Bundespatentgericht:
Urteil vom 30. November 2000
Aktenzeichen: 2 Ni 23/99

(BPatG: Urteil v. 30.11.2000, Az.: 2 Ni 23/99)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist für den Beklagten im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 15.000,--vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des deutschen Patents 34 14 678 (Streitpatent), das am 18. April 1984 angemeldet worden ist und eine Vorrichtung zur Herstellung von Knautschplissee -Faltenmustern in Stoffbahnen betrifft.

Das Patent umfaßt 2 Patentansprüche, die folgenden Wortlaut haben:

1.

Vorrichtung zur Herstellung von dauerfixierten Knautschplissee-Faltenmustern in Stoffbahnen mit einem beheizbaren Knautschrohr, an dessen einem Ende ein oszillierend antreibbares Einpreßorgan vorgesehen ist, mit welchem die zu einem Strang geformte Stoffbahn partieweise aufeinanderfolgend in das Knautschrohr geschoben, zusammengepreßt und schließlich am gegenüberliegenden Ende herausgepreßt wird, dadurch gekennzeichnet, daß dem Eintrittsende des Knautschrohrs (38) ein Strang-Zuführrohr (44) mit im Vergleich zum Durchmesser des Knautschrohrs (38) verkleinertem Durchmesser vorgeschaltet ist, welches einen geradlinigen, etwa mittig fluchtend zum Knautschrohr (38) ausgerichteten Endabschnitt (46) aufweist, der über einen gekrümmten Übergangsabschnitt (48) in einen zum Endabschnitt (46) geneigten Einführabschnitt (50) übergeht, daß das Einpreßorgan ein durch eine Öffnung in der Wandung des gekrümmten Übergangsabschnitts (48) in den Endabschnitt (46) eintretender Stößel (52) ist, und daß der Endabschnitt (46) des Strang-Zuführrohrs (44) wenigstens eine, vorzugsweise mehrere Durchgangsbohrung(en) (60) aufweist, welche außen an eine Unterdruckquelle angeschlossen ist bzw sind.

2.

Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Endabschnitt (46) des Strang-Zuführrohrs (44) in dem mit der Durchgangsbohrung bzw den Durchgangsbohrungen (60) versehenen Bereich von einer im wesentlichen geschlossenen Kammer

(58) umgeben ist, welche an eine Unterdruckquelle angeschlossen ist.

Mit seiner Nichtigkeitsklage macht der Kläger geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, da er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus einer von ihm vorgenommenen Zusammenschau der gattungsbildenden Druckschrift D3 ( Deutsche Offenlegungsschrift 29 32 495 ) und der im Prüfungsverfahren nicht berücksichtigten Druckschrift D6 ( US-Patentschrift 4 095 317) ergebe.

Der Kläger beantragt, das deutsche Patent 34 14 678 für nichtig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er tritt den Ausführungen des Klägers in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig.

Gründe

Die Klage, mit welcher der in § 22 Abs. 1 iVm § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist nicht begründet.

I.

Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zur Herstellung von Knautschplissee-Faltenmustern in Stoffbahnen mit den im Oberbegriff des vorstehend zitierten Patentanspruchs 1 angegebenen Merkmalen. Bei den bekannten Vorrichtungen ist das den Stoffbahn-Strang in das Knautschrohr einpressende Organ entweder ein oszillierend angetriebener Ring der mit Drahtbürsten am Einpreßring mit in Einpreßrichtung gegen die Stoffbahn geneigten Drahtborsten versehen ist und der mit entsprechend gerichteten Drahtbürsten am eintrittsseitigen Ende des Knautschrohres zusammenwirkt (US 3 987 519 (D5)) oder ein ebenfalls oszillierend hinund her bewegter Preßring, bei dessen Rückhub das Zurückziehen der Stoffbahn aus dem Knautschrohr durch dann am Stoffbahn-Strang angelegte Klemmbacken verhindert wird (DE 79 22 912 U1 (D4)). Der Vorschub des Stoffbahn-Strangs in das Knautschrohr mittels Drahtbürsten verbietet sich aber bei dünnen und empfindlichen, feinfädigen Stoffen, welche durch die Drahtbürsten perforiert und möglicherweise sogar beschädigt werden können. Andererseits stellt das Erfordernis des mit dem Hub des Preßrings synchronisierten Antriebs der Klemmbacken eine Komplizierung der Vorrichtung dar. In beiden Fällen ist die Verdichtung des Stoffbahn-Strangs im Knautschrohr und somit auch die Schärfe der sich bildenden Knautschfalten von der Reibung zwischen der Innenwand des Knautschrohrs und dem Stoffbahnpfropfen abhängig. Bei sich ändernden Reibungsverhältnissen zwischen dem Stoffbahnpfropfen und dem Knautschrohr infolge unterschiedlicher Stoffbahn-Materialien ändert sich also auch die Schärfe des Faltenmusters, ohne daß eine Beeinflußung möglich wäre (s. Streitpatent Sp 1 Z 64 bis Sp 2, Z 24).

Vor diesem Hintergrund nennt das Streitpatent als Aufgabe (technisches Problem), eine bezüglich der Ausgestaltung der Vorschubeinrichtung für den Stoffbahn-Strang vereinfachte Vorrichtung zur Herstellung von dauerfixierten Knautschplissee-Faltenmustern in Stoffbahnen mit hoher Leistung zu schaffen, welche die zuverlässige Verarbeitung der unterschiedlichsten Stoffe ermöglicht, ohne daß Beschädigungen durch den Stopfvorgang zu befürchten sind (vgl Sp 2 Z 25 bis 32)..

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent im erteilten Patentanspruch 1 eine Vorrichtung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

a) Vorrichtung zur Herstellung von dauerfixierten Knautschplissee-Faltenmustern in Stoffbahnen mit einem beheizbaren Knautschrohr, b) an dessen einem Ende ein oszillierend antreibbares Einpreßorgan vorgesehen ist, c) mit welchem die zu einem Strang geformte Stoffbahn partieweise aufeinanderfolgend in das Knautschrohr geschoben, zusammengepreßt und schließlich am gegenüberliegenden Ende herausgepreßt wird, d) daß dem Eintrittsende des Knautschrohrs (38) ein Strang-Zuführrohr (44) mit im Vergleich zum Durchmesser des Knautschrohrs

(38) verkleinertem Durchmesser vorgeschaltet ist, e) welches einen geradlinigen, etwa mittig fluchtend zum Knautschrohr (38) ausgerichteten Endabschnitt (46) aufweist, f) der über einen gekrümmten Übergangsabschnitt (48) in einen zum Endabschnitt (46) geneigten Einführabschnitt (50) übergeht, g) daß das Einpreßorgan ein durch eine Öffnung in der Wandung des gekrümmten Übergangsabschnitts (48) in den Endabschnitt (46) eintretender Stößel (52) ist, undh) daß der Endabschnitt (46) des Strang-Zuführrohrs (44) wenigstens eine, vorzugsweise mehrere Durchgangsbohrung(en) (60) aufweist, welche außen an eine Unterdruckquelle angeschlossen ist bzw sind.

II.

1. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents ist unstrittig neu, denn keine der im Verfahren genannten Druckschriften beschreibt eine Vorrichtung zur Herstellung von dauerfixierten Knautschplissee-Faltenmustern in Stoffbahnen, die sämtliche im Anspruch 1 aufgeführten Merkmale aufweist.

Aus der DE 33 33 260 A1 (D1), Fig. 1 mit zugehöriger Beschreibung, ist eine Vorrichtung zur Herstellung von Knautschplissee-Faltenmustern in Stoffbahnen bekannt, bei der die Stoffbahn durch ein außerhalb des Knautschrohrs (hier als "rohrförmige Düse 14 " bezeichnet) angeordnetes und intermittierend angetriebenes Einpreßorgans (Kolben-Zylinder-Einheit 20 mit Kolbenstange 24 und Preßplatte 22) in dem Knautschrohr zusammengepreßt wird. Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich die Vorrichtung nach Anspruch 1 des Streitpatents zumindest durch sämtliche im kennzeichnenden Teil genannten Merkmale. Ein gleiches gilt auch für die DE 31 45 404 A1 (D2), in der lediglich eine einschlägige Vorrichtung mit einer von einer zusammengerollten Stoffbahn kontinuierlich durchlaufenen, langgestreckten Knitterdüse 12, die mit Heißdampf beaufschlagt wird, beschrieben ist (aaO S 13, Z 1 bis 12). Vom Gegenstand der bereits genannten, gattungsbildenden DE 79 22 912 U1 (D4) und der im wesentlichen hiermit übereinstimmenden DE 29 32 495 A1 (D3) unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 schon dadurch, daß dem Knautschrohr ein gekrümmtes Strang-Einführrohr vorgeschaltet ist, in das ein durch eine Öffnung in der Wandung eintretender Stößel als Einpreßorgan geführt ist. Zudem wird gemäß D3 bzw D4 die eingepreßte Stoffbahn durch intermittierend angetriebene Klemmbacken am Zurückweichen aus dem Zuführrohr gehindert, was zu den bereits geschilderten Nachteilen führen kann. Gemäß der Erfindung wird hingegen die Stoffbahn beim Rückhub des Stößels durch Unterdruck im Strang-Einführrohr gehalten, worauf sich in D3 und D4 keinerlei Hinweis findet.

Bei der gattungsgemäßen Vorrichtung nach der ebenfalls schon erwähnten US 39 87 519 (D5) erfolgt das Festhalten der Stoffbahn für deren Vorschub und im Knautschrohr durch entgegen der Vorschubrichtung gerichtete Drähte (slanting wires 3 bzw 4), die sich in einem hinund herbewegbaren Ring (reciprocating ring 1) bzw einem feststehenden Ring (fixed ring 2) am Eingang des Knautschrohrs (tube 6) befinden. Hiervon unterscheidet sich die Erfindung durch die im kennzeichnenden Teil des erteilten Anspruchs 1 genannten Merkmale.

Die US 40 95 317 (D6) befaßt sich mit der Herstellung von texturiertem Garn und ist deshalb schon von der Gattung her verschieden vom Patentgegenstand. Ein gleiches trifft auch auf das JP-GM 37-4597 (D7) zu, da dieses eine Vorrichtung zum Plissieren von Wollstoffen mittels perforierten Heizplatten unter der Einwirkung von Heißdampf betrifft, und weder ein Knautschrohr noch ein oszillierend angetriebenes Einpreßorgan aufweist.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Bei dieser Beurteilung ist von der DE 79 22 912 U1 (D4) auszugehen, die den Ausgangspunkt für die Bildung des Oberbegriffs des erteilten Anspruchs 1 bildete. Wie bereits dargelegt wurde, erfolgt bei der dort beschriebenen Vorrichtung die Zufuhr der Stoffbahn sowie deren Schieben und Zusammenpressen in das Knautschrohr über ein hinund herbewegtes Tragrohr 16, das an seinem vorderen Ende einen Preßring 24 trägt und durch den die Stoffbahn (Strang 12) verläuft. Mit Hilfe des Tragrohrs wird der Strang bei jedem Vorlauf durch zwei aufschwenkende Klemmbacken 20, 22 hindurch in den Eintrittabschnitt 26 des Stauchrohrs 14 gedrückt. Beim Rückhub des Tragrohrs schließen die Klemmbacken, so daß sie den Strang zwischen sich einklemmen und der Strang nicht wieder aus dem Stauchrohr 14 herausgezogen werden kann. Auf diese Weise wird kontinuierlich Bahnmaterial in das Stauchrohr gedrückt und in diesem willkürlich gefaltet (aaO S 5, Z 28 bis S 6 Z 13 iVmFig1).

Ein Hinweis darauf, daß die Klemmbacken empfindliche Stoffe beschädigen könnten, und damit auf das dem Streitpatent zugrundliegende Problem finden sich in D4 nirgends. Demgemäß gibt D4 auch keine Anregung zu der patentgemäßen Lösung, nämlich ein gekrümmtes Strang-Zuführrohr mit einem darin angeordneten Stößel sowie mit an seinem Endabschnitt angeordneten Durchgangsbohrungen, die an eine Unterdruckquelle angeschlossen sind, vorzusehen.

Auch eine Zusammenschau von D3 mit D6 führt, entgegen der Ansicht der Klägerin, nicht zur Erfindung nach Anspruch 1. Die von der Klägerin geltend gemachten Gemeinsamkeiten einer Vorrichtung nach Figur 1 von der US 4 095 317 (D6) mit dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 sind rein äußerlicher Art und beruhen auch nach Meinung des Senats auf einer rückschauenden Betrachtungsweise in Kenntnis der Erfindung. So betrifft D6 eine Vorrichtung zur Herstellung von gekräuseltem Garn, und ist nicht von der selben Gattung wie das Streitpatent, wenngleich diese Vorrichtung eines benachbarten Fachgebietes dem einschlägigen Fachmann, hier einem Ingenieur der Textiltechnik mit mindestens Fachhochschulabschluß, bekannt ist, kann dieser aber D6 nur entnehmen, daß der Materialstrang seitlich schräg zur Haupttransportrichtung in den eigentlichen Verarbeitungsbereich eingeführt werden kann, ähnlich dem Einführabschnitt 50 des Strangzuführrohrs 44 nach dem Streitpatent. Nach D6 endet das Einführrohr aber in einer Kammer in die eine Heißdampdüse 7 eintritt, so daß diese Schrift keinen Hinweis darauf gibt, den Einführabschnitt für das Garn als Teil eines bis zum Knautschrohr reichenden Strang-Zuführrohrs auszubilden, das einen gekrümmten Übergangsabschnitt und einen mit Durchgangsbohrungen versehenen Endabschnitt aufweist und in den ein Stößel eintritt, der oszillierend bewegt wird. Zum einen endet der seitliche Einführstutzen für das Garn (yarn inlet tube 3) bereits vor dem Einpreßorgan (jet nozzle 7), das hier zudem als Heißdampfstrahl und nicht als Stößel, wie beim Patent, ausgebildet ist. Zum anderen besitzt der weitere Verlauf des Zuführwegs für das Garn weder einen gekrümmten Übergangsabschnitt noch einen Endabschnitt mit Durchgangsbohrungen. Durchgangsbohrungen (slotted, permeable wall portion 17), die an eine Unterdruckquelle angeschlossen sind, finden sich erst im eigentlichen Knautschrohr (bulking chamber 16), also nicht wie beansprucht im Zuführrohr 44. Die Durchgangsbohrungen dienen nach D6 der Abfuhr des Dampfes (Sp 7 Z 57-63) und nicht der Fixierung des geknautschten Stoffstrangs, wie bei der Erfindung. Insgesamt ist somit festzustellen, daß zwar eine äußerliche Ähnlichkeit zwischen der in Figur 1 von D6 dargestellten Vorrichtung und dem Ausführungsbeispiel nach Figur 2 des Streitpatents bestehen mag, daß der Fachmann aber aus D6 keinerlei Anregung in Richtung auf den Patentgegenstand zur Erfüllung dessen Funktion erhält. Es bedurfte somit einer erfinderischen Tätigkeit um ausgehend von D3 und D6 zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen.

Auch die übrigen bereits genannten Druckschriften können weder für sich allein, noch in einer Zusammenschau mit D3 oder D6 den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nahelegen. Denn keine von ihnen gibt Anregung dazu, eine gattungsgemäße Vorrichtung mit den im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen Merkmalen zu versehen, wie schon aus den Darlegungen zur Neuheit hervorgeht.

Der Anspruch 2 hat aufgrund seiner Rückbeziehung auf den Anspruch 1 ohne weiteres Bestand.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 Satz 1 ZPO.

Kurbel Dr. Henkel Gutermuth Skribanowitz Dr. W. Maier Pr/be/Na






BPatG:
Urteil v. 30.11.2000
Az: 2 Ni 23/99


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