Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 15. November 2006
Aktenzeichen: L 16 B 28/06 KR ER

(LSG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 15.11.2006, Az.: L 16 B 28/06 KR ER)

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr einstweiligen Rechtsschutz versagenden Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 7. April 2006 wird zurückgewiesen, nachdem das SG der Beschwerde nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 20.06.2006). Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird im Anschluß an die Entscheidung des SG auf 25.000.- EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des SG Düsseldorf vom 7.4.2006 ist unbegründet.

Nach § 86 b Abs 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der seit dem 2.1.2002 anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 17.8.2001 (BGBl 2144) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Weder das Bestehen einer entsprechenden Rechtsposition noch die beschriebene Gefahr in Bezug auf eine Verwirklichung des behaupteten Rechts im Hauptsacheverfahren sind glaubhaft gemacht (§ 86 b Abs 2 S. 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO)), d.h. "überwiegend" wahrscheinlich.

Im Anschluß an die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.1.1986 (8 RK 60/84 und 59/84 = SozR 1500 § 55 Nr 31) hat der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 22.3.1987 entschieden, daß Kassen bzw. Kassenverbände - soweit sie dadurch beschwert sind, und so die Gefahr der Wiederholung besteht - von anderen Kassen im Wege der leugnenden Feststellungsklage die Unterlassung von Handlungen verlangen können, die vom gesetzlichen Auftrage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht gedeckt sind, und daß insoweit kein Anlaß besteht, im öffentlichen Recht hinter die Vorschriften des Wettbewerbsrechts des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zurückzugehen (L 16 Kr 25/86 LSG NW - dort: Verwendung von Vordrucken irreführenden Inhalts im Rahmen der Mitgliederwerbung). Zwar hat das BSG alsdann im Urteil vom 31.3.98 (B 1 KR 9/95 R = BSGE 82,78 = SozR 3-2500 § 4 Nr 1) betont, es stehe nicht die Marktposition der einzelnen Kasse oder Kassenart und die Abwehr dagegen gerichteter Angriffe konkurrierender Kassen im Vordergrund, sondern die Funktionsfähigkeit des Systems als Ganzes; das BSG hat dann aber aaO gleichwohl (obiter dictum) anerkannt, daß sich ein Anspruch des beeinträchtigten Trägers auf Unterlassung der unzulässigen Werbemaßnahmen ergeben könne, würden bei der Werbung die Pflicht zur sachbezogenen Information und zur Rücksichtnahme auf die Belange der anderen Krankenversicherungsträger nicht beachtet (Hinw. auf BSG SozR 1500 § 55 Nr 31 S 31; BSGE 63, 144, 145 f = SozR 2200 § 517 Nr 11 S 30 f; GmS-OGB BGHZ 108, 284, 288 = SozR 1500 § 51 Nr 53 S 110). Dieser Auffassung hat sich der erkennende Senat bereits angeschlossen (Urt.v. 13.2.2001 L 16 KR 57/01 LSG NW) und daran hält er fest. Es könnte allerdings erörtert werden, ob für solcher Art Unterlassungsklagen noch ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, nachdem die "Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung" vom 19.3.1998 idF vom 20.10.2000 zur Konfliktlösung Schiedsvereinbarungen und die Inanspruchnahme der Aufsichtsbehörden vorsehen.

Würde die Antragsgegnerin, wie die Antragstellerin dies behauptet, Mitglieder mit dem Versprechen werben, ihnen aus Anlaß der Begründung der Mitgliedschaft Geld oder Geldsurrogate zukommen zu lassen, wäre dies zweifellos ein Vorgehen, das vom gesetzlichen Auftrag der GKV nicht gedeckt wäre. Soweit der Gesetzgeber behauptet, Wettbewerb unter den Kassen eingeführt zu haben, so zielt dieser im wesentlichen auf eine Verbesserung der Infrastruktur der Kassen, keinesfalls aber auf die Ausgabe von Mitteln über ihre gesetzliche Bindung hinaus (§§ 259 ff SGB V). Die antragstellende Kasse wäre durch dies Verhalten beschwert, weil sie sich genötigt sehen könnte, zu ähnlichen außergesetzlichen Maßnahmen der Mitgliederwerbung zu greifen, um "im Wettbewerb" nicht das Nachsehen zu haben.

Dies sieht auch die Antragsgegnerin gar nicht anders, wenn sie erklärt, sie teile die Auffassung, daß sich Mitgliederwerbung mittels der Autorität des Arbeitgebers oder mittels Geldgeschenken außerhalb der Grenzen des Wettbewerbes der Krankenkassen bewege; es entspreche nicht den Gepflogenheiten der Kasse, in dieser Weise Mitglieder zu werben; bei den von der Antragstellerin geschilderten Fällen handle es sich um Einzelfehlverhalten, das sie bedaure, oder aber um Mißverständnisse; zudem komme ihr die Antragstellerin seit geraumer Zeit immer wieder mit dem Vorwurf angeblicher Wettbewerbsverstöße.

Bestreitet aber die Antragsgegnerin den ihr zur Last gelegten Gesetzesverstoß oder jedenfalls aber ein mit Wiederholungsgefahr verbundenes systematisches Vorgehen der Kasse, so geht der Senat mit dem SG davon aus, daß sich nach dem bisher möglichen Erkenntnisstand (umstrittener Eidesstattlicher Versicherungen) nicht feststellen läßt, daß die Darstellung der Antragstellerin ein Mehr an Gewißheit auf ihrer Seite hat. Es liegen darüber hinaus auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, daß die notwendige Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. BVerfG Entsch. v. 14.5.96 2 BvR 1516/93 = BVerfGE 94,166; v. 17.12.98 B 13 RK 83/97 R = SozR 3-1500 § 62 Nr 19). Daran hat sich auch durch den weiteren Vortrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nichts geändert. Es bestand auch kein Anlaß, geringere Anforderungen zu stellen oder bereits im Rahmen des Verfahrens wegen der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes Beweis zu erheben im Hinblick auf ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes möglicherweise eintretende schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung auch ein der Antragstellerin günstige Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG Entsch.v. 19.10.77 2 BvR 42/76 = BVerfGE 46,166 = USK 77 188). Der durch gesetzwidriges Verhalten der Antragsgegnerin entstehende Wettbewerbsnachteil träfe vor allem das System der GKV insgesamt (vgl. §§ 265 ff SGB V). Soweit auch die Antragstellerin betroffen sein kann, ist ihr ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nach allem durchaus zumutbar.

Es konnte schließlich auch nicht die Tatsache zu einer anderen Entscheidung führen, daß die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 8.5.2006 eingeräumt hat, die rechtswidrige Werbung chinesischer Studenten auf der Internetseite www.csuchen.de falle (über verschlungene Pfade) in ihren Verantwortungsbereich. Insoweit kann jedenfalls eine Wiederholungsgefahr nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, nachdem die Antragsgegnerin zugleich mit ihrer Erklärung vom 8.5.2006 eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung gegenüber der Antragstellerin abgegeben hat. Insoweit scheint es der Antragstellerin in Anbetracht der wohl verhältnismäßig geringen Zahl der Interessenten umsomehr zumutbar, die Klärung im Hauptsacheverfahren abzuwarten, was die Antragsgegnerin im Einzelnen zu unterlassen hat, und ob die Antragsstellerin die Unterlassungserklärung der Gegnerin zu Recht als unzureichend betrachtet.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 197a iVm § 154 Abs 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Beschwerde zum BSG ist nicht gegeben (§ 177 SGG).






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