Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Dezember 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 88/02

(BPatG: Beschluss v. 05.12.2002, Az.: 25 W (pat) 88/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Urmeerthermeist am 7. August 2000 für die Dienstleistung "Betrieb von Schwimmbädern" zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden. Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Beanstandung durch Beschluss vom 20. Februar 2002 die Anmeldung wegen des Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zurückgewiesen. Die aus den geläufigen Begriffen "Urmeer" und "Therme" zusammengesetzte Bezeichnung "Urmeertherme" sei eine gebräuchliche Wortbildung und bringe für jedermann verständlich zum Ausdruck, dass es sich bei der beanspruchten Dienstleistung "Betrieb von Schwimmbädern" um den Betrieb von Thermen handele, deren Wasser mit Salz aus dem Urmeer angereichert sei. Soweit die Anmelderin die Existenz eines Urmeeres bestreite, werde auf die bereits übermittelte Internet-Recherche verwiesen. Die Reste des Urmeeres seien gewaltige Salzlager, die den mineralischen Reichtum von mehr als 200 Millionen Jahre Erdgeschichte enthielten. Wie der beigefügten Recherche entnommen werden könne, existierten bereits Thermen, die dem Thermalwasser Salze des Urmeeres zusetzten und Baden in einem künstlichen Urmeer anböten. Die besondere Heilkraft, die man diesen Salzen zuschreibe, werde auch in der Werbung besonders herausgestellt. Dem Bescheid sind weitere, einschlägige Nachweise für die Verwendung des Begriffs "Urmeer" unterschiedlicher Quellen beigefügt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des DPMA vom 20. Februar 2002 aufzuheben.

Der angemeldeten Bezeichnung könne nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht jegliche markenrechtliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden, da es sich um eine sprachunübliche Wortverbindung handele, die der Verkehr nicht zergliedere und die im Hinblick auf die konkret angemeldete Dienstleistung angesichts des unklaren Begriffsinhalts keinen konkreten Bezug zu der Dienstleistung aufweise. Der Verkehr könne der angemeldeten Bezeichnung auch in bezug auf das Betreiben einer Therme keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt zuordnen, da dem Laien der Fachbegriff "Urmeer" unbekannt sei und zudem in bezug auf die beanspruchte Dienstleistung nicht unmittelbar dienstleistungsbeschreibend sei. Es bestehe lediglich insoweit ein Zusammenhang zwischen dem "Urmeer" und dem Betrieb einer Therme, als dem Thermalwasser das Salz des "Urmeers" beifügt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Anmelderin und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg, da auch nach Auffassung des Senats der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung in bezug auf die Dienstleistung "Betrieb von Schwimmbädern" das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegen steht und sich "Urmeertherme" zudem als beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG erweist.

1) Unterscheidungskraft im Sinne von des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl zur st Rspr BGH GRUR 2002, 1070 - Bar jeder Vernunft; EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 Tz. 22 - Bravo - zur GMV). Deshalb kann die Frage, ob ein Zeichen eine solche Unterscheidungskraft besitzt, nicht abstrakt ohne Berücksichtigung der Waren oder Dienstleistungen, die sie unterscheiden sollen, beurteilt werden (zur ständigen Rspr vgl EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 Tz. 22, 29 - Bravo; BGH MarkenR 1999, 292, 294 - HOUSE OF BLUES).

a) Danach sind insbesondere solche Zeichen nicht unterscheidungskräftig, bei denen es sich für den Verkehr in bezug auf die beanspruchte Dienstleistung ohne weiteres erkennbar um eine unmittelbar beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG handelt. Allerdings kann auch sonstigen Zeichen, welche dem Schutzhindernis als beschreibenden Angaben im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht unterfallen und auch nicht zu den allgemein gebräuchlichen Wörtern der Alltagssprache zählen, jegliche Unterscheidungskraft fehlen. Denn aus der Sicht des Verkehrs kann es zahlreiche - im Einzelfall zu untersuchende - Gründe geben, in einem Zeichen keinen herkunftsbezogenen Hinweis zu sehen - wie zB bei nur mittelbar beschreibenden Bezeichnungen bzw solchen mit lediglich assoziativer Verbindung zur Ware oder Dienstleistung oder bei Werbeschlagwörtern (vgl hierzu eingehend BPatG MarkenR 2002, 201, 205-207 - BerlinCard - mwH). Deshalb haben die Vorschriften des § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG trotz möglicher Überschneidungen ihren eigenen Anwendungsbereich (vgl auch EuG MarkenR 2002, 88, 90 Tz. 25 b - EUROCOOL - zu Art. 7 Abs 1 Buchstaben b und c GMV). Dies gilt auch dann, wenn man die in § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG genannten "sonstigen" Merkmalsangaben in zutreffender Weise nicht zu einschränkend auslegt (vgl hierzu auch Ströbele, Absolute Eintragungshindernisse im Markenrecht, GRUR 2001, 658, 662; Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl. § 8 Rdn 114; BPatG MarkenR 2002, 299, 302 - OEKOLAND). Insoweit hat der Bundesgerichtshof auch klargestellt, dass die Formulierung des Fehlens "jeglicher" Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs 2 Nr. 1 MarkenG im Lichte der Anforderungen an die Unterscheidungskraft als Marke zu beurteilen ist und nicht auf die (geringeren) Anforderungen an die Unterscheidungskraft abzustellen ist, wie sie für Werktitel gelten (BGH MarkenR 2001, 368, 370 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten - mwN).

b) Auch die ersichtlich aus den Worten "Urmeer" und "Therme" gebildete Wortzusammenfügung "Urmeertherme" stellt in bezug auf die beanspruchte Dienstleistung "Betrieb von Schwimmbädern" ein nicht unterscheidungskräftiges Zeichen dar, wenngleich für die Beurteilung grundsätzlich von dem Gesamtzeichen und einem großzügigen Maßstab auszugehen ist und jede noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, das Schutzhindernis zu überwinden (st. Rspr. vgl zB MarkenR 2001, 209, 210 - Test it). Denn die angesprochenen Verkehrskreise werden hierin in bezug auf diese Dienstleistung, welche den Betrieb eine Thermalbades umfasst, auch unter Berücksichtigung der gewählten Sprachform und der insoweit üblichen Bezeichnungsgewohnheiten (vgl hierzu EuGH, MarkenR 2001, 400 - Babydry; BGH MarkenR 2001, 465 469, - Bit/Bud - mwH) und insbesondere auch der einschlägigen Werbung ausschließlich einen beschreibenden Sachhinweis auf den Betrieb eines Thermalbades sehen, welches ein Baden in einem künstlichen Urmeer ermöglicht (auch wenn dies objektiv so nicht zutrifft) bzw ein mit den Salzen und Mineralien des Urmeeres versetztes Thermalwasser anbietet.

aa) Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass bei einem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis, welches wie vorliegend durch die Verwendung des Oberbegriffs "Betrieb von Schwimmbädern" unterschiedliche Arten von Bädern (einschließlich Thermen) und Einzeldienstleistungen umfasst, die Eintragung des angemeldeten Zeichens bereits dann von der Eintragung für den beanspruchten Oberbegriff ausgeschlossen ist, wenn sich auch nur für eine spezielle, hierunter fallende Dienstleistung ein Eintragungshindernis ergibt (vgl BGH WRP 2002, 91, 93-94 - AC - unter Hinweis auf BGH GRUR 1997, 634, 635 - Turbo II - zum Löschungsverfahren; BPatG MarkenR 2002, 299, 301 - OEKOLAND). Andernfalls wäre es möglich, ein für bestimmte Waren oder Dienstleistungen bestehendes Eintragungshindernis dadurch zu umgehen, dass in das Verzeichnis ein entsprechend weit gefasster Waren-/Dienstleistungsbegriff aufgenommen wird.

bb) Es ist deshalb vorliegend maßgeblich, ob die angemeldeten Bezeichnung sich insbesondere auch in bezug auf den Betrieb eines Thermalbades als nicht unterscheidungskräftige bzw als beschreibende, freihaltungsbedürftige Angabe erweist. Dies ist aber entgegen der Ansicht der Anmelderin zu bejahen, auch wenn sich die Bezeichnung "Urmeertherme" nicht im wortwörtlichen Sinne für die Dienstleistung des Betreibens einer Therme bzw die Eigenschaft des Thermalwassers als zutreffende beschreibende Angabe erweist. Richtig ist, dass das "Urmeer" bereits seit ca. 200 Millionen Jahren nicht mehr existiert und nur dessen Ablagerungen in Form von Salzen und sonstigen Mineralien in aufbereiteter Form dem Thermalwasser zugesetzt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung sind aber auch Zeichen nicht schutzfähig, welche wie vorliegend auch bei Anlegung des gebotenen großzügigen Maßstabes wegen ihres thematischen Bezugs oder ihres schlagwortartig zusammengefassten Aussageinhalts ein Verkehrsverständnis als Sachangabe und nicht als eine vom Gegenstand der Dienstleistung losgelöste Kennzeichnung ohne weiteres nahe legen (vgl BGH MarkenR 2001, 363, 365 - REICH UND SCHOEN; MarkenR 2001, 368, 370 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; BGH MarkenR 2002, 338, 340 - Bar jeder Vernunft; EuG GRUR Int. 2001, 864, 866 - CINE COMEDY; GRUR Int. 2001, 556 - CINE ACTION; BPatG MarkenR 2002, 299, 304 - OEKOLAND).

cc) Für die Beurteilung eines derartigen Verkehrsverständnis von "Urmeertherme" als Sachangabe spricht im Hinblick auf die von der Anmelderin problematisierte Bedeutung des Wortbestandteils "Urmeer-" insbesondere der bereits von der Markenstelle geführte Nachweis über die Verwendung dieses Begriffs im Zusammenhang mit der hier maßgeblichen Dienstleistung eines Thermalbades. Danach ist den angesprochenen Verbrauchern insbesondere auf dem vorliegend maßgeblichen Dienstleistungssektor der Begriff "Urmeer" als Sachangabe bereits bekannt. So hat die Markenstelle auf die Verwendung des Werbeslogans "Urmeer in den Alpen" durch das Bade & Wellnesszentrum "Salima Maris" in Breiten hingewiesen, eines anerkannten Sole-Thermalbades in der Schweiz, welches im Internet damit wirbt, dass "Breiten seit bald 30 Jahren über ein Heilbad verfügt, dessen Wasser mit naturreiner Sole angereichert ist, dem Salz aus dem Urmeer, dass vor 250 Millionen Jahren die heutige Schweiz bedeckte." Weitere Verwendungsnachweise, wie "Mineralien aus dem Urmeer" oder "aus dem Urmeer in teilweise über 3000m Tiefe strömen heiße Thermalbäder, deren Urheilkraft sich Thermen unserer Region zunutze gemacht haben" (Steirisches Thermenland), "Baden Sie warm und wohlig in einem Urmeer aus 16000m Tiefe" (Obermaintherme Staffelstein), bestätigen die bereits bestehenden Bezeichnungsgepflogenheiten. Wie der Senat zusätzlich im Internet recherchiert hat, verwendet aber auch die Anmelderin selbst für das von ihr betriebene Thermalbad "Vita Alpina" die Bezeichnung "Urmeertherme" in einer rein sachbezogenen Weise im Kontext sonstiger Sachangaben, wie zB "Und als Après-Ski darf die ganze Familie ins Erlebnisbad Vita Alpina, wo Wellenbecken, Urmeertherme und eine Riesenrutsche warten."

dd) Ein Verständnis der angemeldeten Bezeichnung als Sachangabe ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich hierbei um eine allgemeine Angabe handelt und der Verkehr auch im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen einer Therme nicht im Einzelnen weiß, was sich hinter Begriff "Urmeer" verbirgt. Denn auch die mit einer verallgemeinernden Aussage einher gehende Unbestimmtheit einer Angabe oder die Unkenntnis der durch den Begriff im Einzelfall repräsentierten tatsächlichen Inhalte muss einem Verständnis als bloße Sachangabe - wie auch der Beurteilung als freihaltebedürftiger Sachbegriff - nicht entgegenstehen (vgl für die Sammelbezeichnung "Bücher für eine bessere Welt" auch BGH MarkenR 2000, 330, 332; ferner BPatG MarkenR 2002, 201, 207 - BerlinCard - mwH). Hierfür ist das Wort "Urmeer" ein typisches Beispiel. Dies belegt auch die recherchierte Verwendung des Begriffs "Urmeer" im Zusammenhang mit dem gleichfalls positiv belegten Begriff "Urheilkräfte" im Internet, der zudem noch eine sachliche Unschärfe aufweist und dennoch wohl kaum als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werde dürfte. Eine begriffliche Unbestimmtheit kann insoweit vielmehr gewollt sein, um eine positive Erwartungshaltung des Kunden zu fördern und einen möglichst weiten Bereich dienstleistungsbezogener Eigenschaften, Vorteile oder Leistungen zu erfassen, ohne diese im Einzelnen zu benennen.

Die Gesamtbezeichnung "Urmeertherme" stellt sich deshalb als naheliegende, schlagwortartiginhaltsbezogene Themenaussage dar, die sich auch unter Berücksichtigung der gewählten Sprachform und der auf dem hier maßgeblichen Dienstleistungssektor üblichen Bezeichnungsgewohnheiten (vgl hierzu EuGH, MarkenR 2001, 400 - Babydry; BGH MarkenR 2001, 465 469, - Bit/Bud - mwH) - aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers (vgl hierzu und zum veränderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2002, 124, 127 - Warsteiner III; EuGH MarkenR 2002, 231, 236 - Philips/Remington) wegen ihres ausschließlich sachbezogenen Informationsgehalts ohne weiteres als Sachangabe aufdrängt.

2) Der Senat sieht aufgrund der vorgenannten Feststellungen auch hinreichende Anhaltspunkte für die Feststellung gegeben, dass der Begriff "Urmeertherme" in bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen eine beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG darstellt, an welcher die Mitbewerber ein berechtigtes Freihaltungsinteresse haben (vgl zum Begriff der beschreibenden Angabe ausführlich BPatG MarkenR 2002, 201, 207-209 - Berlin Card - mwH). Denn bei der angemeldeten Bezeichnung "Urmeertherme" handelt es sich um eine den Gegenstand der beanspruchten Dienstleistung selbst unmittelbar betreffende Sachinformation - nämlich eine Beschreibung des Ortes und der Art des zur Verfügung stehenden Thermalwassers. Deshalb haben auch Mitbewerber an der Verwendung der angemeldeten Gesamtbezeichnung "Urmeetherme", welche diese beiden Merkmalsangaben nur in einer sprachüblichen Weise treffend und schlagwortartig zusammenfügt, ein berechtigtes aktuelles Freihaltungsinteresse, zumal der hierin enthaltene Begriff "Urmeer" einen positiv belegten Aussagegehalt aufweist. Dem steht nicht entgegen, dass sich "Urmeertherme" ebenso wie zB die vergleichbaren Wortzusammensetzungen "Jod-Sole-Therme" "Glaubersalz-Therme" als vereinfachende, nur schlagwortartige Merkmalsangabe darstellen. Denn insbesondere an der Verwendung derartiger, den Sachverhalt vereinfachenden, schlagwortartigen und kundenwirksamen Sachbezeichnungen haben die Mitbewerber als Betreiber von Thermalbädern ein erhebliches Interesse.

Die Beschwerde der Anmelderin war deshalb zurückzuweisen.

Kliems Bayer Engels






BPatG:
Beschluss v. 05.12.2002
Az: 25 W (pat) 88/02


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