Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 9. Juni 2008
Aktenzeichen: I-24 W 17/08

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg - Einzelrichterin - vom 5. November 2007, ergänzt durch den Nichtabhilfebeschluss vom 4. März 2008, teilweise abgeändert.

Der Gegenstandswert des Vergleichs wird anderweitig auf 36.348,81 EUR festgesetzt. Im Übrigen bleibt es bei der Festsetzung des Landgerichts.

Gründe

I.

Die Beschwerde ist statthaft gemäß § 68 Abs. 1 GKG. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und die Beschwer der Klägerin ist höher als 200 €.

1.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Beschwer der Klägerin trotz der Zustimmung und der tatsächlichen Angaben der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2007 nicht zu verneinen.

a)

Zwar wird teilweise vertreten, nicht beschwert sei, wer sich zuvor mit der Festsetzung eines bestimmten Streitwertes einverstanden erklärt habe (OLG Hamburg, MDR 1977, 407; OLG Bamberg JurBüro 1975, 1463, OLG Hamm FamRZ 1997, 691; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., 2008, GKG, § 68 Rdn. 9). Auch wird vertreten, das Einverständnis mit der Festsetzung eines bestimmten Streitwertes stelle einen Rechtsmittelverzicht dar (OLG Hamburg aaO.).

b)

Nach der Gegenauffassung liegt in der übereinstimmenden Erklärung der Prozessbevollmächtigten, den Streitwert auf eine bestimmte Höhe festzusetzen, weder ein Verzicht auf das Beschwerderecht oder wird dadurch eine Verpflichtung der Parteien be

gründet, gegen die gerichtliche Wertfestsetzung Beschwerde nicht einzulegen. In den Einverständniserklärungen der Parteien ist nämlich nur eine unverbindliche Anregung an das Gericht zu sehen, den Streitwert dem übereinstimmenden Antrag entsprechend festzusetzen (OLG München, JurBüro 2001, 141; OLG Celle OLGR 2006, 270; NdsRpfl. 2005, 324; OLG Köln, OLGR 2000, 119 = AGS 2000, 154; Zöller/Herget, ZPO, 26. Auflage, § 3 Rn. 16 "Streiwertbeschwerde").

2.

Der letztgenannten Auffassung schließt sich der Senat an.

a)

Für sie spricht die Erwägung, dass das Gericht bei der Streitwertfestsetzung an einen übereinstimmenden Sachvortrag und Antrag der Parteien und der Prozessbevollmächtigten nicht gebunden ist und der Streitwertbeschluss auch auf Antrag eines Beteiligten und von Amts wegen geändert werden könnte (§ 63 Abs. 3 S.1 GKG). Die Beschwer der Klägerin ist zudem nicht mit Blick auf ihre Angaben zum Abschluss des neuen Mietvertrages und dessen wesentlichen Inhalt zu leugnen (dazu noch unter II.). Dabei wird dogmatisch auf die formelle Beschwer abgestellt, die immer dann fehlt, wenn die gerichtliche Entscheidung nicht hinter dem gestellten Antrag zurückbleibt. Dies ist für den Regelfall zutreffend, kann jedoch auf die Streitwertfestsetzung nicht übertragen werden. Denn diese ist der Disposition der Parteien entzogen, der Streitwert ist vielmehr von Amts wegen festzusetzen (vgl. OLG Celle, NdsRpfl. 2005, 324 [325]).

b)

Auch die teilweise vertretene Auffassung, das Einverständnis mit der Festsetzung eines bestimmten Streitwertes stelle einen Rechtsmittelverzicht dar (OLG Hamburg aaO.), überzeugt nicht. Denn für das Hauptsacheverfahren ist allgemein anerkannt, dass ein

gegenüber dem Gegner oder dem Gericht vor Urteilserlass erklärter Rechtsmittelverzicht unwirksam ist. Gründe dafür, dass das Verfahren der Streitwertfestsetzung anders beurteilt werden sollte, sind nicht ersichtlich (vgl. OLG Celle ebenda; OLG Köln aaO.). Schließlich kann es nicht in das Belieben der Parteien gestellt sein, durch vertragliche Absprachen den Streitwert, dessen Höhe die Gerichtskosten bestimmt, zu beeinflussen (so zutreffend OLG Köln aaO.).

II.

Die Beschwerde ist auch begründet. Der Gegenstandswert des Vergleichs ist anderweitig auf 36.348,81 EUR festzusetzen. Der Mehrwert des Vergleichs beträgt nur 18.000,00 EUR

1.

Nach ganz herrschender Meinung ist (Streit)Gegenstand nicht das, worauf sich die (Streit)Parteien einigen (Verhandlungsergebnisse/Zugeständnisse), sondern worüber sie gestritten haben (BGH AnwBl 1964, 204; BAG NJW-RR 2001, 495; Senat JurBüro 2005, 479 = OLGR 2005, 651; OLG Frankfurt JurBüro 1985, 1857 m. zust. Anm. Mümmler = KostRspr § 3 ZPO Nr. 794 m. zust. Anm. E.Schneider; OLG Bamberg JurBüro 1991, 222, OLG Schleswig SchlHA 1991, 115, OLG Stuttgart JurBüro 1995, 248, OLG München JurBüro 2001, 141; Zöller/Herget aaO. "Vergleich"; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., VV 1000 zu § 13 RVG Rn. 91 i.V.m. Rn. 34; vgl. auch Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO, 8. Aufl., § 23 Rn. 29ff; a.A. LG Köln AnwBl. 1998, 212 ohne Auseinandersetzung mit der h.M.). Maßgebend ist, worüber sich die Parteien, den Rechtsstreit beendend, geeinigt haben, nicht aber nur oder auch dasjenige, worauf sie sich geeinigt haben. Der Gegenstandswert ergreift also alle irgendwie streitigen, in den Vertrag einbezogenen Ansprüche. Darin besteht der Unterschied zu § 39 Abs. 1 KostO, der für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit konsequent den Wert dem Rechtsverhältnis entnimmt, auf das sich die beurkundete Erklärung bezieht (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 1204).

2.

So liegen die Dinge hier zum Nachteil der Klägerin. Rechtsirrtümlich hat das Landgericht den Teil des Prozessvergleichs der Parteien vom 5. November 2007, der sich auf die Aufhebung des alten und den Abschluss eines neuen Mietvertrages mit dem Zweitbeklagten bis zum 30. November 2012 bezieht, mit einem Wert von 63.000,00 EUR bewertet. Das ist nämlich der Gegenstandswert des neuen Mietvertrages (42-fache Monatsnettomiete von 1.500,00 EUR nach § 9 ZPO), auf dessen Abschluss sich die Klägerin und der Zweitbeklagte geeinigt haben. Demgegenüber war entscheidend der bestehende Mietvertrag, über dessen Schicksal sich die Parteien verglichen haben.

Demgemäß waren zunächst die rechtshängige Klageforderung (4.707,93 EUR) und die Widerklageforderung (13.640,88 EUR) in den Vergleichswert einzubeziehen. Des Weiteren war auch das Mietverhältnis der Parteien insgesamt Gegenstand der Vergleichsregelungen. Es war zwar nicht Teil der rechtshängigen Ansprüche, weil eine Klage über das Bestehen oder Nichtbestehen des Mietverhältnisses nicht anhängig war. Dennoch ist es für die Wertbemessung bedeutsam, weil es dabei um selbständige und zwischen den Parteien streitige Ansprüche ging, wie die Parteien -insoweit übereinstimmend - nunmehr einräumen. Tatsächlich hatte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos gekündigt. Die Beklagten leugneten den Kündigungsgrund und die Beendigung des Mietvertrages unter Hinweis auf die seit geraumer Zeit geminderte Miete. Streit oder Unsicherheit sind aber Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Mehrwerts (Schneider/Herget, aaO. Rn. 5718 m.w.N.). Der Vergleich regelt das Erlöschen dieses Vertragsverhältnisses und begründet einen neuen Mietvertrag zwischen der Klägerin und dem Zweitbeklagten.

3.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist nicht § 9 ZPO, sondern die die Parteien einer Mietstreitigkeit privilegierende Vorschrift des § 41 Abs. 1 GKG anzuwenden. Die Höhe des Mehrwerts für den Vergleich beläuft sich deshalb nur auf 18.000,00 EUR. Da die Parteien das außergerichtlich streitig gewordene Mietverhältnis (s. unter 2.) zum Gegenstand des Prozessvergleichs gemacht haben, ist § 41 Abs. 1 GKG als gegenüber § 9 ZPO speziellere Vorschrift zur Höhe des Mehrwerts heranzuziehen (vgl. OLG

Frankfurt JurBüro 1985, 1857). Demgemäß ist die monatliche Nettomiete des abgewickelten Mietvertrages in Höhe von 1.500,00 EUR für ein Jahr ausschlaggebend. Anders liegen die Umstände nur, wenn zuvor kein streitiges Mietverhältnis bestand, sondern z. B. nur ein Vorvertrag (vgl. Schneider/Herget aaO. Rn. 3797, 3798).

4.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 68 Abs. 3 GKG entbehrlich.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 09.06.2008
Az: I-24 W 17/08


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