Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 17. Dezember 2002
Aktenzeichen: 15 U 95/02

(OLG Köln: Urteil v. 17.12.2002, Az.: 15 U 95/02)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 27. März 2002 verkün-dete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 533/01 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Das zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel des Beklagten hat in der Sache Erfolg.

I.

Der Kläger ist Geschäftsführer und Chefredakteur des "N.U. - Institut für Medienanalyse", das sich mit der Auswertung und Analyse von Presseerzeugnissen befasst. Der Beklagte ist Professor für allgemeine und spezielle Journalistik an der Universität L.. Dort leitet er die Abteilung Journalistik des Instituts für Kommunikations- und Medienwissenschaft. In den Jahren 1996 und 1997 war der Beklagte Mitglied im Beirat des Instituts für Medienanalyse. Er hat in diesem Zeitraum an den Publikationen des N.U. mitgewirkt.

Am 07./08.07.2001 erschien in der S. Zeitung unter der Überschrift "Meine Daten, deine Daten" und der Unterüberschrift "Sind die Journalisten im Osten an den PDS-Erfolgen schuld€" ein Artikel, der sich mit einer vom Institut des Klägers durchgeführten Untersuchung befasste. Gegenstand dieser Untersuchung war ein Vergleich der Berichterstattung in den "Sachsenseiten" der "L.er Volkszeitung" und der "Sächsischen Zeitung" über politische Parteien in der Zeit vom 24.01.2000 bis 11.02.2000. In dem Artikel der S. Zeitung wurde auch über eine von dem Institut des Beklagten durchgeführte Untersuchung und Auswertung der vorgenannten Zeitungen berichtet. Das Ergebnis dieser Untersuchung wurde in der S. Zeitung als "exakt entgegengesetzt" zu dem vom Institut des Klägers ermittelten Ergebnis dargestellt. Der vorletzte Absatz des Artikels der S. Zeitung lautete:

"So hat sich mittlerweile eine echte Sachsenposse entwickelt, in der zwei Analysten unanalytisch aufeinander knallen. I. sagt: "T. betreibt Datenmanipulation". T. sagt: "I. betreibt Geschäftsschädigung, weil er über sein eigenes Unternehmen seine Analysen verkaufen will."

Aus Anlass der Veröffentlichung hat der Kläger den Beklagten auf Unterlassung der Äußerung "T. betreibt Datenmanipulation" in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei der Äußerung des Beklagten handele es sich um ein pauschales Unwerturteil, das geeignet sei, den Kläger in seiner beruflichen Tätigkeit und in seinem persönlichen Ansehen deutlich herabzusetzen. Der Beklagte habe nicht hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte dargetan, die die wertende Meinungsäußerung des Beklagten nachvollziehbar und plausibel erscheinen ließen.

Mit der Berufung begehrt der Beklagte die Abänderung des angefochtenen Urteils und die Abweisung der Klage. Er macht geltend, er habe sich nicht so, wie dies in der S. Zeitung wiedergegeben worden sei, geäußert. Tatsächlich habe er sich gegenüber dem Journalisten der S. Zeitung entsprechend seines Faxbriefes vom 06.07.2001 (Bl. 12 AH) wie folgt geäußert:

"Ich habe kein Unternehmen und stehe wirtschaftlich in keiner Konkurrenz- oder Wettbewerbssituation zu Herrn T. und seiner Firma "N.U." - ich habe vielmehr feststellen müssen, dass der Medientenor wissenschaftlich unsauber arbeitet und Herr T. Daten auf manipulative Weise interpretiert haben will."

Der Beklagte ist der Auffassung, das Landgericht überspanne die Anforderungen an die Darlegungslast, die ihn in Bezug auf die Berechtigung der von ihm am Kläger geübten Kritik treffe. Scharfe und überzogen formulierte Kritik an der Leistung von Wirtschaftsunternehmen sei zulässig. Seine Äußerung sei insbesondere keine unzulässige Schmähkritik.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Die Äußerungen des Beklagten sind seiner Auffassung nach eindeutig dem Begriff der "Schmähkritik" zuzuordnen. Er werde durch die Vorwürfe des Beklagten in seiner Person herabgesetzt, abgewertet und geradezu diffamiert. Das Vorliegen von Schmähkritik sei insbesondere deshalb zu bejahen, weil der Beklagte - wie das Landgericht zu Recht betont habe - keine Anknüpfungstatsachen dargelegt habe. Weder habe er das von ihm verwandte Codebuch vorgelegt, noch habe er seine methodischen Grundlagen offenbart.

Wegen des weiteren, dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung.

1.

Ein solcher Anspruch folgt zunächst nicht aus §§ 823 I, 1004 BGB. Der Beklagte hat durch seine Äußerungen nicht rechtswidrig in das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen.

Der Senat geht aufgrund des unstreitigen Parteivortrages davon aus, dass sich der Beklagte gegenüber dem Journalisten der S. Zeitung so geäußert hat, wie dies in dem an den Journalisten gerichteten Faxbrief des Beklagten vom 06.07.2001 wiedergegeben ist. Danach hat der Beklagte dem Kläger vorgeworfen, "Daten auf manipulative Weise interpretiert" haben zu wollen. Ob diese Erklärung in Kern und maßgeblichem Aussagegehalt inhaltlich identisch ist mit der in der S. Zeitung verkürzt wiedergegebenen Formulierung der "Datenmanipulation", so dass diese Formulierung dem Beklagten uneingeschränkt zuzurechnen ist, kann letztlich offen bleiben. Denn nach Auffassung des Senats stellt auch der Vorwurf der "Datenmanipulation" in dem Gesamtzusammenhang des vorliegend zu beurteilenden Sachverhaltes keinen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar.

Zutreffend hat das Landgericht die Erklärung des Beklagten als Meinungsäußerung eingestuft. Hierfür kommt es in Abgrenzung zur Tatsachenbehauptung darauf an, ob die Äußerung einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (BGHZ 139, 95, 102 m.w.N.). Im Falle von Meinungsäußerungen ist eine solche Überprüfung nicht möglich, weil sie durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zu dem Inhalt seiner Erklärung und durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt sind. Sie lassen sich daher im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen nicht als wahr oder unwahr beweisen (BGHZ 139, 95, 102 m.w.N.). Allerdings kann im Einzelfall auch eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, als Tatsachenbehauptung einzustufen sein, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird. Wirken Tatsachenbehauptung und Wertung dagegen untrennbar zusammen, wird die Äußerung grundsätzlich in ihrer Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst. Dies gilt insbesondere in den Fallkonstellationen, in denen die Äußerung in entscheidender Weise durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder des Meines geprägt wird (vgl. BGHZ 132, 13, 21 m.w.N.; BGHZ 143, 199, 208). Von einem Überwiegen des Wertungscharakters in diesem Sinne ist auszugehen, wenn der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm ist, dass er gegenüber der Wertung in den Hintergrund tritt (BGHZ 45, 296, 304). Dies ist der Fall, wenn sich der Äußerung die Behauptung wenigstens einer konkretgreifbaren Tatsache nicht entnehmen lässt und sie sich in einem pauschalen Urteil erschöpft (BVerfG NJW 1983, 1415, 1416).

So liegt der Fall hier. Der Vorwurf der Manipulation von Daten enthält untrennbar miteinander verbundene tatsächliche und wertende Elemente. In tatsächlicher Hinsicht beinhaltet eine "Manipulation" ein Lenken in eine bestimmte Richtung durch bewusstes Beeinflussen (Duden, Bedeutungswörterbuch, 3. Auflage 2002). In dieser - für sich betrachtet - wertneutralen Bedeutung erschöpft sich der Aussagegehalt des Begriffes vorliegend jedoch nicht. Vielmehr wird er zusätzlich von einer deutlich negativen Wertung geprägt. Wer Daten manipuliert, beeinflusst sie nicht nur bewusst, sondern in einer Weise, die den Regeln eines korrekten und nach dem Verständnis der betroffenen Verkehrskreise angemessenen Umgangs mit Daten nicht entspricht. In diesem wertenden Bedeutungselement des Begriffs der Datenmanipulation ist sein wesentlicher Schwerpunkt begründet, der ihn von anderen Formulierungen unterscheidet. Es ist auch gerade dieses Element, durch das das Persönlichkeitsrecht desjenigen, der von der Äußerung betroffen ist, mehr berührt wird als durch andere, wertneutralere Formulierungen. Der Begriff der Datenmanipulation enthält daher bereits im Regelfall überwiegende Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens. Für die vorliegend zu beurteilende Erklärung des Beklagten gilt dies in besonderem Maße. Seine streitgegenständliche, in der S. Zeitung wiedergegebene Äußerung enthält keine konkret greifbaren Tatsachen wie etwa ein einzelnes Beispiel einer Datenmanipulation. Eine Überprüfbarkeit und Beweisbarkeit der Wahrheit des unscharf bleibenden Tatsachenkerns der Äußerung ist nicht möglich, weil sich ihr hinreichend bestimmte oder bestimmbare Vorgänge nicht zuordnen lassen. Die Äußerung des Beklagten erschöpft sich vielmehr in einem pauschalen Urteil über die Art der vom Kläger vorgenommenen bzw. gewollten Behandlung von Daten. Der tatsächliche Gehalt des Begriffs der "Datenmanipulation" ist damit vorliegend so substanzarm, dass er gegenüber dem überwiegenden wertenden Element in den Hintergrund tritt.

Die Meinungsäußerung des Beklagten berührt das Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner speziellen Ausformung der beruflichen Ehre und Reputation. Die erforderliche Abwägung mit den Belangen der durch Art. 5 Abs.1 Satz 1 des Grundgesetzes gewährleisteten Kritik- und Meinungsfreiheit des Beklagten führt jedoch zu dem Ergebnis, dass ein rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht festgestellt werden kann.

Betrifft eine Meinungsäußerung eine die Öffentlichkeit besonders berührende Frage, so ist der Einsatz auch starker Ausdrücke, polemisierender Wendungen und überspitzter, plakativer Wertungen zulässig (BGH NJW 1981, 2117; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Rn 5.82; vgl. ferner die Entscheidung des Senates vom 06.08.2002, OLGR 2002, 411: Vorwurf gegenüber einem wissenschaftlichen Archiv, "man habe hier gefälscht und umsortiert", um die Rolle eines Sportfunktionärs "vor 1945 zu beschönigen"). Dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit kommt in derartigen Fällen ein Rang zu, demgegenüber der Schutz des Persönlichkeitsrechts vor scharf und überspitzt formulierter Kritik grundsätzlich zurückzutreten hat. Ein die Öffentlichkeit in diesem Sinne berührendes Thema ist vorliegend im Hinblick auf die Frage der Ausgewogenheit der politischen Berichterstattung ostdeutscher Zeitungen und die diesbezüglichen Untersuchungen der Parteien zu bejahen. Dies gilt umso mehr, als über das vorgenannte Thema und den Meinungsstreit der Parteien in der überregionalen Presse berichtet wurde.

Überspitzte und plakative Wertungen verlassen allerdings den Bereich der geschützten und noch zulässigen Meinungsäußerung, wenn sie die Grenze zur Schmähkritik überschreiten. Die Voraussetzungen des - eng auszulegenden - Begriffs der Schmähkritik sind gegeben, wenn bei der betroffenen Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik persönlich herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (BGHZ 143, 199, 209 m.w.N.; vgl. auch die Senatsentscheidung vom 06.08.2002, a.a.O. m.w.N.). Von Bedeutung ist insbesondere, ob der Äußerung Sachnähe zu einem ihr zugrunde liegenden Tatbestand zukommt (Soehring, Presserecht, Rn 20.9; vgl. ferner die Senatsentscheidung vom 02.08.1983, AfP 1983, 472). Um die Zulässigkeit der Äußerung einer tendenziell herabsetzenden Meinung hinreichend beurteilen zu können, ist daher im nachfolgenden Rechtsstreit die Offenbarung tatsächlicher Bezugspunkte erforderlich (BGH NJW 1974, 1762; vgl. auch Soehring, a.a.O.). Es ist - in gewissem Umfang - Sache des Kritikers, Umstände darzutun, die dagegen sprechen, dass seine Kritik auf eine vorsätzliche Kränkung hinausgeht (BGH a.a.O.). Eine Verpflichtung, die tatsächlichen Bezugspunkte bereits zusammen mit der Äußerung bekannt zu geben, besteht hingegen nicht (BGH a.a.O.; Soehring, a.a.O.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze vermag der Senat in der streitgegenständlichen Äußerung des Beklagten keine Schmähkritik zu erkennen. Die Formulierung der "manipulativen Interpretation" bzw. "Manipulation" von Daten beinhaltet allerdings durchaus eine plakative, tendenziell herabsetzende Wertung. Eine diffamierende Wirkung oder gar eine Prangerwirkung kommt diesem Vorwurf aber nicht zu. Dem in der S. Zeitung veröffentlichten Artikel lässt sich im Wesentlichen entnehmen, dass eine Fachzeitschrift und ein Forschungsinstitut in einer Sachfrage zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind und diese - vor dem Hintergrund der persönlichen Rivalität der maßgeblichen Personen - mit harten verbalen Bandagen verteidigen. Im Mittelpunkt des Berichtes und der wiedergegebenen Äußerungen steht nach wie vor die Sachfrage selbst und nicht die Beleidigung bzw. Diffamierung des jeweiligen Kontrahenten, mag dieser auch mit überspitzter Kritik bedacht werden.

Soweit das angefochtene Urteil die Darlegung nachvollziehbarer Anknüpfungstatsachen durch den Beklagten vermisst, liegt dem nach Auffassung des Senates eine zu strenge Sichtweise in Bezug auf die erforderliche Offenbarung tatsächlicher Bezugspunkte zugrunde. Der Beklagte hat prozessual im Einzelnen dargelegt, dass und in welchen Punkten die Ergebnisse seiner Auswertung der ostdeutschen Presseberichterstattung von den Ergebnissen der klägerischen Analyse deutlich abweichen (vgl. Schriftsatz vom 25.01.2002, S. 6 ff. (Bl. 20 ff.) sowie die zu diesem Schriftsatz eingereichten Anlagen B 5 ff. (Bl. 21 ff. AH)). Er hat damit den erforderlichen Sachbezug seiner Äußerungen hinreichend hergestellt.

Eine "Rechtfertigung" der erhobenen Vorwürfe im Sinne eines Nachweises ihrer Berechtigung durch Tatsachen und Belege ist zur Vermeidung der äußerungsrechtlichen Einordnung als Schmähkritik nicht geboten. Ein derartiger Nachweis ist bei plakativen Werturteilen mit substanzarmen Tatsachenelementen oftmals gar nicht möglich. Seine Erforderlichkeit würde zudem der individuellen und kollektiven Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit nicht gerecht. Sie würde den Spielraum, dessen die frei geäußerte Meinung naturgemäß bedarf, zu weit einengen. Insbesondere trägt das Erfordernis der "Rechtfertigung" von Meinungen die Gefahr in sich, die Bereitschaft des Einzelnen zur freien Meinungsäußerung wegen des mit ihr verbundenen Risikos von vorneherein zu verringern. Damit aber wird die unbefangen geäußerte Meinung als unverzichtbare Quelle und Grundlage sowohl der privaten als auch der öffentlichen Meinungsbildung gefährdet. Zugleich würde der für die äußerungsrechtliche Zulässigkeit von Meinungsäußerungen geltende Bewertungsmaßstab mit den für die Zulässigkeit von Tatsachenbehauptungen maßgeblichen Kriterien in bedenklicher Weise vermengt. Trotz des festgestellten Überwiegens wertender Elemente und des daraus folgenden unterschiedlichen Rechtmäßigkeitsmaßstabes würde die Meinungsäußerung weitgehend der engeren, nur für Tatsachenbehauptungen geltenden Überprüfung auf ihre "Wahrheit" unterstellt und der Tatsachenbehauptung damit rechtlich in unzulässiger Weise angenähert.

Zu fordern sind somit lediglich tatsächliche Bezugspunkte, auf die sich die geäußerte Meinung stützen kann. Die geübte Kritik darf, um einer Einordnung als unzulässige Schmähkritik zu entgehen, nicht von vorneherein jeglicher Grundlage entbehren. Auf tatsächliche Bezugspunkte in diesem Sinne kann sich die vom Beklagten geäußerte Kritik stützen. Sie sind hinreichend begründet in der vom Institut des Beklagten angestellten, nach Art und Umfang nicht nur völlig kursorischen Untersuchung und in den von den Ergebnissen des Instituts des Klägers deutlich abweichenden Resultaten dieser Untersuchung. Die Vorlage eines von dem Beklagten verwandten Codebuchs, die Offenlegung seiner methodischen Grundlagen oder gar eine durch die Offenlegung ermöglichte Überprüfung der wissenschaftlichen Korrektheit der Forschungsergebnisse ist dagegen nicht geboten. Ein derartiges Erfordernis würde die Anforderungen, die an die Darlegung konkreter Bezugspunkte für die geäußerte Kritik zu stellen sind, überspannen. Es würde die Grenze zu dem nicht gebotenen "Nachweis" der inhaltlichen Richtigkeit der Äußerung in Richtung einer Rechtfertigungsnotwendigkeit verschieben. Dies erscheint aus den vorstehenden Gründen nicht zulässig.

Da die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Äußerung des Beklagten bereits unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit zu verneinen ist, kann die Frage, ob die Wissenschaftsfreiheit des Beklagten ihm vorliegend einen noch weiter gehenden äußerungsrechtlichen Freiraum gewährt (vgl. hierzu Wenzel, a.a.O. Rz. 3.35), dahinstehen.

2.

Der Kläger hat in Bezug auf die streitgegenständlichen Äußerungen des Beklagten auch keinen Unterlassungsanspruch gem. § 1 UWG.

Dabei kann offen bleiben, ob - wie für einen Anspruch gem. § 1 UWG erforderlich - der Beklagte im geschäftlichen Verkehr gehandelt hat (vgl. zum "Handeln im geschäftlichen Verkehr": Wenzel, a.a.O., Rn 5.270) und ob zwischen der vom Institut des Klägers herausgegebenen Zeitschrift "N.U." und der vom Beklagten herausgegebenen Zeitschrift "O." ein Wettbewerbsverhältnis besteht (zu dem Erfordernis des Wettbewerbsverhältnisses vgl. Wenzel, a.a.O., Rn 5.274). Denn ein Unterlassungsanspruch gem. § 1 UWG kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil vorliegend nicht von einer Wettbewerbsabsicht des Beklagten ausgegangen werden kann. Eine solche Absicht fehlt bei kritischen Presseäußerungen über ein konkurrierendes Blatt, sofern gemeinschaftswichtige Themen diskutiert werden (Wenzel, a.a.O., Rn 5.282 m.w.N.). Sie ist zu verneinen, solange die Kritik einen Beitrag zum Kampf der Meinungen enthält und das Wettbewerbsinteresse nicht überwiegt (Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, S. 580 (Rn 10) m.w.N.). Diese zur sog. "Pressefehde" entwickelten Grundsätze gelten auch für den vorliegenden Sachverhalt, soweit ein zwischen den vorgenannten Zeitschriften bestehendes Wettbewerbsverhältnis betroffen ist. Ihre Anwendung führt zur Verneinung einer Wettbewerbsabsicht des Beklagten. Ein in seiner Äußerung zum Ausdruck kommendes überwiegendes Wettbewerbsinteresse ist nicht feststellbar. Die Äußerung dokumentiert den - hart ausgetragenen - Kampf der Meinungen zwischen den Parteien. Dies ist ihre primäre Zielrichtung. Ein möglicherweise daneben bestehendes sekundäres Wettbewerbsinteresse des Beklagten genügt nicht, um eine Wettbewerbsabsicht als Voraussetzung eines Anspruches gem. § 1 UWG zu begründen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung erforderlich ist.

Wert des Berufungsverfahrens: 13.000,-- EUR






OLG Köln:
Urteil v. 17.12.2002
Az: 15 U 95/02


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