Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Oktober 2005
Aktenzeichen: 17 W (pat) 57/03

(BPatG: Beschluss v. 13.10.2005, Az.: 17 W (pat) 57/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 11 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Januar 2003 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 21. Juni 1995 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter Beanspruchung der Priorität der koreanischen Anmeldung Nr. 35785/1994 vom 21. Dezember 1994 unter der Bezeichnung

"Magnetplattenvorrichtung, die ein Verfahren zum Aufzeichnen mit konstanter Dichte verwendet, und Zugriffsverfahren für den Treiber"

angemeldet worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G11B des Deutschen Patent- und Markenamts durch Beschluss vom 21. Januar 2003 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die der Anmeldung entnehmbare Lehre nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Patentansprüche 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung,

- 28 Seiten Beschreibung vom Anmeldetag sowie - neun Blatt Zeichnungen mit 13 Figuren vom 8. September 1995.

In der am 10. April 2003 eingereichten Beschwerdebegründung führt die Anmelderin im Einzelnen aus, warum ihrer Meinung nach die Wirkungsweise des Anmeldungsgegenstandes in den Anmeldungsunterlagen für einen Fachmann so deutlich und vollständig offenbart ist, dass dieser die dem Anmeldungsgegenstand zugrundeliegende technische Lehre ausführen kann.

Von der Prüfungsstelle wurden keine Druckschriften in das Verfahren eingeführt. Die Anmelderin selbst hat zum technischen Hintergrund folgende Druckschrift genannt:

Mark. S. Young: "Constantdensity recording comes alive with new chips", Electronic Design, 13. November 1986, Seiten 141 bis 144.

Die geltenden Patentansprüche 1 bis 3 in der am 13. Oktober 2005 eingereichten Fassung lauten:

"1. Magnetplatte, auf welcher Daten mit konstanter Dichte aufgezeichnet sind, wobei die Magnetplatte eine Vielzahl von Spuren aufweist, von denen jede mindestens einen Servoinformationsbereich und einen Dateninformationsbereich besitzt, wobei jede Spur in Datensektoren gleicher Größe unterteilt ist und jeder Datensektor ein Datenfeld und ein diesem vorangehendes Pseudoidentifikationsfeld PID umfasst, wobei jeder Dateninformationsbereich mehrere Datenfelder und ein Zwischenraumidentifikationsfeld WID aufweist, das Identifikationsdaten zur Kennzeichnung mehrerer Datensektoren eines Dateninformationsbereichs enthält unddas PID-Feld eine Länge besitzt, welche ausreicht, um während des Betriebs der Magnetplatte die das Datenfeld kennzeichnenden Identifikationsdaten im Lesetakt an eine Plattendatensteuereinrichtung zu übertragen.

2. Magnetplattenlaufwerk zum Lesen/Schreiben von Daten mit konstanter Dichte auf einer Vielzahl von Spuren einer Magnetplatte, wobei jede Spur in Datensektoren gleicher Größe unterteilt ist und jeder Datensektor ein Datenfeldund ein diesem vorangehendes Pseudoidentifikationsfeld PID umfasst, wobei jeder Dateninformationsbereich mehrere Datenfelder und ein Zwischenraumidentifikationsfeld WID für die Kennzeichnung mehrerer Datensektoren aufweist und das Magnetplattenlaufwerk eine Plattendatensteuereinrichtung aufweist, sowieeine Einrichtung (22) zum Erzeugen eines Sektorimpulses STP aus den gelesenen Daten des Identifikationsfeldes WID, wobei ein Sektorimpuls STP die Anfangsposition eines Datensektors angibt, eine Einrichtung (24) zum Erzeugen von Pseudoidentifikationsdaten aus den gelesenen Daten des Identifikationsfeldes WID im Ansprechen auf das Erzeugen eines Sektorimpulses STP, wobei die Pseudoidentifikationsdaten im Lesetakt an die Plattendatensteuereinrichtung übertragen werden.

3. Verfahren zum Zugreifen auf Daten, welche auf einer Magnetplatte mit konstanter Dichte in einer Vielzahl von Spuren aufgezeichnet sind, wobei jede Spur in Datensektoren gleicher Größe unterteilt ist und jeder Datensektor mindestens ein Datenfeld und ein diesem vorausgehendes Pseudoidentifikationsfeld PID umfasst, wobei jeder Dateninformationsbereich mehrere Datenfelder und ein Zwischenraumidentifikationsfeld WID aufweist, das Identifikationsdaten zur Kennzeichnung mehrerer Datensektoren eines Dateninformationsbereichs enthält, mit folgenden Schritten:

Lesen der Daten des Identifikationsfeldes WID, Erzeugen von Pseudoidentifikationsdaten PID aus den gelesenen Daten des Identifikationsfeldes WID, wobei die Pseudoidentifikationsdaten im Lesetakt an eine Plattendatensteuereinrichtung übertragen werden."

Ihnen soll gemäß Seite 3 der Anmeldeunterlagen die Aufgabe zugrunde liegen, eine verbesserte Magnetplattenvorrichtung zu schaffen. Es sollen eine Magnetplattenvorrichtung, ein Plattentreiber und ein Zugriffsverfahren geschaffen werden, durch die das Datenspeichervermögen bei einer Aufzeichnungsart mit konstanter Dichte erhöht wird. Auch soll der Zeitabstand verringert werden, der zwischen einem Identifikationsbereich und einem Datenbereich in einem Datensektor der Magnetplattenvorrichtung verlangt wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch begründet, da die der Anmeldung zu entnehmende Erfindung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs 4 PatG).

Zur Ausführbarkeit:

Wie in der Anmeldung auf Seite 2 und in Figur 1 mit Beschreibung erläutert ist, werden bei einer Magnetplattenaufzeichnung mit konstanter Dichte die Daten auf allen Spuren der Magnetplatte in Datensektoren gleicher Länge geschrieben.

Außerdem wird jede Spur in Dateninformationsbereiche unterteilt; vor jedem Dateninformationsbereich ist ein Servoinformationsbereich angeordnet. Jeder Dateninformationsbereich kann mehrere Datensektoren umfassen, wobei am Ende eines Dateninformationsbereichs ein Datensektor auch aufgeteilt werden kann; der zweite Teil des aufgeteilten Datensektors befindet sich dann am Anfang des nächsten Dateninformationsbereichs, vgl Fig 12 obere Zeile.

Gemäß dem in der Anmeldung in den Figuren 1 bis 3 mit Beschreibung dargestellten Stand der Technik enthält jeder Datensektor ein Identifikationsfeld (ID-Feld) und ein daran anschließendes Datenfeld. Das ID-Feld enthält unter anderem eine ID-Präambel mit Taktsynchronisationsdaten, Identifikationsdaten des Datensektors und eine ID-Postambel. Das Datenfeld enthält unter anderem eine Datenpräambel mit Taktsynchronisationsdaten, die eigentlichen Daten und eine Datenpostambel.

Gemäß Seite 7 letzter Absatz bis Seite 8 dritter Absatz ergibt sich in der beschriebenen Anordnung das Problem, dass beim Umschalten des Magnetkopfes zwischen Schreibbetrieb und Lesebetrieb es jeweils eine gewisse Zeit dauert, bis sich der Magnetkopf stabilisiert hat. In dieser Übergangszeit können Störungen auftreten. Um solche Störungen zu vermeiden, müssen Schreib- und Lesebetrieb durch ein gewisses, festes Zeitintervall getrennt sein. Beim Datenschreiben in einen mehrere Datensektoren enthaltenden Dateninformationsbereich finden mehrere Schreib-Lese-Wechsel statt, wobei jeweils abwechselnd ein ID-Feld gelesen und ein Datenfeld beschrieben wird. Daher werden die im Übergangsbereich der Felder befindlichen Prä- oder Postambeln (vgl Seite 8 zweiter Absatz letzter Satz in Verbindung mit Seite 7 zweiter Absatz) im in der Anmeldung beschriebenen Stand der Technik so groß ausgelegt, dass sie sich während des gesamten Schreib-/ LeseÜbergangszeitintervalls unter dem Magnetkopf hindurch bewegen. Insbesondere bei hohen Datenübertragungsraten wird dadurch die Gesamtkapazität der Magnetplatte verringert, da ein beachtlicher Teil jedes Datensektors für die Datenaufzeichnung nicht zur Verfügung steht.

Um dieses Problem zu verringern, wird in der Anmeldung vorgeschlagen, in jedem Dateninformationsbereich ein Zwischenraum-Identifikationsfeld (WID-Feld) vorzusehen, das die kennzeichnenden Daten aller in dem Dateninformationsbereich liegenden Datensektoren enthält, vgl Fig 4 und 5 mit Beschreibung. Beim Beschreiben oder Lesen der Magnetplatte wird das WID-Feld jeweils gelesen. Aus diesen gelesenen Daten werden für jeden Datensektor Pseudo-Identifikationsdaten (PID-Daten) erzeugt, die zur Steuerung des Magnetkopfes beim Schreiben oder Lesen der Datenfelder in den Datensektoren verwendet werden. Deren ID-Daten müssen somit nicht mehr für jeden Datensektor einzeln von der Platte gelesen werden, so dass diesbezügliche Schreib-/Lese-Umschaltzeiten entfallen.

Vor jedem Datenfeld ist auf der Magnetplatte ein Pseudoidentifikationsfeld (PID-Feld) vorhanden, vgl Figur 4 mit Beschreibung sowie den ursprünglichen Anspruch 1.

Zu den PID-Feldern entnimmt der Fachmann, hier ein Ingenieur mit Erfahrung in der Entwicklung von Magnetplattenlaufwerken, den ursprünglichen Unterlagen folgendes:

Weder im Zusammenhang mit dem Schreiben noch mit dem Lesen des Datenfelds werden aus dem PID-Feld Daten von der Platte gelesen oder auf diese geschrieben. Zwar könnten die Angaben in den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2 und 14 zu den PID-Feldern darauf hindeuten, dass möglicherweise auch in den PID-Feldern gelesen oder geschrieben wird. Die diesbezüglichen Angaben in den genannten Ansprüchen sind jedoch so unklar, dass der Fachmann sie eher als missglückte Formulierungsversuche werten wird und anhand der Beschreibung und den Figuren versuchen wird, sich hierüber Klarheit zu verschaffen. Aus der Beschreibung Seite 25 zweiter Absatz sowie aus den Figuren 12 und 13 mit den zugehörigen Beschreibungsteilen entnimmt der Fachmann eindeutig, dass in den PID-Feldern weder gelesen noch geschrieben wird (Datenlesen erfolgt grundsätzlich nur bei hochgesetztem RGC-Signal, Datenschreiben bei hochgesetztem WG-Signal).

Vielmehr ergibt sich der Zweck der PID-Felder aus dem Ablauf des Datenlesens und -schreibens in der Magnetplattenvorrichtung:

Nachdem die WID-Daten aus dem WID-Feld eines Dateninformationsbereichs auf der Magnetplatte gelesen wurden, werden am Anfang jedes Datensektors der Steuerpuls STP sowie das die Erzeugung der PID-Daten aus den WID-Daten steuernde PID-SEL-Signal hochgesetzt, vgl insbesondere die Figuren 12 und 13 mit der zugehörigen Beschreibung. Vom PID-Generator werden daraufhin die PID-Daten des Datensektors aus den WID-Daten erzeugt und der Plattendatensteuereinrichtung 28 im Lesetakt RCLK getaktet zugeführt, vgl Figur 10 mit Beschreibung, insbesondere die links mit den Signalen WID, STP, RCLK und PID-SEL beginnenden Pfade, in Verbindung mit Figur 7. Erst nach Ablauf des hierfür benötigten Zeitintervalls, das mit der Länge der PID-Felder auf der Magnetplatte korreliert, wird das WG-Signal bzw das RGC-Signal zum Schreiben bzw. Lesen des Datenfelds hochgesetzt, vgl die Figuren 12 und 13.

Die PID-Felder bilden somit einen Zwischenraum auf der Magnetplatte, der beim Überstreichen mit dem Schreib-/Lese-Kopf das Zeitintervall zur Verfügung stellt, um die aus den WID-Daten erzeugten PID-Daten im Lesetakt an die Plattendatensteuereinrichtung zu übertragen. Warum die PID-Daten im Lesetakt und damit relativ langsam übertragen werden, ist nicht Gegenstand der Patentanmeldung.

Der geschilderte Zweck der PID-Felder steht im Einklang mit der übrigen Beschreibung: Gemäß Seite 25 zweiter Absatz, Seite 4 erster Absatz und Seite 9 vorletzter Satz bilden die PID-Felder einen Zwischenraum während eines Intervalls, das der Übertragungszeit der aus den WID-Daten erzeugten PID-Daten entspricht und zur Datenübertragungsrate in Beziehung steht, wobei unter "Datenübertragungsrate" offensichtlich die Übertragungsrate beim Zugriff auf die Magnetplatte zu verstehen ist, vgl das in der Beschreibung auf Seite 8 zweiter und dritter Absatz zum Stand der Technik Ausgeführte.

Gemäß der Anmeldung sollen somit die im Stand der Technik vorhandenen ID-Felder auf der Magnetplatte nicht völlig abgeschafft werden, sondern es sollen die bei der Datenaufzeichnung am Anfang bzw Ende der ID-Felder nötigen, häufigen Schreib-/LeseÜbergänge vermieden werden, die zur Vermeidung von Störungen nicht für die Datenaufzeichnung nutzbare Magnetplattenbereiche (lange Prä- bzw. Postambeln) erforderlich machen. Dies wird auf der Magnetplatte durch die zusätzlich zu PID-Feldern vorgesehenen WID-Felder, im Magnetplattenlaufwerk und im Verfahren zum Zugreifen auf Daten auf der Magnetplatte durch das Lesen der WID-Daten, das Erzeugen der PID-Daten hieraus und deren zeitlich im Lesetakt gesteuerte Zufuhr zur Plattendatensteuereinrichtung erreicht. Die Anmeldung offenbart somit dem Fachmann durchaus eine klare, nachvollziehbare Lehre.

Zu den geltenden Patentansprüchen:

Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.

Die Merkmale des geltenden Anspruchs 1 sind in den ursprünglichen Unterlagen offenbart. Insbesondere geht die Länge des PID-Felds, die ausreicht, um während des Betriebs der Magnetplatte die das Datenfeld kennzeichnenden Identifikationsdaten im Lesetakt an eine Plattendatensteuereinrichtung zu übertragen, aus dem Ablauf des Datenlesens und -schreibens gemäß Figuren 12 und 13 in Verbindung mit dem Aufbau des PID-Generators gemäß Figur 10 in Verbindung mit Figur 7 hervor; dies wurde bereits oben dargelegt.

Entsprechendes gilt für die nebengeordneten Ansprüche 2 und 3, insbesondere bezüglich der Übertragung der Pseudoidentifikationsdaten im Lesetakt an die Plattendatensteuereinrichtung.

Die übrigen in den geltenden Ansprüchen 1 bis 3 aufgeführten Merkmale gehen aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 6 und 22 in Verbindung mit der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 1 letzter Absatz bis Seite 3 dritter Absatz und Fig 1 bis 7 mit den zugehörigen Beschreibungsteilen hervor.

Mit der im Beschwerdeverfahren erfolgten Klärung bezüglich der Ausführbarkeit der in der Patentanmeldung dargelegten Erfindung gemäß § 34 Abs 4 PatG ist die Grundlage für den Beschluss der Prüfungsstelle entfallen.

Da die vollständige Prüfung der Patentanmeldung und die dazu erforderliche Ermittlung des Standes der Technik noch aussteht und es regelmäßig geboten ist, dies dem Patentamt zu überlassen (vgl Schulte, Patentgesetz, 7. Aufl., § 79 Rdn 20f mwN; Benkard, Patentgesetz, 9. Aufl, § 79 Rdn 27; BPatG in BlPMZ 75, 325 re Sp), war die Sache zur Durchführung der Prüfung und zur erneuten Entscheidung gemäß § 79 Abs 3 Satz 1 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

Bei der weiteren Prüfung wird noch darauf zu achten sein, ob sich der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 mit den inhaltlich nicht näher definierten PID-Feldern ausreichend vom noch zu ermittelnden Stand der Technik abhebt.

Dr. Fritsch Dr. Thum-Rung Schuster Eder WA






BPatG:
Beschluss v. 13.10.2005
Az: 17 W (pat) 57/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/6800ecbe383f/BPatG_Beschluss_vom_13-Oktober-2005_Az_17-W-pat-57-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share