Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. November 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 24/00

(BPatG: Beschluss v. 30.11.2000, Az.: 25 W (pat) 24/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung PROCEDON soll für "Magen-Darmtherapeutika" in das Markenregister eingetragen werden. Die Bekanntmachung der Anmeldung ist am 30. Juli 1994 erfolgt. Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, seit dem 16. März 1993 unter anderem für "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" eingetragenen Marke 2 032 487 PROTECTON.

Die Widerspruchsmarke war noch nach § 6a WZG eingetragen worden. Über einen gegen die Eintragung der Widerspruchsmarke aus der Marke 1 163 880 "PROTECTADOL" gerichteten Widerspruch hat die Markenstelle für Klasse 5 durch Beschluß vom 2. Dezember 1996 entschieden. Diese Entscheidung ist den dortigen Beteiligten am 5. bzw 6. Januar 1997 zugestellt worden. Rechtsmittel war gegen diese Entscheidung nicht eingelegt worden.

Die Anmelderin hat im Beschwerdeverfahren die Benutzung der Widerspruchsmarke für alle Waren mit Ausnahme von Nahrungsergänzungsmitteln bestritten.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Ausgehend von normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und im Hinblick darauf, daß die Marken zur Kennzeichnung sehr ähnlicher oder sogar identischer Waren verwendet werden könnten, seien an den Markenabstand durchschnittliche bis hohe Anforderungen zu stellen, die erfüllt seien. Obwohl die Marken in der Lautfolge "Pro---on" und in der Silbenzahl übereinstimmten, bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die Unterschiede in den Wortmitten "-CED-" und "-TECT-" bei unterschiedlicher Aussprache der Vokale "e" seien so markant, daß sie der Verwechslungsgefahr entgegenwirkten, zumal sich die Aufmerksamkeit der Verkehrskreise wegen des auf dem Gebiet der Arzneimittel häufigen Präfixes "Pro" eher auf die Wortmitte der Bezeichnungen richten werde.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und der angemeldeten Marke die Eintragung zu versagen.

Die Vergleichsmarken stimmten entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht nur in der Lautfolge "Pro---on" identisch überein, sondern in der Lautfolge, "Proteon", da nämlich auch der Buchstabe "c" der angegriffenen Marke wie "ts" ausgesprochen werde, wobei der klangstarke Konsonant "t" den nachfolgenden Laut "s" in erheblichem Maße überdecke. Die Vergleichsbezeichnungen seien klanglich hochgradig angenähert, so daß sie insoweit kaum auseinanderzuhalten seien. Auch in schriftbildlicher Hinsicht seien die Markenwörter insbesondere bei einer Wiedergabe in Großschrift hochgradig ähnlich.

Die Anmelderin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Magen-Darm-Therapeutika der Anmeldung und die zu berücksichtigenden "Nahrungsergänzungsmittel" der Widerspruchsmarke seien im entferntesten Ähnlichkeitsbereich anzusiedeln. Aufgrund dieser Warenferne könne die Verwechslungsgefahr selbst für sehr ähnliche Zeichen ausgeschlossen werden. Dies müsse erst recht für die hier zu beurteilenden Vergleichsbezeichnungen gelten, die in ihren Mittelteilen "CED" gegenüber "TECT" grundlegend verschieden seien.

Ihren weiteren aus der Marke 600 009 "Protecton" erhobenen Widerspruch hat die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß §§ 152, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, der nach §§ 152, 158 Abs 2 Satz 2, 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG Anwendung findet.

Die von der Anmelderin erhobene Nichtbenutzungseinrede kann keine Rechtswirkung entfalten, da die fünfjährige Benutzungsschonfrist noch nicht abgelaufen ist. Das die Widerspruchsmarke betreffende Widerspruchsverfahren war nach Zustellung des verfahrensabschließenden Beschlusses der Markenstelle am 5. bzw 6. Januar 1997 erst mit der Bestandskraft dieser Entscheidung nach Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist (§ 66 Abs 2 MarkenG) am 6. Februar 1997 abgeschlossen. Nach § 26 Abs 5 MarkenG begann die Benutzungsschonfrist des § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG erst zu diesem Zeitpunkt zu laufen und endet erst mit dem 6. Februar 2002.

Demzufolge ist von der Registerlage auszugehen. Danach können die Marken sich auf gleichen Waren begegnen, da die "Magen-Darmtherapeutika" der angemeldeten Marke jedenfalls von dem im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltenen weiten Warenbegriff "pharmazeutische Erzeugnisse" umfaßt werden.

Verwechslungsfördernd kommt hinzu, daß nicht nur Fachleute, sondern auch die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt angesprochen sind. Andererseits ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen (vgl EuGH WRP 1999, 806, 809 Tz 26 - Lloyd/Loint's; BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ/TISSERAND), der zudem erfahrungsgemäß gerade bei Waren, die - wie vorliegend im Bereich möglicher Warenidentität - den Gesundheitssektor betreffen, eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufzubringen pflegt (vgl dazu BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Bei seiner Entscheidung geht der Senat zugunsten der Widersprechenden noch von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit noch von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Im Hinblick auf die im Bereich pharmazeutischer Erzeugnisse übliche Praxis, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Zeichenteile Art, Zusammensetzung, Wirkung, Indikation, Darreichungsform und dergleichen jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen, erscheint der in der Widerspruchsmarke enthaltene Hinweis auf die medizinischen Fachwörter "protektiv" (= vor schädigenden Einflüssen schützend) und "Protektion" (= Schutz von Organen bzw Schutz des Organismus durch Medikamente vor schädlichen Einwirkungen; vgl Duden, Das Große Fremdwörterbuch unter dem Stichwort "Protektion") noch so phantasievoll verfremdet, daß noch keine Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung angenommen werden muß. Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob die Widersprechende eine Einschränkung im Schutzumfang ihrer Marke unter dem Gesichtspunkt hinnehmen muß, daß es auch anderen Markeninhabern gestattet sein muß, sich mit ihren Markenbezeichnungen an diese freizuhaltenden Begriffe anzunähern, da mit der angemeldeten Marke eine entsprechende Annäherung offensichtlich nicht gegeben ist (vgl zu dieser Problematik BGH GRUR 1995, 50, 53 reSp 1. Abs - Indorektal/Indohexal).

Die Ähnlichkeit der Vergleichsmarken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Warenlage die Gefahr von Verwechslungen iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Auch wenn angesichts der möglichen Warenidentität und der uneingeschränkten Berücksichtigung breiter Verkehrskreise strenge Anforderungen an den Markenabstand gestellt werden, wird die angemeldete Marke diesen Anforderungen gegenüber der Widerspruchsmarke noch gerecht, zumal die in den Markenwörtern vorhandenen unterschiedlichen Bedeutungsanklänge der Verwechslungsgefahr in gewissem Umfang entgegenwirken.

Klanglich stimmen die Markenwörter zwar bei gleicher Silbenzahl und gleicher Vokalfolge in der Anfangssilbe "Pro" und in der Endung "on" überein. Demgegenüber heben sie sich in der zweiten Sprechsilbe "ce" gegenüber "tec" markant und in den Anfangskonsonanten der Schlußsilbe "d" gegenüber "t" zumindest etwas voneinander ab. Es ist davon auszugehen, daß der Konsonant "C" in der angemeldeten Marke vor dem hellen Vokal "E" wie "Z" ausgesprochen wird, was die regelgerechte Aussprache darstellt und der Beurteilung zugrundezulegen ist (vgl hierzu Duden, Aussprachewörterbuch, 2. Aufl., Seite 75). Auch wenn dieser "z"-Laut von "PROCEDON" ähnlich wie "ts" klingt, wird er als eigenständiger Laut wahrgenommen, bei dem entgegen der Auffassung der Widersprechenden der Zischlaut deutlich im Vordergrund steht und sich von dem in der Widerspruchsmarke an entsprechender Stelle vorhandenen Sprenglaut "T" doch ziemlich deutlich abhebt. Neben diesen Unterschieden in einigen Einzellauten verfügt die angemeldete Marke im Vergleich zur Widerspruchsmarke über einen wesentlich weicheren und fließenderen Gesamtklang. Anders als die angemeldete Marke, die nur einen harten Anfangslaut "p" enthält, wird die Widerspruchsmarke dominiert von den harten und klangstarken konsonantischen Lauten "P", "T" und "C", das hier in der Kombination mit dem nachfolgenden "T" wie "K" ausgesprochen wird, wobei die unmittelbare Abfolge der Konsonanten "C" (klanglich wie "K") und "T" auch noch zu einer deutlichen Zäsur im Sprechrhythmus führt, die in der angemeldeten Marke keine Entsprechung hat. Die harten konsonantischen Silbenanlaute verleihen der Widerspruchsmarke insgesamt einen harten und stakkatoartigen Gesamtklang. Die aufgezeigten Unterschiede führen nach Auffassung des Senats zu einem noch ausreichend abweichenden klanglichen Gesamteindruck der Markenwörter, auch wenn sich beim isolierten Vergleich der Einzellaute rein zahlenmäßig mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen den Vergleichsbezeichnungen finden lassen. Allein aus einem Übergewicht an übereinstimmenden Lauten kann aber eine Verwechslungsgefahr nicht hergeleitet werden. Eine solche Sichtweise wird der markenrechtlichen Beurteilung, die sich am Gesamteindruck zu orientieren hat, häufig nicht gerecht, zumal dabei insbesondere die Elemente zu berücksichtigen sind, welche die Marken unterscheiden und dominieren (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 390, Tz 23 "Springende Raubkatze" bzw "Sabel/Puma").

Die in den Marken vorhandenen Bedeutungsanklänge wirken der Verwechslungsgefahr zumindest in gewissem Umfang entgegen. So klingen in der Widerspruchsmarke die medizinischen Fachwörter "protektiv" und "Protektion" doch recht deutlich an. Auch wenn medizinische Laien diese Wörter jedenfalls in ihrer medizinischen Bedeutung regelmäßig nicht kennen, wird ihnen gleichwohl häufig klar sein, welcher Sinngehalt mit der Markenbezeichnung "Protekton" angedeutet werden soll. Die in der Buchstabenfolge sehr ähnlichen englischen Wörter "(to) protect" (= schützen) und "protection" (= Schutz) sind nämlich auch medizinischen Laien weitgehend geläufig und das allgemein bekannte deutsche Fremdwort "Protektion" weist ebenfalls in diese Richtung, auch wenn es regelmäßig nicht in einem medizinischen Sinn, sondern im gesellschaftlichen Sinne mit der Bedeutung von "Förderung, Begünstigung" (= Schutz in diesem übertragenen Sinne) verstanden wird. Bei der angemeldeten Marke mögen die Verkehrsbeteiligten im Hinblick auf die klangliche Übereinstimmung in den Anfangsbestandteilen mit den Fremdwörtern "Prozedere" oder "Prozedur" gelegentlich in diese Richtung gehende begriffliche Assoziationen haben. Die in den Marken anklingenden unterschiedlichen Bedeutungen mögen nicht für jedermann rasch und unmittelbar erkennbar sein und nicht schon für sich genommen zum Ausschluß der Verwechslungsgefahr führen (iSv BGH GRUR 1992, 130 "BALL/Bally"), sie werden der Verwechslungsgefahr aber zumindest in gewissem Umfang entgegenwirken.

Im schriftbildlichen Vergleich unterscheiden sich die Marken trotz der Übereinstimmung in der Anfangssilbe und in den beiden Schlußbuchstaben in allen verkehrsüblichen Wiedergabeformen aufgrund der in ihrer Umrißcharakteristik unterschiedlichen Buchstaben im Wortinnern "ced" gegenüber "tect" bzw "CED" gegenüber "TECT" auch im Gesamteindruck noch hinreichend deutlich.

PROCEDON Procedon PROTECTON Protecton Bei einer Normalschreibweise mit großem Anfangsbuchstaben und nachfolgender Kleinschreibung mag die Ähnlichkeit im zweiten Wortteil stärker ausgeprägt sein, da sich dort die gegenüberstehenden Buchstaben "d" und "ct" nicht immer sehr klar voneinander abheben. Andererseits unterscheiden sich bei einer solchen Schreibweise die an vierter Buchstabenstelle gegenüberstehenden Konsonanten "c" und "t" markant, wobei der Buchstabe "t" mit seiner Oberlänge hier einen noch hinreichend deutlichen Kontrast beim Vergleich der Wörter nach ihrem Gesamteindruck bewirkt. Bei einer Schreibweise in Großbuchstaben sind die Unterschiede nach Auffassung des Senats noch stärker ausgeprägt, da sich hier nicht nur die Buchstaben "C" und "T" sondern auch die Buchstaben "D" einerseits und "CT" andererseits in ihrer Umrißcharakteristik auffällig voneinander abheben. Bei der Beurteilung der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr ist außerdem zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort. Im übrigen sind auch bei der Frage der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr die abweichenden Begriffsanklänge der Markenwörter in entsprechender Weise unterscheidungserleichternd zu berücksichtigen.

Nach alledem konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Brandt Knoll Na






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Az: 25 W (pat) 24/00


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