtigungen durch atypischen Verkehr mit Sicherheit aus. Insoweit räumt er der RegTP als fachkundiger Behörde einen Einschätzungsfreiraum ein. Diesen hat sie nicht schon deshalb überschritten, weil die Beigeladene selbst in früheren Zusammenschaltungsvereinbarungen von einem um das Doppelte höheren Schwellenwert ausgegangen ist. Denn jener Wert dürfte ein zu Beginn des offenen Wettbewerbs gegriffener Wert gewesen sein, während der neuerlich angelegte Grenzwert auf den Erfahrungen der Zwischenzeit unter Berücksichtigung des immensen Anstiegs der Zahl der zusammenschaltungswilligen Netzbetreiber beruhen dürfte. Die Höhe des Schwellenwertes wie auch die Verpflichtung zur Anbindung an nur einen weiteren Ort bei Überschretung dessen stellen eine ausgewogene Berücksichtigung der Belange der Wettbewerber im Rahmen des zu lösenden Interessenwiderstreits dar.

Die Ansetzung des Schwellenwerts 48,8 Erlang scheitert bei summarischer Betrachtung nicht an einem Veröffentlichungsmangel. Die Verpflichtung zur Anbindung an einem weiteren Ort nach Maßgabe der Regelung Nr. 1. Buchst. d) des Beschlusses der RegTP vom 11. Mai 1999 ist der Anforderung des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 iVm Art. 14 Abs. 1 der Zusammenschaltungs-RL genügend am 30. Juni 1999 im Amtsblatt der RegTP 1999, 1778, als Grundangebot veröffentlicht - nicht zu veröffentlichen sind die objektiven Kriterien des Buchstaben b) des § 10 Abs. 2 Zusammenschaltungs-RL -. Dass die Veröffentlichung erst nach Erlass des Beschlusses vom 11. Mai 1999 erfolgt ist, führt nicht zur Außerachtlassung des Schwellenwertes und nicht zu einer Rechtsverletzung der Antragstellerin, die der Klage zum Erfolg verhelfen könnte. Denn der Schwellenwert war der Antragstellerin bekannt, wenn auch von ihr nicht akzeptiert, und es wäre treuwidrig, wenn sie sich auf einen bei Erlass des Beschlusses der RegTP am 11. Mai 1999 vorliegenden, aber hernach geheilten Veröffentlichungsmangel beriefe, obgleich der die Zugangsmodalitäten betreffende Teil des Zusammenschaltungsbeschlusses jederzeit neu mit demselben Inhalt ausgesprochen werden könnte.

Nach alledem ist der angefochtene Beschluss zu ändern und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 23.02.2000
Az: 13 B 1996/99


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