Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. November 2006
Aktenzeichen: 33 W (pat) 89/03

(BPatG: Beschluss v. 14.11.2006, Az.: 33 W (pat) 89/03)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der aus der Marke IR R 285 217 Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 1 des Patentamts vom 21. März 2001 und vom 6. November 2002 mit der Maßgabe aufgehoben, dass die Löschung der angegriffenen Marke wegen dieses Widerspruchs für folgende Waren angeordnet wird:

"technische Öle und Fette; Schmiermittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenutzungs- und Staubbindemittel; Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe) und Leuchtstoffe; Kerzen, Dochte".

2. Im Übrigen wird die Beschwerde wegen des Widerspruchs aus der Marke IR R 285 217 zurückgewiesen.

3. Die Entscheidung über die Beschwerde der aus der Marke 970 122 Widersprechenden bleibt dahingestellt.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist gegen die Eintragung der für die Waren und Dienstleistungen

"Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, photographische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke; Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand; Düngemittel; Feuerlöschmittel, Mittel zum Härten und Löten von Metallen; chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln; Gerbmittel; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke; technische Öle und Fette; Schmiermittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel; Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe) und Leuchtstoffe; Kerzen, Dochte; Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesenam 5. Juli 1999 angemeldeten und am 8. Dezember 1999 registrierten Marke 399 38 901 ELF TOTAL Widerspruch eingelegt worden aufgrund folgender Marken:

IR R 285 217 ELF eingetragen für die Waren

"Huilles et graisses industrielles, lubrifiants, compositons à lier la poussièe, compositions combustibles, y compris essence, mazout, fuel, petrole, gaz liquefies ou non, matières eclairantes, chandelles, bougies, veilleuses et meches et tous produits entrant dans ladite classe"

und 907 122 TOTAL eingetragen für die Waren

"Rohöl, brennbare Gemische flüssiger Kohlenwasserstoffe und technische Öle, die durch Behandlung von Rohöl, flüssiger, gasförmiger oder fester Kohlenwasserstoffe gewonnen werden, technische Öle und Fette, insbesondere Schmieröle und Schmierfette für Motoren, Getriebe und Lager, flüssige Brennstoffe für Motoren, insbesondere Benzin, Dieselöl; Heizöl".

Die Markenstelle für Klasse 1 hat den Widerspruch durch Erstprüferbeschluss vom 21. März 2001 zurückgewiesen und diese Entscheidung im Erinnerungsbeschluss vom 6. November 2002 bestätigt. Es wurde ausgeführt, dass die Marken teilweise identische Warenverzeichnisse beinhalteten bzw. in einem engen Ähnlichkeitsbereich lägen. Die Widerspruchsmarke 907 122 ("TOTAL") verfüge mangels entgegenstehender Anhaltspunkte über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Hinsichtlich der Widerspruchsmarke IR R 285 217 ("ELF") werde zugunsten der Widersprechenden von einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft ausgegangen. Der erforderliche Abstand werde von der angegriffenen Marke zu den Widerspruchsmarken noch eingehalten.

Hinsichtlich des Widerspruchs aus der Marke IR R 285 217 ("ELF") stünden sich die beiden Marken "ELF-TOTAL" und "ELF" gegenüber die sich schon durch ihre Wortlänge deutlich unterschieden. Es bestehe auch kein Anlass, einen Bestandteil der angegriffenen Marke zu vernachlässigen. Daher werde der Verkehr den weiteren Wortteil auf jeden Fall auch beachten. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr könne aufgrund der auffallend unterschiedlichen Wortlänge ausgeschlossen werden. Für andere Arten von Verwechslungsgefahren sei nichts ersichtlich. Auch eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens komme nicht in Betracht, da der Bestandteil "elf" auch von anderen Firmen verwendet werde und damit nicht zwingend auf einen Stammbestandteil für Marken der Widersprechenden hinweise.

Hinsichtlich des Widerspruchs aus der Marke 970 122 ("TOTAL") stünden sich ebenfalls die beiden Marken "ELF-TOTAL" und "TOTAL" gegenüber. Auch diese unterschieden sich durch ihre Wortlänge. Es bestehe ebenfalls kein Anlass, einen Bestandteil der angegriffenen Marke zu vernachlässigen. Die Bestandteile "ELF" und "TOTAL" seien beide gleichermaßen kennzeichnungsschwach. Der Verkehr werde daher die Marken insgesamt würdigen und die Unterschiede nicht überhören. Diese reichten aus, um den Marken ein unterschiedliches klangliches Gepräge zu verleihen. Diesbezügliche Verwechslungsgefahren seien daher nicht zu erwarten. Für andere Arten von Verwechslungsgefahren sei nichts ersichtlich. Auch eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens sei nicht erkennbar, da der Bestandteil "TOTAL" aufgrund seiner beschreibenden Aussage nicht als Stammbestandteil geeignet sei.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Beschwerden der Widersprechenden.

Sie tragen vor, dass die angegriffene jüngere Marke bei jeweils identischen bzw. hochgradig ähnlichen Dienstleistungen aus zwei bekannten älteren Marken ein- und derselben Unternehmensgruppe zusammengesetzt sei. Es sei nicht vorstellbar, dass die angesprochenen Verkehrskreise mit der angegriffenen Marke "ELF-TOTAL" die Waren und Dienstleistungen eines anderen Konzerns als der TOTAL-Gruppe bzw. eine andere betriebliche Herkunft verbinden würden, wenn ihnen die beiden Markenwörter wie in der angegriffenen Marke in enger räumlicher oder sprachlicher Nähe gegenübertreten. Sie würden die angegriffene Marke selbstverständlich mit der einen oder anderen Widerspruchsmarke gedanklich in Verbindung bringen, wenn es um die hier relevanten Waren und Dienstleistungen gehe. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung der erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke.

Die Widersprechende zu 1) beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Widersprechende zu 4) beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren der Klasse 4 anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat sich schriftlich nicht geäußert, trägt jedoch vor, dass insbesondere bezüglich der Dienstleistungen der angegriffenen Marke keine Ähnlichkeit zu den Waren der Widerspruchsmarken bestünde. Sie trägt weiter vor, dass nach der sogenannten Prägetheorie eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben sei und nimmt im Übrigen Bezug auf die Ausführungen der Beschlüsse der Markenstelle.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Der Senat hält die Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG bezüglich der Marke IR R 285 217 ("ELF") hinsichtlich der Waren "technische Öle und Fette; Schmiermittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenutzungs- und Staubbindemittel; Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe) und Leuchtstoffe; Kerzen, Dochte" für gegeben.

Ob Verwechslungsgefahr besteht hängt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Waren ab, wobei von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTA-CHÉ/TISSERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu berücksichtigten, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH a. a. O. - Lloyd; BGH a. a. O. - ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 1999, 995 - HONKA). Dabei stehen die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung, so dass z. B. ein geringerer Grad an Markenähnlichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw. durch einen höheren Grad an Warenähnlichkeit ausgeglichen werden kann (st. Rspr. BGH GRUR 2000, 602 - Cetof/Etop).

a) Nachdem Benutzungsfragen hier nicht einschlägig sind, ist für die Frage der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Die Waren der Klasse 4 sind in den jeweils sich gegenüberstehenden Warenverzeichnissen identisch oder jedenfalls im engsten Ähnlichkeitsbereich. Etwas anderes gilt hinsichtlich der Waren der Klasse 1 und der Dienstleistungen der Klasse 36 im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der angegriffenen Marke. Die Warenähnlichkeit ist nämlich unter Berücksichtigung aller erheblicher Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe zu beurteilen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922 - Canon; BGH GRUR 2001, 507 - Evian/Revian). Die Waren der Klasse 1 in der angegriffenen Marke weisen im Wesentlichen keine Berührungspunkte zu den Waren der Widerspruchsmarke auf, so dass die beteiligten Verkehrskreise nicht zu der Auffassung kommen könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Berührungspunkte weist allenfalls die Ware "Kunststoffe im Rohzustand" zu "technische Öle und Fette" auf. Allerdings handelt es sich hierbei um Produkte auf völlig unterschiedlichen Fertigungsstufen, so dass insoweit allenfalls eine sehr entfernte Ähnlichkeit in Betracht kommt.

Eine Ähnlichkeit zwischen den Waren der Widerspruchsmarke und den Dienstleistungen der angegriffenen Marke ist vollkommen ausgeschlossen.

b) Die Widersprechende hat vor dem Bundespatentgericht unter Hinweis auf eine jahrzehntelange Benutzung der Widerspruchsmarke eine erhöhte Kennzeichnungskraft geltend gemacht. Die Markeninhaberin hat dies nicht in Zweifel gezogen, so dass der Senat aufgrund der Ausführungen der Widersprechenden zu 1) eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zugrundelegt.

c) Den insoweit erforderlichen erheblichen Abstand halten die sich gegenüberstehenden Marken nicht ein, soweit die sich gegenüberstehenden Waren im engen Ähnlichkeitsbereich bis hin zur Identität liegen. Dabei ist davon auszugehen, dass für einen erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise die jüngere Marke im Wesentlichen durch den Bestandteil "ELF" geprägt wird.

Es ist grundsätzlich nicht zulässig, aus einer angegriffenen jüngeren Marke ohne weiteres ein Element herauszugreifen und dessen Übereinstimmung mit der Widerspruchsmarke festzustellen (BGH GRUR 1996, 90 - Springende Raukatze). Etwas anderes kann nur gelten, wenn einem der Marketeile eine so eigenständige, kennzeichnende und insgesamt dominierende Bedeutung zukommt, dass darin der markenmäßige Schwerpunkt des Gesamtzeichens gesehen werden kann (BGH GRUR 1996, 775 - SaliToft; GRUR 1998, 930 - Fläminger).

So verhält es sich hier. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch die von der Widersprechenden unwidersprochen vorgetragene gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "ELF". Denn wenn - wie hier - die Widerspruchsmarke nur aus einem übereinstimmenden Teil der angegriffenen Marke besteht, ist für die Frage, ob dieser Bestandteil das angegriffene Zeichen trägt, auch grundsätzlich eine durch die Benutzung erworbene erhöhte Kennzeichnungskraft des Widerspruchszeichens zu berücksichtigen (vgl. BGH MarkenR 2003, 1285 - CityPlus).

Der Senat hat in diesem Widerspruchverfahren bereits in einer früher ergangenen Entscheidung hinsichtlich der Widerspruchsmarke DE 300 743 ("Total") entschieden, dass insoweit für einen erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise die hier streitgegenständliche angegriffene Marke durch den Bestandteil "Total" geprägt sei. Dies steht nicht im Widerspruch zu der Entscheidung in diesem Verfahren. Die Widerspruchsmarke 300 743 "Total" hat ebenfalls - allerdings hinsichtlich vollkommen anderer Waren der Klasse 1 - eine gesteigerte Kennzeichnungskraft. Diese erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist ebenfalls unwidersprochen geltend gemacht worden. Auch insoweit war daher hinsichtlich dieser Waren die durch die Benutzung erworbene erhöhte Kennzeichnungskraft des Widerspruchszeichen für die Frage der Prägung der angegriffenen Marke zu berücksichtigen.

2. Der Widerspruch aus der Marke 970 122 ("TOTAL") richtet sich lediglich gegen die Waren der Klasse 4. Da bereits aufgrund des Widerspruchs aus der Marke IR R 285 217 die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren der Klasse 4 angeordnet worden ist, kann die Entscheidung über die Beschwerde aus der Marke 970 122 dahingestellt bleiben.

3. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass aus Gründen der Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG aufzuerlegen.






BPatG:
Beschluss v. 14.11.2006
Az: 33 W (pat) 89/03


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