Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. September 2000
Aktenzeichen: 24 W (pat) 246/99

(BPatG: Beschluss v. 12.09.2000, Az.: 24 W (pat) 246/99)

Tenor

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Juni 1998 und vom 27. Mai 1999 werden aufgehoben.

Gründe

I Für die IR-Marke 643 471 TONALITE HENNE wird Schutz in der Bundesrepublik Deutschland die Schutzbewilligung begehrt für die Waren

"savons; parfumeries, huiles essentielles, cosmetiques, produits capillaires, shampooings".

Die Markenstelle für Klasse 3 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, diesen Schutz teilweise, nämlich für die Waren "cosmetiques, produits capillaires, shampooings", verweigert. Zur Begründung ist insbesondere ausgeführt worden, daß der Marke die erforderliche Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG iVm §§ 107, 113 MarkenG, Art. 5 Abs 1 MMA, Art 6 quinquies B Nr 2 PVÜ, fehle. Der Ausdruck "TONALITE HENNE" komme für alle einschlägigen Waren als allgemein verständliche Farbangabe in Betracht, könne also eine konkrete Warenbeschreibung zum Ausdruck bringen und werde deswegen von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als Hinweis auf die Herkunft der angebotenen Waren aus einem bestimmten Unternehmen verstanden. Insoweit bestehe auch ein Freihaltungsbedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie meint, ihre Marke enthalte unter keinem Gesichtspunkt eine konkrete Warenbeschreibung.

Die Markeninhaberin beantragt, die angegriffenen Beschlüsse aufzuheben.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II Auf die Beschwerde sind die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 IR des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben, denn der Schutzbewilligung für die IR-Marke "TONALITE HENNE" stehen die Schutzhindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG iVm §§ 107, 113 MarkenG, Art 5 Abs 1 MMA, Art 6 quinquies B Nr 2 PVÜ, nicht entgegen.

An der IR-Marke besteht kein Freihaltungsbedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG. Es ist nicht ersichtlich, daß sie als konkrete unmittelbare Angabe über die Beschaffenheit oder über sonstige Merkmale der unter dieser Marke angebotenen Waren dienen könnte und deswegen für die Mitbewerber der Markeninhaberin freigehalten werden müßte. Die Marke besteht aus französischen Wörtern und ist entsprechend den französischen Sprachregeln gebildet. Das Wort "tonalite" bezieht sich ua sowohl auf akustische als auch auf optische "Tonarten". In diesem Sinne kann es "Tonalität" oder "Klangfarbe" bedeuten, es kann aber auch einen dominanten farblichen Grundton ansprechen (vgl PONS, Großwörterbuch, Französisch/Deutsch, 1999, S 768; Petit Larousse, 1988, S 9). Das Wort "henne" bezeichnet sowohl den Hennastrauch als auch den daraus gewonnenen Wirkstoff Henna. "TONALITE HENNE" bedeutet insoweit "Farbton Henna". Henna wird aus dem Pulver der Blätter des Cypernstrauches hergestellt und in der Kosmetik in verschiedenen Funktionen eingesetzt. Die Henna-Blätter enthalten einen gelblich- roten Farbstoff, mit dem Haut und Haare rötlich gefärbt werden können. Zusammen mit Indigo werden dunklere Färbungen erzielt. Entzieht man den Blättern ihren Farbstoff, entsteht weiße, farblose Henna, die pflegende Wirkung für Haut und Haare zeigen soll (vgl Pflegekosmetik, Leitfaden, 3. Aufl, 1999, S 211). Dementsprechend ist Henna, wie die Belege zeigen, die die Markenstelle dem Erinnerungsbeschluß beigefügt hat, gegenwärtig in erster Linie in drei Farbvarianten auf dem Markt: farblos, rot und schwarz. Bei dieser Sachlage bleibt die Wortkombination "TONALITE HENNE" inhaltlich vage, weil damit kein bestimmter Farbton Henna bezeichnet wird. Insoweit kommt "TONALITE HENNE" als konkrete Farbangabe nicht in Betracht. Aus demselben Grund ist die Wortkombination auch nicht dazu geeignet, um als konkrete Warenbeschreibung speziell über den Wirkstoff Henna zu dienen. Denn bei Henna sind mit Farbe bzw Farblosigkeit verschiedene Verwendungszwecke und Wirkungen verbunden. Ein Ausdruck, der diese Unterschiede einerseits mit dem Begriff "Farbton" anspricht, und andererseits offen läßt, welche der möglichen Varianten gemeint sein soll, gibt keinen Aufschluß über die konkrete Beschaffenheit der angebotenen Henna. Aus diesen Gründen ist nicht ersichtlich, warum die IR-Marke im Interesse deutscher Mitbewerber iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG freigehalten werden müßte.

Die IR-Marke verfügt auch über die erforderliche Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Daß sie für eine konkrete Warenbeschreibung nicht geeignet ist, wurde bereits bei der Prüfung eines etwaigen Freihaltungsbedürfnisses festgestellt. Unter diesem Aspekt kann der Marke daher die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Es sind auch keine anderen Gesichtspunkte erkennbar, aus denen heraus die Marke nicht unterscheidungskräftig sein könnte. Insbesondere gehört "TONALITE HENNE" nicht zu den Wortkombinationen, die den angesprochenen Verkehrskreisen im einschlägigen Warenbereich aus der Werbung oder aus dem allgemeinen Sprachgebrauch so bekannt sind, daß sie überwiegend nur noch in einem bestimmten Sinn verstanden werden und deswegen von vornherein als Herkunftszeichen ungeeignet sind. Vielmehr ist es umgekehrt bereits zweifelhaft, ob überhaupt entscheidungserhebliche Anteile der angesprochenen Verkehrskreise über hinreichende Französischkenntnisse verfügen, um ohne analysierende Betrachtungsweise die zutreffende sachliche Bedeutung der Marke zu erkennen. Das gilt um so mehr, als bei der registrierten Schreibweise in Großbuchstaben die für das Französische typischen Akzentzeichen entfallen. Bei dieser Ausgangssituation liegt es näher, daß ein Betrachter aus dem deutschen Sprachraum die Wortkombination "TONALITE HENNE" in der Regel als Phantasieschöpfung auffaßt. Während nämlich der erste Teil "TONALITE" keiner Sprache von vorneherein unzweifelhaft zugeordnet werden kann, weil er Ähnlichkeiten zum Deutschen (Tonalität), zum Englischen (tonality) und zum Französischen (tonalite) aufweist, läßt der zweite Teil "HENNE" als erstes an das entsprechende deutsche Hauptwort "Henne" denken, das in keinem unmittelbar sachlichen oder übertragenen Zusammenhang mit den angebotenen Waren steht. Damit ist die Marke hinreichend originell, um als Zeichen für die Herkunft der angebotenen Waren aus einem bestimmten Unternehmen verstanden zu werden.

Aus diesen Gründen ist der Beschwerde stattzugeben und die angegriffenen Beschlüsse müssen aufgehoben werden.

Ströbele Hacker Werner Ko






BPatG:
Beschluss v. 12.09.2000
Az: 24 W (pat) 246/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/91e0c606f752/BPatG_Beschluss_vom_12-September-2000_Az_24-W-pat-246-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share