Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Juli 2000
Aktenzeichen: 24 W (pat) 262/99

(BPatG: Beschluss v. 11.07.2000, Az.: 24 W (pat) 262/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Dezember 1998 und vom 25. Mai 1999 aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren "Stilleinlagen" zurückgewiesen worden ist.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

In das Markenregister mit den Farben weiß und blau eingetragen werden soll die nachstehend wiedergegebene Wort-/Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endefür die Waren

"Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere Hautcremes, Öle und Lotionen; Mittel für die Körperhygiene, insbesondere Öltücher, Feuchttücher, feuchte Waschlappen; Hautpflege- und Reinigungstücher, soweit in Klasse 3 enthalten; Badezusätze, nicht für medizinische Zwecke; Seifen; Wattestäbchen; Shampoos; alle vorgenannten Waren insbesondere für Babys und Kleinkinder bestimmt; Stilleinlagen; Wundschutzcremes; Babyhöschenwindeln, überwiegend aus Papier oder Zellstoff".

Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung zurückgewiesen und der hiergegen gerichteten Erinnerung den Erfolg versagt. Sie hat dazu ausgeführt, die angemeldete Marke entbehre jeglicher Unterscheidungskraft. "Babyline" stelle eine Bestimmungsangabe dar in dem Sinne, daß die beanspruchten Waren auf die spezifischen Bedürfnisse von Babys ausgerichtet sein könnten. Namentlich auch die geschlossene Schreibweise entbehre der Originalität. Die graphische Einbindung dieses Wortes in eine bogenförmige Einfassung sei eine naheliegende Gestaltung, die lediglich als Mittel dekorativer Hervorhebung des Schriftzugs wirke. Von gestalterischer Beliebigkeit sei auch die Farbwirkung des Zeichens.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt.

Sie macht geltend, die angemeldete Marke entbehre nicht jeglicher Unterscheidungskraft, denn in ihrer Kombination aus Wort-, Bild- und Farbelementen weise sie einen hinreichend schutzfähigen Überschuß auf, um als betrieblicher Herkunftshinweis dienen zu können, zumal an die erforderliche Unterscheidungskraft keine hohen Anforderungen zu stellen seien, weil ein Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten farbigen Wort-/Bildmarke nicht erkennbar sei. In ihrer Gesamtheit weise die Marke das erforderliche Maß an Originalität und Kennzeichnungskraft auf. Insbesondere die Farbkombination dunkelblau/weiß wirke so eigenartig und sei für den Gesamteindruck so wesentlich, daß sie beim Verkehr die Vorstellung eines individuellen Betriebskennzeichens hervorrufe.

Die Anmelderin beantragt (sinngemäß), die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet.

1. Zu Recht hat die Markenstelle die Anmeldung der Marke für die Waren "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere Hautcremes, Öle und Lotionen; Mittel für die Körperhygiene, insbesondere Öltücher, Feuchttücher, feuchte Waschlappen; Hautpflege- und Reinigungstücher, soweit in Klasse 3 enthalten; Badezusätze, nicht für medizinische Zwecke; Seifen; Wattestäbchen; Shampoos; alle vorgenannten Waren insbesondere für Babys und Kleinkinder bestimmt; Wundschutzcremes; Babyhöschenwindeln, überwiegend aus Papier oder Zellstoff" gemäß § 37 Abs 1 MarkenG zurückgewiesen.

Insoweit ist der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abzusprechen. Die angemeldete Marke erschöpft sich letztlich in einer einfach gestalteten Angabe zur Bestimmung der vorgenannten Waren. Sie besteht aus dem Wort "babyline" und einem graphischen Gebilde.

"Babyline" ist von beschreibender Bedeutung und bringt lediglich zum Ausdruck, daß es sich bei den fraglichen Waren um ein Sortiment bzw eine Kollektion von Artikeln handelt, deren Zielgruppe Säuglinge bzw Kleinkinder sind (vgl EuG MarkenR 2000, 70, 71 f "Companyline"; BGH GRUR 1996, 68, 69 "COTTON LINE"; GRUR 1998, 394, 396 "Active Line"). Diese warenbeschreibende Bedeutung von "babyline" ist auch für den Verkehr ohne weiteres erkennbar, wobei auf das Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durschschnittsverbrauchers abzustellen ist (vgl hierzu auch BGH GRUR 2000, 506, 508 "ATTACHÉ/TISSERAND"), der in dem englischen Wort "line" das sprachlich verwandte deutsche Wort "Linie" und nicht - wie die Anmelderin meint - eine Verkleinerungsform sieht (vgl BGH aaO "Active Line").

Die über das reine Wort "babyline" hinausgehende Gestaltung der angemeldeten Marke ist auch nicht geeignet, die Gesamtmarke unterscheidbar zu machen. Dies gilt ohne weiteres für die Kleinschreibung des genannten Worts, welche in der Werbung gang und gäbe ist. Auch die gewölbte Schreibweise des Worts und dessen Umfeld in Form einer spruchbandartigen Hintergrundgestaltung verläßt in keiner Weise den herkömmlichen Formenschatz der Werbe- und Gebrauchsgrafik. Es handelt sich hierbei um einfache graphische Gestaltungselemente die - wie dem Verkehr aus Erfahrung bekannt ist - in der Werbung aber auch auf Warenverpackungen oder Geschäftsbriefen üblicherweise in bloß ornamentaler, schmückender Form verwendet werden (vgl BGH GRUR 2000, 502, 503 "St. Pauli Girl"). Ebenso ist die gewählte Farbgebung in blau und weiß ohne jede individualisierende Funktion.

Soweit die Anmelderin davon ausgeht, daß im Hinblick auf ein angebliches Fehlen eines Freihaltungsbedürfnisses (iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) an der angemeldeten Marke besonders geringe Anforderungen an deren Unterscheidungskraft zu stellen seien, vermag ihr der Senat bereits im Ansatz nicht zu folgen. Für das Verhältnis der Schutzhindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft einerseits und des Vorliegens einer freihaltungsbedürftigen beschreibenden Angabe andererseits hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ausdrücklich festgestellt, daß eine Differenzierung der Unterscheidungskfraft nach dem Grad eines möglichen Freihaltungsbedürfnisses unzulässig ist (EuGH GRUR 1999, 723, 727 "Chiemsee" unter Nr. 48 der Entscheidungsgründe). Dieses Gebot der rechtlichen Trennung beider Schutzausschließungsgründe des Art 3 Abs 1 Buchst b und c Markenrechtsrichtlinie bzw § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG gilt für jeden Fall, also gleichermaßen für eine Erhöhung wie für eine Reduzierung der Anforderungen an die erforderliche Unterscheidungskraft durch Erwägungen des Freihaltungsbedürfnisses. Die häufig geäußerte Auffassung, wonach eine Wechselwirkung dahingehend bestehe, daß einerseits bei stark freihaltungsbedürftigen Angaben an die Unterscheidungskraft höhere Anforderungen anzusetzen seien, welche andererseits bei geringem oder gar fehlendem Freihaltungsbedürnis stark reduziert werden müßten, kann insoweit nicht aufrecht erhalten werden. Hierbei darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß beide Eintragungshindernisse begrifflich streng auseinanderzuhalten sind (vgl BPatG GRUR 1997, 530, 531 "Rohrreiniger"; HABM Mitt 1998, 931, 932 "TeleBingo"; Mitt 1998, 396, 397 "SUPREME"). So bemißt sich die Frage der Unterscheidungskraft ausschließlich danach, ob die beteiligten Verkehrskreise in der angemeldeten Marke einen betrieblichen Herkunftshinweis sehen. Dagegen ist für das Freihaltungsbedürfnis an einer beschreibenden Angabe lediglich das bererchtigte Interesse der Mitbewerber maßgeblich; die Beurteilung der Marke durch die Abnehmer kann dagegen allenfalls mittelbar von Bedeutung sein. Damit trägt die pauschale, nicht näher begründete Feststellung, angesichts eines fehlenden Freihaltungsbedürfnisses an der angemeldeten Marke sei auch deren Unterscheidungskraft zu bejahen, dem eigenständigen Charakter von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG nicht hinreichend Rechnung und spricht dieser Vorschrift praktisch jeglichen eigenen Anwendungsbereich ab, was weder mit dem Markengesetz noch mit der Markenrechtsrichtlinie (in der maßgeblichen Auslegung der "Chiemsee"-Entscheidung des EuGH, aaO) in Einklang zu bringen ist.

2. Bezüglich der in der Beschlußformel aufgeführten Waren "Stilleinlagen" stehen jedoch der Eintragung der angemeldeten Marke die Vorschriften des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht entgegen.

Die Wort-/Bildmarke stellt für die vorgenannten Waren keine freihaltungsbedürftige beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG dar. Von dieser Vorschrift werden nur solche Marken erfaßt, die einen unmittelbaren Warenbezug aufweisen, also die im Gesetz im einzelnen aufgeführten Angaben, sonstige Merkmale der Waren oder unmittelbar mit ihnen in Beziehung stehende Umstände bezeichnen (vgl BGH GRUR 1999, 1 093, 1 094 "FOR YOU"). Der angemeldeten Merke fehlt es insoweit an einem entsprechenden Warenbezug. Denn der Wortbestandteil "babyline" weist - wie oben ausgeführt - auf die Zielgruppe der Säuglinge bzw Kleinkinder hin. Die fraglichen "Stilleinlagen" dagegen werden von stillenden Müttern an sich selbst benutzt und kommen so allenfalls mittelbar Säuglingen zugute. Nachdem somit die in der angemeldeten Marke enthaltene Bestimmungsangabe "babyline" mit Bezug auf die "Stilleinlagen" keine unmittelbar beschreibende Angabe darstellt, ist insoweit ein Bedürfnis am freien Gebrauch der angemeldeten Marke zumal in der gewählten Gestaltung zu verneinen (vgl BGH GRUR 1999; 988, 989 "HOUSE OF BLUES").

Der angemeldeten Marke kann insoweit auch die gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Wie ausgeführt ist dem Ausdruck "babyline" für Stilleinalgen" ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt (vgl BGH GRUR 2000, 231, 232 "FÜNFER") nicht zuzuordnen. Im Zusammenhang mit diesen, gerade nicht für Babys, sondern für Mütter bestimmten Waren sprechen auch keine sonstigen Umstände gegen die Eignung der angemeldeten Marke, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden zu werden, zumal es sich bei "babyline" insoweit nicht um eine bloße Werbeaussage allgemeiner Art handelt, die auch ohne nähere analysierende Betrachtungsweise nur als solche aufgefaßt werden kann.

Der Beschwerde ist somit für den Bereich der Waren "Stilleinlagen" stattzugeben; im übrigen ist sie zurückzuweisen.

Dr. Ströbele Werner Dr. Schmittbr/prö

Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/24W(pat)262-99.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 11.07.2000
Az: 24 W (pat) 262/99


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