Landgericht Hamburg:
Urteil vom 6. Dezember 2005
Aktenzeichen: 312 O 592/05

(LG Hamburg: Urteil v. 06.12.2005, Az.: 312 O 592/05)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung der Beklagten in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist die berufsständische Organisation der im Bezirk des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg zugelassenen Rechtsanwälte.

Die Beklagte ist ein Versicherungsmaklerunternehmen. Sie betätigt sich im Transportwesen im Bereich des Verkehrshaftungsgeschäftes. Als sog. technischer Versicherungsmakler übernimmt die Beklagte zusätzlich zu den ihr gegenüber den von ihr betreuten Versicherungsnehmern obliegenden Aufgaben weitgehende Verwaltungstätigkeiten für Versicherungsunternehmen im Rahmen des an den jeweiligen Versicherer vermittelten Bestandes. Zur Tätigkeit der Beklagten gehört insbesondere die Schadensfeststellung und die Schadensregulierung.

In diesem Zusammenhang macht die Beklagte auch Regressansprüche geltend, die dem Versicherungsnehmer aus den in Rede stehenden Schadensfällen gegen Dritte zustehen und die unter den Voraussetzungen des § 67 VVG auf den Versicherer übergehen. Hierzu verwendet die Beklagte Schreiben der aus Anl. K 1 ersichtlichen Art, wobei das aus Anl. K 1 ersichtliche Schreiben einen Regressfall betraf, in dem die Beklagte für den Versicherer tätig wurde. Die Beklagte nimmt aber für sich darüber hinaus in Anspruch, generell außergerichtlich Regressansprüche zu verfolgen, die aus Schadensereignissen resultieren, die der primären Risikoumschreibung der von ihr vermittelten Versicherungsverträge unterfallen, unabhängig davon, ob der eingetretene Schaden im Einzelfall vom Versicherer ganz oder teilweise zu regulieren ist. Dies beanstandet die Klägerin als Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz, wobei sie sich mit der vorliegenden Klage ausschließlich gegen eine Regressnahme durch die Beklagte im sog. Nichtversicherungsbereich wendet, also bei Schäden, die vom Versicherer auch nicht teilweise zu ersetzen sind.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen, wenn dies durch außergerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen für den Versicherungsnehmer eines Verkehrshaftungsversicherers geschieht, wobei sich das Verbot beziehen soll auf eine Tätigkeit der Beklagten im versicherungsfreien Bereich.

Die Beklagte beantragt,

Klagabweisung.

Die Beklagte macht geltend, die beanstandete Tätigkeit beinhalte keinen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz.

Zur Ergänzung des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt des vorangegangenen Verfahrens der einstweiligen Verfügung zum Az.: 312 O 34/05 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere hat die Klägerin einen hinreichend bestimmten Antrag (§ 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO) gestellt. Aus dem Antrag ergibt sich hinreichend deutlich der Gegenstand des von der Klägerin erstrebten Verbotes. Nach dem Klagantrag und dem zu seiner Auslegung heranzuziehenden Sachvortrag der Klägerin soll der Beklagten die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verboten werden, wenn diese ausschließlich für den Versicherungsnehmer eines Verkehrshaftungsversicherers geltend gemacht werden. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 1.11.2005 klargestellt hat, richtet sich dieser Klagantrag also ausschließlich gegen eine Regresstätigkeit im sog. versicherungsfreien Bereich. Dieser Bereich lässt sich jedenfalls theoretisch klar abgrenzen und kann somit Gegenstand eines hinreichend bestimmten Klagantrages sein. Die praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen dem versicherungsfreien Bereich und dem versicherten Bereich sind hinsichtlich der Frage der Bestimmtheit des Klagantrages noch nicht von Bedeutung.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG i.V.m. Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz, der einzigen vorliegenden in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, nicht zu.

Dabei geht die Kammer allerdings mit der Klägerin davon aus, dass die hier in Rede stehende Regresstätigkeit der Beklagten eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, nämlich die Einziehung fremder Forderungen, darstellt.

Diese rechtsbesorgende Tätigkeit ist der Beklagten jedoch nach Art. 1 § 5 Ziff. 1 Rechtsberatungsgesetz gestattet. Nach Art. 1 § 5 Ziff. 1 Rechtsberatungsgesetz ist es kaufmännischen oder sonstigen gewerblichen Unternehmen gestattet, für ihre Kunden rechtliche Angelegenheiten zu erledigen, die mit einem Geschäft ihres Gewerbebetriebes in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang ist hier gegeben. Maßgeblich für die Unmittelbarkeit des Zusammenhanges ist es, ob die Haupttätigkeit ohne die Rechtsbesorgung sachgemäß ausgeübt werden kann. Ein untrennbarer oder notwendiger Zusammenhang wird von Art. 1 § 5 Ziff. 1 Rechtsberatungsgesetz nicht vorausgesetzt (Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 3. Aufl., 2001, Art. 1 § 5 Rn. 8 m.w.N.). Entscheidend kommt es dabei darauf an, ob das in Rede stehende Berufsbild die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten als zugehörig unmittelbar erfasst (BGH VersR 1979 S. 714).

Das Berufsbild des technischen Versicherungsmaklers erfasst die Geltendmachung von Regressansprüchen in diesem Sinne als unmittelbar zugehörig. Dabei kann bei Schadensfällen, die sich im Bereich der primären Risikobeschreibung der von dem Versicherungsmakler vermittelten Versicherungen bewegen, nicht sachgerecht danach differenziert werden, ob der Regressanspruch einen Schaden betrifft, der vom Versicherungsnehmer allein zu tragen ist oder der vom Versicherer ganz oder teilweise zu entschädigen ist. Dass das von der Klägerin verfolgte Anliegen, die Regressnahme im (aufgrund der sekundären Risikoumschreibung) versicherungsfreien Bereich aus dem Betätigungsbereich des technischen Versicherungsmaklers auszugliedern, im oben beschriebenen Sinne nicht sachgerecht ist, ergibt sich aus folgendem:

Der Versicherungsmakler steht als Handelsmakler in einem Doppelrechtsverhältnis zum Versicherungsnehmer und zum Versicherer. Dieses Doppelrechtsverhältnis ist dabei abweichend von dem dem Handelsgesetzbuch zugrunde liegenden Leitbild seit Alters her dadurch gekennzeichnet, dass der Versicherungsmakler als "Bundesgenosse" oder - nach neuerer Terminologie - als "Sachwalter" des Versicherungsnehmers auf dessen Seite steht und dem Versicherungsnehmer gegenüber weit reichende Pflichten hat. Umgekehrt wird die Courtage des Versicherungsmaklers regelmäßig allein vom Versicherungsunternehmen gezahlt, was seinen Grund wiederum darin hat, dass der Versicherungsmakler dem Versicherer weitgehend die Vertriebsaufgaben gegenüber dem vom Makler betreuten Versicherungsnehmer abnimmt. Darüber hinaus hat der sog. technische Versicherungsmakler aufgrund entsprechender vertraglicher Vereinbarungen mit den Versicherern regelmäßig umfangreiche Verwaltungsaufgaben im Zusammenhang auch mit der Abwicklung des Versicherungsvertrages einschließlich der Feststellung und Regulierung des Schadens sowie der Regressnahme wahrzunehmen. Dies entspricht jedenfalls bei der Betreuung gewerblicher Versicherungsnehmer seit langen Jahren dem Berufsbild des (technischen) Versicherungsmaklers.

Die Einschaltung des Versicherungsmaklers in die Feststellung und Regulierung des Schadens bringt es dabei mit sich, dass primär der Versicherungsmakler über die für eine schnelle und erfolgreiche Regressnahme erforderlichen Informationen und Unterlagen verfügt. Bereits vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass der Versicherungsmakler dann auch sachgerechter Weise außergerichtlich Dritte in Regress nimmt, die nach den von ihm im Rahmen seiner Tätigkeit gesammelten Informationen für den Schaden verantwortlich sind. Soweit der Versicherungsmakler hier für den Versicherer als sog. technischer Versicherungsmakler tätig wird, unterscheidet sich seine Tätigkeit in diesem Punkt nicht von der eines Versicherungsagenten. Für den Versicherungsagenten ist es aber zu Recht in der Rechtsprechung anerkannt, dass dieser als Vertreter des Versicherers in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei Feststellung und Regulierung des Schadens auch Regressansprüche geltend machen darf (vgl. BGH VersR 1979 S. 714; Hans.OLG VersR 1982 S. 1172 sowie OLG Köln VersR 2004 S. 1456 zum Regress für Versicherer und Versicherungsnehmer). Wird diese Tätigkeit nun nicht von einem Versicherungsagenten sondern von einem Versicherungsmakler ausgeübt, so ergeben sich daraus für die Beurteilung des Vorliegens eines unmittelbaren Zusammenhanges i.S.d. Art. 1 § 5 Ziff. 1 Rechtsberatungsgesetz keine Unterschiede. Dies gilt sowohl hinsichtlich des überkommenen Berufsbildes des (technischen) Versicherungsmaklers, das derartige Tätigkeiten im Bereich der Regressnahme ebenso mit umfasst wie dies beim Versicherungsagenten der Fall ist. Dies gilt aber in gleicher Weise für die Frage der objektiven Sachdienlichkeit einer Trennung von Schadensregulierung und Regressführung. Dadurch dass ein Versicherungsmakler anstelle eines Versicherungsvertreters die Feststellung und Regulierung des Schadens übernimmt, ist es in keiner Weise sachgerechter, diesem die Regressnahme zu verwehren. Im Gegenteil erscheint es im Hinblick auf die dem Versicherungsmakler zusätzlich gegenüber dem Versicherungsnehmer obliegenden weit reichenden Verpflichtungen noch weniger sachgerecht als beim Versicherungsagenten, wollte man dem Versicherungsmakler die außergerichtliche Geltendmachung von Regressansprüchen gegenüber Dritten verbieten. Beim Versicherungsagenten mag es noch als sachgerecht erscheinen, dass dieser Regressansprüche nur insoweit geltend macht, als der Versicherer in den zugrunde liegenden Schadensfällen jedenfalls zum Teil zur Leistung verpflichtet ist. Denn der Versicherungsagent steht lediglich in einem Auftragsverhältnis zum Versicherer und hat nur dessen Interessen wahrzunehmen. Steht hier von vorn herein fest, dass der Versicherer für den in Rede stehenden Schadensfall nicht leistungspflichtig werden kann, so liegt es in der Tat nahe, dass hier kein unmittelbarer Zusammenhang zur Tätigkeit des Versicherungsagenten für den Versicherer besteht, wenn der Versicherungsagent in derartigen Fällen Schadensersatzansprüche gegen Dritte verfolgt. Dies stellt sich für den Versicherungsmakler, der in erster Linie Interessenvertreter des Versicherungsnehmers ist, naturgemäß ganz anders dar. Zusätzlich zu der auch beim Versicherungsagenten gegebenen Verzahnung von Schadensregulierung und Regressführung ist hier zu beachten, dass der (technische) Versicherungsmakler neben den Interessen des Versicherers bei der Schadensregulierung auch die des Versicherungsnehmers wahrzunehmen hat, dessen Sachwalter bzw. Bundesgenosse er aufgrund des erteilten Maklerauftrages ist.

Anders als beim Versicherungsagenten steht die Geltendmachung von Regressansprüchen daher unabhängig davon, wem diese letztlich zugute kommt, in unmittelbarem Zusammenhang mit den von ihm für Versicherungsnehmer und Versicherer wahrzunehmenden Tätigkeiten. Bei sich im Rahmen der primären Risikoumschreibung der vermittelten Verträge bewegenden Schadensfällen spielt es für den Versicherungsmakler zunächst einmal gar keine Rolle, ob der Regress letztlich dem Versicherungsnehmer oder dem Versicherer zugute kommt, denn der technische Versicherungsmakler vertritt die in der Regressfrage regelmäßig gleichgerichteten Interessen beider Seiten des Versicherungsvertrages. Bereits dies begründet für alle der primären Risikoumschreibung unterfallenden Schadensfälle einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Geltendmachung von Regressansprüchen und der übrigen Tätigkeit des Versicherungsmaklers.

Die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhanges wird noch durch folgende Umstände untermauert:

Theoretisch lässt es sich zwar durchaus klar abgrenzen, ob und in welchem Umfang ein Regressanspruch für den Versicherungsnehmer oder für den Versicherer geltend gemacht wird. In der Praxis ist diese Abgrenzung häufig jedoch nicht, nicht sogleich oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich. Hier ist in zeitlicher Hinsicht zunächst zu beachten, dass der aus dem in Rede stehenden Schadenfall resultierende Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten erst dann und nur insoweit auf den Versicherer übergeht, wenn und soweit der Versicherer den Versicherungsnehmer entschädigt, § 67 VVG. Bereits vor der Entschädigungsleistung hat der Versicherer allerdings ein Anwartschaftsrecht oder jedenfalls eine Anwartschaft hinsichtlich des Regressanspruches, da dessen Übergang auf den Versicherer nur noch von der Entschädigungsleistung durch den Versicherer abhängt. Damit erfolgt der Regress auch vor Forderungsübergang vielfach schon im Interesse des Versicherers, mag der Anspruch auch noch dem Versicherungsnehmer zustehen. Ob und in welchem Umfang ein Regress letztlich dem Versicherungsnehmer oder dem Versicherer zugute kommt, steht vielfach bei Geltendmachung des Regressanspruches noch nicht fest. Der vom Anspruchsteller gegen den Versicherungsnehmer erhobene Schadensersatzanspruch sowie seine Abdeckung durch den Versicherungsschutz können unter einer Vielzahl von Gesichtspunkten dem Grunde und der Höhe nach streitig sein. Die Klärung dieser Fragen kann lange Zeit in Anspruch nehmen. Während dieser Zeit muss der Regressanspruch aus tatsächlichen wie rechtlichen (Verjährung) Gründen bereits geltend gemacht werden, auch wenn die Möglichkeit besteht, dass sich nachher herausstellt, dass der Versicherer hier keine Entschädigung leistet. Würde letztere Möglichkeit zu einem Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz führen, könnte der Versicherungsmakler letztlich keinen Regress sachgerecht führen, auch nicht für den Versicherer. Ebenso sachwidrig und in vielen Fällen kaum durchführbar wäre es, vom Versicherungsmakler eine Beschränkung auf die (mutmaßlich) dem Versicherer zustehenden Teile von Regressansprüchen zu fordern.

Nun gibt es zweifellos auch Fälle bei denen von Anfang an feststeht, dass der Versicherer nicht leisten muss, etwa weil der Schaden unzweifelhaft unter eine vereinbarte Selbstbeteiligung fällt (wobei der Kammer aber aus anderweitigen Rechtsstreitigkeiten zuverlässig bekannt ist, dass auch Selbstbeteiligungen keineswegs immer Bestand haben). Aber auch die Ausgliederung dieser Fälle aus der Regresstätigkeit des Versicherungsmaklers wäre nicht sachgerecht. Um feststellen zu können, dass hier kein Versicherungsschutz vorliegt, muss sich der Versicherungsmakler berechtigter Weise zunächst einmal mit dem Schadensfall befassen, wobei auch hier je nach Verhandlungsmacht des Versicherungsmaklers und seines Versicherungsnehmers sowie Kulanz des Versicherers eine Leistung des Versicherers nicht immer ausgeschlossen ist. Statt sich hier um eine (Kulanz-)Deckung zu bemühen, muss es dem Versicherungsmakler sachgerechter Weise auch offen stehen, hier über einen Regress zu versuchen, den Schaden letztlich im Interesse von Versicherungsnehmer und Versicherer zu regulieren. Auch hier besteht im Übrigen ein unmittelbarer Zusammenhang zu dem eigentlichen Gegenstand des Maklervertrages, in welchem der Makler verspricht, für den Versicherungsnehmer in bestimmten Bereichen das Risikomanagement zu übernehmen. Dies zeigt sich bereits im Ausgangspunkt bei der Vereinbarung der Selbstbeteiligung, die im wesentlichen Umfang erst zur Entstehung des hier in Rede stehenden versicherungsfreien Bereiches führt. Die Vereinbarung von Selbstbeteiligungen dient aus der Sicht des Versicherungsnehmers dazu, den gewünschten Versicherungsschutz mit einem möglichst günstigen Preis/Leistungsverhältnis zu erlangen. Dieses im Rahmen des Maklerauftrages dem Versicherungsmakler als Sachwalter des Versicherungsnehmers übertragene Ziel ist aber nicht schon mit dem Abschluss der jeweils in Rede stehenden Versicherungsdeckung erreicht. Vielmehr ist es zur Erhaltung kostengünstigen Versicherungsschutzes erforderlich, die Schadensbelastung der bestehenden Versicherungsverträge möglichst niedrig zu halten. Denn bei übermäßig hohen Schadensbelastungen besteht die Gefahr, dass der Versicherungsnehmer den bestehenden Versicherungsschutz verliert, sei es dass der Versicherer eine Schadensfallkündigung ausspricht, den Vertrag zum Ablauf kündigt oder nicht verlängert. In derartigen Fällen ist es je nach Sachlage schwierig bis unmöglich, neuen Versicherungsschutz zu angemessenen Konditionen zu erlangen. Vor diesem Hintergrund ist es integraler Bestandteil des vom Versicherungsmakler übernommenen Risikomanagements für den Versicherungsnehmer, die letztlich vom Versicherer zu leistenden Schadenszahlungen möglichst niedrig zu halten. Damit in unmittelbarem Zusammenhang steht aber eine professionelle und möglichst erfolgreiche Geltendmachung von Regressansprüchen, die daher als untrennbarer Bestandteil des Bemühens um möglichst günstigen Versicherungsschutz anzusehen ist. Demselben Bemühen um einen möglichst kostengünstigen Versicherungsschutz dient auch die Vereinbarung von Selbstbeteiligungen und die daraus resultierende Möglichkeit, dass die Regressnahme im gewissen Umfang unmittelbar dem Versicherungsnehmer zugute kommt und nicht lediglich mittelbar wie in den übrigen Fällen mittels einer günstigen Beeinflussung der Schadensquote des Versicherungsvertrages. Vor diesem Hintergrund wäre es verfehlt, den Focus auf die Fälle zu verengen, in denen der Versicherungsmakler aus Gründen der sekundären Risikobeschreibung mehr oder minder eindeutig nur für den Versicherungsnehmer tätig wird.

Es kann damit festgestellt werden, dass die Regressnahme insgesamt, soweit sie innerhalb der primären Risikoumschreibung der vermittelten Verträge erfolgt, in unmittelbarem Zusammenhang zu der dem Versicherungsmakler nach seinem traditionellen Berufsbild insbesondere in der Ausprägung des technischen Versicherungsmaklers obliegenden Schadensregulierung und Risikomanagement steht. Der technische Versicherungsmakler kann die ihm nach seinem überkommenen Berufsbild gegenüber Versicherungsnehmer und Versicherer obliegenden Aufgaben nicht sachgerecht erfüllen, wenn ihm die außergerichtliche Geltendmachung von Regressansprüchen für den Versicherer oder den Versicherungsnehmer verwehrt würde.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Regressfälle, in denen die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche auch im Interesse des Versicherers liegt, sowohl zahlenmäßig als auch insbesondere von ihrem wirtschaftlichen Gewicht deutlich schwerer wiegen als die mehr oder minder eindeutig in den sog. versicherungsfreien Bereich fallenden Fälle. Hier wäre es sicherlich nicht sachgerecht, dem Versicherungsmakler den Regress in den weniger bedeutenden Fällen zu versagen. Darf er - wie auch der Versicherungsagent - die wirtschaftlich gewichtigeren und tendenziell auch schwierigeren Regressansprüche geltend machen, die (letztlich) dem Versicherer zustehen, so muss es ihm "erst Recht" gestattet sein, die im Einzelfall schwierig davon abzugrenzenden weniger bedeutsamen Fälle mit zu erledigen. Der Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes wird dadurch ersichtlich weniger tangiert als durch die Geltendmachung gewichtigerer Schadensersatzansprüche.

Die vom BGH in der Entscheidung VersR 1967 S. 686 geäußerte Rechtsauffassung steht nicht im Widerspruch zu der von der Kammer vertretenen Auffassung. Abgesehen davon, dass die genannte Entscheidung nunmehr fast 40 Jahre alt ist und seither vor dem Hintergrund des Art. 12 GG eine vorsichtige Liberalisierung in der hier in Rede stehenden Problematik eingetreten ist, unterscheidet sich der vom BGH entschiedene Sachverhalt unter zwei Gesichtspunkten wesentlich von dem hier zur Entscheidung stehenden Fall. Zum einen hatte es der BGH nicht mit einem technischen Versicherungsmakler zu tun, sondern mit einem Makler, der Kfz-Haftpflichtversicherungen betreute und die Versicherungsnehmer bei Verkehrsunfällen beriet. Zum anderen betraf die Entscheidung des BGH keine Regressansprüche des Versicherungsnehmers, die im Falle einer Entschädigungsleistung durch den Versicherer auf diesen übergehen, sondern nicht unter § 67 VVG fallende Ersatzansprüche des Versicherungsnehmers, die mit dem zu regulierenden Versicherungsfall lediglich dadurch verbunden sind, dass sie aus demselben Unfallereignis resultieren, durch das die zu regulierenden Haftpflichtansprüche entstanden sind.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.






LG Hamburg:
Urteil v. 06.12.2005
Az: 312 O 592/05


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