Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. August 2011
Aktenzeichen: 28 W (pat) 20/11

(BPatG: Beschluss v. 16.08.2011, Az.: 28 W (pat) 20/11)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 10 vom 11. Mai 2010 und vom 21. Dezember 2010 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Wortmarke SCAR-BLADE ist zur Eintragung als Marke für die nachfolgenden Waren der Klasse 10

"Hochfrequenz(HF)-Chirurgie-Instrumente"

angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 10 hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der angesprochene Verkehrskreis werde die sprachüblich zusammengefügte Bezeichnung "SCAR-BLADE" im Sinne von "Klinge für Narben" verstehen und sie ohne Weiteres als Hinweis auf ein chirurgisches Instrument für die Narbenbehandlung verstehen, nicht aber als betrieblichen Herkunftshinweis.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie insbesondere geltend macht, dass der Marke hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Waren keinerlei produktbeschreibender Sinngehalt zukomme. Bei dem Begriff "SCAR-BLADE" handle es sich um eine Wortneuschöpfung ohne Produktbezug zu den konkret beanspruchten Waren. Eine Behandlung durch Klingen oder Messer scheide als Therapiemaßnahme aus medizinischen Gründen aus. Zudem dienten die verfahrensgegenständlichen Waren zur schnellen und effektiven Blutstillung, nicht aber zur Narbenbehandlung. Die angesprochenen Fachkreise hätten somit keinerlei konkrete Veranlassung, der Wortfolge den von der Markenstelle angenommenen, beschreibenden Sinngehalt zuzuordnen. Bei dieser Sachlage könnten der Anmeldemarke keine absoluten Schutzhindernisse entgegengehalten werden.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und auch in der Sache begründet.

Die Anmeldemarke besteht aus einer Verbindung der beiden englischen Wörter "SCAR" und "BLADE" und lässt sich ins Deutsche mit "Narbenklinge" übersetzen (vgl. Springer Universalwörterbuch Medizin, Pharmakologie und Zahnmedizin, Englisch-Deutsch, 2005 - Stichworte: "scar" und "blade"). Bei sprachregelgemäßer Deutung lässt sich der Wortkombination somit der Aussagegehalt "(Messer-)Klinge für Narben" zuzuordnen, der sich im Zusammenhang mit den hier maßgeblichen "Hochfrequenz(HF)-Chirurgie-Instrumente" zwar ausgesprochen "chirurgisch" anhört, aber dennoch keinen relevanten Produktbezug aufweist, da es keine speziellen Klingen "für Narben" gibt. Zur Behandlung bzw. Beseitigung von Narben werden - aus naheliegenden Gründen - gerade keine Klingen eingesetzt, die zwangsläufig neue Narben verursachen würden, sondern vor allem Laser. Dementsprechend lässt sich in der Praxis auch keine fachbezogene Verwendung der Begriffe "Narbenklinge" oder "Scar-Blade" nachweisen. Selbst eine patentbezogene Recherche des Senats ergab keine relevanten Belege, was bei einem derart speziellen medizinischen Fachgebiet besonders aussagekräftig ist. Auch unter sonstigen Gesichtspunkten lassen sich im Hinblick auf Hochfrequenz-Chirurgie-Instrumente keine Anhaltspunkte für eine Eignung des Markenwortes zur Merkmalsbeschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ermitteln. Soweit die Wortkombination suggerieren kann, dass die fraglichen HochfrequenzChirurgie-Instrumente sozusagen narbenfrei arbeiten, weil hier die Schneidwirkung mit Hilfe kleinflächiger Elektroden erfolgt, so dass im eigentlichen Sinne des Wortes gerade nicht "geschnitten" und somit auch keine chirurgische Naht oder Narbe verursacht wird, ergibt sich diese Interpretation allenfalls über weitergehendere Überlegungen und Schlussfolgerungen und muss daher in der Schutzfähigkeitsprüfung unberücksichtigt bleiben. Die angemeldete Wortkombination stellt somit ein Zeichen dar, das für sich genommen noch keinerlei Produktmerkmale der beanspruchten Waren benennt oder beschreibt, sondern dem Verkehr erst bei näherer Kenntnis der konkreten Zusammenhänge gewisse, produktbezogene Assoziationen vermittelt. Damit wird die Wortkombination den Anforderungen an eine hinreichend eindeutige Beschreibung relevanter Produktmerkmale aber in keiner Weise gerecht. Der Begriff "SCAR-BLADE" ist folglich zu unbestimmt, um im Zusammenhang mit den hier verfahrensgegenständlichen Waren zur Merkmalsbeschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen zu können, so dass ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an seiner freien Verwendbarkeit nicht zu bejahen ist.

Der Marke kann auch nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden. Wie oben dargelegt, kommt ihr keinerlei produktbeschreibender Bedeutungsgehalt zu, was für das hier ausschließlich beteiligte, hochspezialisierte Fachpublikum auch unmittelbar erkennbar ist. Ebenso wenig kann sie als bloße Werbeaussage oder Anpreisung allgemeiner Art angesehen werden (vgl. hierzu EuGH, GRUR 2004, 680, 681 - BIOMILD; BGH, GRUR 2005, 417, 419 - BerlinCard), da die für eine solche Wertung erforderlichen, konkreten Anhaltspunkte nicht feststellbar sind. Die hier angesprochenen, chirurgischen Fachkreise werden in der angemeldeten Marke allenfalls eine, allerdings fast schon widersinnig formulierte Andeutung darauf entnehmen, dass die fraglichen Waren nur kaum sichtbare Narben verursachen - dies aber auch nur im Rahmen einer analytischen Interpretation. Eine solche Vorgehensweise darf der Beurteilung, ob ein Zeichen über die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verfügt, aber nicht zugrunde gelegt werden. Vielmehr bleibt insoweit festzuhalten, dass die angemeldete Wortkombination "SCAR-BLADE" mehr ist, als die bloße Summe zweier beschreibender Bestandteile und aufgrund seines eigenständigen, produktunabhängigen Bedeutungsgehalts zur Ausübung der markenrechtlichen Herkunftsfunktion geeignet ist (vgl. hierzu EuGH, GRUR 2010, 931, Rdn. 61 f. - COLOR EDITION).

Nachdem die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG somit nicht gegeben und auch keine Anhaltspunkte für andere absolute Ausschlussgründe ersichtlich sind, war der angefochtene Beschluss aufzuheben.

Martens Schwarz Schell Me






BPatG:
Beschluss v. 16.08.2011
Az: 28 W (pat) 20/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0d3bf0ebb22c/BPatG_Beschluss_vom_16-August-2011_Az_28-W-pat-20-11




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share