Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Juli 2003
Aktenzeichen: 19 W (pat) 701/03

(BPatG: Beschluss v. 02.07.2003, Az.: 19 W (pat) 701/03)

Tenor

Das Patent 44 18 158 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2003, mit Patentansprüchen 2 bis 5, sowie Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Gründe

I Für die am 25. Mai 1994 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Anmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents am 9. April 1998 veröffentlicht worden.

Das Patent wurde Dipl.-Ing. G... und Dipl.-Ing. M... erteilt. Dipl.-Ing. M...hat mit Übertragungserklärung vom 26. Juni 2003 seinen Anteil am Patent der G1... Electronic GmbH, Dr. Julius-Leberstraße in N... übertragen. Diese hat die Übertragung angenommen.

Das Patent betrifft eine "Vorrichtung zum Betreiben von elektrischen Geräten in einer zündfähigen Atmosphäre".

Gegen das Patent haben die B... GmbH in B... M..., mit Schriftsatz vom 26. Juni 1998, eingegangen am 30. Juni 1998, und die E... ... GmbH & Co. in B..., mit Schriftsatz vom 3. Juli 1998, als Fax eingegangen am 7. Juli 1998, Einspruch erhoben.

Zur Begründung verweist die Einsprechende B... im wesentlichen auf eine angeblich offenkundig vorbenutzte ZündschutzgasÜberwachungsanlage "Typ F-216", die sich nur durch ein Detailmerkmal vom Patentgegenstand unterscheide.

Die Einsprechende E... begründet ihren Einspruch damit, das Arbeitsprinzip der patentgemäßen Vorrichtung sei aus der DE 40 33 598 A1 bekannt und die Verwendung eines Proportionalventils aus einer im Jahre 1982 gedruckten Gebrauchsanweisung einer ZündschutzgasÜberwachungsanlage "CGZÜ".

In der mündlichen Verhandlung ergänzt die Einsprechende B... ihren Vortrag hinsichtlich fehlender erfinderischer Tätigkeit durch Bezugnahme auf die DE 40 33 598 A1.

Die Patentansprüche 1 nach Hilfsantrag 1 und 2 verändern nach ihrer Auffassung den Patentgegenstand unzulässig.

Als weiterer Stand der Technik wird die DE 34 32 494 A1 vorgelegt.

Die Einsprechende E... sieht nichts Erfinderisches darin, allgemein bekannte regelungstechnische Zusammenhänge bei der aus DE 40 33 598 A1 bekannten Vorrichtung anzuwenden; im übrigen sei auch aus noch nicht ins Verfahren eingeführtem Stand der Technik die Verwendung von Integratoren bekannt.

Die Einsprechenden beantragen übereinstimmend, das Patent 44 18 158 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragen, das Patent 44 18 158 unbeschränkt aufrechtzuerhalten, hilfsweise mit folgenden Unterlagen: Patentanspruch 1 je nach Hilfsantrag 1, 2 und 3, sämtlich überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2003, mit Patentansprüchen 2 bis 6 gemäß Patentschrift zu den Hilfsanträgen 1 und 2, mit Patentansprüchen 2 bis 5 gemäß Patentschrift zu dem Hilfsantrag 3, in allen Fällen mit Beschreibung, und Zeichnungen wie Patentschrift.

Die Patentinhaber führen dazu aus, das Bekanntsein einzelner Merkmale irgendwo im Stand der Technik könne den Patentgegenstand nicht nahelegen. Dem seit 1973 bekannten Bedürfnis, Spülmittelverluste zu vermeiden und eine schnelle, sichere Spülung zu gewährleisten, sei erstmals mit dem angegriffenen Patent abgeholfen worden, ohne daß ein Zeitrelais verwendet werde.

Bei den Vorrichtungen gemäß den hilfsweise vorgelegten Patentansprüchen 1 sei die Druckabhängigkeit der Regelung stärker herausgearbeitet (Hilfsantrag 1) bzw. darüber hinaus mit dem Messsignal der Durchflussmesseinrichtung ein zweiter Regelkreis zusätzlich beansprucht (Hilfsantrag 2).

Schließlich werde mit der gemäß Hilfsantrag 3 beanspruchten Integration eine Regelung auf einen zeitspezifischen Gasdurchsatz ausgeschlossen.

Der erteilte Patentanspruch (Hauptantrag) lautet:

"Vorrichtung zum Betreiben von elektrischen Geräten, die mit einem Gehäuse (10) mit der Zündschutzart "Überdruckkapselung EExp nach DIN EN 50016" ausgerüstet sind, in einer zündfähigen Atmosphäre, umfassend das Gehäuse (10), einen Spülgas-Einlaß (1, 3) mit Druckreduziervorrichtung, einen Spülgas-Auslaß (4) mit Absperrventil (8) und Überdruckmesser (6) und eine übergeordnete Meß- und Steuereinrichtung (7), dadurch gekennzeichnet, daß in den Spülgas-Auslaß (4) eine Durchflußmeßvorrichtung (5) und in den Spülgas-Einlaß (1, 3) ein Proportional-Ventil (2) eingesetzt ist und daß die Steuer- und Meßeinrichtung (7) den GehäuseÜberdruck mit dem Proportional-Ventil (2) konstant hält."

Gemäß Hilfsantrag 1 ist der erteilte Patentanspruch 1 durch das Merkmal ergänzt:

"wobei der Überdruckmesser (6) auch während der Spülphase den Gehäuseüberdruck misst und die Meßsignale zur Aktivierung des Proportionalventils (2) über die Meß- und Steuereinrichtung (7) bereitstellt."

Dieser Patentanspruch 1 wird gemäß Hilfsantrag 2 weiter durch das Merkmal ergänzt:

"wobei die Durchflussmeßvorrichtung (5) die über den Spülgas-Auslaß (4) verlassende Spülgasmenge meßtechnisch erfasst und der Meß- und Steuereinrichtung (7) bereitstellt."

Gemäß Hilfsantrag 3 ist der erteilte Patentanspruch 1 durch das Merkmal ergänzt:

"wobei die das Gehäuse (10) über den Spülgasauslaß (4) verlassende Spülgasmenge in der übergeordneten Meß- und Steuereinrichtung (7) integriert wird."

Mit den Vorrichtungen gemäß den vorangehenden Patentansprüchen 1 soll jeweils die Aufgabe gelöst werden, eine Vorrichtung anzugeben, welche sicherstellt, dass die von der Norm geforderte mehrfache Spülung des Gehäuseinneren mit Spülgas unter allen Umständen und in der kürzestmöglichen Zeit einhalten wird (Sp 2 Z 11 bis 16 der PS).

Als zuständiger Fachmann ist hier ein Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus mit Grundkenntnissen der Regelungstechnik und Berufserfahrungen auf dem Gebiet des Betriebs elektrischer Geräte in zündfähigen Atmosphären anzusehen. Dieser zieht hinsichtlich der Verbesserung der Gehäusespülung bedarfsweise einen Regelungstechniker zu Rate (BGH GRUR 1978, 37 - Börsenbügel).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1. Einspruchsverfahren Auf den Antrag der Patentinhaberin vom 29. Oktober 2002 ist gemäß § 147 Abs 3 Nr 2 PatG die Entscheidung auf den hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) übergegangen.

Dieser hatte aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung über das Patent zu entscheiden.

Die Einsprüche sind jeweils zulässig und mussten auch zu der im Beschlußtenor angegebenen Beschränkung des angegriffenen Patents führen.

2. Hauptantrag Die Vorrichtung gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 beruht gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmannes.

Aus dem Aufsatz von H. Bachmann: Explosionsschutz durch Überdruckkapselung, in: Elektro-Anzeiger 26. Jg. 1973 Nr.14, S 307 - 308 ist eine Vorrichtung zum Betreiben von elektrischen Geräten (Bild 1) bekannt, die mit einem Gehäuse (Bild 1: HR-206) mit der Zündschutzart "Überdruckkapselung EEXp" (heute nach DIN EN 50016, früher nach der dort erwähnten VDE 0170..) ausgerüstet sind in einer zündfähigen Atmosphäre (S 307 mi Sp Abs 1 bis re Sp Abs 1).

Die Vorrichtung umfasst ein Gehäuse HR-206, einen Spülgaseinlass mit Druckreduziervorrichtung (Druckminderventil), einen Spülgasauslass mit Überdruckmesser HR-205 und eine übergeordnete Mess- und Steuereinrichtung HR-201 (Bild 1 und 2 iVm S 308 mi Sp Abs 3 und 4).

In den Spülgasauslass ist auch eine Durchflussmessvorrichtung eingesetzt. Denn mit einer eingebauten Blende im Druckwächter wird ein Druckgefälle aufgebaut und ein Differenzdruckmanometer spricht bei einem Druck von 3 mbar an (S 308 mi Sp Abs 4).

Ein Absperrventil im Spülgas-Auslass ist nicht ausdrücklich erwähnt. Der Fachmann ist sich aber darüber im Klaren, dass ein solches Ventil für den angestrebten verminderten Spülmittelverbrauch (S 307, re Sp, letzter Abs) benötigt wird, wenn während des Betriebs nur noch die Leckverluste gedeckt werden sollen (S 308, li Sp, vorletzter Abs).

In den Spülgaseinlass ist ein Dreiwege-Magnetventil eingesetzt; ein Konstanthalten des GehäuseÜberdruckes beim Spülen ist nicht vorgesehen.

Die Vorrichtung gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 unterscheidet sich demnach von der bekannten dadurch, daß im Spülgas-Einlaß ein Proportional-Ventil vorgesehen ist, unddaß die Steuer- und Meßeinrichtung den GehäuseÜberdruck mit dem Proportional-Ventil konstant hält.

Diese Unterschiede können jedoch nicht patentbegründend sein.

Ausgehend von der bei H. Bachmann aaO beschriebenen Vorrichtung stellt sich dem Fachmann die Aufgabe sicherzustellen, dass die von der Norm geforderte mehrfache Spülung des Gehäuseinneren mit Spülgas unter allen Umständen und in der kürzestmöglichen Zeit einhalten wird, in der Praxis von selbst.

Denn bei Einstellung des Zeitrelais auf die einzuhaltende Spülzeit müssen Sicherheitszuschläge - und damit Spülgasverluste - berücksichtigt werden, da - wie die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen hat - es von Gehäusetyp und -einbauten abhängt, wie effektiv der Spülvorgang tatsächlich abläuft.

Der Fachmann wird sich deshalb auf seinem eigenen Fachgebiet - dem der Zündschutz-Gehäuse - umsehen nach Vorrichtungen, deren Gestaltung eine schnellere und effektivere Spülung gewährleistet, und dabei diesbezügliche Hinweise in der DE 40 33 598 A1 in Betracht ziehen.

Dort ist eine Vorrichtung zum Betreiben von elektrischen Geräten in einer zündfähigen Atmosphäre beschrieben (Titel, Zusammenfassung), umfassend ein - dort aus mehreren Kammern 23 bestehendes - Gehäuse (Fig 1), einen Spülgas-Einlass 25 mit Druckreduziervorrichtung 27 und einen Spülgas-Auslass 43 mit Absperrventil 42 sowie eine übergeordnete Mess- und Steuereinrichtung 30 (Fig 2 iVm Sp 2 Z 61 bis Sp 3 Z 33).

In der DE 40 33 598 A1 wird der Spülvorgang gesteuert und geregelt, wozu eine Strömungsmessvorrichtung 44 vorgesehen ist mit zwei zur Steuer- und Messeinrichtung geführten Messleitungen 35, 36 (Fig 2), die eine stetige Messung der pro Zeiteinheit durchfließenden Spülgas-Menge gestattet.

Aufgrund welcher Information der Spülvorgang beendet und auf Normalbetrieb umgeschaltet wird, ist in der DE 40 33 598 A1 nicht angegeben.

Mit den Augen des Fachmanns am Anmeldetag, der im bekanntgewordenen Stand der Technik nur zeitgesteuerte Spülvorgänge findet, entnimmt er dieser Druckschrift deshalb lediglich, dass die Spülung mit einem geregelten und deshalb gleichbleibenden Gasdurchsatz pro Zeiteinheit stattfindet, und zwar mit einem nicht dargestellten aber vorauszusetzenden Zeitglied für eine einstellbare Zeit.

Damit bei der bekannten Vorrichtung der Spülvorgang "überwacht und geregelt" werden und im Betrieb ein bestimmter Überdruck aufrechterhalten kann (Sp 4 Z 12 bis 22), muß selbstverständlich ein Überdruckmesser vorhanden sein, der deshalb ebenfalls vom Fachmann mitgelesen wird, auch wenn er nicht gesondert dargestellt ist.

Schon aufgrund seines regelungstechnischen Grundwissens erkennt der Fachmann in diesem Zusammenhang ohne weiteres, dass mit einer geregelten Strömung - und damit indirekt geregeltem GehäuseÜberdruck - die Spülzeit genauer dh kürzer eingestellt werden kann als bei einer ungeregelten Strömung, bei der lediglich ein Mindestdruck überschritten sein muss. Denn die Strömungsregelung ermöglicht eine Spülung mit dem oberen zulässigen Gehäusedruck.

Er wird deshalb weiterhin angeregt, anstelle der bei H. Bachmann aaO vorgesehenen Spülung mit einer festen - durch die größere Düse im dortigen Dreiwege-Ventil bestimmten - Spülgasmenge und bei einem durch eine Blende bestimmten Druck zur Lösung der Aufgabe die Spülgasströmung - und damit indirekt den sich aufgrund der Strömung einstellenden GehäuseÜberdruck - mit einer Überwachung und Regelung konstant zu halten, wie es der DE 40 33 598 A1 entnehmbar ist (Sp 4 Z 12 bis 16).

Zwar ist in der DE 40 33 598 A1 für die dort beschriebene Steuer- und Messeinrichtung 30 nicht angegeben, mit welcher Ventilart beim Spülen die Strömung geregelt wird.

Es gehört aber zu den Grundlagen der Regelungstechnik, dass zum Regeln ein Proportional-Ventil als stetig veränderbares Stellglied bessere Regeleigenschaften aufweist als ein Dreiwege-Ventil mit zwei unterschiedlichen Düsen.

Deshalb wird der Fachmann anstelle des bei H Bachmann aaO im Spülgas-Einlass vorgesehenen Dreiwege-Ventils auch - wie im erteilten Patentanspruch 1 weiter vorgesehen ist - dort ein Proportionalventil verwenden, um die Spülgasströmung und GehäuseÜberdruck konstant zu halten, und damit auch das letzte noch verbliebene Unterschiedsmerkmal zum erteilten Patentanspruch 1 verwirklichen.

Man würde seine Kenntnisse und Fähigkeiten zu gering schätzen, würde man ihm solches nicht zutrauen.

Daß die Begriffe "Steuern" bzw. "Regeln" - wie die Patentinhaberin ausgeführt hat - in der DE 40 33 598 A1 unzutreffend verwendet sind, kann der Senat nicht erkennen. Denn in der aus einer an zwei Stellen angezapften und als "Strömungs-Messeinrichtung 44" bezeichneten Venturi-Düse 44 erkennt der Fachmann eine Durchflussmessrichtung für einen Strömungs-Istwert, der in der Steuereinrichtung 30 aus den mit zwei Messleitungen herangeführten Druckwerten ermittelt und zur Steuerung und Regelung herangezogen wird.

Diese Druckschrift liegt auch nicht deshalb auf einem anderen Fachgebiet, weil die dort genannte Aufgabenstellung von der des Streitpatents abweicht, wie die Patentinhaberin meint. Denn die Maßnahmen zur Spülung parallelgeschalteter Kammern sind die gleichen wie in einem einzelnen Gehäuse.

Schließlich kann der Senat auch kein Vorurteil des Fachmanns gegen die Verwendung eines Proportional-Ventils erkennen. Denn stetige Ventile sind ebenso wie "Wege-Ventile" dem Fachmann seit langem als zum Steuern und Regeln von Flüssigkeits- und Gasströmen geeignet und bedarfsweise verwendbar bekannt.

3. Hilfsantrag 1 Die im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ergänzten Merkmale können die Patentfähigkeit dieser Vorrichtung nicht begründen.

Wie schon im Zusammenhang mit dem Hauptantrag ausgeführt ist, setzt der Fachmann in der DE 40 33 598 A1 zur Überwachung und Regelung der Spülung einen Überdruckmesser voraus. Dieser muss dann selbstverständlich auch während der Spülphase den Gehäuseüberdruck messen und seine Messsignale zur Aktivierung des Ventils über die Steuer- und Messeinrichtung bereitstellen, wie dies im ergänzten Merkmal gemäß Hilfsantrag 1 angegeben ist.

Die ergänzenden Maßnahmen werden deshalb vom Fachmann selbstverständlich mitverwirklicht, wenn er - wie zum Hauptantrag dargelegt ist - die aus H. Bachmann aaO bekannte Vorrichtung zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe aufgrund der in DE 40 33 598 A1 gegebenen Hinweise weiterbildet.

Die Ausführungen der Patentinhaberin zum Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 bezüglich einer damit verwirklichten druckabhängigen Steuerung können nicht durchgreifen. Denn der Anspruch 1 betrifft kein Spülverfahren sondern eine Vorrichtung, bei der der Überdruckmesser ein Messsignal "bereitstellt".

Diese "Bereitstellung" ist aber auch bei einer Regelung auf konstanten Spülstrom verwirklicht, wie sie durch die DE 40 33 598 A1 nahegelegt wird.

4. Hilfsantrag 2 Auch die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 beruht auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

Denn das gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 weiter ergänzte Merkmal ist bereits bei der Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag selbstverständlich vorhanden.

Wenn - wie zum Hauptantrag dargelegt - der Fachmann durch die DE 40 33 598 A1 dazu angeregt wird, die bei H. Bachmann aaO beschriebene Vorrichtung im Spülgas-Auslass mit einer Durchflussmesseinrichtung zu versehen, welche eine Steuerung und Regelung des Spülvorganges erlaubt, so erfasst diese aufgrund ihres Einbauortes und ihrer Messeigenschaften "die über den Spülgas-Auslass verlassende Spülgasmenge messtechnisch".

Ebenso selbstverständlich muß die messtechnisch erfasste Spülgasmenge auch "der Mess- und Steuereinrichtung bereitgestellt" werden; andernfalls könnte diese ihre Steuerfunktion gar nicht erfüllen und die schon im erteilten Hauptanspruch erwähnte Durchflussmessvorrichtung wäre ohne jeden Bezug zu den übrigen Anspruchsmerkmalen.

Entgegen den Ausführungen der Patentinhaberin zu diesem Hilfsantrag fügt deshalb das ergänzte Merkmal weder dem erteilten Patentanspruch 1 noch dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 etwas hinzu.

5. Hilfsantrag 3 5.1 Lehre des Patentanspruchs 1 Der Begriff "Spülgasmenge" ist in der Streitpatentschrift mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet.

Einmal ist damit die durch den Auslass strömende Gasmasse/-volumen pro Zeiteinheit gemeint (Sp 3 Z 39 bis 44 der PS). Denn nur für einen solchen zeitspezifischen Messwert ist eine Integration zur Erfassung des tatsächlich spülend wirksam gewordenen Gasvolumens sinnvoll und führt zu einem sinnvollen Beurteilungskriterium für den Gasaustausch beim Spülen.

An anderer Stelle ist damit die aufsummierte, absolute Gasmasse/-volumen gemeint (Sp 3 Z 46 bis 53 der PS), die direkt mit der von der Norm geforderten Spülgasmenge verglichen werden kann (Sp 1 Z 14 bis 17 und Z 39 bis 43 und Sp 2 Z 19 bis 26 der PS).

Im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 ist demnach mit dem Begriff "Spülgasmenge" der zeitspezifische Wert gemeint, denn dieser soll integriert werden.

5.2 Zulässigkeit Mit dem gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 zugefügten Merkmal wird das Streitpatent zulässig beschränkt. Denn der Inhalt dieses Patentanspruchs ist vom erteilten Patentanspruch 1 umfasst und sowohl ursprünglich als auch zur patentierten Erfindung gehörend in der Patentschrift offenbart.

Schon die Vorrichtung gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 weist im Spülgas-Auslass eine "Durchflussmessvorrichtung" auf. Somit wird aufgrund des Einbauorts selbstverständlich die "das Gehäuse 10 verlassende Spülgasmenge erfasst", wie es im zugefügten Merkmal angegeben ist.

Die Integration aller Messwerte - insbesondere also der Messwerte der Durchflussmesseinrichtung - durch die übergeordnete Mess- und Steuereinrichtung ist sowohl auf Seite 6, Absatz 3 der ursprünglichen Unterlagen als auch in Spalte 4, Zeilen 2 bis 6 der Streitpatentschrift offenbart, die Integration der Durchflussmenge darüber hinaus im erteilten Patentanspruch 6 unter Schutz gestellt.

Hinsichtlich der nunmehr beanspruchten "Integration" bedurfte des - entgegen der Auffassung der beiden Einsprechenden - auch nicht einer Zusammenfassung des (nun weggefallenen) erteilten Anspruchs 6 mit den Merkmalen der in Bezug genommenen vorangehenden Ansprüche 3 oder 4.

Denn der Fachmann erkennt ohne weiteres, dass es bei der Berücksichtigung der absoluten Gasmenge aufgrund eines integrierten Signal nicht darauf ankommt, wie die Messeinrichtung arbeitet, deren Signal integriert wird.

Eine Festlegung auf die in der Patentschrift angegebene Rückbeziehung ist deshalb nicht veranlasst.

5.3 Neuheit Die gewerblich anwendbare Vorrichtung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ist neu.

Weder bei der von H. Bachmann aaO noch bei der in DE 40 33 598 A1 beschrieben Vorrichtung wird - wie sich aus den Ausführungen zum Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 ergibt - die das Gehäuse verlassende Spülgasmenge integriert.

Dies gilt - entgegen der Auffassung der Einsprechenden - auch für die neu ins Verfahren eingeführte DE 34 32 494 A1, die schon keine Vorrichtungen zum Betreiben von elektrischen Geräten mit einem Gehäuse, einem Spülgas-Einlass und einem Spülgas-Auslass offenbart. Die auf Seite 9 (handschriftlich), Absatz 2 angegebene "Dokumentationsfunktion" beinhaltet die Registrierung von Messwerten, worunter der Fachmann deren unmittelbare, unveränderte Erfassung und Abspeicherung versteht, nicht aber deren weitergehende mathematische Bearbeitung wie zB durch Mittelwertbildung, Integration usw.

Im Zusammenhang mit zeitgesteuerten Spülvorgängen und Druckwächtern zur Erfassung von Mindestdrücken ist auch in den Unterlagen zu den beiden angeblich offenkundig vorbenutzten ZündschutzgasÜberwachungsanlagen F - 216 bzw. CGZÜ keine Integration von Spülgasmengen offenbart.

Aufgrund der vorgesehenen Zeitsteuerung benötigen diese auch nur zeitspezifische Messwerte für die Steuerung.

Auch die Schulungsunterlagen der Fa. Bürkert offenbaren keine Integration von Spülgasmengen.

Die übrigen noch im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen, die in der mündlichen Verhandlung weder vom Senat noch von den Beteiligten aufgegriffen wurden, gehen über den vorstehend abgehandelten Stand der Technik ersichtlich nicht hinaus und bringen auch keine neuen Gesichtspunkte, so dass auf sie nicht eingegangen zu werden braucht.

5.3 Erfinderische Tätigkeit Die Vorrichtung gemäß dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

Wie die Patentinhaberin zur Überzeugung des Senats in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ergänzt der Fachmann den Offenbarungsgehalt der DE 40 33 598 A1 hinsichtlich des Spülvorgangs durch ein in der Steuerung vorauszusetzendes Zeitrelais.

Denn mit der Strömungsmesseinrichtung 44 wird lediglich das Vorhandensein eines bestimmten zeitspezifischen Gasdurchflusses ermittelt, der dann - zeitgesteuert - nur noch solange aufrechterhalten bleiben muss, bis die in der Norm geforderte Spülgasmenge durch das Gehäuse geflossen ist und dieses auch durch den Spülgasauslass verlassen hat.

Demgegenüber haben die Erfinder gemäß Hilfsantrag 3 eine Vorrichtung angegeben, die mit der tatsächlich zur Spülung wirksamen absoluten Gasmenge arbeitet, indem die das Gehäuse durch den Spülgas-Auslass verlassende Spülgasmenge in der übergeordneten Mess- und Steuereinrichtung integriert wird.

Dies bedeutet eine völlige Abkehr von dem bis dahin allein verwendeten Prinzip einer zeitgesteuerten Spülung. Mit dem letzten kennzeichnenden Merkmal des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 wird es nun möglich, den Spülvorgang nach der kürzestmöglichen Zeit zu beenden: nämlich dann, wenn die Mess- und Steuereinrichtung feststellt, dass der von der Norm geforderte xfache Spülmittelwechsel stattgefunden hat, was am integrierten Wert unmittelbar abzulesen ist.

Für eine solche Vorrichtung fehlt im Stand der Technik einschließlich der behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen jedes Vorbild.

Auch aus seinem Fachwissen heraus konnte der Fachmann eine solche Vorrichtung nicht angeben, ohne erfinderisch tätig zu werden.

Denn das Bedürfnis, einen xfachen Spülmittelwechsel sicherzustellen ist dem Fachmann schon lange vor dem Anmeldetag durch die der DIN EN 50016 vorausgehende Vorläufernorm VDE 0 170.. bekannt gewesen (H. Bachmann aaO S 307 mi Sp Abs 1 bis re Sp Abs 2), ebenso der Wunsch, Spülmittelverluste zu vermeiden (aaO S 307 re Sp Abs 3).

Auch waren Integratoren für Meßwerte dem Fachmann schon vor der Veröffentlichung des Aufsatzes von H. Bachmann.. bekannt, ebenso Messeinrichtungen, mit denen der Absolutwert einer aus einem Gehäuse austretende Gasmenge bestimmt werden kann.

Dennoch wurde sowohl bei H. Bachmann.. als auch bei den anderen bekannten Vorrichtungen die zeitgesteuerte Spülung verwirklicht und verbessert.

Die bekannten Unzulänglichkeiten zeitgesteuerter Vorrichtungen wurden dabei bis zum Anmeldetag des Streitpatents hingenommen (vgl RG. vom 1. April 1938 in GRUR 39, 117).

Niemand hat die - bei rückschauender Betrachtung in Kenntnis der Erfindung - scheinbar in der Norm schon vorgegebene, jedoch von den Erfindern erstmals angegebene Lösung verwirklicht, den Absolutwert des spülend wirksam gewordenen Gases zu ermitteln und in der Mess- und Steuereinrichtung zur Verfügung zu stellen.

Demnach kommt den Erfindern das Verdienst zu, einem lange bestehenden Bedürfnis durch Kombination lange bekannter Einzelelemente in der anspruchsgemäßen Weise abgeholfen zu haben (vgl BGH Bl 53, 227 - Rohrschelle und Schulte PatG 6. Auflage Rn 75-77 zu § 4).

Hierzu bedurfte es eines erfinderischen Tuns des Fachmannes.

Mit dem Patentanspruch 1 haben auch die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 gemäß Hilfsantrag 3 Bestand.

Der Frage der öffentlichen Zugänglichkeit der behaupteten Vorbenutzungen brauchte nach alledem nicht nachgegangen zu werden.

Dr. Kellerer Schmöger Dr. Kaminski Dr. Scholz Be






BPatG:
Beschluss v. 02.07.2003
Az: 19 W (pat) 701/03


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