Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 3. April 1998
Aktenzeichen: 6 U 125/97

(OLG Köln: Urteil v. 03.04.1998, Az.: 6 U 125/97)

1. Die therapeutische Wirksamkeit von Vitamin E zur Linderung von Gelenkschmerzen und bei Kreislaufproblemen ist fachlich nicht unumstritten; werbliche Aussagen, die diese Tatsachen verschweigen oder verschleiern sind irreführend im Sinne der §§ 3 II. 1 HWG, 1 UWG.

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 10. Juni 1996 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 250/97 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beschlußformel der mit diesem Urteil bestätigten einstweiligen Verfügung ( Beschluß des Landgerichts Köln vom 11. März 1997 )im Hauptausspruch folgende Neufassung erhält:"Die Antragsgegnerin hat es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000.- DM - ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten - oder Ordnungshaft bis sechs Monaten zu unterlassen,im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das Arzneimittel Eusovit 600 wie nachstehend wiedergegeben mit den Aussagen`Vitamin E-Mangel hat viele Gesichter. Die einen klagen über Gelenkschmerzen. Die anderen haben Probleme mit dem Kreislauf. Sogar die Vitalität soll von einer ausreichenden Zufuhr an Vitamin E abhängig sein. All das sind gute Gründe für die neue Eusovit 600-Kapsel. Sie enthält hochdosiertes Vitamin E für die Gelenke, für die Adern und das Wohlbefinden´zu werben: Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie und insgesamt zulässige

Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die

zuvor im Beschlußweg erlassene einstweilige Verfügung bestätigt.

Denn das von der Antragstellerin im vorliegenden einstweiligen

Verfügungsverfahren verfolgte Unterlassungsbegehren erweist sich

auch unter Berücksichtigung des von der Antragsgegnerin mit ihrer

Berufung hiergegen eingewandten Vorbringens als berechtigt.

Die Antragstellerin hat in einer für den Erlaß und die

Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung ausreichenden Weise

die Voraussetzungen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs

glaubhaft gemacht. Die in Rede stehende, in den Ausgaben 11/97 vom

10. März 1997 der Zeitschriften FOCUS und DER SPIEGEL jeweils

inhaltsgleich veröffentlichte Werbung der Antragsgegnerin

betreffend das Arzneimittel Eusovit 600 stellt sich danach als

irreführend irreführend i. S. von § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG dar. Da es

sich bei der erwähnten Bestimmung des Heilmittelwerbegesetzes (HWG)

um eine dem Schutz der Volksgesundheit dienende wertbezogene Norm

handelt, begründet dieser Verstoß gegen § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG auch

ohne Hinzutreten weiterer Unlauterkeitsmerkmale per se wiederum den

wettbewerblichen Unlauterkeitsvorwurf im Sinne des

Unterlassungstabestands des § 1 UWG.

Als gemäß § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG irreführende Heilmittelwerbung

ist die Werbung für ein Arzneimittel u. a. dann einzuordnen, wenn

diesem eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkung beigelegt wird,

die es nach der Wissenschaft nicht hat oder die nicht hinreichend

gesichert ist (vgl. Doepner, Heilmittelwerbegesetz, Rdn. 59 zu § 3

HWG). Von diesem Irreführungstatbestand erfaßt werden auch die

Fälle, in denen eine Aussage betreffend die therapeutische

Wirksamkeit oder Wirkung eines Arzneimittels einschränkungslos als

objektiv richtig oder wissenschaftlich gesichert dargestellt wird,

obwohl diese in Wirklichkeit durch nicht lediglich als

Außenseitermeinungen zu qualifizierende Gegenstimmen fachlich

umstritten ist (vgl. BGH GRUR 1991, 848/849 -"Rheumalind II"-; BGH

GRUR 1971, 153/155 - "Tampax"-; BGH GRUR 1965,148 -" Kafee C"-; BGH

GRUR 1958, 458 -"Odol" -; Doepner, a. a. O., Rdn. 60 zu § 3 HWG;

Baumbach/Hefermehl, Wettberwebsrecht, 19. Auflage, Rdn. 178 zu § 1

UWG ). So liegt der Sachverhalt hier:

Aus der Sicht zumindest eines nicht unerheblichen Teils des

angesprochenen Verkehrs, dem die Mitglieder des erkennenden

Senats als potentielle Verbraucher verschreibungsfreier

Arzneimittel zugehörig sind, erwecken die in Rede stehenden

werblichen Aussagen, mit denen als Ausdruck eines Vitamin-E-Mangels

("Vitamin E Mangel hat viele Gesichter..") gesundheitliche

Beeinträchtigungen dargestellt werden

("...Gelenkschmerze"/"Probleme mit dem Kreislauf"), in Verbindung

mit dem sich unmittelbar anschließenden Hinweis "All das sind gute

Gründe für die neue Eusovit 600-Kapsel.Sie enthält hochdosiertes

Vitamin E für die Gelenke, für die Adern ..." den Eindruck nicht

nur überhaupt der Wirksamkeit von Vitamin E zur Linderung dieser

Beschwerden, sondern suggerieren sie auch, daß diese Wirkung in der

betroffenen Fachwissenschaft unumstritten sei. Letzteres ergibt

sich vorliegend gerade aus dem Umstand, daß in bezug auf den

Zusammenhang von Vitamin E und "die Vitalität" mit der Formulierung

"...sogar die Vitalität soll von einer ausreichenden Zufuhr an

Vitamin E abhängig sein" eine in der Wissenschaft noch nicht

eindeutig geklärte Wirksamkeit ausgesagt wird. Dies vermittelt

wiederum den Eindruck, daß es sich bei der ohne diese Einschränkung

dargestellten Wirkung von Vitamin E bei den übrigen, in der Werbung

angegebenen Einsatzbereichen um in der einschlägigen Wissenschaft

eindeutig und abschließend in diesem Sinne geklärte, daher fachlich

unumstrittene Erkenntnis handele. Die fachliche Unumstrittenheit

eben dieser Wirkungen von Vitamin E bzw. konkret des beworbenen

Arzneimittels Eusovit 600 zur Linderung von Gelenkschmerzen und

Kreislauf-Problemen hat die Antragsgegnerin jedoch nicht glaubhaft

gemacht. In welchem Sinne der Begriff der fachlichen

Unumstrittenheit zu verstehen ist, sowie daß und warum der

Antragsgegnerin die Glaubhaftmachung abverlangt werden muß, daß es

sich bei der behaupteten Wirkung von Vitamin E bei Gelenkschmerzen

und Kreislauf-Problemen um fachlich unumstrittene Aussagen handele,

hat der Senat im einzelnen bereits in dem in der Parallelsache 6 U

133/97 (=31 O 314/97 LG Köln) unter dem heutigen Datum verkündeten

Urteil dargestellt. Auf die Entscheidungsgründe dieses zwischen den

nämlichen Parteien ergangenen Urteils (dort S. 7 - 12) nimmt der

Senat gemäß § 543 Abs. 1 ZPO zur Vermeidung von Wiederholungen

Bezug (vgl. BGH MDR 1991, 506; BGH WPM 91, 1005 f; BGH NJW 1971, 39

f).

Nach diesen Maßstäben erweist sich weiter aber auch die in der

Werbung im Hinblick auf die " Vitalität" und das "Wohlbefinden"

getroffene Wirksamkeitsaussage von Vitamin E als nach § 3 Satz 2

Nr. 1 HWG, jedenfalls aber nach § 3 Satz 1 HWG irreführend. Denn

auch wenn die Formulierung "Sogar die Vitalität soll von einer

ausreichenden Zufuhr an Vitamin E abhängen" nicht den Anschein

erweckt, als handele es sich hierbei um einen in der Wissenschaft

bereits abschließend behandelten und eindeutig beantworteten - in

diesem Sinne als fachlich unumstrittenen anzusetzenden -

Wirkungszusammenhang, suggerieren diese Angaben gleichwohl, daß es

sich hierbei überhaupt um - wenn auch noch nicht eindeutig

erhärtete - wissenschaftlich gesicherte Wirkungen handelt. Daß zu

der mit den vorstehenden Werbeangaben vorgebrachten Behauptung, die

ausreichende Zufuhr von Vitamin E bzw. konkret die Einnahme des

Arzneimittels Eusovit 600 wirke sich generell förderlich auf die

menschliche Vitalität und das Wohlbefinden aus, in dieser

pauschalen Form aber überhaupt wissenschaftliche Untersuchungen

vorliegen, läßt sich weder dem Vortrag der Antragsgegnerin, noch

den von ihr zu Glaubhaftmachungszwecken vorgelegten Unterlagen, die

sich jeweils zu besonderen Indikationen von Vitamin E, vor allem

bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises verhalten,

entnehmen.

Erweisen sich nach alledem die hier zu beurteilenden

Werbaussagen schon aus den obigen Gründen als irreführend i. Sinne

von § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG, bedarf es nicht des Eingehens auf die

weitere Frage, ob die Werbeangaben auch eine kausale Wirkung von

Vitamin E bei Gelenkerkrankungen und Kreislauf-Problemen

versprechen, die ihm auch nach dem Vortrag der Antragsgegnerin

unstreitig nicht zukommt. Auch ist es schließlich nicht von

entscheidungserheblicher Bedeutung, ob die in den

verfahrenbetroffenen Anzeigen beworbenen Anwendungsbereiche des

Arzneimittels Eusovit 600 von dem in der Zulassung angegebenen

Anwendungsbereich gedeckt sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit die

Antragstellerin ihr Unterlassungsbegehren umformuliert hat, diente

das lediglich der Konturierung des von Anfang an in bezug auf die

konkrete Verletzungshandlung verfolgten Unterlasssunganspruchs.

Eine etwaige nachteilige Kostenfolgen auslösende - teilweise -

Rücknahme des Verfügungsbegehrens durch die Antragstellerin liegt

hierin nicht.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung

rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 03.04.1998
Az: 6 U 125/97


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