Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 28. Februar 1991
Aktenzeichen: NC 9 S 98/90

(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 28.02.1991, Az.: NC 9 S 98/90)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In der vorliegenden Gerichtsentscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 28. Februar 1991 (Aktenzeichen NC 9 S 98/90) geht es darum, ob die anwaltliche Vertretung der Beklagten im Klageverfahren erstattungsfähige Kosten verursacht hat. Es wird festgestellt, dass die anwaltliche Vertretung der Beklagten offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan war, dem Kläger als Prozessgegner Kosten zu verursachen. Daher sind diese Kosten nicht im Sinne des § 162 Absatz 2 Satz 1 VwGO erstattungsfähig.

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der erstattungsfähigen Anwaltskosten auf DM 422,94 wird als begründet angesehen. Es wird festgestellt, dass der Antrag des Vertreters der Beklagten, die Klage abzuweisen, ein Sachantrag ist, der die volle Prozessgebühr nach § 31 Absatz 1 Nr. 1 BRAGO auslöst. Gemäß § 162 Absatz 2 Satz 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts grundsätzlich erstattungsfähig. Im vorliegenden Fall ist jedoch die anwaltliche Vertretung der Beklagten offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan, dem Kläger als Prozessgegner Kosten zu verursachen. Daher sind diese Kosten ausnahmsweise nicht erstattungsfähig.

Der Grund für diese Entscheidung liegt darin, dass der Antrag auf Klageabweisung und die Anzeige der anwaltlichen Vertretung der Beklagten erstmals in einem Schriftsatz enthalten waren, der nach der objektiven Erledigung des Rechtsstreits eingegangen ist. Das Verwaltungsgericht hatte daraufhin die Beteiligten um Abgabe entsprechender prozessualer Erklärungen gebeten. Aufgrund der bereits eingetretenen objektiven Erledigung der Hauptsache war die anwaltliche Vertretung der Beklagten nicht mehr von Nutzen und führte nur noch zu Kosten. Die Beklagte durfte daher aus Sicht einer vernünftig handelnden Partei davon ausgehen, dass sie keine anwaltliche Vertretung mehr benötigt.

Es wird darauf hingewiesen, dass dieser Fall nicht mit einem vorherigen Senatsbeschluss vergleichbar ist, da hier die Frage der Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung der Beklagten nach den besonderen Umständen des Klageverfahrens zu beurteilen ist. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 13 Absatz 1 Satz 1 GKG. Der Beschluss ist unanfechtbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 28.02.1991, Az: NC 9 S 98/90


1. Ist die anwaltliche Vertretung der Beklagten im Klageverfahren für diese offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan, dem Kläger als Prozeßgegner Kosten zu verursachen, so sind diese ausnahmsweise nicht im Sinne des § 162 Abs 2 S 1 VwGO erstattungsfähig.

Gründe

Die -- zulässige -- Beschwerde ist begründet. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat zu Unrecht die vom Kläger an die Beklagte aufgrund des nach Erledigung des Rechtsstreits ergangenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 22.12.1989 zu erstattenden Anwaltskosten auf DM 422,94 festgesetzt, so daß auch der die hiergegen gerichtete Erinnerung des Klägers zurückweisende Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 30.7.1990 zu ändern war.

Zwar war der -- erstmals -- im Schriftsatz des Vertreters der Beklagten vom 25.10.1989 gestellte Antrag, die Klage abzuweisen, ein Sachantrag im Sinne des § 32 Abs. 1 BRAGO, der die volle Prozeßgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO auslöst. Gem. § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalt auch stets erstattungsfähig, so daß hierfür grundsätzlich nicht zu prüfen ist, ob die Streitsache die Vertretung durch einen Rechtsanwalt gebot. Gleichwohl ist der Senat aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls zu der Überzeugung gelangt, daß die anwaltliche Vertretung der Beklagten im Klageverfahren für diese offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan war, dem Kläger als Prozeßgegner Kosten zu verursachen, so daß diese ausnahmsweise nicht im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO erstattungsfähig sind (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 29.8.1989 -- NC 9 S 69/89 -- VBlBW 90, 136 und VGH München, Beschluß vom 28.5.1982, NJW 1982, 2394).

Dies ergibt sich aus folgendem: Die Anzeige der Vertretung der Beklagten durch Rechtsanwalt B. im Klageverfahren und dessen die Prozeßgebühr auslösender Sachantrag, die Klage abzuweisen, waren erstmals im Schriftsatz vom 25.10.1989, eingegangen am 27.10.1989, enthalten. Der im früheren Schriftsatz vom 22.9.1989 enthaltene -- irrtümliche -- Antrag, "den Antrag nach § 123 VwGO zurückzuweisen", kann nicht als Sachantrag im Klageverfahren gewertet werden, da Rechtsanwalt B. ihn ausdrücklich damit begründet hat, daß der Kläger (Antragsteller) es versäumt habe, Klage zu erheben, also von einem anhängigen Klageverfahren, in dem er tätig werden wolle, gerade nicht ausgegangen ist. Zur Begründung für diesen Klagabweisungsantrag hat Rechtsanwalt B. im Schriftsatz vom 25.10.1989 darauf verwiesen, daß der Kläger, was dieser ihm mit Schreiben vom 22.10.1989 selbst mitgeteilt habe, ausweislich der vorgelegten Immatrikulationsbescheinigung vom 5.10.1989 als ordentlicher Student im Studienfach Diplom-Pädagogik eingeschrieben worden sei. Damit war zum Zeitpunkt des erstmaligen Tätigwerdens von Rechtsanwalt B. für die Beklagte bereits objektiv eine Erledigung des Rechtsstreits (auf Verpflichtung zur Zuweisung eines Studienplatzes) eingetreten, weshalb das Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 27.10.1989 um die Abgabe entsprechender prozessualer Erklärungen gebeten hat, was die Beteiligten dann umgehend auch getan haben (zuerst der Kläger mit Schriftsatz vom 8.11.1989). Bei danach unstreitig eingetretener objektiver Erledigung der Hauptsache war eine Vertretung der Beklagten durch Rechtsanwalt B. im Klageverfahren vom Standpunkt einer verständigen Partei aus nicht mehr von Nutzen und "produzierte" nur noch Kosten. Daß der anwaltlich nicht vertretene Kläger selbst noch keine prozeßbeendigende Erledigungserklärung abgegeben hatte, sondern dies erst auf das gerichtliche Schreiben vom 27.10.1989 tat -- dann allerdings umgehend mit Schriftsatz vom 8.11.1989 --, rechtfertigt keine andere Beurteilung der Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung der Beklagten in dieser Lage des Verfahrens. Dies um so mehr, als der Kläger Rechtsanwalt B. selbst mit Schreiben vom 22.10.1989 über dessen Irrtum (Antragstellung in einem nicht anhängigen vorläufigen Rechtsschutzverfahren) aufgeklärt und unter Beifügung einer Immatrikulationsbescheinigung der Beklagten vom 5.10.1989 darüber informiert hat, daß er mittlerweile als ordentlicher Student im Studienfach Diplom-Pädagogik eingeschrieben sei. Auf dieses Schreiben und diesen Sachverhalt hat Rechtsanwalt B. zur "Begründung" seines Klagabweisungsantrags im Schriftsatz vom 25.10.1989, in dem er sich erstmals (auch) im Klageverfahren meldete, ausdrücklich hingewiesen. Zu diesem Zeitpunkt stand wegen bereits eingetretener (objektiver) Erledigung der Hauptsache nur noch die Abgabe entsprechender prozessualer Erklärungen durch die Beteiligten aus. Auch war eine "streitige" Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen angesichts der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Kostentragungspflicht des Studienbewerbers bei erfolgreicher Mehrfachbewerbung aus der Sicht der kundigen Beklagten nicht zu erwarten. Bei diesem Stand des Klageverfahrens durfte es die Beklagte aus der Sicht einer verständigen Partei nicht mehr als notwendig im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO erachten, sich noch anwaltlicher Vertretung zu bedienen. Diese war für sie nicht mehr von Nutzen und objektiv nur dazu angetan, dem Kläger als Prozeßgegner Kosten zu verursachen. Mit dem dem bereits erwähnten Senatsbeschluß vom 29.8.1989 zugrundeliegenden Sachverhalt ist der vorliegende Fall nicht zu vergleichen, da hier die Frage der Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung der Beklagten allein nach den besonderen Umständen des Klageverfahrens selbst, das nicht lediglich zur "Absicherung" eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens angestrengt wurde und zudem nicht den Charakter einer Massenstreitigkeit trug, zu beurteilen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Der Beschluß ist unanfechtbar.






VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 28.02.1991
Az: NC 9 S 98/90


Link zum Urteil:
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