Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 12. Mai 2011
Aktenzeichen: I-4 U 12/11

(OLG Hamm: Urteil v. 12.05.2011, Az.: I-4 U 12/11)

Tenor

Die Berufung der Antragsgegner gegen das am 24. August 2010 verkün-dete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass unter 1. des Tenors die Wor-te „als Gesamtschuldner“ entfallen.

Die Antragsgegner tragen die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Antragstellerin betreibt in S ein Fachgeschäft für Hörgeräteakustik im sogenannten herkömmlichen Vertriebsweg. Der Kunde sucht zunächst einen Arzt auf und wendet sich nach der Verschreibung eines Hörgerätes an die Antragstellerin.

Die Antragsgegnerin zu 1) vertreibt bundesweit Hörgeräte im sogenannten verkürzten Versorgungsweg. Ihre Kunden suchen zunächst einen Arzt auf, der mit der Antragsgegnerin zu 1) kooperiert. Dieser führt selbst die audiometrischen Vermessungen durch und nimmt einen Ohrabdruck. Über eine Onlineverbindung liefert er der Antragsgegnerin zu 1) die erforderlichen Daten. Diese liefert dann das Hörgerät an den Arzt, der es in seiner Praxis dem Kunden anpasst. Die Antragsgegnerin zu 2) ist die Komplementärin der Antragsgegnerin zu 1), der Antragsgegner zu 3) ist deren Geschäftsführer.

Die Antragsgegner betreiben die Internetseite www...#.de. Auf der Startseite dieser Homepage kann man unten rechts ein Feld anklicken, das mit "Hörgeräte direkt in der HNO-Praxis (Telemedizinische Anwendung)" überschrieben ist. Beim Anklicken öffnet sich die Unterseite www...#-...#.de. Diese wird zunächst durch ein Fenster verdeckt mit der Überschrift "Hörgeräteversorgung via Online-Bestellung direkt in der HNO-Praxis". Schließt man dieses Fenster, öffnete sich am 19. Juli 2010 die Seite, die als Anlage 1 (Bl.10) der Antragsschrift beigefügt ist.

Inzwischen haben die Antragsgegner die Internetseite anders gestaltet. Über den Button "Der Weg zum Hörgerät" gelangt man zum Button "Hörgeräteauswahl", unter dem die einzelnen Geräte mit den Preisen für gesetzlich und privat versicherte Kunden aufgeführt sind (Anlage AG 2 ff. Bl.32 ff.).

Die Antragstellerin sah in diesem Internetangebot einen Wettbewerbsverstoß und mahnte die Antragsgegner mit Schreiben vom 24. Juni 2010 erfolglos ab.

Sie hat die Antragsgegner mit dem am 21. Juli 2010 bei Gericht eingegangenem Verfügungsantrag auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie hat gemeint, zwischen ihr und der Antragsgegnerin zu 1) bestehe ungeachtet der unterschiedlichen Vertriebswege ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Die Parteien böten nämlich denselben Nutzern Hörgeräte an. Die beanstandete Internetwerbung verstoße gegen § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV. Es handele sich dabei um eine Werbung unter Angabe von Preisen im Sinne dieser Vorschrift. Die Antragsgegner hätten im Rahmen dieser Werbung die Preise angeben müssen, die einschließlich der Umsatzsteuer und der sonstigen Preisbestandteile zu zahlen gewesen wären. Das sei aber nicht geschehen, weil sie die Preise lediglich als die Eigenanteile angegeben hätten, die gesetzlich krankenversicherte Patienten nach Abzug der Versicherungsleistung noch aufzubringen hätten. Nicht einmal der Zuzahlungsbetrag von 10,00 € pro Hörgerät werde angegeben. Das sei ebenso wie bei entsprechenden Angeboten von Brillengestellen unzulässig. Außerdem liege auch ein Fall der Irreführung der Kunden im Sinne von § 5 UWG vor. Die Antragsgegner bewürben ihre Hörgeräte mit unzutreffenden Preisen, weil sie nicht die Selbstzahlerpreise, sondern die Eigenanteile angäben. Der Verbraucher meine, bei dem angegebenen Betrag handele es sich um den Endpreis, von dem er noch einen Teil erstattet erhalte. Die Irreführungsgefahr werde auch nicht dadurch ausgeräumt, dass mit einem unauffälligen Sternchenhinweis darauf hingewiesen werde, dass die mitgeteilten Beträge die Eigenanteile seien. Denn die Beträge seien blickfangmäßig hervorgehoben. Diese Blickfangwerbung müsse für sich zutreffend sein. Eine falsche Aussage könne durch einen Sternchenhinweis nicht mehr richtig gestellt werden.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu verurteilen, es unter Androhung

der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr für Hörgeräte unter Angabe von Preisen, bei denen

es sich nicht um die Endpreise (Selbstzahlerpreise) handelt, zu werben, wenn

dies geschieht wie in der folgenden Anlage 1.

Die Antragsgegner haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie haben gemeint, wegen des unterschiedlichen Vertriebsweges fehle es schon an einem Wettbewerbsverhältnis. Es liege zudem weder ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung noch eine Irreführung der Verbraucher vor. In der beanstandeten Internetdarstellung werde nicht für konkret angegebene X geworben, sondern nur die Wahl der Preisklasse der unterschiedlichen Geräte ermöglicht. Somit fehle es an einer Werbung mit Preisen im Sinne der Preisangabenverordnung. Durch den Sternchenhinweis werde auch eine Fehlvorstellung vermieden.

Das Landgericht hat die beantragte einstweilige Verfügung erlassen. Es hat die Eilbedürftigkeit im Hinblick auf die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG bejaht und zur Begründung weiter ausgeführt, dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1) bestehe. Es drohe hier ungeachtet der unterschiedlichen Vertriebsart die konkrete Gefahr, dass der angesprochene Kunde die entsprechende Ware statt bei der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin zu 1) erwerbe. Ein solcher potentieller Kunde der Antragstellerin könne nach ärztlicher Verschreibung ein vergleichbares Hörgerät über den verkürzten Bezugsweg bei der Antragsgegnerin zu 1) erwerben. Nach Auffassung des Landgerichts verstoßen die Antragsgegner mit ihrer Werbung auch gegen § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV. Danach habe derjenige, der gegenüber Letztverbrauchern unter Angabe von Preisen werbe, den Endpreis anzugeben. Eine solche Werbung unter Angabe von Preisen liege schon vor, wenn unvollständige Preise oder lediglich Preisbestandteile genannt würden. Auch die Angabe der reinen Selbstbeteiligungskosten nenne nur einen Teil der zu zahlenden Vergütung und damit nicht den Endpreis. In der Internetdarstellung der Antragsgegner sei auch eine Werbung im Sinne der Preisangabenverordnung zu sehen. Es bedürfe insoweit keiner Bezugnahme auf ein konkretes Hörgerät. Im Übrigen bestehe auch die Gefahr, dass der Kunde über den Button "HNO-Praxen" direkt nach Kenntnisnahme der beanstandeten Darstellung mit den Eigenanteilen eine Anfrage bei den kooperierenden Ärzten starte. Es fehle deshalb im Hinblick auf die Angaben zu den konkret angebotenen Hörgeräten an der deutlichen Zuordnung im Sinne des § 1 Abs. 6 PAngV. Das Landgericht hat letztlich offen gelassen, ob neben dem Unterlassungsanspruch aus § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 1 PAngV noch ein Anspruch aus § 5 UWG bestehe. Es hat einen solchen Verstoß für wahrscheinlich gehalten, weil nur das Wort "Nulltarif" mit einem blauen Sternchen erläutert worden sei, während sich bei den Zuzahlungsbeträgen weiße Sternchen befänden, die zu keiner gesonderten Erläuterung führten.

Die Antragsgegner greifen das Urteil mit der Berufung an. Sie meinen nach wie vor, dass es an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis fehle. Auf ihrer Internetseite könnten Kunden keine Hörgeräte erwerben. Sie könnten lediglich eine HNO-Arztpraxis ausfindig machen, die mit ihnen kooperiere. Sie habe aber in S und Umgebung überhaupt keinen entsprechenden Arzt, der mit ihr kooperiere. Der nächste Arzt befinde sich in H und sei somit 97 km von ihrem Geschäftssitz entfernt. Die Praxen anderer Ärzte, mit denen sie kooperiere, seien noch weiter entfernt. Da die Antragstellerin primär in S und Umgebung Hörgeräte verkaufe, fehle es an sich überschneidenden Kundenkreisen. Es sei wegen der räumlichen Entfernung zum nächsten kooperierenden HNO-Arzt hier ausgeschlossen, dass sich Kunden aus S über den verkürzten Versorgungsweg bedienen ließen.

In der Sache fehle es auch an einem Verstoß gegen die Preisangabenverordnung. Sie, die Antragsgegner, wiesen mit der beanstandeten Darstellung lediglich in einer Art Vorabinformation auf die unterschiedlichen Gerätetypen mit ihren Qualitätsstufen und den unterschiedlich hohen Zuzahlungsbeträgen hin. Die Preise der Geräte würden dann in der nächsten Ebene hinterlegt und dort zutreffend wiedergegeben. Einer Irreführung stehe entgegen, dass die Sternchenhinweise für eine ausreichende Aufklärung sorgten. Das blaue Sternchen in der Fußnote diene nach dem Verständnis der Verbraucher auch zur Erläuterung der weißen Sternchen hinter den Zuzahlungsbeträgen. Die unterschiedlichen Farben der Sternchen ergäben sich erkennbar nur aus grafischen Gründen. Aus dem Inhalt der Werbung folge auch bereits zwingend, dass die Erläuterungen zum Nulltarif und dem Zuzahlungsbetrag "Ab 0- Euro" sich entsprächen. Das Landgericht habe die Anforderungen an die Klarheit und Verständlichkeit eines solchen Sternchenhinweises überdehnt.

Die Antragsgegner beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern, die einstweilige Verfügung aufzuheben

und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt mit näheren Ausführungen das angefochtene Urteil gegenüber den Berufungsangriffen und nimmt dabei auch auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug.

Die Antragstellerin bestreitet den Vortrag, die Antragsgegnerin zu 1) verfüge über keinen kooperierenden Arzt in S, sondern erst in einer Entfernung von 97 km von S in H. Sie rügt ihn als neu und hält ihn für präkludiert nach § 531 Abs. 2 ZPO. Sie verweist darauf, dass es bislang unstreitig gewesen sei, dass die Antragsgegnerin deutschlandweit Hörgeräte vertreibe und sich ernsthaft auch um Kunden aus S und Umgebung bemühe. Nichts anderes lasse sich auch ihrem Internetauftritt entnehmen, durch den Kunden auch in S unmittelbar angesprochen würden. Diese würden jedenfalls dazu veranlasst, sich mit den Preisangaben zu befassen und mit der Antragsgegnerin zu 1) in Verbindung zu setzen. Ergänzend weist die Antragstellerin darauf hin, dass die Antragsgegnerin zu 1) nach ihrem Internetauftritt über von ihr beworbene "Hör- und Tinnitus-Zentren" auch in S Dienstleistungen über die S GmbH & Co., die dieselben Geschäftsführern und Gesellschafter wie der Antragsgegnerin zu 2) habe, anbiete.

Im Hinblick auf die sachliche Berechtigung des Unterlassungsanspruchs stellt sie noch einmal klar, dass hier eine Werbung unter Angabe von Preisen vorliege, so dass es gar nicht darauf komme, ob damit bereits konkrete Warenangebote unterbreitet würden. Es werde jedenfalls deutlich gemacht, dass es in den angesprochenen Klassen jeweils mindestens ein Hörgerät gäbe, das für die angegebenen Preise zu erhalten sei.

1) Zum Klageziel und zur Antragstellung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Verbotsgegenstand des Unterlassungsanspruchs der Internetauftritt vom 19. Juli 2010 ist. Spätere Abwandlungen des Internetauftrittes, insbesondere Änderungen von Art und Umfang von Verlinkungen sind nicht Gegenstand des Verfügungsverfahrens. Dem entsprechend hat die Antragstellerin auch den von ihr beanstandeten damaligen Internetauftritt in der konkreten Verletzungsform zum Gegenstand des Verbots gemacht. Gerade deshalb ist der Verbotsantrag auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Antragsgegner sollen nicht mehr in dieser Form werben dürfen.

2) Auch der Verfügungsgrund ist hier gegeben. Die Dringlichkeit wird angesichts des behaupteten Wettbewerbsverstoßes nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Diese Vermutung ist auch nicht widerlegt. Zur Abmahnung kam es am 24. Juni 2010. Am 21. Juli 2010 ging der Verfügungsantrag beim Landgericht ein. Es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass die Antragstellerin bereits vor dem 21. Juni 2010 Kenntnis von dem beanstandeten Wettbewerbsverstoß hatte.

3) Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV zu.

a) Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin der Antragsgegnerin zu 1) antragsbefugt

und aktivlegitimiert. Beide bieten den bedürftigen Patienten Hörgeräte an, wenn auch auf verschiedenen Vertriebswegen. Sicherlich spricht die Antragstellerin in erster Linie Kunden aus S, wo sich ihr Ladengeschäft befindet, und der dortigen Umgebung an. Das Wettbewerbsverhältnis ergibt sich hier aber schon daraus, dass die Antragsgegnerin zu 1) Hörgeräte entsprechenden Kunden auf ihrem Internetvertriebsweg auch in S anbietet. Von dem Internetauftritt mit den Preisangaben werden auch solche Interessenten angesprochen. Die Antragsgegnerin würde sie auch jederzeit an einen HNO-Arzt in S und Umgebung verweisen, wenn sie dort schon einen Kooperationspartner hätte. Das reicht nach der weiten Auslegung des Begriffs des Mitbewerbers aus. Auch die bestrittene Tatsache, dass die Antragsgegnerin zu 1) bislang weder in S noch in der näheren Umgebung einen Vertriebspartner gefunden haben will, stünde einem Wettbewerbsverhältnis nicht entgegen. Unterschiedliche Wirtschaftsstufen sprechen nur dann gegen eine Klageberechtigung, wenn eine wechselseitige Behinderung der geschäftlichen Interessen von vorneherein ausgeschlossen ist (BGH GRUR 2011, 82, 83 -Preiswerbung ohne Umsatzsteuer). Auch bei einem Kooperationspartner erst in etwa 100 km Entfernung ist es bei einem attraktiven Angebot nicht ausgeschlossen, dass die angesprochenen Kunden zu Lasten der Antragstellerin in Geschäftsverbindung zur Antragsgegnerin zu 1) treten. Deshalb kann es letztlich auch dahinstehen, ob dieser Vortrag unter Berücksichtigung des § 531 Abs. 2 ZPO überhaupt noch berücksichtigt werden kann.

b) Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV stellt eine Marktverhaltensregelung dar. Sie ist dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Sie soll insbesondere für Preisklarheit sorgen und dem Verbraucher optimale Preisvergleichsmöglichkeiten bieten (vgl. BGH GRUR 1997, 767 -Brillenpreise II). Die Anwendung dieser Vorschrift steht auch mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken im Einklang (BGH GRUR 2010, 245 -Kamerakauf im Internet), was im Rahmen der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG weitere Voraussetzung ist. § 1 Abs. 1 S. 1 der PAngV entspricht der Preisangabenrichtlinie 98/6/EG vom 16. Februar 1998 (vgl. BGH GRUR 2009, 1180 Tz 24 -0,00 -Grundgebühr).

c) Die Antragsgegner haben auch gegen diese Marktverhaltensregelung verstoßen.

Nach § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV muss ein gewerblicher Unternehmer, der Letztverbrauchern Hörgeräte anbietet oder als ein solcher Anbieter von Hörgeräten gegenüber Letztverbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, dabei den Endpreis angeben. In dem beanstandeten Internetauftritt der Antragsgegnerin zu 1) (Anlage 1) geht es um die Hörgeräteversorgung von Letztverbrauchern in einer bestimmten HNO-Praxis. Auf dem Weg zu einem bestimmten Hörgerät wird die Produktpalette der Hörgeräte nach bestimmten Preisklassen vorgestellt. Im Rahmen dieser Vorstellung werden Preise (beispielsweise "Ab 199,- Euro") angegeben. Auch diese Angaben im Rahmen eines gezielten Ansprechens des Kunden in Bezug auf den Kauf eines Hörgeräts unterliegen der weiten Anwendbarkeit der Preisangabenverordnung (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 2009 -4 U 62 / 09). Deshalb hätten die Endpreise zwingend angegeben werden müssen. Darunter ist das tatsächlich zu zahlende Gesamtentgelt zu verstehen. Auch beim Verkauf von Brillen ist als Endpreis der sogenannte Selbstzahlerpreis anzusehen, also das Entgelt, das der Optiker von der Kasse und den Versicherten insgesamt erhält (BGH Brillenpreise II a.a.O; Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Auflage, § 1 PAngV Rdn. 15). Im Rahmen des beanstandeten Internetauftritts stößt der Verbraucher auf die beanstandete Werbung mit den Eigenanteilen, ohne dass er von den notwendigen Endpreisen im Hinblick auf die klassierten Hörgeräte Kenntnis erhalten hat. An der Wettbewerbswidrigkeit ändert es auch nichts, dass der Interessent, der die Endpreise in diesem Sinne sucht, diese später bei der Auswahl der einzelnen Hörgeräte in Erfahrung bringen kann. Die Art, wie erforderliche Preisangaben gemacht werden müssen, ist einheitlich in § 1 Abs. 6 PAngV geregelt. Auch Endpreisangaben müssen dem Angebot oder hier der Werbung mit den Preisen eindeutig zugeordnet sein, also in einem eindeutigen sachlichen Zusammenhang damit stehen. Insoweit gilt auch für ein Internetangebot nichts anderes als für ein sonstiges Angebot (vgl. BGH WRP 2005, 480 -Epson-Tinte). Die Angabe der Selbstzahlerpreise fehlt gerade auf der Internetseite, wo mit der betragsmäßigen Angabe der Eigenanteile geworben wird.

d) Ein solcher Verstoß beeinträchtigt die Interessen der Verbraucher auch spürbar im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG, weil es sich um eine per se wesentliche Information im Sinne des Europarechts handelt. Ein transparenter Markt und korrekte Informationen fördern zudem nicht nur den Verbraucherschutz, sondern auch einen gesunden Wettbewerb zwischen Unternehmern und deren Erzeugnissen (vgl. Harte/Henning/ v.Jagow, UWG, 2. Auflage, § 4 L Rdn. 117). Der Fall der fehlenden Endpreisangabe stellt sich insoweit nicht als Bagatelle dar.

4) Es kann dahinstehen, ob zusätzlich auch eine irreführende Werbung mit unrichtigen oder zur Täuschung geeigneten Angaben im Sinne des § 5 UWG vorliegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 12.05.2011
Az: I-4 U 12/11


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