Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 17. Dezember 2002
Aktenzeichen: 4 O 266/01

(LG Düsseldorf: Urteil v. 17.12.2002, Az.: 4 O 266/01)

Tenor

für Recht erkannt:

I.

Die Beklagten werden verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € -ersatzweise Ordnungshaft- oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäi-schen Patents EP X

Schweißgeräte mit automatischer Steuerung, die zur Benutzung eines Verfahrens zum Steuern der Tempe-raturentwicklung eines Teiles geeignet und bestimmt sind, wobei das Teil mit einem elektrischen Widerstand versehen ist, der geeignet ist, das Erwärmen dieses Teiles sicherzustellen, wobei

a)

man dem Teil eine Identifikationskarte zuordnet, zur

Steuerung des Erwärmens, wobei diese Karte mehrere

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Zonen aufweist, welche jede einen anderen Platz ein-nimmt,

b)

man in diese Karte Daten eingibt, die geeignet sind, durch Lesemittel des Schweißgeräts gelesen zu werden, wobei diese Daten in einem ersten Teil der Zonen dieser Karte (Zonen 1, 2, 3, 4, 9) Funktionsdaten aufweist, für die Steuerung der Maschine zumindest relativ zu einem vorbestimmten Wert der Spannung und / oder des Ver-sorgungsgrades des Heizwiderstandes,

C)

eine Erfassung der in der Karte enthaltenen Daten durch Lesemittel für die Karte erfolgt,

d)

man durch Messung der Umgebungstemperatur des Teiles zusätzliche Daten erlangt, die durch das Schweißgerät annehmbar sind und dem physikalischen Zustand des Teils zu Anfang der Erwärmung entspre-chen, und man diese Daten dem Schweißgerät liefert,

e)

dann eine Anpassung des vorbestimmten Wertes der

Spannung und / oder des Versorgungsgrades des Wi-derstandes mittels einer Zeitkorrektur durch das Schweißgerät in Funktion der gegebenen zusätzlichen Daten erfolgt, um eine geeignete Energie zu erhalten,

f)

und man den elektrischen Widerstand mit dieser geeig-neten Energie versorgt, um folglich dieses Teil zu er-wärmen,

wobei dieses Verfahren dadurch gekennzeichnet ist, dass:

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• man während des Schrittes b) in einem zweiten Teil der Kartenzonen (Zone 8) zusätzliche Daten der Korrektur für den vorbestimmten Wert der Spannung und / oder des Versorgungsstromes des Widerstandes mittels einer Zeitkorrektur in Funktion des tatsächlichen physikalischen Zustandes des Teils zu Anfang der Erwärmung eingibt,

• man vor der Ausführung des Schrittes c) eine Lesesequenz der Karte definiert und man das Lesen dieser durchführt, indem man der Sequenz folgt,

• man dann nach durchgeführtem Schritt d) und während des Schrittes e) durch die Maschine eine Anpassung des vorbestimmten Wertes der Spannung und / oder des Versorgungsstromes des Widerstandes mittels einer Zeitkorrektur in Funktion nicht nur der gegebenen zusätzlichen Daten, die während des Schrittes d) erhalten werden, sondern auch der zusätzlichen, auf der Karte gelesenen Korrekturdaten erfolgen läßt,

anzubieten oder zu liefern, ohne

im Falle des Anbietens deutlich darauf hinzuweisen, dass das Schweißgerät ohne die Zustimmung der Kläger als Inhaber des europäischen Patents X nicht zur Benutzung des zuvor beschriebenen Verfahrens verwendet werden darf;

2.

den Klägern unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu der Ziffer 1.1 bezeichneten Handlungen seit dem 27.12.1991 begangen haben, und zwar unter Angabe

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a)

die Beklagte zu 1: der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

die Beklagte zu 2: der Herstellungsmengen und Herstel-lungszeiten,

b)

der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typen-bezeichnungen, Liefermengen, Lieferzeiten und Liefer-preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c)

der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbe-zeichnungen, Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d)

der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbe-trägern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e)

der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 21.07.1998 zu machen sind und wobei sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die vor dem 01.05.1992 begangenen Handlungen auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 02.10.1990 bestehenden Grenzen beschränkt.

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II.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind,

1.

an die Kläger dasjenige nach den Grundsätzen der un-gerechtfertigten Bereicherung herauszugeben, was die, Beklagten durch die zu der Ziff. 1.1 bezeichneten, in der Zeit vom 27.12.1991 bis 20.07.1998 begangenen Handlungen auf Kosten der Kläger erlangt haben, wobei sich die Verpflichtung zur Herausgabe des vor dem 01.05.1992 Erlangten auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 02.10.1990 bestehenden Grenzen beschränkt;

2.

den Klägern allen Schaden zu ersetzen, der diesen durch die zu der Ziffer 1.1. bezeichneten, seit dem 21.07.1998 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu 85

% und die Kläger zu 15 % zu tragen.

V.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Für die Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung von

255.645,94 €.

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Kläger können die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die jeweiligen Sicherheiten können auch durch selbst-schuldnerische Bürgschaften einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlich rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

VI.

Der Streitwert wird auf 500.000,00 DM (255.645,94 €)

festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger sind gemeinschaftlich eingetragene Inhaber des u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents X (Klagepatent, Anlage K 1), das auf einer Anmeldung vom 15.12.1987 beruht, mit der eine Unionspriorität vom 23.12.1986 in Anspruch genommen wurde. Die Bekanntmachung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 27.11.1991.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Steuern der Temperaturerhöhung von elektrisch geheizten Teilen mittels einer Maschine mit automatischer Steuerung. Der vorliegend allein interessierende Patentanspruch 1 hat in der deutschen Übersetzung (Anlage K 1 a) folgenden Wortlaut:

"Verfahren zum Steuern der Temperaturentwicklung eines Teiles mittels einer Maschine mit automatischer Steuerung, wobei das Teil mit einem elektrischen Widerstand versehen ist, der geeignet ist, das Erwärmen dieses Teiles sicherzustellen, wobei

man dem Teil eine Identifikationskarte zuordnet, zur Steuerung des Erwärmens, wobei diese Karte mehrere Zonen aufweist, welche jede einen anderen Platz einnimmt, man in diese Karte Daten eingibt, die geeignet sind, durch Lesemittel der Maschine gelesen zu werden, wobei diese Daten in einem ersten Teil der Zonen dieser Karte (Zonen 1, 2, 3, 4, 9) Funktionsdaten aufweisen, für die Steuerung der Maschine mindestens relativ zu einem vorbestimmten Wert der Spannung und / oder des Versorgungsgrades des Heizwiderstandes, eine Erfassung der in der Karte enthaltenen Daten durch Lesemittel für die Karte erfolgt, man durch Ablesen auf dem Teil zusätzliche Daten erlangt, die durch die Maschine annehmbar sind und dem physikalischen Zustand dieses Teils zu Anfang der Erwärmung entsprechen, und man diese Daten der Maschine liefert, eine Anpassung des vorbestimmten Wertes der Spannung und / oder des Versorgungsgrades des Widerstandes dann durch die Maschine in Funktion der gegebenen zusätzlichen Daten erfolgt, um eine geeignete Spannung und / oder Strom zu erhalten, und man den elektrischen Widerstand mit dieser geeigneten Spannung und / oder dieses geeigneten Stromes versorgt, um folglich dieses Teil zu erwärmen,

wobei dieses Verfahren dadurch gekennzeichnet ist, dass:

man während des Schrittes b) in einen zweiten Teil der Kartenzonen (Zone 8) zusätzliche Daten der Korrektur für den vorbestimmten Wert der Spannung und / oder des Versorgungsstromes des Widerstandes in Funktion des tatsächlichen physikalischen Zustandes des Teiles zu Anfang der Erwärmung eingibt, man vor der Ausführung des Schrittes c) eine Lesesequenz der Karte definiert und man das Lesen dieser durchführt, indem man der Sequenz folgt, man dann nach durchgeführtem Schritt d) und während des Schrittes e) durch die Maschine eine Anpassung des vorbestimmten Wertes der Spannung und / oder des Versorgungsstromes des Widerstandes in Funktion nicht nur der gegebenen zusätzlichen Daten, die während des Schrittes d) erhalten wurden, sondern auch der zusätzlichen, auf der Karte gelesenen Korrekturdaten erfolgen läßt."

Die Beklagte zu 1. stellt her und vertreibt über die Beklagte zu 2. in Deutschland unter der Bezeichnung "X und X" Schweißgeräte, die für Kunststoff- Elektroschweissfittings geeignet sind und die über einen Barcode-Leser verfügen, durch den eine Dateneingabe erfolgen kann. Mit diesen Geräten ist es möglich, die Parameter der zu schweißenden Teile mittels des Barcode-Lesers in diese Schweißgeräte einzulösen. Weiter befindet sich in dem Griff der Geräte ein Temperaturfühler, der die aktuelle Umgebungstemperatur feststellt. Auf der Grundlage dieser Parameter wird dann unter Berücksichtigung der angegebenen Korrekturwerte der Schweißvorgang gesteuert.

Die Kläger sind der Ansicht, die von den Beklagten hergestellten und ausgestellten Schweißgeräte verwirklichten die technische Lehre des Klagepatents mittelbar, und nehmen sie deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch. Sie machen dazu geltend: Die angegriffenen Ausführungsformen seien geeignet und dazu bestimmt, das patentge-

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schützte Verfahren durchzuführen. Dem Verletzungstatbestand stehe nicht entgegen, dass nicht sämtliche Verfahrensschritte die Verwendung des Schweißgeräts erforderten. Entscheidend sei, dass mit dem Schweißgerät die wesentlichen Verfahrensschritte durchgeführt werden könnten. Die Barcode-Karten, die von den Herstellern den zu verschweißenden Teilen zugeordnet werden, seien lediglich als Teilverfahrensprodukte anzusehen. Die Verwendung dieser Karten mit den Schweißgeräten durch die Abnehmer der Beklagten führe letztlich dazu, dass diese die abschließenden und entscheidenden Verfahrensschritte durchführten, wobei sie sich die vorhergehenden Schritte zurechnen lassen müssten. Jede andere Betrachtungsweise bedeute eine generelle Umgehungsmöglichkeit für Verfahrenspatente. Die Kläger sind der Ansicht, der Wortsinn des Patentanspruchs 1 erfasse auch eine Anpassung des Versorgungsgrades des Widerstandes durch eine Veränderung der Erwärmungszeit, zumindest liege hierin eine äquivalente Maßnahme.

Die Kläger beantragen,

wie erkannt, jedoch mit den weitergehenden Anträgen, den Beklagten aufzugeben, im Falle der Lieferung ihre Abnehmer zu verpflichten, es bei Meidung einer für jeden Fall schuldhafter Zuwiderhandlung an sie (die Kläger) zu zahlenden Vertragsstrafe von 20.000,00 DM zu unterlassen, ohne ihre Zustimmung das Schweißgerät für das zuvor beschriebene Verfahren zu benutzen, und

auch für den Zeitraum vom 27.12 1991 bis zum 20.07.1998 die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten festzustellen;

hilfsweise, die Beklagten wegen einer äquivalenten Patentverletzung zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen;

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hilfsweise,

ihnen nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und Angebotsempfänger nur einem von den Klägern zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber den Klägern verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie (die Beklagten) diesen ermächtigen, den Klägern darüber Auskunft zu geben, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.

Sie bestreiten den Vorwurf einer mittelbaren Patentverletzung und tragen hierzu vor: Da ihre Geräte unstreitig nicht geeignet und bestimmt seien, das geschützte Verfahren in seiner Gesamtheit anzuwenden, und vor allem ihre Abnehmer das Verfahren nicht anwendeten, scheide der Vorwurf einer mittelbaren Patentverletzung von vornherein aus. Ihnen könne auch nicht das Verhalten der Hersteller der Teile zugerechnet werden, da es hierfür an jeglichen Anknüpfungspunkten für ein koordiniertes Zusammenwirken fehle. Beide Verhaltensweisen, sowohl das ihre, wie auch das der Hersteller der zu verschweißenden Teile sei getrennt zu betrachten und unter patentrechtlichen Gesichtspunkte nicht zu beanstanden.

Sie sind der Ansicht, die Kläger hätten die vorliegend geltend gemachten Ansprüche verwirkt. Unstreitig hatten diese bereits seit 1991 positive Kenntnis von den Schweißgeräten der Beklagten. Nachdem in 1994 diesbezügliche Verhandlungen endeten, sind bis zur Klageerhebung keine weiteren Maßnahmen von Seiten der Kläger erfolgt. Sie, die Beklagten, hätten vor diesem Hintergrund darauf vertraut und vertrauen dürfen, dass die Kläger weiter nichts unternehmen würden, und ihre Schweißgeräte deshalb in der Folgezeit weiterentwickelt.

Unter Bezugnahme auf die zur Verwirkung vorgetragenen Tatsachen erheben die Beklagten die Einrede der Verjährung.

Die Kläger treten dem Vorbringen der Beklagten entgegen.

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Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Die Beklagten sind den Klägern im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, Rechnungslegung und zum Schadensersatz bzw. zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet, da sie durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents widerrechtlich mittelbar Gebrauch machen. Unbegründet ist die Klage lediglich, soweit die Kläger begehren, den Abnehmern der Beklagten im Falle der Lieferung eine vertragsstrafegesicherte Unterlassungsverpflichtungserklä-rung abzuverlangen sowie die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten für die Zeit vor dem 21.07.1998 festzustellen.

I.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Steuern der Temperaturentwicklung eines Teils mittels einer Maschine mit automatischer Steuerung. Das erfindungsgemäße Verfahren ist insbesondere dazu bestimmt, das Schweißen von Teilen aus Plastikmaterial untereinander automatisch durchzuführen.

Im Stand der Technik war insbesondere ein in der französischen Veröffentlichung FR-A- X vorgeschlagenes Verfahren bekannt, bei welchem man den zu verschweißenden Teilen, die vorzugsweise aus Polyethylen bestehen und in denen sich an der Innenseite Wicklungen von Draht befinden, die durch die Zufuhr elektrischer Energie erhitzt werden, um ein thermisches

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Verschweißen zu ermöglichen, eine Identifikationskarte zuordnet für die Steuerung der Erhitzung, wobei diese Karte mehrere Zonen erhält, welche jede eine andere Stelle einnimmt.

In diese Karte werden materialspezifische Daten eingegeben, die maßgeblich für den Verlauf des Schweißvorganges sind.

Weiter ist in diesem Verfahren eine Erfassung der in der Karte enthaltenen Daten vorgesehen. Hinzu tritt die Erfassung eines weiteren Wertes, der dem physikalischen Zustand des Teils zu Anfang des Schweißvorganges entspricht.

Auf der Grundlage der so erfaßten Werte wird dann in der Maschine der Schweißvorgang dergestalt angepaßt, dass den Teilen ein(e) geeignete(r) Spannung und / oder Versorgungsgrad des Widerstandes zugeführt wird, um dieses Teil zu erwärmen. Mit diesem Verfahren ist es demnach möglich, auf die jeweilige Temperatur der zu verschweißenden Teile zu Beginn des Schweißvorganges Rücksicht zu nehmen, da diese maßgeblich für die Dauer und / oder die Höhe der angelegten Spannung bei jeweils gleichbleibenden weiteren Parametern ist. Nachteilig hieran ist jedoch noch, dass die Steuerung des Schweißvorganges nicht berücksichtigen kann, dass unterschiedliche Hersteller verschiedene Materialzusammensetzungen verwenden, die eine weitere Differenzierung erfordern können. Die nachfolgende Abbildung (Figur 1 der französischen Patentschrift X) verdeutlicht das vorbekannte Verfahren anhand eines Gesamt- Schaltschemas.

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Die Aufgabe des Klagepatents ist es danach, das bekannte Verfahren unter Beibehaltung der Vorteile so zu modifizieren, dass es in allgemeiner Weise auch gestattet ist, die für die genaue Prüfung der Erwärmung der Teile nützlichen Parameter zu steuern, indem man diese Parameter in Funktion der tatsächlich angetroffenen Benutzungsbedingungen genau anpaßt.

Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den nachfolgenden Merkmalen gelöst:

Verfahren zum Steuern der Temperaturentwicklung eines Teils mittels einer Maschine mit automatischer Steuerung.

Das Teil ist mit einem elektrischen Widerstand versehen, der geeignet ist, das Erwärmen dieses Teiles sicherzustellen.

Dem Teil wird eine Identifikationskarte zugeordnet zur Steuerung des Erwärmens, wobei

Diese Karte mehrere Zonen aufweist, welche jede einen anderen Platz einnimmt.

In diese Karte werden Daten eingegeben, die geeignet sind, durch Lesemittel der Maschine gelesen zu werden.

Die Daten weisen in einem ersten Teil der Zonen dieser Karte (Zonen 1, 2, 3, 4, 9) Funktionsdaten auf, für die Steuerung der Maschine mindestens relativ zu einem vorbestimmten Wert der Spannung und/oder des Versorgungsgrades des Heizwiderstandes.

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4.2. In einem Teil der Kartenzonen (Zone 8) werden zusätzliche

Daten der Korrektur für den vorbestimmten Wert der Span-

nung und/oder des Versorgungsstromes des Widerstandes in

Funktion des tatsächlichen physikalischen Zustandes des

Teils zu Anfang der Erwärmung eingegeben.

Es wird eine Lesesequenz der Karte definiert.

Es erfolgt eine Erfassung der in der Karte enthaltenen Daten

durch Lesemittel für die Karte.

6.1. Indem man der Lesesequenz folgt.

Durch Ablesen auf dem Teil erlangt man zusätzlich Daten,

die durch die Maschine annehmbar sind und dem physikalischen

Zustand dieses Teils zu Anfang der Erwärmung entsprechen, und

man liefert diese Daten der Maschine.

Es erfolgt eine Anpassung des vorbestimmten Wertes der Span-

nung und/oder des Versorgungsgrades des Widerstandes durch

die Maschine, um eine geeignete Spannung und/oder Strom zu

erhalten, und zwar

8.1. in Funktion der gegebenen zusätzlichen Daten und

8.2. der zusätzlichen, auf der Karte gelesenen Korrekturdaten.

Man versorgt den elektrischen Widerstand mit dieser geeigneten

Spannung und/oder diesem geeigneten Strom, um folglich dieses

Teil zu erwärmen.

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Das patentgemäße Verfahren ist demnach dadurch gekennzeichnet, dass die Korrektur der dem Teil zuzuführenden Energie anhand von durch den Hersteller des Teiles vorgegebenen und auf der Identifikationskarte angebrachten Korrekturdaten erfolgt. Es wird nicht anhand eines vorherbestimmten internen Programms des Schweißgerätes für jedes Teil derselbe Korrekturwert für die Energie in Abhängigkeit der aufgenommenen Temperatur zugrundegelegt, sondern für jedes Teil ein individueller Korrekturwert, wie er sich aus der Identifikationskarte ergibt.

II.

Die Beklagten verletzen das Klagepatent mittelbar dadurch, dass sie die angegriffenen Ausführungsformen anbieten und liefern.

Nach Art 64 EPÜ gewährt das europäische Patent seinem Inhaber von dem Tag der Bekanntmachung des Hinweises auf seine Erteilung an in jedem Vertragsstaat, für den es erteilt ist, dieselben Rechte, die ihm ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent gewähren würde. Das Klagepatent hat daher gemäß § 10 Abs. 1 PatG die Wirkung, dass es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung der Klägerinnen im Geltungsbereich des Patentgesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gebietes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

Die Beklagten haben die angegriffenen Ausführungsformen "X und X" auf der Messe X in Berlin angeboten.

Zwar können mit den angegriffenen Vorrichtungen überhaupt nur diejenigen erfindungsgemäßen Verfahrensschritte durchgeführt werden, welche die Verwendung der Maschine zur automatischen Steuerung des Erwärmvor-

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gangs zum Gegenstand haben. Die Verfahrensmerkmale, die sich mit der Zuordnung der Identifikationskarte zum Teil (Merkmal 3) und mit der Ausgestaltung und Datenbeschickung der Identifikationskarte befassen (Merkmale 4 u. 5), sind unabhängig von der Maschine. Gleichwohl ist vorliegend jedoch eine mittelbare Verletzung des Klagepatents durch die Beklagten gegeben.

1.

Die mit der Benutzung der Maschine verbundenen Verfahrensteile sind von wesentlicher und nicht lediglich untergeordneter Bedeutung für die Durchführung des Gesamtverfahrens. Ohne die Auswertung und Berücksichtigung der auf der Identifkationskarte enthaltenen Informationen ist es von vornherein ausgeschlossen, das Verfahrensziel zu erreichen, nämlich den elektrischen Widerstand für das gewünschte Schweißergebnis optimal mit Spannung bzw. Strom zu versorgen.

Die angegriffenen Ausführungsformen sind zur Durchführung der die Maschine betreffenden Verfahrensschritte objektiv geeignet. Dies gilt nicht nur für die Merkmale 6, 7 und 9, sondern auch für Merkmal 8, wonach

eine Anpassung des vorbestimmten Wertes der Spannung und/oder des Versorgungsgrades des Widerstandes durch die Maschine erfolgt.

Unter den Begriff des Versorgungsgrades fällt dem Wortsinn nach auch die bei den angegriffenen Ausführungsformen verwirklichte Anpassung, bei der lediglich die Erwärmungsdauer verändert wird.

Der Begriff des Versorgungsgrades ist auslegungsbedürftig, da es sich nicht um einen allgemeinbekannten Begriff im Bereich der Elektrotechnik handelt. Maßgeblich für die Auslegung ist hier zunächst der Wortlaut des französischen Originaltextes der Patentansprüche. Danach kann als treffende Übersetzung des Begriffes "intensite d'alimentation" die "Stärke der (Energie-)

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versorgung" angesehen werden. Elektrische Energie ist ein Produkt der Faktoren Spannung, Strom und Zeit. Hieraus folgt, dass bei einer konstanten Spannung V und einem gleichbleibenden Strom A eine Anpassung der Stärke der Energieversorgung auch durch eine Veränderung des Zeitfaktors h erfolgen kann. Die angegriffenen Ausführungsformen arbeiten auf der Basis einer Zeitvariation für die Dauer der Erhitzung. Auf diese Weise wird der Versorgungsgrad des elektrischen Widerstandes in Abhängigkeit zu den erfassten Werten abgeändert. Aufgrund dieser Abänderung erhält man einen für den Schweißvorgang geeigneten Strom oder eine geeignete Spannung. Allein diese Auslegung entspricht auch der Patentbeschreibung, in welcher mehrfach erwähnt ist, dass die Korrektur durch Veränderung der von der elektrischen Quelle gelieferten Leistung oder die Dauer der Erwärmung erfolgen kann (Anlage K 1 a, S. 9 in der Mitte, S. 15 zu Zone 8).

Wie schon die in § 10 Abs. 1 PatG erfolgte Beschränkung auf wesentliche Elemente der Erfindung zeigt, setzt eine mittelbare Patentverletzung nicht voraus, dass der Angebotsempfänger allein durch das angebotene (wesentliche) Mittel in die Lage versetzt sein muss, eine unmittelbare Patentverletzung zu begehen. Dass er dafür ggf. noch weitere Mittel (z.B. Vorrichtungsteile) benötigt, ist demgemäß unschädlich. Für einen Verfahrensanspruch bedeutet dies konsequenter Weise, dass das angebotene Mittel nur zur Durchführung eines wesentlichen Teils des patentgeschützten Verfahrens geeignet sein muss und es in objektiver Hinsicht einer mittelbaren Patentverletzung nicht entgegensteht, wenn der Angebotsempfänger unabhängig von diesem Mittel noch weitere Verfahrensschritte vornehmen muss, um den Verletzungstatbestand selbst vollständig zu verwirklichen.

2.

Auch die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 PatG sind erfüllt.

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Zwar ist es vorliegend so, dass die Angebotsempfänger und Abnehmer der Beklagten, die Identifikationskarten nicht mit Daten beschicken, Karteniesefrequenzen nicht definieren und die Karte dem zu erwärmenden Teil nicht zuordnen. Diese Maßnahmen werden vielmehr allein von den Herstellern der Teile und Karten vorgenommen. Die Abnehmer der Beklagten beziehen diese Teile bloß. Dies steht entgegen der Ansicht der Beklagten einer mittelbaren Patentverletzung jedoch nicht mangels einer Bestimmung der angegriffenen Ausführungsformen zur Benutzung der Erfindung, also zur Verwirklichung des Verletzungstatbestandes entgegen, da die Abnehmer der Beklagten sich die Handlungen der Hersteller, die unstreitig die der Verwendung der Maschine vorausgehenden erfindungsgemäßen Verfahrensschritte verwirklichen, nach den Zurechnungsgrundsätzen mittäterschaftlichen Handelns (§ 830 BGB) wie eigene Handlungen zurechnen lassen müssen. Nach diesen Grundsätzen muß jeder Täter den Willen haben, durch seine Handlung zugleich dieselbe Tat zu verwirklichen, auf die der Wille des anderen gerichtet ist. In welchem Maße er dabei zum Erfolg beiträgt, ist unerheblich (vgl. Soergel-Zeuner, BGB, Band 5/2,1999, § 830, RN 4; Stein, in: Münchner Kommentar, Band 5, 3. Aufl., § 830 RN 9). Er braucht auch nicht jede einzelne Handlung des anderen zu kennen und den Verletzungstatbestand in allen Einzelheiten vorauszusehen; vielmehr genügt es, wenn er ohne weiteres alles in Kauf nimmt, was der andere tut, um das gemeinsame Ziel zu erreichen (vgl. Stein, a.a.O.). Die Teilnahme verlangt neben der Kenntnis der Tatumstände nur in groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit den anderen (als Mittäter) auszuführen (vgl. BGHZ 89, 383, 389; Zeuner, a.a.O.). Vorliegend beschicken die Hersteller die Identifikationskarten mit den Daten gerade, um die Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens denjenigen zu ermöglichen, die über eine erfindungsgemäße Maschine verfügen. Dies folgt schon daraus, dass die Hersteller neben den bereits für den vorbekannten Stand der Technik erforderlichen Angaben zusätzlich in der Zone 8 der von ihnen erstellten und den Teilen zugeordneten Karten auch die Angaben eingeben, die für die nerstellerabhängige Korrektur des Schweißvorganges erforderlich sind. Sie

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gehen dabei davon aus, dass die Erwerber dieser von ihnen hergestellten Teile die auf den Karten enthaltenen Informationen durch Einlesen in Schweißgeräte verwenden, um das geschützte Verfahren mit all seinen Merkmalen durchzuführen.

Bei denjenigen, die über die hierfür erforderlichen Schweißgeräte verfügen, handelt es sich (u.a.) um die Abnehmer der Beklagten, die sich mit der Verwendung der zu erwärmenden Teile mit den Identifikationskarten die Vorarbeit der Hersteller bewusst und gewollt zu nutze machen, um die zur vollständigen Durchführung des patentgeschützten Verfahrens notwendigen Schritte durchzuführen. Sie erwerben diese Teile mit den zugeordneten Karten, um die von ihnen ebenfalls erstandenen Schweißgeräte der Beklagten entsprechend den Bedienungsanleitungen verwenden zu können, in denen darauf hingewiesen wird, dass alleine die Dateneingabe über den Barcodeleser ausreicht, um die Schweissung durchzuführen (Anlage K 10, S. 7/8).

Die Beklagten nehmen diese Bestimmung seitens ihrer Abnehmer und Angebotsempfänger zumindest billigend in Kauf, da die von ihnen angebotenen und vertriebenen Schweißgeräte so ausgelegt sind, dass sie offenkundig unter Verwendung der dem patentierten Verfahren entsprechenden Barcodes auf den Identifikationskarten geeignet sind, die geschützte Lehre anzuwenden, indem sie den Schweißvorgang unter Berücksichtigung der Korrekturwerte steuern, und sie ihre Abnehmer in der Bedienungsanleitung hierauf hinweisen.

III.

Die Beklagten können auch nicht mit Erfolg einwenden, dass der klageweise

geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz verwirkt

sei.

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Der Verwirkungseinwand ist ein Anwendungsfall des allgemeinen Einwands aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). Ein Recht ist verwirkt, wenn sich ein Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin (Zeitmoment) bei objektiver Beurteilung darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (Umstandsmoment) (BGH, in: GRUR 2001, 323, 324 - Temperaturwächter). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob das Zeitmoment bereits nach Ablauf von sieben Jahren und Fortwirkung des Patentschutzes erfüllt ist, da es jedenfalls an dem erforderlichen Umstandsmoment fehlt. Unwidersprochen haben die Kläger vorgetragen, dass die in den Jahren 1993 und 1994 geführten Verhandlungen deshalb nicht fortgeführt wurden, weil eine Schwestergesellschaft der Beklagten zu 2. eine Klage auf Nichtigerklärung des Klagepatents und negative Feststellungsklage in Italien erhoben hat. In diesem Verfahren haben die Kläger ihr Schutzrecht erfolgreich verteidigt. Aufgrund des Prozessverhaltens in dem dortigen Rechtsstreit konnte die Beklagte zu 2. aber nicht herleiten, dass die Kläger auf die Geltendmachung ihrer Rechte verzichten würden. Es war vielmehr naheliegend, dass die Kläger zunächst den Ausgang des Rechtsstreits in Italien abwarten wollten, bevor sie gegen die Beklagten aus dem deutschen Teil des Klagepatents vorgehen wollten. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob die Beklagten die streitgegenständlichen Geräte im Laufe der Jahre seit 1993 weiterentwickelten, da sie nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen durften, die Kläger hätten sich mit der Vorgehensweise abgefunden.

IV.

Aus der festgestellten mittelbaren Verletzung des Klagepatents ergeben sich

folgende Rechtsfolgen:

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1.

Da die Beklagten durch das Anbieten der angegriffenen Ausführungsformen § 10 Abs. 1 PatG zuwider gehandelt haben, sind sie den Klägerinnen gegenüber zur Unterlassung verpflichtet, § 139 Abs. 1 PatG. Die Unterlassungsverpflichtung reicht soweit, als die Beklagten nicht durch geeignete Maßnahmen hinreichende Vorsorge treffen, dass ihre Angebotsempfänger und Abnehmer die angegriffenen Ausführungformen nicht in patentverletzender Weise verwenden (vgl. hierzu Mes, GRUR 1998, 281, 283).

Diesem Erfordernis haben die Kläger in ihrer Antragsfassung gemäß Klageschrift genüge getan, soweit sie beantragt haben, dass die Beklagten ihre Abnehmer darauf hinzuweisen haben, dass die von ihnen vertriebenen Schweißgeräte nicht zur Benutzung des Klagepatents verwendet werden dürfen.

Der weitergehende Antrag der Kläger, im Falle der Lieferung von den Abnehmern ein vertragsstrafegesicherte Unterlassungsverpflichtungserklärung zu verlangen, ist hingegen unbegründet. Vorliegend können die patentverletzenden Vorrichtungen nicht nur patentgemäß, sondern auch patentfrei eingesetzt werden. Sie sehen nämlich auch ein Schweißen mit manueller Eingabe mit vom Hersteller vorgegebenen Daten zur Schweißspannung und zur Schweißzeit vor (vgl. Bedienungsanleitung Anlage K 10, S. 7/8), so dass sie auch ein Schweißen von Fittings erlauben, die über keinen Barcode bzw. einen Barcode ohne die erfindungsgemäßen Korrekturdatenwerte verfügen. Erlaubt eine Vorrichtung sowohl den patentgemäßen als auch den patentfreien Gebrauch, ist es nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urt. v. 20.6.2002, 2 U 81/99, Umdr. S. 43 ff. - Haubenstretchautomat) regelmäßig ausreichend, den mittelbaren Benutzer zu einem Warnhinweis auf das Klagepatent zu verpflichten, und kann die Vereinbarung einer vertragsstrafegesicherten Unterlassungsverpflichtungserklärung nur unter besonderen Umständen abverlangt werden. Der Lieferant ist zwar einerseits verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind sicherzustellen,

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dass der Abnehmer die gelieferte Vorrichtung nicht patentgemäß verwendet. Die Vorkehrungen dürfen andererseits aber auch nicht die Wettbewerbsfähigkeit des Lieferanten im Hinblick auf die patentfreie Verwendungsmöglichkeit der Vorrichtung zu stark beeinträchtigen. Dies ist bei der Ausbedingung von Vertragsstrafen in besonderem Maße zu befürchten, da es nach der Lebenserfahrung wahrscheinlich ist, dass auch diejenigen Abnehmer, die ein patentgemäße Benutzung nicht beabsichtigen oder einen Warnhinweis beachten werden, sich auf ein derartiges Ansinnen nicht einlassen werden, wenn sie auf vergleichbare Konkurrenzprodukte zurückgreifen können. Vor diesem Hintergrund ist nicht allein der Grad der Wahrscheinlichkeit einer patentverletzenden Handlung beim Abnehmer, sondern ebenfalls das berechtigte Interesse des Lieferanten zu berücksichtigen, jedenfalls mit Kunden, für die die Gefahr einer entsprechenden Zweckbestimmung nicht bekannt oder offensichtlich ist, sein Geschäft auch mit dem zur Benutzung der Erfindung geeigneten Mittel machen zu können. Es kommt daher regelmäßig nicht in Betracht, vom Lieferanten zu verlangen, das Mittel nur demjenigen anzubieten und zu liefern, der bereit ist, die Beachtung des Ausschließlichkeitsrechts durch ein Vertragsstrafeversprechen zu sichern (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., Umdr. S. 45). Dagegen ist dem Lieferanten ohne weiteres zuzumuten, den Abnehmer auf die Schutzrechtslage hinzuweisen, wobei Inhalt und Intensität eines solchen Warnhinweises sich nach dem Grad der Gefahr der patentverletzenden Benutzung richten (Scharen, GRUR 2001, 995, 998). Dass im Streitfall ein entsprechend gestalteter Warnhinweis nicht ausreicht, um die Abnehmer der Beklagten davon abzuhalten, die angegriffenen Vorrichtungen zur Durchführung des patentgeschützten Verfahrens zu erwerben und zu benutzen, sondern allein eine vertragsstrafegesicherte Unterlassungserklärung hierfür geeignet ist, lässt sich dem Vorbringen der Kläger nicht entnehmen. Zugunsten der Beklagten ist daher davon auszugehen, dass ihre Abnehmer sich über einen entsprechenden Warnhinweis nicht hinwegsetzen, sondern - soweit sie nicht von vornherein vom Erwerb der angegriffenen Vorrichtungen absehen - darauf achten werden, das pa-

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tentgeschützte Verfahren nicht oder nur mit Zustimmung der Kläger durchzuführen.

2.

Aufgrund des festgestellten Verletzungstatbestandes sind die Beklagten den Klägerinnen, da sie zumindest fahrlässig gehandelt haben, gem. § 139 Abs. 2 S. 2 PatG zum Schadensersatz verpflichtet. Da den Klägern die Verletzungshandlungen der Beklagten unstreitig seit mehr als drei Jahren vor Klageeinreichung (20.07.2001) bekannt waren, sind Schadensersatzansprüche der Kläger, die vor dem 21.07.1998 entstanden sind, verjährt (§§ 141 S. 1 PatG; 270 Abs. 3 ZPO). Für den vorhergehenden Zeitraum beschränkt sich der Ersatzanspruch der Kläger daher gemäß § 141 S. 2 PatG, §§ 852, 812 ff. BGB auf die Herausgabe des Erlangten nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung.

Da die Schadens-/ Bereicherungshöhe derzeit ungewiß ist, haben die Klägerinnen eine berechtigtes Interesse daran, dass die Verpflichtung zur Herausgabe bzw. Schadensersatzverpflichtung zunächst dem Grunde nach festgestellt wird, § 256 ZPO. Um die Klägerinnen in die Lage zu versetzen, diese Ansprüche zu beziffern, haben die Beklagten im zuerkannten Umfang Rechnung über ihre Benutzungshandlungen zu legen (§§ 242, 259 BGB). Die Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehaltes kommt nicht in Betracht. Die Beklagten haben keine Umstände vorgetragen, die erkennen lassen, dass die Benennung ihrer Abnehmer und Angebotsempfänger ausnahmsweise unverhältnismäßig ist.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711, 108 ZPO.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 17.12.2002
Az: 4 O 266/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8da29cb09385/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_17-Dezember-2002_Az_4-O-266-01




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