Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 7. Juli 2009
Aktenzeichen: 2 ARs 45/09

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 07.07.2009, Az.: 2 ARs 45/09)

Tenor

Der Antrag vom 25. Mai 2009 auf Bewilligung eines Vorschussesnach § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Bewilligung eines Vorschusses nach § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG setzt voraus, dass die spätere Festsetzung einer Pauschgebühr mit Sicherheit zu erwarten ist. Weiterhin ist erforderlich, dass es dem bestellten Verteidiger nicht zugemutet werden kann, die endgültige Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten (vgl. BVerfG NJW 2005, 3699; KG AGS 2006, 26; Hartmann, Kostengesetze 39. Aufl. § 51 RVG Rn. 37; Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG 18. Aufl. § 51 Rn. 68, Houben in: Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG 14. Aufl. § 51 Rn. 11). Der Gesetzgeber hat die mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz neu eingeführte Möglichkeit der Vorschussgewährung nur für besonders langwierige Verfahren gedacht, in denen die Rechtskraft häufig erst nach mehreren Jahren eintritt, der Pflichtverteidiger erst dann die Festsetzung einer Pauschvergütung beantragen könnte und es daher unbillig wäre, ihn hierauf zu verweisen (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 202).

Der Antrag scheitert hier schon daran, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Vorschusses in zeitlicher Hinsicht nicht vorliegen. Der Beschuldigte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 18. März 2008 in Untersuchungshaft genommen. Er mandatierte die Antragstellerin am 16. Januar 2009, die mit Verfügung des Vorsitzenden des 5. Strafsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. April 2009 als Verteidigerin bestellt wurde. Bei dieser Sachlage ist es der Antragstellerin zuzumuten, für ihre bislang als Pflichtverteidigerin in einem Zeitraum von weniger als drei Monaten entfaltete Tätigkeit auf die Möglichkeit eines Vorschusses gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 RVG zu verweisen. Dies gilt zumal, da weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich ist, dass die Gewährung eines über die bislang angefallenen gesetzlichen Gebühren und Auslagen hinausgehenden Vorschusses, etwa zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Notlage der Antragstellerin, oder aus anderen Gründen der Billigkeit unbedingt notwendig wäre (vgl. BVerfG aaO; OLG Hamm AGS 2000, 202 € zit. nach juris; Hartmann aaO).

Hinzu kommt, dass in dem frühen Stadium, in dem sich das vorliegende Verfahren befindet, keineswegs mit der nötigen Sicherheit feststeht, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung vorliegen werden (vgl. dazu KG aaO; Houben aaO Rn. 12), mag dies im Hinblick auf den Tatvorwurf und die damit verbundenen Besonderheiten des Verfahrens bei vorläufiger Bewertung aus jetziger Sicht auch wahrscheinlich sein. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. OLG Frankfurt am Main NJW 2006, 457) ist nämlich der Anwendungsbereich der Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG gegenüber § 99 BRAGO erheblich eingeschränkt. Eine Pauschgebühr ist in Abweichung von der früheren Rechtslage nur noch zu bewilligen, wenn die im Vergütungsverzeichnis bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sachenicht zumutbarsind. Damit soll verhindert werden, dass der Pflichtverteidiger aufgrund seiner staatlichen Zwecken dienenden Bestellung ein Sonderopfer erbringt (vgl. BVerfGE 68, 237, 253 f; NJW 2005, 1264). Diese Einschränkung ist nach der amtlichen Begründung (vgl. BT-Dr. 15/1971 S.203) gerechtfertigt, weil in das Gebührenverzeichnis zum RVG neue Gebührentatbestände aufgenommen worden sind, bei denen die zugrunde liegenden Tätigkeiten in der Vergangenheit häufig bei der Bewilligung einer Pauschgebühr berücksichtigt worden sind. Das gilt zum Beispiel für die Teilnahme an Vernehmungen im Ermittlungsverfahren oder die Teilnahme an Haftprüfungsterminen. Gleiches gilt für die Dauer der Hauptverhandlung, da das Vergütungsverzeichnis für den Pflichtverteidiger für mehr als 5 bzw. 8 Stunden dauernde Hauptverhandlungstermine Zuschläge zu den Hauptverhandlungsgebühren vorsieht. Die bisherigen Grundsätze für die Bewilligung einer Pauschgebühr sind damit nur noch sehr eingeschränkt anwendbar. Die Bewilligung einer Pauschgebühr kommt nach alledem nur noch in Ausnahmefällen in Betracht (vgl. Senat aaO; OLG Frankfurt, Beschluss vom 1. Dezember 2006 € 2 ARs 105/06 und dazu BVerfG NStZ-RR 2007, 359 = RPfleger 2007, 680).

Der Senat verkennt nicht, dass sich die Antragstellerin mit erheblichem Zeitaufwand in das Ermittlungsverfahren eingearbeitet hat. Ob eine Pauschvergütung zu bewilligen sein wird, ist jedoch aufgrund einer - in der Regel erst nach Abschluss des Verfahrens möglichen - Gesamtbetrachtung anhand der oben aufgeführten Kriterien zu entscheiden und zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für das Verfahren, das im ersten Rechtszug voraussichtlich vor dem Oberlandesgericht stattfinden wird, der Antragstellerin die höchsten Gebühren zustehen werden, die das Gesetz vorsieht (RVG-VV Ziffern 4118-4123). Von wesentlicher Bedeutung für den gesetzlichen Gebührenanspruch sind insbesondere die Anzahl der Hauptverhandlungstage und deren jeweilige Dauer. Ein erhöhter Aufwand im Ermittlungsverfahren kann dabei gebührenrechtlich durch eine vergleichsweise geringe zeitliche Inanspruchnahme des Verteidigers während des Hauptverfahrens kompensiert werden. Da all dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen ist, erscheint der Antrag auch aus diesem Grund verfrüht gestellt.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 07.07.2009
Az: 2 ARs 45/09


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