Niedersächsisches Finanzgericht:
Beschluss vom 10. Juni 2005
Aktenzeichen: 3 KO 24/05

(Niedersächsisches FG: Beschluss v. 10.06.2005, Az.: 3 KO 24/05)

Tatbestand

Die Parteien haben den Rechtsstreit im Hauptsacheverfahren 3 K 378/03 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Gericht legte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Beklagten auf.

Der bereits festgesetzte Termin zur mündlichen Verhandlung wurde aufgehoben, nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Zum Termin zur mündlichen Verhandlung war auch eine Zeugin geladen worden. Diese sollte zur Absendung des streitigen Erbschaftsteuerbescheides befragt werden.

Der Bevollmächtigte machte eine Verhandlungs- sowie eine Beweisgebühr geltend.

Der Urkundsbeamte lehnte die Festsetzung einer Verhandlungs- und einer Beweisgebühr mit Beschluss vom 25.2.2005 ab. Eine Zeugenvernehmung habe mangels mündlicher Verhandlung nicht stattgefunden. Es sei deshalb weder eine Verhandlungs- noch eine Beweisgebühr verdient.

Hiergegen richtet sich die Erinnerung.

Der Erinnerungsführer ist der Rechtsansicht, die beiden streitigen Gebühren seien entstanden.

Die Beweisgebühr sei bereits mit Ladung des Zeugen und Bekanntgabe des Beweisthemas am 22.11.2004 entstanden. Die Verhandlungsgebühr sei bereits durch die streitige Verhandlung im schriftlichen Verfahren sowie der Bearbeitung der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung entstanden.

Der Erinnerungsgegner beantragt die Erinnerung zurückzuweisen.

Eine Verhandlungsgebühr sei nicht entstanden, da eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden habe. Ein Beweisbeschluss sei nicht verkündet worden, die Zeugin sei lediglich prozessleitend geladen worden.

Gründe

Die Erinnerung ist nicht begründet.

Es ist weder eine Verhandlungs- noch eine Beweisgebühr entstanden.

1. Verhandlungsgebühr

Die Kostenentscheidung des Gerichts nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist keine Entscheidung, die den Ansatz einer Verhandlungsgebühr gem. § 117 BRAGO rechtfertigt (Hessisches Finanzgericht Beschluss vom 20. September 1988, Az: 2 Ko 3121/88, EFG 1989, 140; Finanzgericht des Saarlandes Beschluss vom 2. Mai 1989, Az: 2 S 15/89, EFG 1989, 652).

Die geltend gemachte Verhandlungsgebühr nach § 117 in Verbindung mit §§ 35, 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO ist nicht entstanden. Erklären die Beteiligten - wie hier - während des Klageverfahrens übereinstimmend die Hauptsache für erledigt, so endet hierdurch unmittelbar das Verfahren. Die nachfolgende Entscheidung über die Kosten ist - unabhängig davon, ob die Beteiligten gemäß § 121 i. V. m. § 90 Abs. 2 FGO auf mündliche Verhandlung verzichtet haben - keine Entscheidung im Sinne des § 117 BRAGO, die eine Verhandlungsgebühr auslösen könnte (BFH-Beschluss vom 19. Juni 1969 VII B 99/68, BStBl II 1969, 590; Gräber, FGO, § 139 Anm. 15; Tipke-Kruse, FGO, § 139 Rz. 85 ff.).

Sinn und Zweck der Verhandlungsgebühr führen dazu, den Begriff des Verfahrens im Sinne der FGO zu verstehen. Durch die Verhandlungsgebühr soll nämlich die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung abgegolten werden. Wie durch § 35 BRAGO soll auch durch § 117 Abs. 2 BRAGO erreicht werden, dass dem Prozessbevollmächtigten die Verhandlungsgebühr dafür gezahlt wird, dass er durch seine schriftsätzliche Vorarbeit zu der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung beigetragen hat. Eine solche Entscheidung kann nur in dem "Verfahren" im Sinne von § 143 Abs. 1 FGO ergehen, das, falls es nicht "in anderer Weise" beendet wird, durch Urteil endet. Die hier vertretene Auffassung stimmt auch mit der Regelung in § 37 Nr. 7 BRAGO überein, nach der für den Kostenausspruch eine besondere Gebühr nicht entstehen soll.

Die Verhandlungsgebühr entsteht somit nur, wenn, ggf ohne mündliche Verhandlung, "entschieden" wird. Es muss eine Entscheidung des Gerichts ergangen sein, lediglich die Einreichung von Schriftsätzen des Bevollmächtigten reicht hierzu nicht aus. Die Verhandlungsgebühr kann nur durch solche Entscheidungen entstehen, die nach den Vorschriften der BRAGO grundsätzlich nach mündlicher Verhandlung ergehen, auch wenn sie, wie im Streitfall, nicht durchgeführt zu werden braucht.

Nach Abgabe der beiderseitigen Erledigungserklärungen allerdings brauchte das Gericht keine Sachentscheidung mehr treffen, sondern lediglich noch über die Kosten entscheiden. Dieses ist keine eine Verhandlungsgebühr auslösende Entscheidung i.S.d. BRAGO.

2. Beweisgebühr

Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO erhält der Prozessbevollmächtigte eine volle Gebühr für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren oder bei der Anhörung oder Vernehmung einer Partei nach § 613 der Zivilprozessordnung (ZPO). Diese sog. Beweisgebühr gilt die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren, d.h. den Mehraufwand des Prozessbevollmächtigten (Zeit, Verantwortung, Tätigkeit), der durch die Beweisaufnahme entsteht, ab. Eine Beweisaufnahme hat den Sinn, eine bestehende Ungewissheit des Gerichts über den Wahrheitsgehalt des Parteivorbringens zu beseitigen oder sonstige ihm zweifelhaft erscheinende Umstände erweislich zu machen. Deshalb müssen, damit eine Beweisaufnahme erforderlich wird, entweder Parteibehauptungen streitig sein oder - bei dem Amtsermittlungsgrundsatz im finanzgerichtlichen Verfahren - unbestrittene Darlegungen nach der Auffassung des Gerichts einer Nachprüfung von Amts wegen bedürfen (BFH-Beschluss vom 17.8.1976 VII B 7/75, BStBl II 1976, 687). Eine Beweisaufnahme liegt dann vor, wenn das Gericht in der Absicht, entscheidungserhebliche und beweisbedürftige Tatsachen zu klären, die Beweismittel einsetzt, die in § 81 Abs. 1 FGO angegeben sind (Tipke/Kruse, a.a.O., § 81 FGO Tz. 2). In diesem Fall kommt es nicht mehr darauf an, ob das Gericht einen förmlichen Beweisbeschluss erlassen hat, statt des Spruchkörpers der Vorsitzende oder der Berichterstatter tätig wurde, das Gericht sich der Beweisaufnahme gar nicht bewusst war oder der mit keiner Beweisaufnahme beauftragte Berichterstatter eigenmächtig gehandelt hat (z.B. Beschlüsse des Finanzgerichts - FG - Baden-Württemberg vom 17.3.1992 9 Ko 6/91, EFG 1992, 485, und des FG Bremen vom 13.1.2000 2 99 302 Ko 2, EFG 2000, 289; beide m.w.N.). Dabei muss allerdings der objektive Wille des Gerichts, Beweis erheben zu wollen, nach außen erkennbar werden (BFH- Beschluss vom 8.11.1972 VII B 41/71, BStBl II 1973, 229). Nicht ausreichend sind Anordnungen nach § 79 FGO i.V. mit § 273 ZPO, die eine weitere Sachaufklärung bezwecken oder eine Beweisaufnahme vorbereiten (Tipke/Kruse, a.a.O., § 139 FGO Rz. 92 m.w.N.; Eckert, StbGebV, 3. Aufl. 2001, § 31 BRAGO unter 4.7).

Dies gilt insbesondere bei der Anhörung eines Finanzbeamten zur weiteren Ergänzung bzw. Erläuterung des Sachverhaltes. Hiermit wird lediglich eine weitere Sachaufklärung beabsichtigt. Vom Beweisaufnahmeverfahren zu unterscheiden sind nämlich alle Maßnahmen, die der Sachaufklärung dienen. Hier entsteht die Beweisgebühr nicht, auch wenn etwa Personen angehört oder Akten beigezogen werden (Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 1985, Az: X-Ko 1/85 DStR 1986, 235-235).

Danach ist im Streitfall eine Beweisaufnahmegebühr nicht entstanden.

Das Gericht hat keinen förmlichen Beweisbeschluss erlassen, sondern mit der Ladung des Steuerbeamten zum Termin zur mündlichen Verhandlung lediglich das Beweisthema bekannt gegeben. Hier sollte eine Anhörung des Steuerbeamten zur weiteren Ergänzung und Aufklärung des Sachverhaltes erfolgen. Eine Beweisgebühr wäre deshalb erst mit der Verkündung eines Beweisbeschlusses und Beginn der Vernehmung entstanden (Niedersächsisches Finanzgericht Beschluss vom 30. Juli 1980, Az: X (I) 209/80 Ko, EFG 1981, 205-206).

Die Erinnerung war als unbegründet zurückzuweisen.






Niedersächsisches FG:
Beschluss v. 10.06.2005
Az: 3 KO 24/05


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