Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Dezember 2003
Aktenzeichen: 4 Ni 34/97

(BPatG: Beschluss v. 09.12.2003, Az.: 4 Ni 34/97)

Tenor

Die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Bundespatentgerichts vom 29. April 2003 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Der Wert des Gegenstandes des Erinnerungsverfahrens beträgt 18.263,52 €.

Gründe

I Der Bundesgerichtshof hat das klageabweisende Urteil des 4. Senats des Bundespatentgerichts bestätigt und die Berufung der Klägerin auf deren Kosten zurückgewiesen. Die Beklagte hat Kostenfestsetzung beantragt und dabei u.a. Honorare in Höhe von 11.296,59 € für die erste Instanz und 6.966,93 € für die zweite Instanz für den Privatgutachter Prof. S... geltend gemacht.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluß vom 29. April 2003 hat die Rechtspflegerin des Bundespatentgerichts die Kosten für den Parteigutachter abgesetzt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, Kosten eines Privatgutachters seien nur ausnahmsweise erstattungsfähig, zB wenn die Partei ihrer Darlegungspflicht mangels eigener Sachkunde nur mit Hilfe des Gutachters nachkommen könne. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt, da die Beklagte in ihrer europäischen Patent- und Lizenzabteilung Mitarbeiter beschäftige, die über rechtliche und technische Kenntnisse der firmenrelevanten Patentangelegenheiten verfügten und daher in der Lage seien, die Prozessbevollmächtigten und das Gericht zu informieren. Auch habe die Beklagte in zweiter Instanz kein gerichtliches Sachverständigengutachten entkräften müssen.

Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Beklagten. Sie trägt sinngemäß vor, sie habe ihrer Darlegungspflicht und Beweisführungslast in dem technisch besonders kompliziert und schwierig gelagerten Fall nur dadurch nachkommen können, dass sie einen akademisch vorgebildeten Privatgutachter mit der Beurteilung des Standes der Technik, der Rechtsbeständigkeit des Streitpatents und damit der Verteidigungsaussichten gegen die Klage beauftragt habe. Im übrigen könne unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Prozessparteien weder die Größe eines Unternehmens noch eine gemutmaßte Qualifikation seiner Mitarbeiter es rechtfertigen, dass diese sich mit einem geringeren erstattungsfähigen Aufwand für die Rechtsverteidigung begnügen müssten. Vielmehr sei auch ein größeres Unternehmen darauf angewiesen, sich in einem komplizierten Fall hierzu externen technischen Sachverstands zu bedienen. Hilfsweise seien die Kosten des Privatgutachters bis zu der Höhe der Kosten eines Patentanwalts, den die Beklagte ohne weiteres zur Mitwirkung hätte bestellen können, erstattungsfähig.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss zu ändern und auch die Kosten des Privatgutachters festzusetzen.

Die Klägerin beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung ist die Beauftragung des Privatgutachters nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte habe allein vor dem Europäischen Patentamt derzeit 248 europäische Patentanmeldungen zur Prüfung angemeldet. Die Vertretung in den zahlreichen Anmeldeverfahren werde dabei unmittelbar von der Beklagten selbst mit ihrer Patentabteilung geführt. Ebenso unterhalte die Beklagte eigene Forschungsabteilungen und sei daher sehr wohl in der Lage, technische Sachverhalte selbst zu bearbeiten. Ausweislich der Homepage der Beklagten unterhalte sie für das Gebiet der Flüssigkeitschromatographie eine eigene Forschungsabteilung.

II Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist gemäß §§ 99 Abs 1, 84 Abs 2, 121 Abs 2 PatG, § 104 Abs 3 ZPO, § 23 Abs 2 Satz 1 und 2 RPflG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Gegenstand der Erinnerung ist der Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 27. Februar 2003, soweit er zurückgewiesen worden ist, und somit ans ich auch die von der Rechtspflegerin abgelehnten Parteireisekosten für die zweite Person. Aus der Erinnerungsbegründung ergibt sich jedoch, dass sich die Beklagte gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss wendet, "soweit dort die Kosten des auf Seiten der Beklagten mitwirkenden Privatgutachters Pro. S... abgesetzt worden sind". Der Senat geht deshalb davon aus, dass Gegenstand der Erinnerung nur die Kosten des Privatgutachters sind.

Diese Kosten hat die Rechtspflegerin zu Recht abgesetzt.

Gemäß § 84 Abs 2 Satz 1 und 2, 1. Halbsatz PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die dem Gegner erwachsenen Kosten zu tragen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die die Kosten auslösende Handlung muss zur Zeit ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet gewesen sein, das im Streit stehende Recht zu verfolgen oder zu verteidigen. Dabei muss jede Partei die Kosten, die sie im Falle des Obsiegens vom Gegner verlangen will, so niedrig halten, wie sich das mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten prozessualen Belange vereinbaren lässt (allg. Meinung, vgl Zöller, Zivilprozessordnung, 22. Aufl, § 91 Rn 12).

Die Kosten eines Privatgutachtens können dementsprechend nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nur ausnahmsweise als erstattbare, notwendige Kosten des Rechtsstreits anerkannt werden. Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit ist zunächst, dass das Gutachten gerade mit Rücksicht auf diesen Prozess in Auftrag gegeben worden ist. Das mag hier der Fall sein. Ob die Beauftragung des Gutachters auch notwendig war, beurteilt sich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Beauftragung ex ante als sachdienlich ansehen durfte, was bspw bejaht worden ist, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnis aus eigener Kraft nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war (so zum Zivilprozess BGH NJW 2003, 1398/1399). Das Bundespatentgericht, für das im wesentlichen die gleichen Grundsätze gelten (vgl Busse, Patentgesetz, 5. Aufl, § 84 Rn 57), hat in einem Falle einer Doppelvertretung durch Rechts- und Patentanwalt, deren Kosten im Nichtigkeitsverfahren ohne weiteres als erstattungsfähig anerkannt sind, den Vortrag konkreter Umstände gefordert, die die zusätzliche Einholung eines Privatgutachtens notwenig erscheinen ließen (BPatGE 17, 70). Als solchen, die Kostenerstattung rechtfertigenden Umstand hat es teilweise anerkannt, dass das Gutachten in letzter Instanz den gerichtlichen Gutacher entkräften sollte (BPatGE 24, 30, ähnlich BPatGE 25, 155; nach BPatGE 25, 114 sollen bei Doppelvertretung zusätzlich die Kosten eines in Patentsachen besonders erfahrenen Juristen als Privatgutachter erstattungsfähig sein; a.A. BPatGE 30, 263; BPatGE 33, 274).

Keiner dieser Ansätze rechtfertigt im vorliegenden Falle die Festsetzung der Kosten des Privatgutachters. Die Beklagte war offensichtlich in der Lage, ohne Hilfe des Gutachters sachgerecht vorzutragen. Sie hat im März 1998 eine ausführliche Widerspruchsbegründung eingereicht. Erst etwa einen Monat vor dem Verhandlungstermin vor dem Bundespatentgericht hat sie das Gutachten S... vom 9. März 1999 in den Prozess eingeführt.

Besondere Umstände, die die Einschaltung eines Privatgutachters notwendig erscheinen ließen, sind auch sonst nicht vorgetragen. Die Behauptung, es habe sich um einen technisch komplizierten Fall gehandelt und der Gutachter habe die Verteidigungsaussichten gegen die Klage beurteilen müssen, geht schon deshalb ins Leere, weil der Gutachter (angesichts seiner Beauftragung etwa ein Jahr nach Vorlage der Widerspruchsbegründung) hierzu nichts mehr beitragen konnte.

Die Gutachterkosten waren auch nicht notwendig, um ein der Beklagten ungünstiges Gutachten zu entkräften. Das (nach Erstattung des Privatgutachtens) erstellte gerichtliche Gutachten, das Grundlage für die Zurückweisung der Berufung der Klägerin war, war der Beklagten günstig, brauchte von ihr also nicht entkräftet zu werden.

Da die Erstattung der Gutachterkosten als solcher schon dem Grunde nach abzulehnen ist, ist auch für ihre - von der Beklagten hilfsleise beanspruchte - Anerkennung in Höhe jedenfalls der Kosten eines hinzugezogenen Patentanwalts kein Raum. Diesem Verlangen der Beklagten könnte nur entsprochen werden, wenn für einen solchen - eingeschränkten - Erstattungsanspruch eine entsprechende Rechtsgrundlage gefunden würde. Zu denken wäre hier - und darauf scheint die Argumentation der Beklagten abzuzielen - an eine analoge Anwendung der Grundsätze über die Erstattung der Kosten eines hinzugezogenen Patentanwalts.

Zwar sind im Patentnichtigkeitsverfahren grundsätzlich die Kosten für die Doppelvertretung durch einen Rechts- und einen Patentanwalt erstattungsfähig. § 143 Abs 3 (früher: Abs 5) PatG, der seinem Wortlaut nach nur für Patentstreitsachen gilt, wird hier in ständiger Rechtsprechung entsprechend angewendet (vgl Busse aaO, § 84 Rn 55). Für eine darüber hinausgehende analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den hinzugezogenen (nichtpatentanwaltlichen) privaten Sachverständigen fehlt indessen jede Rechtfertigung. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten des hinzugezogenen Anwalts ist in der Besonderheit des Patentverfahrens begründet, dessen sachgerechte Führung rechtliche und zugleich technische Sachkunde auch bei den Parteien erfordert. Das System des gewerblichen Rechtsschutzes sieht vor, dass diese doppelte Sachkunde durch besonders geschulte (Rechts- und) Patentanwälte erbracht wird, deren Vorbildung, Examinierung und standesrechtliche Einordnung als Organe der Rechtspflege eine besondere Garantie für die Güte der Beratung und eine sachgerechte Unterstützung der gerichtlichen Arbeit bieten. Diese besondere Verfahrenslage im Patentrecht, die Qualifikation des genannten Personenkreises und die demgemäß herausgehobene Rechtsstellung seiner Mitglieder als Organe der Rechtspflege rechtfertigen die privilegierte Behandlung der durch ihr Tätigwerden verursachten Kosten. Der private Sachverständige besitzt keines dieser Qualifikationsmerkmale, selbst wenn er über die erforderliche Sachkunde im Einzelfall durchaus verfügen wird. Denn nicht einmal sie ist - anders etwa als bspw beim gerichtlich ernannten Sachverständigen - durch ein entsprechendes Verfahren unter Beteiligung der Prozeßparteien geprüft und gewährleistet. Für seine Gleichstellung mit einem (Rechts- oder) Patentanwalt fehlt deshalb jede Rechtfertigung.

III Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO. Der Wert des Erinnerungsverfahrens errechnet sich nach den Kosten des Privatsachverständigen Prof. S..., deren Festsetzung die Rechtspflegerin abgelehnt hat.

Dr. Schwendy Schuster Bülskämper Be






BPatG:
Beschluss v. 09.12.2003
Az: 4 Ni 34/97


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