Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Juni 2006
Aktenzeichen: 33 W (pat) 43/04

(BPatG: Beschluss v. 29.06.2006, Az.: 33 W (pat) 43/04)

Tenor

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Patentamts vom 28. November 2003 teilweise aufgehoben, nämlich für die Dienstleistungen "Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen".

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I Die Anmeldung der Wort-/Bildmarke Grafik der Markefür Klasse 36: Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesenist mit Beschluss der Markenstelle vom 28. November 2003 nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Unter Verweis auf ihren Beanstandungsbescheid vom 16. Oktober 2003 hat die Markenstelle zur Begründung ausgeführt, dass der Begriff "Leben" als Kurzform für eine Versicherungssparte benutzt werde. Das ursprünglich aus der englischen Sprache stammende Adjektiv "classic" für "klassisch" werde werbeüblich i. S. v. "Standardprodukt" gebraucht. Die Marke stelle daher lediglich eine beschreibende Sachaussage dahingehend dar, dass die so gekennzeichneten Dienstleistungen hinsichtlich oder in Zusammenhang mit "klassischen" Lebensversicherungen im Sinne von Standardversicherungsprodukten (mit einer Basisleistung) erbracht würden. Als unmittelbar verständliche beschreibende Angabe unterliege die angemeldete Marke einem Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und ihr fehle darüber hinaus jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Hieran ändere auch die Verwendung unterschiedlicher Schriftarten nichts, da es sich hierbei um eine werbeübliche Gestaltung handele, die zudem die Erfassung des Sinngehalts der Einzelwörter und des Gesamtbegriffs erleichtere.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Zur Begründung führt sie aus, dass sich die angemeldete Marke aus den Begriffen "Leben" und "classic" mit unterschiedlichem Schriftschnitt zusammen setze. Jedenfalls die konkrete Wortverbindung diene nicht als Merkmalsbezeichnung. Dies gehe auch aus einer eigenen Internetrecherche hervor, bei der der Begriff "Lebenclassic" nur Hinweise auf die Anmelderin ergeben habe. Außerdem sei die Anmeldemarke nicht sprachüblich aufgebaut; sprachüblich wäre allenfalls die Trennung in "Leben" und "classic". Auch für eine zukünftige Verwendung der Anmeldemarke seien keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der angemeldeten Marke fehle auch nicht jegliche Unterscheidungskraft. Ihre Verwendung sei für den inländischen Verkehr unüblich, ein unmittelbar beschreibender Charakter sei ihr nicht entnehmbar. Zudem sei ihr Begriffsinhalt nicht eindeutig. So könne etwa "classic" neben einem Standardprodukt auch auf ein beliebtes, altbewährtes oder konventionelles Produkt hinweisen. Außerdem sei dem Wortbestandteil "Leben" anders als dem Begriff "Lebensversicherung" kein beschreibender Begriffsinhalt für die betreffenden Dienstleistungen zugeordnet. Zudem werde nur für die konkrete Darstellung der Wort-/Bildmarke Schutz begehrt, bei der der Bestandteil "Leben" den Schriftschnitt "Roman" aufweise, an den sich - ohne Leerzeichen - der Bestandteil "classic" in "kursiv" anfüge. Damit erhalte das Gesamtzeichen eine individuelle Gestaltung, die ihm ebenfalls Unterscheidungskraft verleihe. Es verfüge daher über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.

Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung sind der Anmelderin Kopien des Ergebnisses einer vom Senat durchgeführten Recherche übersandt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Für die Dienstleistung Versicherungswesen weist die angemeldete Marke nicht die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Entsprechend der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, ist unter Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung zu verstehen, Waren oder Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Nr. 35 - Philips/Remington; GRUR 2004, 428 Nr. 30, 48 - Henkel). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen, zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Kann einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).

Die angemeldete Marke setzt sich, wie bereits das uneinheitliche Schriftbild nahe legt, aus den Bestandteilen "Leben" und "classic" zusammen. Das isolierte Wort "Leben" wird im Versicherungsbereich nicht nur als Bezeichnung des versicherten Gegenstands von Lebensversicherungen (etwa in www.bankmitarbeiter.de/-html/risikov.html: "Ehepaare können eine Risikolebensversicherung auf zwei Leben abschließen, ..."), sondern häufig auch als Kurzform für die Lebensversicherungssparte bzw. -kategorie als solche verwendet. Dies hat bereits die Markenstelle mit zwei Beispielen belegt, in denen das Wort "Leben" in entsprechenden Aufzählungen auftaucht (vgl. www.fssonline.org... "... Anfrageformular je Versicherungssparte - Leben

...

- Hausrat - Haftpflicht

...";

www.finanzprofit.de/versicherung/kfzversicherung/kfzindex.html:

Versicherung Rechtschutz Hausrat

...

Leben KFZ-Versicherung".

Auch der Senat hat mehrere Beispiele für eine Verwendung des Wortes "Leben" als Kurzform für die entsprechende Versicherungskategorie belegen können (z. B.: www.maklerkonzepte.de/Vergleichsprogrammfuer-Maklerpools_444.html:

"Mit DUPLA-SystemS vergleicht der Poolpartner online alle wichtigen Versicherungsparten, wie Leben, Rente, BU, SBV, GKV, Hausrat ..."; www.corag.de/2_geschaeftsfelder/produkte_seiten/inhalt_produkte_merica.htm:

"Die CPR-Merica Produktlinie umfasst die Versicherungssparten Leben, Kranken und Unfall").

Das Wort "classic" war bereits häufig Gegenstand von Zurückweisungsentscheidungen verschiedener Senate des Bundespatentgerichts (24. Senat vom 15. Juli 1997, 24 W (pat) 149/96; 25. Senat vom 10. Januar 2002, 25 W (pat) 2/01; 28. Senat vom 27. März 1998, 28 W (pat) 294/97), in denen es für die verschiedensten Waren und Dienstleistungen als Bezeichnung i. S. v. "mustergültig, vollendet, klassisch, erstklassig, ausgezeichnet" erläutert wird. In der Finanz- und Versicherungsbranche wird das Wort "classic" häufig zur Bezeichnung einer "klassischen" Produktvariante verwendet, also eines Produkts, das wie eine "klassische Lebensversicherung" dem Standard entspricht und damit keine Sonderform eines Finanz- oder Versicherungsprodukts darstellt.

In diesem Sinne wird die mit der angemeldeten Marke fast identische Wortkombination "Leben Classic" auch von einem konkurrierenden Versicherungsunternehmen benutzt. Dieses grenzt damit seine Standardlebensversicherung von einem weiteren Versicherungsprodukt ("Leben Classic Plus") ab, bei dem der Auszahlungszeitpunkt der Versicherungssumme flexibel ist (vgl. Überschrift und Inhalt der Internetseite www.vpv.de/cps/rde/xchg/SID-2A703F5E-BDBEEF71/internet/hs.xsl-/145.html; vgl. auch Benutzung der Wortfolge "Leben Klassik" durch einen Versicherungsmakler unter www.juergenknecht.de/cms...). Auch die Anmelderin selbst bzw. ihre Konzernschwestern verwenden die angemeldete Bezeichnung für ein konventionellherkömmliches Versicherungsprodukt (vgl. www.zurich.de/-privatkunden/lebensversicherung_kapital/... "Lebenclassic ist eine konventionelle Kapitallebensversicherung.").

Zwar mag es sich bei den o. g. Verwendungsbeispielen der Wortkombination "Leben classic" zumeist um selbstgewählte Produktnamen des jeweiligen Anbieters und damit um markenmäßige Verwendungen handeln, so dass unmittelbar daraus nur ein Schluss auf die Beliebtheit und Verständlichkeit der Wortkombination gezogen werden kann. Die bereits durch die Einzelbestandteile "Leben" und "classic" nahegelegte Gesamtbedeutung dieser Wortfolge und die entsprechende Verwendung durch verschiedene, miteinander konkurrierende Anbieter zeigen jedoch insgesamt, dass mit der Anmeldemarke Versicherungsdienstleistungen als solche bezeichnet werden, die speziell auf die klassische, also die herkömmliche Lebensversicherung ausgerichtet sind und sich somit von Sonderformen der Lebensversicherung abgrenzen. Der durchschnittlich interessierte, informierte und verständige Verbraucher wird ihr daher nur einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Bedeutungsgehalt zumessen. Der aus den Bestandteilen "Leben" und "classic" zusammengesetzten Wortfolge fehlt damit für die Dienstleistung "Versicherungswesen" die Eignung, Versicherungsprodukte eines Unternehmens von denjenigen anderer zu unterscheiden.

Entgegen der Auffassung der Anmelderin vermag auch die schriftbildliche Ausgestaltung nicht die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke zu begründen. Diese Ausgestaltung beschränkt sich auf die Zusammenschreibung der beiden Wortbestandteile und eine Kursivschreibung des zweiten Bestandteils "classic". Diese eher geringfügig wirkenden Abweichungen von der normalen Schreibweise bleiben weit hinter dem in der Produktwerbung Üblichen zurück. Zudem betont die unterschiedliche Schreibung der beiden Wortbestandteile auch die Zusammensetzung der Marke aus zwei Wörtern. Für Versicherungswesen musste die Beschwerde damit erfolglos bleiben.

2. Für die übrigen beanspruchten Dienstleistungen sind hingegen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Eintragungshindernisses vorhanden.

Dies gilt zunächst für Finanzwesen und Geldgeschäfte. Aus der Sicht des Endverbrauchers könnte "Lebenclassic" in Zusammenhang mit solchen Dienstleistungen allenfalls einen (im Übrigen nicht sprachüblichen Hinweis) darauf darstellen, dass man mit Hilfe entsprechend (guter) Finanzdienstleistungen ein "klassisches Leben" führen kann. Ein "klassisches" Leben ist jedoch nicht zwangsläufig an einen hohen finanziellen Standard gekoppelt, denn es kann sich genauso gut um ein "klassisches Arbeiterleben", "Sozialhilfe-Leben" usw. handeln. Für Finanzdienstleistungen wären insoweit eher Angaben wie "schönes", "sorgenfreies", "aufwändiges" usw. Leben angebracht. Bei dieser Betrachtung muss auch das Anbieten und die Durchführung von Lebensversicherungsverträgen außer Betracht bleiben. Denn hierbei handelt es sich um die Dienstleistung "Versicherungswesen". Auch soweit Finanzdienstleister Konkurrenzprodukte zu Lebensversicherungen erbringen, wie etwa Rentenansparpläne, finden sich keine Hinweise darauf, dass ein solches Finanzprodukt irgendwie mit "Leben" bezeichnet oder in eine Kategorie "Leben" eingeordnet wird. Denn "Leben" ist insofern offensichtlich vom Begriff "Lebensversicherung" abgeleitet, der ausschließlich zum Versicherungswesen gehört.

Auch aus der Sicht der Finanzdienstleister liegt keine Merkmalsangabe vor. Soweit Finanzdienstleister bei der Erbringung und Abwicklung von Lebensversicherungsdienstleistungen mit einbezogen werden, etwa bei der Anlage von Ansparleistungen, dem Einzug der Prämien oder der Auszahlung der Versicherungssumme, sind dies Finanzdienstleistungen, die für jeden anderen Anlagekunden genauso erbracht werden können und bei der sich die Finanzdienstleistungen in Bezug auf klassische Lebensversicherungen kaum von denen unterscheiden dürften, die "unklassisch" sind. Dann aber erscheint eine solche Bezeichnung nutzlos und überraschend, wenn sie als sachlichbeschreibend verstanden werden soll. Der Ausdruck "Lebenclassic" kann daher keine nachvollziehbare Bezeichnung eines verkehrswesentlichen Merkmals von Finanzdienstleistungen darstellen. Für "Finanzwesen, Geldgeschäfte" liegt damit keine unmittelbar beschreibende Angabe vor.

Dies gilt erst recht für Immobilienwesen. Zwar ist eine Finanzierung von Immobilienkäufen durch Lebensversicherungen bekannt. Die Finanzierung von Immobilien ist jedoch dem Finanzwesen, nicht aber dem Immobilienwesen zuzuordnen. Der Handel mit und die Vermittlung und Verwaltung von Immobilien haben als solche auch keinen Lebensversicherungsaspekt. Insoweit ist nicht erkennbar, warum der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft fehlen soll. Da sie auch nicht eine Bezeichnung eines Merkmals von Finanzwesen, Geldgeschäfte oder Immobilienwesen i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstellen kann, war der angefochtene Beschluss teilweise aufzuheben.






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Beschluss v. 29.06.2006
Az: 33 W (pat) 43/04


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