Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. November 2002
Aktenzeichen: 30 W (pat) 228/01

(BPatG: Beschluss v. 25.11.2002, Az.: 30 W (pat) 228/01)

Tenor

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung VIRILAN DUOPEN ist unter der Nr 677 221 für die Waren 5 Medicament pour le traitement de la dysfonction erectileinternational geschützt und begehrt Schutzerstreckung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

Widerspruch erhoben hat ua die Inhaberin der seit 28. September 2002 unter der Nr 2 106 353 für die Waren "Antibiotika/antivirale Mittel mit Ausnahme von Dermatika und Ophthalmatika" geschützte Marke Virolan.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat durch Beschluß einer Beamtin des höheren Dienstes ua diesen Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, nach dem Gesamteindruck unterschieden sich die Marken ausreichend. Zuverlässige Anhaltspunkte dafür, daß der Bestandteil DUOPEN im angegriffenen Zeichen lediglich eine beschreibende Angabe sei und daher vom Verkehr vernachlässigt werde, bestünden nicht.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und diese mit näheren Ausführungen darauf gestützt, dem Markenbestandteil DUOPEN könne eine im Gesamtzeichen jedenfalls nur untergeordnete Bedeutung beigemessen werden. Duo, das lateinische Zahlwort für zwei, sei in die deutsche Sprache eingegangen und werde generell zur Bezeichnung einer Zweier-Einheit verwendet. Pen sei die mittlerweile allgemeine Bezeichnung für die moderne Form einer Fertigspritze. Die Widersprechende verweist hierzu auf verschiedene von ihr vorgelegten Kopien aus der Roten Liste.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden hat keinen Erfolg. Es besteht keine Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (st Rspr vgl etwa BGH MarkenR 1999, 297 - HONKA).

Nach der Registerlage können sich die Marken nicht auf identischen Waren begegnen. Antibiotika/Antiinfektiva bilden die Hauptgruppe 10 der Roten Liste 2001 (antivirale Mittel fallen in deren Untergruppe B 14), Mittel gegen erektile Dysfunktion sind dagegen die Untergruppe 6 in der Hauptgruppe 82 (Urologika). Überschneidungen der Gruppen liegen jedenfalls nicht auf der Hand. Bei den Waren der angegriffenen Marke handelt es sich um spezielle Waren eines Krankheitsbildes, das nicht in den Bereich der sog Alltagsbeschwerden zu zählen ist. Bei solchen ausgefalleneren Beschwerden darf von einer erhöhten Aufmerksamkeit des angesprochenen Publikums ausgegangen werden, wobei im Zusammenhang mit Arzneimitteln der angesprochene Verkehr gewöhnlich ohnehin nicht nachlässig handelt.

Inwieweit die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch den beschreibenden Bestandteil Vir (als Kürzel von Virus) geschwächt ist, kann dahingestellt bleiben. Für das Gesamtzeichen unterstellt der Senat normale Kennzeichnungskraft.

Den sonach zur Vermeidung von Verwechslungen von der jüngeren Marke einzuhaltenden nur durchschnittlichen Abstand hält diese jedoch noch ein. Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit deren Bestandteil VIRILAN mit der Widerspruchsmarke verwechselbar wäre, weil auch der Senat in Übereinstimmung mit der Markenstelle keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür hat finden können, daß das angegriffene Zeichen von diesem Bestandteil allein geprägt würde.

Selbständig kollisionsbegründend ist einer von mehreren Markenbestandteilen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt. Davon kann nur dann ausgegangen werden, wenn die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, daß sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl etwa BGH MarkenR 2000, 20 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Zur Prägung des Gesamteindrucks können aber im Einzelfall selbst schutzunfähige Markenteile beitragen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 185). Auch gibt es keinen Erfahrungsgrundsatz dahin, dass der Verkehr grundsätzlich dazu neige, mehrgliedrige Marken auf einen Bestandteil zu verkürzen. Somit ist nicht allein maßgebend, ob sich feststellen lässt, dass ein Markenteil kennzeichnungsschwächer ist als der weitere. Maßgebend ist, ob die Schwäche auch so ausreichend deutlich hervortritt, dass dieser Zeichenteil für die Bewertung des Gesamteindrucks ohne Bedeutung ist. Das lässt sich hier nicht feststellen. Im Widerspruchsverfahren, bei dem das Warenverzeichnis und nicht eine konkrete Präsentation der Marke auf einer bestimmten Ware maßgebend ist, kann nämlich nur geprüft werden, inwieweit ein bestimmter Markenteil abstrakt gesehen erkennbar beschreibend ist oder mindestens beschreibenden Anklang hat. Unter diesem Gesichtspunkt läßt sich schon kaum feststellen, daß dem allgemeinen Publikum Pen ohne weiteres auch iSv Spritze geläufig ist. Diese aus dem angloamerikanischen Rechtskreis allein aus der Gestaltung neuerer Einmalspritzen abgeleitete Bedeutung von Pen mag in Fachkreisen inzwischen geläufig sein, es läßt sich jedoch nicht feststellen, daß dies auch beim angesprochenen Allgemeinpublikum der Fall ist. In Lexika, auch solchen, die erst in neuerer Zeit erschienen sind, läßt sich diese spezielle Bedeutung von Pen nämlich noch nicht feststellen (vgl etwa PONS - COLLINS, Großwörterbuch Deutsch-Englisch, Englisch-Deutsch, Neubearbeitung 1999). Die von der Widersprechenden vorgelegten Nachweise aus der Roten Liste beziehen sich überwiegend auf markenmäßige Benutzungen von Bezeichnungen mit dem Bestandteil Pen (NovoPen, Penfill, OptiPen etc) und reichen jedenfalls nicht aus, um die eingeführten Bezeichnungen Einmalspritze, Fertigspritze als auch im allgemeinen Sprachgebrauch durch Pen verdrängt ansehen zu können. Eine spezielle Bedeutung eines Wortes, die sich nur durch die spezielle Ausgestaltung einer Ware erklären läßt, kann auch nur dann näherliegend sein, wenn es durch die ausgestaltete Ware sichtbar "erklärt" wird. Dem Warenverzeichnis der angegriffenen Marke kann aber nicht entnommen werden, daß die angegriffene Marke nur für Spritzen vorgesehen sei.

Erst recht gilt dies für den Gesamtausdruck DUOPEN. Duo hat im Deutschen wie auch im Englischen nicht generell die Bedeutung von zwei, sondern wird soweit ersichtlich ausschließlich iS einer vorzugsweise auf Personen bezogenen Zweier-Einheit verwendet, nämlich Duo als die Aufführenden eines Duetts (oder Duo) wie auch das eher ironisch gemeinte Zusammenwirken von zwei häufig gemeinsam in Erscheinung tretenden Menschen. In Wortverbindungen läßt sich Duo jedenfalls im englischen Sprachkreis nicht nachweisen. Auch im Deutschen, bei dem Wortzusammenstellungen wesentlich häufiger vorkommen als im Englischen, findet sich in Wortzusammensetzungen entweder das Wort Zwei (Zweiachser, Zweibeiner etc) oder aber Doppel (vgl etwa Doppelbelastung, Doppelbesteuerung, Doppelbett etc), während im deutschen Wörterbuch (Duden, Rechtschreibung) hinter Duo Duodenum und anschließend Duodez folgen, also Wörter die von lateinisch duodezim = zwölf herrühren. Durch die somit eher eigenwillige Zusammenstellung wird der sich hinter dem Wort DUOPEN verbergende Sinngehalt jedenfalls für das allgemeine Publikum soweit verschleiert, daß es den Bedeutungsinhalt jedenfalls nicht spontan und ungestützt erkennen kann. Deshalb bestehen keine ausreichend sicheren Anhaltspunkte, daß es diesem Bestandteil wegen einer offensichtlichen Kennzeichnungsschwäche zeichenrechtlich keine Bedeutung beimessen werde, zumal der weitere Bestandteil VIRILAN, der wegen des beschreibenden Teils viril in Kombination mit der schwachen Endsilbe "an" für Waren, die die virile Dysfunktion betreffen, ebenfalls beschreibenden Anklang hat.

Das mitangesprochene Fachpublikum mag zwar die in Duopen enthaltenen beschreibenden Anklänge leichter als das allgemeine Publikum erkennen. Dies gilt dann aber auch verstärkt für den beschreibenden Gehalt von VIRILAN. In der Kombination wecken beide Bestandteile in dieser konkreten Zusammenstellung zwar Assoziationen mit Eigenschaften des Produkts bzw ihrer Darreichungsform. Auch beim Fachverkehr ist aber nicht davon auszugehen, dass ihm der Sinngehalt von Duopen ohne jedes Nachdenken, der von Virilan jedoch nur erheblich schwerer erkennbar werde, so daß auch bei ihm nicht davon ausgegangen werden kann, der Bestandteil VIRILAN präge das angegriffene Zeichen allein.

Zu einer Auferlegung von Kosten bietet der Streitfall keinen Anlaß (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Dr. Buchetmann Schramm Voit Fa/Ko






BPatG:
Beschluss v. 25.11.2002
Az: 30 W (pat) 228/01


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