Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 29. Juli 2011
Aktenzeichen: I-22 U 26/11

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 29.07.2011, Az.: I-22 U 26/11)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 20. Januar 2011 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.

Die Kosten des zweiten Rechtszugs hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Gründe

I.

Der Kläger war Bauherr des Bauvorhabens M in K. Mit der Beklagten zu 1., seinerzeit noch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, schloss er am 21.1.1991 einen Vertrag über die Betreuung bei allen mit dem Bauobjekt anstehenden Rechtsfragen einschließlich der Gespräche mit den Projektbeteiligten und gegebenenfalls Korrespondenz mit Projektbeteiligten. Dieser zunächst bis zum 30.6.1993 befristete Vertrag wurde einvernehmlich bis zum 30.6.1994 verlängert.

Mit der Errichtung des Rohbaus beauftragte der Kläger die St AG. Ausführungsplanung und Statik sollten vom Kläger geliefert werden.

Am 2.4.1992 wurden in einer Vergabeverhandlung, an der auch der Beklagte zu 2. teilnahm und die er durch den Entwurf des Vergabeprotokolls vorbereitet hatte, zwischen dem Kläger und der St AG als Zwischentermin für die ausgeschalte und besenreine Fertigstellung des 4. Obergeschosses der 26.3.1993 und als Termin für die Gesamtfertigstellung der 7.5.1993 vereinbart, außerdem Vertragsstrafen für die Überschreitung dieser Fristen. Die Vertragsstrafe bei zu vertretender Fristüberschreitung für die Herstellung des 4. Obergeschosses sollte je Werktag der Fristüberschreitung 0,25% und maximal 8,5% der Gesamt-Netto-Abrechnungssumme betragen. Es wurde festgelegt, wann der Kläger die jeweiligen Baupläne vorzulegen hatte, wobei die St AG dazu verpflichtet wurde, die entsprechenden Pläne nach dem tatsächlichen Ablauf der Baustelle rechtzeitig abzurufen.

Am 30.9.1992 kamen der Kläger und die St AG überein, dass als Termine für die Fertigstellung des 4. Obergeschosses nun der 23.4.1993 und für die Gesamtfertigstellung der 5.6.1993 gelten sollten.

In der Folgezeit zeigte die St AG mehrfach Behinderung mit der Begründung an, sie hätte vom Kläger die erforderlichen Pläne nicht oder nicht rechtzeitig erhalten. Sie verlangte vom Kläger eine Bauzeitverlängerung. Im Rahmen der wechselseitigen Korrespondenz teilte der Kläger mit Schreiben vom 11.1.1993 mit, dass lediglich Einigkeit darüber bestünde, dass sich die vereinbarten Termine verschieben würden. Auch in der Folgezeit wurden keine neuen Fertigstellungstermine vereinbart.

Der Beklagte zu 2. fertigte am 2.2.1993 eine Aktennotiz mit Ausführungen zur Berechtigung der bisherigen Behinderungsanzeigen der St AG. Diese stellte das 4. Obergeschoss nicht bis zum 23.4.1993 und den gesamten Rohbau nicht bis zum 5.6.1993 fertig.

Mit Schreiben vom 17.6.1993 teilte die Beklagte zu 1. der St AG mit, dass eine Mahnung des Zwischentermins für das 4. Obergeschoss aufgrund eines Schreibens vom 5. Mai 1993 und von Erklärungen im Termin vom 18.5.1993 entbehrlich sei und sich als neuer Zwischentermin der 7.5.1993 ergebe. Mit Schreiben vom 24.6.1993 mahnte die Beklagte zu 1. die St AG im Namen des Klägers zur endgültigen Fertigstellung und setzte hierfür eine Frist bis zum 5. Juli 1993.

In Schreiben an den Kläger vom 9.7. und 2.8.1993 legte der Beklagte zu 2. seine Rechtsauffassung zur Verwirkung von Vertragsstrafen durch die St AG dar.

Die Gesamt-Netto-Abrechnungssumme der Arbeiten der St AG betrug 19.070.914,40 DM. Sie nahm den Kläger vor dem Landgericht Köln auf Zahlung von Restwerklohn in Anspruch. Mit der Rechtsverteidigung beauftragte der Kläger die Beklagte zu 1. und übergab ihr die Klageschrift am 24.7.1996. Im Rahmen der Klageerwiderung vom 30.9.1996 erklärte die Beklagte zu 1. im Namen des Klägers unter anderem die Aufrechnung mit Vertragsstrafenansprüchen wegen der Überschreitung der Fristen für die Fertigstellung des 4. Obergeschosses und des gesamten Rohbaus. Das Landgericht Köln verurteilte den Kläger zur Zahlung von 646.110,01 EUR und führte dabei unter anderem aus, dass dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung von Vertragsstrafen in Höhe von insgesamt 1.910.175,56 zustehe und in dieser Höhe der Vergütungsanspruch der St AG durch Aufrechnung erloschen sei. Auf die Berufung der St AG verurteilte das Oberlandesgericht Köln den Kläger am 3.4.2007 zur Zahlung einer Hauptforderung von 1.603.101,88 EUR nebst Zinsen und führte unter anderem aus, dass die Vertragsstrafe nur hinsichtlich der Gesamtfertigstellung und in Höhe von 286.525,57 DM verwirkt sei. Hinsichtlich der Fertigstellung des 4. Obergeschosses habe sich die St AG mangels Mahnung nicht in Verzug befunden, die Mahnung vom 9.8.1993 habe nur die Gesamtfertigstellung betroffen. Hinsichtlich eines über die Zahlung von 50.000 EUR hinausgehenden Behinderungsschadens habe die St AG nicht ausreichend dargelegt, dass sich die verspätete Übergabe der freigegebenen Pläne auf den Bauablauf ausgewirkt habe.

Mit Schreiben vom 21.5.2007 wiesen die Beklagten Ansprüche des Klägers wegen einer anwaltlichen Pflichtverletzung zurück.

Der Bundesgerichtshof wies mit am 20.1.2010 zugestelltem Beschluss vom 14.1.2010 die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Köln zurück.

Neben der Hauptforderung zahlte der Kläger an die St AG bis zum 6.6.2010 Zinsen. Um aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Köln vollstrecken zu können, leistete die St AG Sicherheit durch Bankbürgschaft, für die sie Avalzinsen in Höhe 21.393,83 EUR zahlen musste. Der Kläger erstattete diesen Betrag. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers stellten ihm am 3.7.2007 EUR 4.062,50 für ihre anwaltliche Tätigkeit vom 13.06. bis zum 26.06.2007 in Rechnung.

Das Kostenfestsetzungsverfahren im Rechtsstreit zwischen der St AG und dem Kläger dauert an.

Mit seiner Klage hat der Kläger als Schadensersatz neben einer entgangenen Vertragsstrafe in Höhe von 828.819,49 EUR gezahlte Zinsen in Höhe von 558.823,03 EUR, Avalzinsen in Höhe von 16.395,72 EUR und die Anwaltskosten in Höhe von 4.062,50 EUR geltend gemacht. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Kläger hat behauptet, das 4. Obergeschoss sei erst am 19.7.1993 ausgeschalt und besenrein fertig gewesen.

Die verzögerte Übergabe von Bauplänen habe keine Auswirkungen auf die verspätete Fertigstellung gehabt, die St AG sei für die Verzögerungen selbst verantwortlich gewesen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagten die Fertigstellung des 4. Obergeschosses am 7.5.1993 hätten anmahnen müssen. Dann hätte er mit Erfolg die für die verspätete Fertigstellung des 4. Obergeschosses verwirkte Höchstvertragsstrafe gegenüber dem Werklohanspruch der St AG aufrechnen können. Zur Mahnung seien die Beklagten aufgrund des Beratungsvertrags verpflichtet gewesen. Das Unterlassen der Mahnung habe zu dem von ihm geltend gemachten Schaden geführt. Dieser Schaden sei ihm erst mit Zustellung des Nichtabhilfebeschlusses des Bundesgerichtshofs entstanden, frühestens aber mit der Zustellung des Urteils des Oberlandgerichts Köln entstanden.

So sei die Verjährung des sich aus der Pflichtverletzung der Beklagten ergebenden Schadensersatzanspruchs am 30.9.1996 noch nicht vollendet gewesen; die Verjährung des Sekundäranspruchs des Klägers habe frühestens am 10.4.2007 begonnen.

Für den Regressprozess sei der hypothetische Verlauf des Vorprozesses bei unterstellt richtigem Anwaltsverhalten maßgeblich.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.408.100,74 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.385.553,44 vom 21.5.2007 bis zum 14.05.2010 und aus 1.408.100,74 EUR seit dem 15.05.2010 zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle darüber hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die dadurch entstanden sind oder noch entstehen, dass die Beklagten nach Eintritt der Fälligkeit der Leistungen der Firma St AG am Bauvorhaben des Klägers M, K, nicht gemahnt haben.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, dass es zu diversen Behinderungen der Fertigstellung gekommen sei, weil der Kläger die von ihm zu erstellenden Planungsunterlagen nicht fristgerecht erstellen konnte. Nach dem 5.7.1993 habe der Kläger nicht mitgeteilt, dass Leistungen noch offen gewesen seien. Das 4. Obergeschoss sei am 12.7.1993 ausgeschalt und besenrein gewesen; nur der bereits ausgeschalte Appendix sei nicht besenrein gewesen.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, aufgrund des Beratervertrags nicht zu einer Mahnung verpflichtet gewesen zu sein. Eine Mahnung wäre auch wirkungslos gewesen, weil der Anspruch auf Fertigstellung des 4. Obergeschosses nicht fällig gewesen sei. Die Leistungen der St AG hätten wegen der vereinbarten Planeingangsdaten nicht vor dem 5.7.1993 fertiggestellt sein müssen.

Aufgrund des Beginns der Fassadenarbeiten im Mai 2003 sei der bis dahin vereinbarte Zeitplan umgeworfen worden und die Vertragsstrafe hinfällig geworden, zumindest unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

Die Verjährung des Primäranspruchs sei am 19.7.1996 abgelaufen. Selbst wenn man für den Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt der Mandatsbeendigung des Beratervertrags am 30.6.1994 abstellen wollte, wäre ein Sekundäranspruch des Klägers spätestens 6 Jahre nach der Mandatsbeendigung verjährt.

Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Primärverjährung sei jedenfalls am 30.6.1997 eingetreten. Weil die Sekundärverjährung spätestens mit der Vollendung der Primärverjährung beginne, sei auch ein denkbarer Anspruch aus einer Sekundärhaftung verjährt.

Gegen dieses ihm am 7. Februar 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 2. März 2011 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach entsprechender Fristverlängerung - mit am 3. Mai 2011 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Er greift unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen die Auffassung des Landgerichts, der Anspruch sei verjährt, an. Ein Sekundäranspruch sei vor der Vollendung der Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus dem Betreuungsmandat entstanden. Wie sich aus der in NJW 1984, 2204 abgedruckten Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergebe, beginne die Verjährung dieses Sekundäranspruchs erst mit der Beendigung des Folgemandats. Soweit der Bundesgerichtshof in der Folge entschieden habe, dass es für ein Hinausschieben des Beginns der Sekundärverjährung bis zum Mandatsende keine gesetzliche Grundlage gebe, sei diese Argumentation nicht stichhaltig, zumal so der gebotene Schutz des Mandaten durch die Schaffung eines Sekundäranspruchs gleichsam wieder verhindert werde und von Zufälligkeiten abhänge.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 20. Januar 2011 abzuändern und

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.408.100,74 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.385.553,44 vom 21.5.2007 bis zum 14.05.2010 und aus 1.408.100,74 EUR seit dem 15.05.2010 zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle darüber hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die dadurch entstanden sind oder noch entstehen, dass die Beklagten nach Eintritt der Fälligkeit der Leistungen der Firma St AG am Bauvorhaben des Klägers M, K, nicht gemahnt haben,

ferner,

im gegebenen Fall die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angegriffene Urteil und wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen, insbesondere ihre dort zur Verjährung vertretenen Rechtsauffassungen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Einen - unterstellten - Schadensersatzanspruch aus schuldhafter Pflichtverletzung des Beratungsvertrags vom 21. Januar 1991 (Primäranspruch) kann der Kläger jedenfalls nicht mehr durchsetzen (1.). Ein Schadensersatzanspruch wegen schuldhaft unterlassener Belehrung über die drohende Verjährung des Primäranspruchs (Sekundäranspruch) ist nicht entstanden (2.) und wäre überdies jedenfalls wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar (3.).

1. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass ihm gegenüber der Beklagten zu 1. ein Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Schlechterfüllung des Beratungsvertrags vom 21. Januar 1991 zustand, für den auch der Beklagte zu 2. entsprechend § 128 HGB bzw. gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 PartGG persönlich haftete.

Einen solchen Anspruch kann der Kläger jedenfalls nicht mehr durchsetzen, nachdem sich die Beklagten auf die Einrede der Verjährung berufen haben, § 214 Abs. 1 BGB. Der Anspruch wäre seit dem 19.7.1996 verjährt.

a) Die Verjährung richtet sich gemäß Art. 229 §§ 12 Abs. 1 Satz 1 Nr., 6 Abs. 1, 3 EGBGB noch nach dem am 8.9.1994 außer Kraft getretenen § 51 BRAO, an dessen Stelle der gleichlautende und später mit Wirkung vom 15.12.2004 aufgehobene § 51b BRAO trat, weil die Verjährung vor dem 15.12.2004 eintrat:

aa) Gemäß § 51 (bzw. § 51b) BRAO beginnt die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs des Mandanten gegen seinen Rechtsanwalt kenntnisunabhängig (ständige Rechtsprechung: BGHZ 119, 69 [71]; BGH NJW 1996, 661 [662]; NJOZ 2009, 2599 [2601]) mit der Entstehung des Anspruchs, spätestens jedoch mit der Beendigung des Mandats.

Entstanden wäre der Schadensersatzanspruch des Klägers am 18.7.1993.

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt für das Entstehen des Schadensersatzanspruchs eine Vermögensgefährdung nicht. Vielmehr entsteht, wovon die Parteien auch übereinstimmend ausgehen, ein Schaden erst, wenn er zumindest dem Grunde nach erwachsen ist, sich die Vermögenslage des Betroffenen durch die Pflichtverletzung bereits objektiv verschlechtert hat oder wenn eine solche Verschlechterung der Vermögenslage oder auch ein endgültiger Teilschaden entstanden und mit der nicht fern liegenden Möglichkeit weiterer kausaler Nachteile bei verständiger Würdigung zu rechnen ist (BGHZ 119, 69 = NJW 1992, 2766; BGH NJOZ 2009, 2599 [2601]). Maßgeblich ist danach, ob bei wertender Betrachtung nur das Risiko eines Vermögensnachteils besteht oder sich das Vermögen schon verringert hat (vgl. auch Zugehör in: Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rn. 1342 ff und OLG Brandenburg, Urteil vom 18.01.2007 - 5 U 63/06, zitiert nach juris; Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 3. Aufl., § 24 Rn. 3).

Soweit der Kläger der Auffassung ist, dass der Schaden erst mit der rechtskräftigen Entscheidung über den von ihm aufgerechneten Vertragsstrafenanspruch entstanden sei, übersieht er, dass ihm dieser Anspruch bereits seit dem Jahr 1993 "fehlte":

Besteht das Versäumnis eines Rechtsanwalts darin, dass aufgrund einer unterlassenen Mahnung der Schuldner nicht in Verzug gerät und so der Mandant auch keine auf dem Verzug beruhenden Ansprüche geltend machen kann, so entsteht der Schaden in dem Zeitpunkt, in dem durch die unterbliebene Mahnung Verzug eingetreten wäre (vgl. BGH VersR 1977, 671 für den Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen; Vollkommer/Greger/Heinemann, aaO § 24 Rn. 7; Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Aufl., S. 351 m.w.N.). Der Verzögerungsschaden wird dabei mit jedem Tag, den der Schuldner infolge der unterbliebenen Mahnung nicht in Verzug ist, größer.

Hätte der Kläger einem - unterstellt gebotenen - Rat der Beklagten im Mai 1993 folgend die Fertigstellung des 4. Obergeschosses angemahnt und wäre die St AG dadurch in Verzug geraten, hätte der Kläger seit Mai 1993 einen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe. Nachdem die St AG das 4. Obergeschoss aber fertiggestellt hatte, konnte sie mit der Fertigstellung nicht mehr in Verzug geraten; ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Vertragsstrafe konnte jetzt nicht mehr entstehen - oder wie es der Kläger selbst im Schriftsatz vom 28.9.2010 vortragen lässt: Im Juli 1993 war es für Hinweise zur Verwirkung der Vertragsstrafe zu spät.

Vorliegend ist davon auszugehen, dass das 4. Obergeschoss - wie vom Kläger vorgetragen - am 19.7.2003 fertiggestellt worden ist. Für eine Fertigstellung bereits am 12.7.2003 und einen damit verbundenen und für sie günstigen früheren Beginn der Verjährung sind die Beklagten darlegungs- und beweisbelastet, ohne dass sie diesbezüglich Beweis angeboten hätten.

Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Vertragsstrafe für immerhin einen Tag konnte so letztmalig am 18.7.1993 entstehen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger für sich in Anspruch genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.11.1995 (abgedruckt in NJW 1996, 661). Die Entscheidung - über einen verjährten Schadensersatzanspruch- betrifft keinen vergleichbaren Sachverhalt. Dort war der Schaden dadurch eingetreten, dass ein vom Rechtsanwalt entworfener Vertrag wirksam angefochten worden war und so dem Kläger keine vertraglichen Ansprüche mehr zustanden. Hier hat der Kläger überhaupt keinen Anspruch erlangt.

bb) Die Verjährungsfrist betrug gemäß § 51 bzw. § 51b BRAO 3 Jahre ab der Entstehung des Anspruchs, so dass die Verjährung hier mit Ablauf des 18.7.1996 vollendet war.

2. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen eines unterbliebenen Hinweises auf die drohende Verjährung seines Primäranspruchs im Rahmen des Mandats zur Verteidigung gegen die Werklohnklage der St AG kommt nicht in Betracht, weil die Beklagte zu einer solchen Aufklärung nicht mehr verpflichtet war.

a) Nach ständiger Rechtsprechung muss ein Rechtsanwalt zum Ausgleich der kurzen Verjährungsfrist gemäß § 51 BRAO und zum Schutz der Interessen des Mandanten, wenn ihm ein Fehler unterlaufen ist, seinen Auftraggeber hierauf, auf die Regressmöglichkeit und die drohende Verjährung des Regressanspruchs hinweisen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt zum sogenannten Sekundäranspruch, der den Rechtsanwalt gemäß § 249 Satz 1 BGB dazu verpflichtet, den Mandanten so zu stellen, als wäre die Verjährung des Regressanspruchs (Primäranspruch) nicht eingetreten (BGHZ 94, 380 = NJW 1985, 2250 [2252]; BGH NJW 1988, 265; NJW 2003, 822).

b) Die Pflicht zur Aufklärung folgt aber nicht bereits aus dem Umstand, dass der Rechtsanwalt einen Fehler gemacht hat, sondern setzt nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung - wie jeder andere Schadensersatzanspruch - eine eigenständige Pflichtverletzung voraus. Eine Hinweispflicht besteht folgerichtig nur, wenn der Rechtsanwalt begründeten Anlass zur Überprüfung seines früheren Verhaltens hatte (BGHZ 94, 380 = NJW 1985, 2250 [2252]; BGH NJW 1993, 2747 [2751]; NJW 1996, 48 [50]; NJW-RR 2005, 494 [497]), entweder im Rahmen eines fortdauernden Mandats, bei nochmaliger Konsultation im Rahmen des ursprünglichen Auftrags (BGH VersR 1984, 162) oder im Rahmen eines neuen Mandats mit unmittelbaren Zusammenhang zum Gegenstand des alten Mandats (BGH NJW 2008, 2041 [2043] m.w.N.; BGH NJW 1986, 581). Dieser Anlass soll nach dem Vortrag des Klägers die Befassung der Beklagten mit der gegen ihn gerichteten Werklohnklage der St AG gewesen sein.

c) Eine Hinweispflicht kann nur solange bestehen, wie der Hinweis von Nutzen für den Mandanten ist. Ein Sekundäranspruch wegen unterlassener Aufklärung kann deshalb nur entstehen, wenn diese weitere Pflichtwidrigkeit zu einer Zeit begangen wird, zu welcher der primäre Regressanspruch noch durchgesetzt werden kann, also insbesondere noch nicht verjährt ist (BGHZ 94, 380 = NJW 1985, 2250 [2252]; BGH WM 2000, 959 [960]; WM 2005, 2106 [2107]). Nach Vollendung der Verjährung des Primäranspruchs kann nämlich durch einen Hinweis auf die Regressmöglichkeit der bereits eingetretene Schaden, die fehlende Durchsetzbarkeit des Regressanspruches, nicht mehr verhindert werden.

Hier war die Verjährung des Primäranspruchs bereits mit Ablauf des 18.7.1996 vollendet- und damit bevor nach dem Vortrag des Klägers die Beklagten womöglich aufgrund der ihnen unstreitig am 24.7.1996 übergegebenen Klage Anlass zur Überprüfung ihres früheren Verhaltens gehabt hätten.

3. Ungeachtet dessen wäre bei einer früheren erneuten Beauftragung der Beklagten zu 1. ein gedachter Sekundäranspruch des Klägers jedenfalls mit Ablauf des 18.7.1999 verjährt:

a) Wenn sich die Verjährung des Primäranspruchs nach § 51 bzw. § 51b BRAO richtet, gilt dies auch für den Sekundäranspruch, der lediglich ein Hilfsrecht des primären Regressanspruchs bildet (BGH NJW 2011,1594; NJW 2009, 1350; OLG Düsseldorf BauR 2010, 2134).

b) Die Verjährung des Sekundäranspruchs beginnt also ebenfalls mit dem Entstehen des Anspruchs, spätestens aber mit Mandatsende.

Zuzugeben ist dem Kläger danach, dass die Beendigung des Folgemandats für den Verjährungsbeginn maßgeblich sein kann. Sie ist aber nur dann maßgeblich, wenn bis zu diesem Zeitpunkt der Sekundäranspruch noch nicht entstanden ist (vgl. auch die Darstellung von Fahrendorf in: Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl. Rn. 1298 f. und Rn. 1306 f.).

Der sekundäre Schadensersatzanspruch entsteht mit dem Eintritt des Schadens, also der Vollendung der Verjährung des Primäranspruchs (ständige Rechtsprechung: BGHZ 94, 380 = NJW 1985, 2250 [2252 f]; BGH NJW 1988, 265; NJOZ 2009, 2599 [2601]; NJW 2011, 1594 [1595]; Palandt-Ellenberger, 70. Aufl., Vor § 194 BGB Rn. 22; Zugehör aaO Rn. 1404; Fahrendorf aaO Rn. 1295), weil ab diesem Zeitpunkt der Regressanspruch nicht mehr durchgesetzt werden kann.

Die vom Klägervertreter im Verhandlungstermin am 29.11.2010 in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.11.1995 (abgedruckt in NJW 1996, 661) steht auch insoweit nicht entgegen. Dort geht es gerade um einen Fall, in dem das Folgemandat beendet war, bevor der Primäranspruch verjährte (vgl. auch die von den Beklagten vorgelegte Entscheidung BGH NJW 1993, 2747 [2751]).

Bei einem Folgemandat kann nach alledem maximal sechs Jahre nach Beendigung des ersten Mandats die Sekundärverjährung vollendet sein, weil die Primärverjährung ja spätestens mit dem Ende des ersten Mandats beginnt (§ 51 Alt. 2 BRAO) und folgerichtig spätestens 3 Jahre nach Beendigung des ersten Mandats vollendet sein muss. Dann aber beginnt auch spätestens 3 Jahre nach Beendigung des ersten Mandats die 3-jährige Sekundärverjährung mit dem Entstehen des Sekundäranspruchs (vgl. auch Fahrendorf aaO Rn. 1308 f.; Zugehör aaO Rn. 1410 Möglichkeit 3). Früher, nämlich mit dem Ende des Folgemandats, beginnt die Verjährung des Sekundäranspruchs, wenn das Ende vor der Verjährung des Primäranspruchs liegt (BGH NJW 1993, 2747 [2751]; Fahrendorf aaO Rn. 1310 f.; Zugehör aaO Rn. 1410 Möglichkeit 4).

Hier hätte die Verjährung eines Sekundäranspruchs, weil das Folgemandat andauerte, mit seinem Entstehen, also mit der Verjährung des Primäranspruchs am 18.7.1996 begonnen. Sie wäre folglich mit Ablauf des 18.7.1999 vollendet worden.

c) Der abweichenden Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (NJW 1984, 2204), wonach der Beginn der Verjährung auf das Mandatsende verschoben war, ist der seit dem 1.1.1984 für die Anwaltshaftung zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ausdrücklich nicht gefolgt (BGHZ 94, 380 = NJW 1985, 2250 [2252 f.]; NJW 1988, 265), weil sich hierfür keine Stütze in der gesetzlichen Regelung der Verjährung von Ansprüchen gegen Rechtsanwälte gemäß § 51 BRAO bzw. § 51b BRAO findet (vgl. auch OLG Düsseldorf OLGR 1992, 308).

Soweit der Kläger der Auffassung ist, dass nur die überholte Rechtsprechung des VI. Zivilsenats dem notwendigen Schutz des Mandanten gerecht wird, kann dem nicht gefolgt werden. Der Kläger verkennt, dass die mit der kenntnisunabhängigen Verjährung gemäß § 51 BRAO verbundenen Folgen bereits durch die Sekundärhaftung abgemildert sind und jede weitere Einschränkung der eindeutigen Verjährungsregelung zu einer Rechtsunsicherheit führen würde, die dem gesetzgeberischen Willen zuwiderliefe.

Es war eine von der Rechtsprechung zu beachtende bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, dass Rechtsanwälte bei der Verjährung von Regressansprüchen gegenüber der Regelverjährung begünstigt werden sollten. Sie sollten davor bewahrt werden, durch die Folgen berufstypischer Risiken in unüberschaubarer Weise auf unangemessen lange Zeit wirtschaftlich bedroht zu werden (vgl. BGH NJW 1975, 1655; BGHZ 94, 390 = NJW 1985, 2250 [2252]). Diese gesetzgeberische Vorgabe würde unterlaufen, wenn im Rahmen der Sekundärhaftung nicht mehr auf das Entstehen des Schadens, sondern immer auf das Ende des Mandats abzustellen wäre.

Aus demselben Grund ist der Rechtsanwalt nach allgemeiner Auffassung auch nicht verpflichtet, über einen Sekundäranspruch und dessen Verjährung aufzuklären (BGHZ 94, 390 = NJW 1985, 2250 [2253]; BGH NJW 1988, 2245 [2247]; Zugehör aaO Rn. 1369; Fahrendorf aaO Rn. 1297). Denn sonst wäre in allen Fällen, in denen ein Sekundäranspruch entstanden ist, eine Anwendung des § 51 BRAO letztlich ausgeschlossen und ein Ende der Verjährung nicht mehr absehbar, zumal sich die Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts beliebig erweitern ließe (Tertiärhaftung wegen unterlassener Aufklärung über Sekundäranspruch, Quartiärhaftung wegen unterbliebener Aufklärung über den Tertäranspruch usw.).

Die Verjährung des Sekundäranspruchs ist - entgegen der Auffassung des Klägersauch nicht von Zufällen oder gar Willkür abhängig, sondern, wie gesetzlich vorgeschrieben, von der Entstehung des Schadens oder spätestens dem Mandatsende.

d) Schließlich sind die Beklagten nicht wegen unzulässiger Rechtsausübung nach Treu und Glauben gehindert, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Ein unredliches Verhalten der Beklagten behauptet der Kläger nicht. Die Beklagten haben bereits vorgerichtlich erklärt, sich gegenüber einem Schadensersatzanspruch des Klägers auf die Einrede der Verjährung berufen zu wollen, so dass die Erhebung der Einrede für den Kläger auch nicht überraschend war.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht, weil gefestigte höchstrichterliche Haftungsrechtsprechung auf einen Einzelfall angewendet worden ist.

Streitwert: 1.433.100,74 (Antrag zu 1.: 1.408.100,74; zu 2.: 25.000).

S.-L






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 29.07.2011
Az: I-22 U 26/11


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