Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 26. März 1999
Aktenzeichen: 6 U 184/94

(OLG Köln: Urteil v. 26.03.1999, Az.: 6 U 184/94)

Das Óberkleben und/oder anderweitige Unkenntlichmachen von Aufdrucken, die Verpackungen von Arzneimitteln als Anstaltspackungen kennzeichnen oder mit denen ein Einzelverkauf aus diesem Grunde als unzulässig bezeichnet wird, und der Vertrieb solcherart manipulierter Arzneimittel verstößt unter dem Aspekt wettbewerbswidriger Behinderung des Herstellers bzw. Erstvertreibers gegen § 1 UWG.

Tenor

I.) Die Berufung des Beklagten gegen das am 23.6.1994 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 31 O 675/93 - wird - soweit der Rechtsstreit nicht, nämlich bezüglich des Unterlassungsanspruches, von den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 13.10.1995 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist - mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der verbleibende Hauptausspruch wie folgt neu gefaßt wird:1.) Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang und Zeitraum er Anstaltspackungen des Medikaments Adalat, die von ihr mit den Angaben "ANSTALTSPACKUNG Ausschließlich für Klinikbedarf" und/oder "Ein-zelverkauf unzulässig" und/oder (auf den Einzelpackungen) "Teil einer ANSTALTSPACKUNG Ausschließlich für Klinikbedarf" versehen und an krankenhausversorgende Apotheken geliefert worden waren, ausgeeinzelt und/oder umgepackt und die Einzelpackungen oder die Gesamtgebinde dergestalt verändert hat, daß die vorerwähnten Angaben unleserlich gemacht und/oder derart verändert und/oder sonstwie beseitigt wurden, und die so veränderten Packungen mit dem Medikament Adalat in den Verkehr gebracht hat. Der Beklagte hat anzugeben, wann und in welchen Stückzahlen die veränderten Arzneimittelpackungen in den Verkehr gebracht und welche Umsätze damit erzielt wor-den sind.2.) Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter der vorstehenden Ziffer 1) beschriebenen Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird. II.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen. III.)Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. IV.) Die Beschwer des Beklagten wird auf 30.000 DM festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist Herstellerin und Vertreiberin von Medikamenten. Sie gibt die von ihr hergestellten Arzneimittel zu unterschiedlichen Preisen in den Handel. Während Apotheken, die der allgemeinen Versorgung der Bevölkerung dienen, die Mittel zu "Normalpreisen" erhalten, sind die Preise für Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken niedriger. Zu den von der Klägerin hergestellten und auf diese Weise zu unterschiedlichen Preisen vertriebenen Arzneimitteln gehört das Präparat Adalat.

Der Beklagte betreibt als ausgebildeter Apotheker Handel mit Medikamenten. Zu diesem Zwecke ist oder war er in unterschiedlicher Weise an den überwiegend von ihm gegründeten Unternehmen "C.", "N. Naturheilmittel GmbH", "D." und "B. & Partner GmbH" beteiligt. Für diese Firmen bezog der Beklagte in der Vergangenheit von den Apothekern Bl. (Alte-Hofapotheke in B.), I. (M.-Apotheke in G.) und N. (R.-Apotheke in R.) zumindest die von der Klägerin hergestellten Medikamente Adalat und Aspirin in der Abgabegröße für Kliniken und vertrieb sie weiter. Im Zusammenhang mit diesen Geschäften ist der Apotheker Bl. durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts München II vom 28.9.1993 - W 2 Kls 64 Js 7862/93 - wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach den Feststellungen jenes im Wortlaut aus der gesondert gehefteten Anlage K 16 (AH 86 ff) ersichtlichen Urteils hat der Beklagte in großem Umfange Klinikware von dem Apotheker Bl. bezogen, sodann gemeinsam mit der Zeugin W. die Kennzeichnungen "nur für den Krankenhausbedarf" und "Einzelverkauf unzulässig" entfernt, durchgestrichen oder überklebt und die so in Packungsgrößen und Aufschriften veränderten Arzneimittel veräußert. Wegen dieser Vorwürfe hat sich u.a. gegen den Beklagten, dem Hehlerei vorgeworfen worden ist, ein umfangreiches Ermittlungsverfahren gerichtet (22 Js 26951.6/93 STA Darmstadt). Das Verfahren ist inzwischen wegen Verfolgungsverjährung eingestellt worden.

Die Klägerin hat unter Bezugnahme u.a. auf das Strafurteil sowie auf Niederschriften von Vernehmungen des Beklagten und anderer Beschuldigter in dem Ermittlungsverfahren, wegen deren Wortlautes auf die Anlagen K 8 (AH 1 ff), K 10 (AH 33), K 17 (AH 101 ff) und K 18 (AH 113 ff) verwiesen wird, behauptet, der Beklagte sei das Haupt einer Gruppe gewesen, die auf die beschriebene Weise von den 3 erwähnten Apothekern bezogene Klinikware manipuliert und bundesweit an Apotheker vertrieben und exportiert habe. Zu den so vertriebenen Arzneimitteln hätten neben Adalat und Aspirin noch 8 weitere von ihr hergestellte Präparate, wegen deren Bezeichnung auf die Auflistung auf S.3 der Klageschrift (Bl.3) Bezug genommen wird, sowie das von ihrer Tochtergesellschaft Ba. produzierte Bayotensin gehört.

Unter Bezugnahme auf §§ 15, 24 WZG, § 1 UWG i.V.m. § 14 Abs.4 und 5 ApothekenG, sowie § 1 UWG i.V.m. § 22 Abs.1 Ziff.13 und 29 AMG und auf deliktsrechtliche Vorschriften hat die Klägerin

b e a n t r a g t,

den Beklagten zu verurteilen,

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,

von ihr und/oder der Fa. Ba. GmbH durch Belieferung von Krankenhausapotheken und/oder krankenhausversorgenden Apotheken in den Verkehr gebrachte Anstaltspackungen (Bündel von Einzelpackungen) für den Klinikbedarf der Arzneimittel ... (es folgte eine Auflistung aller 11 oben erwähnten und auf Bl.3 aufgeführten Präparate) auszueinzeln und/oder umzupacken und/oder mit Klebeetiketten zu versehen und im Geschäftsverkehr anzubieten und/oder anbieten zu lassen,

Auskunft darüber zu erteilen, seit wann die Handlungen gemäß Ziffer I 1. bisher begangen worden sind, und zwar unter Angabe der jeweiligen Arzneimittel, der Lieferdaten, der angelieferten Klinikpackungen, der Stückzahl der veränderten, in den Geschäftsverkehr gegebenen Arzneimittelpackungen, den damit erreichten Monatsumsätzen und der Namen und Anschriften der belieferten Apotheken;

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I 1.) beschriebenen Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

Der Beklagte hat b e a n t r a g t,

die Klage abzuweisen.

Er hat die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Köln gerügt und die Auffassung vertreten, der Bezug und Vertrieb von Klinikwaren sei nur für denjenigen unzulässig, der zuvor eine entsprechende Vertriebsbindung gegenüber dem Hersteller eingegangen sei.

Die von ihm vertretenen Unternehmen hätten von den drei oben aufgeführten Apothekern im wesentlichen Adalat bezogen. Dabei seien die Apotheker als pharmazeutische Großhändler aufgetreten. Die Unternehmen hätten teilweise normale Packungen und teilweise Anstaltspackungen erhalten, nachdem zuvor nicht speziell Klinikpackungen, sondern nur das jeweilige Mittel bestellt worden sei. Die Arzneimittel seien dann veräußert worden, ohne daß zuvor Beschriftungen überklebt, entfernt oder verändert worden seien. Nachdem der Beklagte hierzu zunächst behauptet hatte, das Mittel Adalat sei nur überwiegend oder nahezu ausschließlich für den Export nach Großbritannien bestimmt gewesen und auch dorthin exportiert worden, hat er später behauptet, sogar alle Bestellungen seien für den Export nach England bestimmt gewesen und auch exportiert worden.

Die verlangte Auskunft könne er nicht erteilen, weil seine Geschäftsunterlagen - was zutrifft - im Rahmen des erwähnten Ermittlungsverfahrens beschlagnahmt worden seien.

Das L a n d g e r i c h t hat durch Teilurteil der Klage teilweise, und zwar hinsichtlich des Unterlassungsanspruches bezüglich sämtlicher streitgegenständlicher Arzneimittel mit Ausnahme von Bayotensin und hinsichtlich des Auskunftsanspruches und des Antrages auf Feststellung der Schadensersatzpflicht ausschließlich für Adalat, stattgegeben und den Rechtsstreit im übrigen gem. § 148 ZPO vorläufig, nämlich bis zum Abschluß des erwähnten Ermittlungsverfahrens, ausgesetzt. Wegen des Wortlautes der Verurteilung, der bezüglich der Unterlassungsverpflichtung sprachlich geringfügig von dem oben wiedergegebenen Klageantrag abwich, wird auf den Tenor des angefochtenen Urteils (Bl.83 f) Bezug genommen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt:

Der Unterlassungsanspruch sei unter dem Gesichtspunkt der unlauteren Behinderung begründet. Es bestehe insoweit Erstbegehungsgefahr, weil der Beklagte sich vorprozessual und durch die Erklärung im Prozeß, der Vertrieb von Klinikware durch Dritte sei nur unzulässig, wenn dieser durch Vertrag mit dem Hersteller gebunden sei oder eine Zeichenrechtsverletzung vorliege, der Berechtigung berühmt habe. Überdies sei auch sein Bestreiten des Vertriebs in Deutschland unbeachtlich, weil der Beklagte hierzu durch die oben wiedergebenen unterschiedlichen Angaben zu dem Umfang des Exportes der Ware nach England widersprüchlich vorgetragen habe. Außerdem habe er als Beschuldigter im Ermittlungsverfahren das Entfernen von Aufdrucken eingeräumt. Der Beklagte sei ungeachtet der Tatsache, daß er für die genannten Unternehmen tätig geworden sei, Störer und habe hinsichtlich des Mittels Adalat auch fahrlässig gehandelt, weswegen insoweit der Auskunftsanspruch und der Schadensersatzfeststellungsantrag begründet seien.

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten B e r u f u n g wiederholt und vertieft der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen.

Die Packungen seien nicht auf die durch das Urteil verbotene Weise manipuliert worden. Der auf ihnen enthaltene Text sei nicht verändert worden, zumal die Ware ausschließlich exportiert worden sei. Letzteres sei dadurch zu belegen, daß sich der Handel sonst wirtschaftlich nicht gelohnt hätte, und im übrigen die für den Vertrieb im Inland erforderliche Packungsgröße von 50 Stück durch Umpacken nicht zu erreichen sei, weil die Packungen dafür zu klein seien. Soweit er im erstinstanzlichen Verfahren zunächst nur von einem fast vollständigen Export nach England gesprochen habe, beruhe das darauf, daß er das Arzneimittel nicht nur in Klinikpackungen, sondern auch in Normalpackungen erhalten habe. Nur die letzteren seien nicht exportiert worden. Aus seiner Vernehmung als Beschuldigter, dessen Verwertung der Beklagte im übrigen widerspricht, sei auch nichts anderes zu entnehmen, weil seine dortigen Aussagen sich gerade nicht auf Produkte der Klägerin bezogen hätten.

Zudem liege ohnehin ein wettbewerbswidriges Verhalten deswegen nicht vor, weil die Klägerin selbst auch solche Apotheken mit Klinikpackungen beliefere, die nur der allgemeinen Versorgung der Bevölkerung dienten.

Schließlich könne in seinen von der Kammer herangezogenen Ausführungen auch keine Berühmung gesehen werden, auf die eine Erstbegehungsgefahr gestützt werden könnte.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.10.1995, in dessen Anschluß das Berufungsverfahren im Hinblick auf das erwähnte Ermittlungsverfahren zeitweilig gem. § 149 ZPO ausgesetzt war, hat der Beklagte eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben, die sich auf sämtliche streitgegenständlichen Arzneimittel, also auch auf das Präparat Bayotensin, bezüglich dessen das Landgericht eine Entscheidung noch nicht getroffen hatte, erstreckt. Wegen des von der erstinstanzlichen Verurteilung geringfügig abweichenden Wortlautes jener Erklärung wird auf die Niederschrift der Sitzung vom 13.10.1995 (Bl.212 ff) Bezug genommen. Anschließend haben die Parteien mit Blick auf diese von der Klägerin angenommene Verpflichtungserklärung den Rechtsstreit bezüglich des Unterlassungsanspruches insgesamt in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Beklagte b e a n t r a g t,

das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 23.6.1994 - 31 O 675/93 - abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Die Klägerin b e a n t r a g t,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft unter Beweisantritt ihren Vortrag zu der behaupteten Vorgehensweise des Beklagten. Entgegen dessen Behauptung sei ein Aufstocken des Packungsinhaltes von 40 auf 50 Stück möglich. Es treffe auch nicht zu, daß sich der Vertrieb von umgepacktem Adalat im Inland nicht lohne. Schließlich bestreitet sie, selbst Apotheken, die keine Krankenhäuser versorgen, mit Klinikpackungen beliefert zu haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die nebst Anlagen sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Klage hinsichtlich der noch streitgegenständlichen Ansprüche zulässig und begründet ist. Soweit der Senat den Tenor der landgerichtlichen Entscheidung neu formuliert hat, stellt dies keine inhaltliche Änderung dar. Die Neufassung ist vielmehr lediglich zur Anpassung der Urteilsformel an die Prozeßsituation nach der Teilerledigung und zur sprachlichen Klarstellung des Anspruchsinhaltes geboten.

Der Auskunftsanspruch und der gem. § 256 Abs.1 ZPO zulässige Antrag auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Schadensersatz sind unter dem Gesichtspunkt der wettbewerbswidrigen Behinderung aus § 1 UWG, und zwar der Auskunftsanspruch in Verbindung mit § 242 BGB, begründet. Der Beklagte hat auf die beschriebene Weise manipulierte Packungen des Medikaments Adalat vertrieben. Das stellt eine schuldhafte wettbewerbswidrige Behinderung der Klägerin dar, die so einen ihr zu ersetzenden Schaden erlitten hat. Schließlich vermag die Klägerin die Höhe dieses Schadens noch nicht anzugeben, weswegen auch das gem. § 256 Abs.1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht und der Klägerin der begehrte Auskunftsanspruch zusteht.

Das Überkleben bzw. auf andere Art erfolgende Unkenntlichmachen von Aufdrucken, die Packungen von Arzneimitteln als Anstaltspackungen oder Teile von Anstaltspackungen kennzeichnen oder einen Einzelverkauf aus diesem Grunde als unzulässig bezeichnen, stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Pharma Recht 1990,50 ff), der sich der Senat anschließt und gegen die auch die Beklagte Einwände nicht vorbringt, bei anschließendem Vertrieb der so manipulierten Packungen eine wettbewerbswidrige Behinderung des Herstellers bzw. Erstvertreibers dar.

Es steht auch fest, daß der Beklagte entgegen seiner Behauptung (auch) mit dem Arzneimittel Adalat so verfahren ist. Dies ergibt sich aus den Niederschriften seiner Aussagen als Beschuldigter in dem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren 22 Js 26951.6/93 Sta Darmstadt. Der Beklagte hat in seiner als Anlage K 17 (AH 101 ff) bei den Akten befindlichen Beschuldigtenvernehmung vom 2.4.1993 die ihm vorgeworfene Verfahrensweise im einzelnen bestätigt. Insbesondere hat er die Zusammenarbeit mit dem inzwischen rechtskräftig verurteilten Apotheker Bl. eingeräumt und u.a. erklärt, dieser habe gewußt, daß die Ware, die er an die von ihm, dem Beklagten, vertretene C. geliefert habe, ausgeeinzelt, umetikettiert und an den Einzelhandel abgegeben wurde (S.7 der Niederschrift). Weiter hat er ausdrücklich eingeräumt, daß er bei manchen Medikamenten den Aufdruck "Klinikware" etc. mit einem scharfen Messer weggekratzt habe (a.a.O., S.11). Der Beklagte wendet hiergegen zwar ein, diese Aussagen hätten sich gerade nicht auf Adalat bezogen, das trifft aber nicht zu. In seiner weiteren Beschuldigtenvernehmung vom 5.4.1993 (Anlage K 18 = AH 113 ff) hat der Beklagte nach einer Aufzählung der von der C. belieferten angeblich 27 Apotheken in Deutschland ausdrücklich aufgeführt, daß er - wenn nicht von Anfang an, dann doch ab einem späteren Zeitpunkt - von der Hofapotheke in B. auch Adalat Klinikware (= Adalat 40) bezogen habe. Diese Bekundungen stellen eine Ergänzung seiner vorangegangenen Vernehmung dar und belegen, daß auch das Mittel Adalat von den Manipulationen betroffen war. Der Beschuldigte hat bei seiner zweiten Vernehmung zwar anschließend geschildert, wie Adalat nach England geliefert worden sei, damit hat er aber nicht etwa zum Ausdruck gebracht, daß das Mittel Adalat ausnahmslos nur nach England geliefert worden sei. Zum einen steht die Schilderung des Bezugs von Adalat gerade in dem erwähnten Zusammenhang mit der Belieferung der deutschen Apotheken und zum anderen hat der Beklagte ohnehin bezüglich der Lieferung nach England nur beiläufig erklärt, dort einen einzigen von mehreren ihm bekannten Arzneimittelgroßhändlern beliefert zu haben.

Es kann auch nicht etwa deswegen angenommen werden, der Beklagte habe seine Aussage zu Adalat entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Niederschrift ausschließlich auf die Geschäfte nach England bezogen, weil - wie er nunmehr im Berufungsverfahren vorbringt - das behauptete Verfahren sich wirtschaftlich bei Adalat nicht gelohnt hätte und das erforderliche Umpacken wegen der Größe der Verpackungen nicht möglich sei.

Von beidem kann nämlich nicht ausgegangen werden. Es steht schon nicht fest, daß Adalat nur in solchen Packungsgrößen betroffen war, die zusätzlich ein Umpacken erforderlich gemacht hätten. Zudem hat der Beklagte einen Beweis für seine diesbezügliche Behauptung nicht angetreten. Das wäre indes erforderlich gewesen, nachdem die Klägerin in der Berufungserwiderung im einzelnen dargelegt hatte, daß ein solches Aufstocken möglich sei, und zudem eine Fotokopie einer nach ihrer Darstellung manipulierten Verpackung "Adalat 50" vorgelegte hatte. Soweit der Beklagte vorträgt, mit Blick auf die Konkurrenzsituation sei z.B. Adalat Retard nur mit Verlust abzusetzen gewesen, kann auch hiervon nicht ausgegangen werden. Angesichts der beiden unterschiedlichen Abgabepreise durch die Klägerin, die den Hintergrund des Rechtsstreits bilden, hätte der Beklagte im einzelnen nachvollziehbar darlegen müssen, warum gleichwohl die zu dem günstigen Preis erworbene Ware nicht mit wirtschaftlichem Gewinn hätte abgesetzt werden können. Dies ist indes nicht geschehen. Der Hinweis auf die angebliche Konkurrenzsituation, die wegen der Re- und Parallelimporte hohe Rabatte erforderlich gemacht hätten, reicht deswegen nicht aus, weil der Beklagte nach seiner eigenen Aussage mit der beschriebenen Verfahrensweise trotz der bestehenden Marktverhältnisse mit den verschiedenen betroffenen Medikamenten lohnende Geschäfte betrieben hat. Überdies hat der Beklagte auf die konkreten Angaben der Klägerin in der Berufungserwiderung über die Einzelpreise und Rabatte, wie sie sich im Ermittlungsverfahren herausgestellt hätten, diesen Gesichtspunkt - wie im übrigen auch die angebliche Unmöglichkeit des Umpackens - selbst nicht mehr aufgegriffen.

Ist aus den vorstehenden Gründen davon auszugehen, daß der Beklagte auch Adalat vertrieben hat, das die Klägerin vorher als Anstaltspackung auf den Markt gebracht hatte, so steht entgegen seiner Behauptung im Berufungsverfahren auch fest, daß der Beklagte gerade auch bei Adalat vor dem Vertrieb die Aufdrucke durch Wegkratzen oder auf andere Weise unkenntlich gemacht oder dies veranlaßt hat. Der Beklagte hat hierzu zwar lediglich ausgesagt, daß "bei manchen Medikamenten" der Aufdruck weggekratzt worden sei (S.11 seiner ersten Vernehmung, AH 111), gleichwohl ist der Senat der Überzeugung, daß diese nicht etwa bei Adalat unterblieben ist. Hierfür sprechen die Lebenserfahrung und der Beweis des ersten Anscheines. Die Aufdrucke, die die Packungen als Anstaltspackungen oder Teile von solchen auswiesen oder gar einen Einzelverkauf ausdrücklich für unzulässig erklärten, ließen einen Vertrieb nur an solche Abnehmer zu, die ihrerseits bereit waren, gleichwohl derartige für den Einzelverkauf nicht vorgesehenen Packungen gerade zu diesem Zweck abzunehmen. Überdies offenbarten sie den vorherigen Bezug der Ware zu den bekanntermaßen günstigeren Bedingungen, zu denen die Klägerin die Medikamente nur an Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken abgab. Die Packungen wären damit kaum zu den von dem Beklagten verlangten über diesen Preisen liegenden Konditionen abzusetzen gewesen. Vor diesem Hintergrund ist der Senat davon überzeugt, daß der Beklagte selbst oder durch andere, etwa die früher Mitbeschuldigte W., auch bei Adalat die Aufdrucke unkenntlich gemacht hat, zumal der oben auszugsweise zitierte sprachlich mißlungene Satz in seiner Vernehmung auch nicht eindeutig dahin zu verstehen ist, daß bei bestimmten Mitteln, zu denen dann Adalat gehören könnte, trotz Vorhandenseins der von dem Beklagten in seiner Vernehmung zutreffend als "sachlich unrichtig" (geworden) bezeichneten Aufdrucke generell von deren Entfernen abgesehen worden sei.

Im übrigen wäre die Berufung entgegen der Auffassung des Beklagten auch dann zurückzuweisen, wenn er nicht die Aufdrucke unkenntlich gemacht oder dies veranlaßt hätte. Denn die Behinderung der Klägerin liegt nicht in diesem Beseitigen der Aufdrucke, sondern darin, daß durch den (allerdings in aller Regel nur nach solchen Manipulationen möglichen) Vertrieb der für den Krankenhausbedarf verbilligt abgegebenen Arzneimittel an die Apotheken - wie der BGH formuliert hat (a.a.O., S.52) - "das Preisgefüge in verschiedener Hinsicht gestört" wird.

Die Niederschriften über die Vernehmungen des Beschuldigten sind auch ungeachtet seines Widerspruches gegen ihre Verwertung geeignete Beweismittel. Es handelt sich bei ihnen um Urkunden im Sinne des § 418 Abs.1 ZPO, die als solche den vollen Beweis darüber erbringen, daß der Beklagte seine Aussagen so gemacht hat, wie es in den Niederschriften niedergelegt ist. Der Beklagte hat auch nicht etwa behauptet und Beweis dafür angetreten, daß seine Aussagen unrichtig protokolliert worden seien.

Der Beweis kann schließlich auch durch die bei den Akten befindlichen Kopien der Vernehmungsprotokolle geführt werden. Die Klägerin hat insoweit ordnungsgemäß Beweis angetreten. Hierzu genügte es, die Beiziehung der Ermittlungsakten zu beantragen, weil es sich bei den Protokollen der Vernehmungen des Beklagten im Ermittlungsverfahren um Urkunden handelt, die sich in den Händen einer Behörde befinden (§ 432 Abs.1 ZPO). Vor diesem Hintergrund kann der Senat angesichts der derzeitigen Nichterreichbarkeit der Akten seiner Entscheidung die vorgelegten Kopien der Niederschriften zugrundelegen. Denn der Beklagte behauptet nicht, daß die Fotokopien den Inhalt der Protokolle verfälscht wiedergäben.

Aus den vorstehenden Gründen ist der Senat der Prüfung der Frage enthoben, ob seine Behauptung, das Mittel Adalat sei, soweit es in Anstaltspackungen bezogen worden sei, ausschließlich nach England veräußert worden, angesichts des Umstandes, daß die Klägerin ihre Arzneimittel selbst auch nach England liefert, den Beklagten überhaupt entlasten könnte.

Der Verurteilung des Beklagten steht auch seine in zweiter Instanz aufgestellte Behauptung nicht entgegen, die Klägerin selbst vertreibe ihre Arzneimittel als Klinikpackungen und zu dementsprechend niedrigeren Preisen auch an solche Apotheken, die keine krankenhausversorgenden Apotheken seien. Denn die Klägerin bestreitet diese Behauptung und der Beklagte hat diesbezüglich einen geeigneten Beweis nicht angetreten. Er legt zum Beweis seiner Behauptung lediglich einen Lieferschein einer R.-Apotheke in R. vor und benennt Zeugen für seine Behauptung, daß diese Apotheke im fraglichen Zeitraum keine krankenhausversorgende Apotheke gewesen sei. Diese Beweismittel können indes eine Belieferung der genannten Apotheke in R. gerade durch die Klägerin ersichtlich nicht belegen.

Steht aus den vorstehenden Gründen fest, daß der Beklagte in wettbewerbswidriger Weise das auf die beschriebene Weise Arzneimittel Adalat vertrieben hat, so ist seine Verpflichtung zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens begründet, weil an dem Verschulden des Beklagten, der hinsichtlich aller Tatbestandselemente vorsätzlich gehandelt hat, kein Zweifel besteht. Vor diesem Hintergrund ist sowohl festzustellen, daß der Beklagte zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, als auch der Beklagte zu der begehrten Auskunft zu verurteilen, weil die Klägerin sonst die Höhe des eingetretenen Schadens nicht zu ermitteln vermag.

Es ist dem Beklagten schließlich auch nicht mit Blick auf die Beschlagnahme seiner Geschäftsunterlagen unmöglich, die geschuldete Auskunft zu erteilen. Denn die Geschäftsunterlagen sind ihm - soweit dies nicht bereits geschehen ist - zurückzugeben. Die Beschlagnahme ist nämlich mit Rücksicht auf die inzwischen erfolgte Einstellung des Verfahrens erloschen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl. § 94 StPO, RZ 290 m.w.N.) und der von der Staatsanwaltschaft Darmstadt gestellte Antrag vom 12.10.1998 auf selbständige Einziehung nach §§ 440 ff StPO betrifft die hier maßgeblichen Geschäftsunterlagen nicht. Es bedarf aus diesem Grunde keiner Entscheidung, ob - wie die Klägerin meint - der Beklagte sich bei fortdauernder Beschlagnahme im Wege der Akteneinsicht durch seinen Verteidiger in die Lage versetzen könnte und müßte, die Auskünfte zu erteilen.

Der von dem Senat vorgenommene Ausspruch zum Umfang der Auskunft und des zu leistenden Schadensersatzes enthält eine Klarstellung des klägerischen Begehrens: Er orientiert sich an der von dem Beklagten abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung und paßt sie dem unstreitigen tatsächlichen Packungsaufdruck bei dem Medikament Adalat an.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 a, 97 Abs.1 ZPO.

Es entspricht billigem Ermessen im Sinne des § 91 a ZPO, dem Beklagten auch bezüglich des Unterlassungsanspruches die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, weil er ohne Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung, die das erledigende Ereignis darstellt, aus den vorstehenden Gründen unterlegen gewesen wäre. Der Senat hat auch insofern allein über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden, weil über die Kosten der ersten Instanz einheitlich zu entscheiden ist und die Kammer über die erstinstanzlichen Kosten noch nicht entschieden hat.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer des Beklagten entspricht dem Wert seines Unterliegens im Berufungsverfahren.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig wie folgt festgesetzt:

für die Zeit bis zur teilweisen Erledigungserklärung im Verhandlungstermin vom 13.10.1995 unter nachfolgender Differenzierung auf insgesamt 302.000 DM:

Antrag auf Unterlassung 272.000 DM Antrag auf Auskunft 10.000 DM Antrag auf Schadensersatzfeststellung 20.000 DM Gesamtstreitwert 302.000 DM

für die anschließende Zeit auf 30.000 DM.

Die Festsetzung entspricht derjenigen durch den Beschluß des Senats vom 25.11.1994, die ihrerseits auf der unwidersprochen gebliebenen Wertfestsetzung in dem angefochtenen landgerichtlichen Urteil beruht. Soweit in den Ausfertigungen dieses Senatsbeschlusses der Wert des Unterlassungsanspruches mit lediglich 242.000 DM angegeben ist, handelt es sich um einen Übertragungsfehler.






OLG Köln:
Urteil v. 26.03.1999
Az: 6 U 184/94


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/64e93f10b102/OLG-Koeln_Urteil_vom_26-Maerz-1999_Az_6-U-184-94




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share