Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 14. Juli 2003
Aktenzeichen: AnwZ 1/02

(BGH: Beschluss v. 14.07.2003, Az.: AnwZ 1/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Beschluss vom 14. Juli 2003 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung abgelehnt. Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, hatte beantragt, beim Bundesgerichtshof in Zivilsachen zugelassen zu werden, ohne seine bestehenden Zulassungen aufgeben zu müssen. Das Bundesministerium der Justiz hatte seinen Antrag jedoch abgelehnt. Der Anwalt hatte daraufhin den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

Der Bundesgerichtshof wies den Antrag ab, da der Anwalt nicht die Voraussetzungen für eine Zulassung beim Bundesgerichtshof erfüllt. Gemäß § 171 der Bundesrechtsanwaltsordnung darf ein Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof nicht gleichzeitig bei einem anderen Gericht der Zivilgerichtsbarkeit zugelassen sein. Der Anwalt wollte allerdings beim Bundesgerichtshof zugelassen werden, ohne seine Zulassung beim Oberlandesgericht aufgeben zu müssen.

Der Bundesgerichtshof stützte seine Entscheidung unter anderem auf einen Bericht einer Kommission, die vom Bundesministerium der Justiz einberufen wurde, um Vorschläge für die Neuregelung des Rechts der Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof auszuarbeiten. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs gebilligt. Der Anwalt argumentierte, dass diese Entscheidungen auf unzureichenden Informationen basieren würden. Der Bundesgerichtshof lehnte jedoch den Vorschlag des Anwalts ab, weitere Beweise in Form von Zeugenbefragungen oder Sachverständigengutachten zu erheben.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Antrag des Anwalts auf Zulassung beim Bundesgerichtshof abgelehnt wurde, da er nicht die Voraussetzungen erfüllt. Der Bundesgerichtshof stützte seine Entscheidung auf einen Bericht einer Kommission und das Bundesverfassungsgericht hat diese Entscheidung bestätigt. Der Antragsteller konnte keine ausreichenden Beweise vorlegen, um seine Bedenken gegen die Entscheidungen zu belegen. Daher wurde der Antrag auf gerichtliche Entscheidung abgelehnt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 14.07.2003, Az: AnwZ 1/02


Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen und dem Antragsgegner die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert wird auf 25.000 tgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist beim Landgericht K. und seit dem 1. Juli 2002 auch beim Oberlandesgericht D. als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Schreiben vom 23. April 2002 stellte er beim Bundesministerium der Justiz den Antrag, ihn, ohne daß er seine bestehenden Zulassungen aufgeben müsse, als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof in Zivilsachen zuzulassen. Das Bundesministerium der Justiz lehnte das Gesuch mit Bescheid vom 14. Juni 2002 ab. Der Rechtsanwalt verfolgt sein Begehren mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung weiter. Hilfsweise stellt er den Antrag, ihm die Singularzulassung als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof zu erteilen.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist, soweit der Antragsteller sein Begehren auf Simultanzulassung als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof weiterverfolgt, nach §§ 162, 163, 170, 21 Abs. 2, 37, 39 Abs. 1 BRAO zulässig. Er ist jedoch nicht begründet.

1.

Der Antragsteller erfüllt nicht die Voraussetzungen, von denen nach §§ 164 ff BRAO die Zulassung als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof abhängig ist. Das ist schon deshalb der Fall, weil nach § 171 BRAO ein Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof nicht zugleich bei einem anderen Gericht der Zivilgerichtsbarkeit zugelassen sein darf. Das Hauptbegehren des Antragstellers geht demgegenüber dahin, künftig der Rechtsanwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof anzugehören, ohne die Zulassung als Rechtsanwalt beim Oberlandesgericht D. aufgeben zu müssen.

2.

Der Senat hat bereits mit Beschluß vom 4. März 2002 ausgesprochen, daß die nach § 171 BRAO vorgeschriebene Singularzulassung der Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof mit dem Grundgesetz vereinbar ist (BGHZ 150, 70). Die gegen diesen Beschluß eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluß vom 31. Oktober 2002 -1 BvR 819/02 -NJW 2002, 3765).

In der Entscheidung BGHZ 150, 70 hat der Senat eingehend dargelegt, daß § 171 BRAO in besonderem Maße einer sachgerechten Beratung der Parteien sowie der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Zivilsachen dient und deshalb den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (aaO S. 72 ff). Das Bundesverfassungsgericht hat in dem zitierten Beschluß die Auffassung des Senats bestätigt und unter anderem ausgeführt, derzeit ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß die Singularzulassung nicht mehr als geeignetes und erforderliches Mittel zugunsten einer qualitativen Verbesserung der Rechtspflege angesehen werden könne (NJW aaO S. 3766).

3.

Nach Meinung des Antragstellers beruhen die Senatsentscheidung BGHZ 150, 70 und die dazu ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf einer unzulänglichen Aufklärung und Feststellung des Sachverhalts. Die Ausführungen des Senats zur Vorzugswürdigkeit der Singularzulassung der Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof gründeten "auf bloßen Vermutungen und Glaubensbekenntnissen". In Wirklichkeit biete die Singularzulassung weder für den Mandanten noch für die Rechtspflege insgesamt Vorteile gegenüber der Simultanzulassung. Dies könne er aufgrund der beruflichen Erfahrungen, die er in mehr als zwei Jahrzehnte langer anwaltlicher Tätigkeit gemacht habe, selbst beurteilen; er habe nämlich auf der Ebene der Oberlandesgerichte sowohl das System der Simultanzulassung -während seiner beruflichen Tätigkeit in B. -als auch das der Singularzulassung -im Rahmen seiner Anwaltstätigkeit im Lande N. -kennengelernt und im übrigen bei der Begleitung zahlreicher Revisionen die Arbeitsweise "praktisch aller" beim Bundesgerichtshof in dieser Zeit tätigen Rechtsanwälte beobachtet.

4.

Das Vorbringen des Antragstellers gibt dem Senat keine Veranlassung, die Frage der Vereinbarkeit des § 171 BRAO mit dem Grundgesetz anders zu beurteilen. Die in diesem Zusammenhang vom Antragsteller angebotenen Beweise (Beteiligtenvernehmung, Sachverständigengutachten) sind nicht zu erheben.

a) Der Senat hat sich bei seiner Entscheidung vom 4. März 2002 maßgeblich auf den Bericht der vom Bundesministerium der Justiz im Dezember 1995 einberufenen Kommission zur Ausarbeitung von Vorschlägen zur Neuregelung des Rechts der Rechtsanwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof gestützt (aaO S. 76 ff). Dies hat das Bundesverfassungsgericht (aaO) ausdrücklich gebilligt. Darüber hinaus ist bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der dem § 171 BRAO zugrundeliegenden gesetzgeberischen Intentionen zu berücksichtigen, daß es in Deutschland Erfahrungen mit dem System der Simultanzulassung bei den Zivilsenaten des obersten Gerichtshofs nicht gibt. Die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die bei der Frage der Simultanoder Singularzulassung von Rechtsanwälten bei den Oberlandesgerichten zu berücksichtigen sind, sind auf die Situation der Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof nicht übertragbar (Senat aaO S. 79; BVerfG aaO). Aufgrund dessen haben Erwägungen dazu, wie sich eine Simultanzulassung der beim Bundesgerichtshof tätigen Rechtsanwälte für die Mandanten und die Rechtspflege insgesamt auswirken würden, notwendigerweise Prognosecharakter. Über dieses Manko könnte auch ein Sachverständigengutachten nicht hinweghelfen. Da weder ersichtlich noch vom Antragsteller dargetan ist, welche Personen oder Institutionen insoweit über hinreichende Erkenntnismöglichkeiten verfügen könnten, um die Einschätzung der Kommission sowie, ihr folgend, die des Senats und des Bundesverfassungsgerichts zu widerlegen, ist dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht zu entsprechen.

b) Soweit der Antragsteller schließlich auf seine eigenen beruflichen Erfahrungen aufmerksam macht, ist festzuhalten, daß sowohl die Mitglieder der Kommission, die aus drei Rechtsanwälten, darunter ein Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, einem Vorsitzenden Richter beim Bundesgerichtshof sowie dem zuständigen Abteilungsleiter des Bundesministeriums der Justiz zusammengesetzt war, als auch die des erkennenden Senats (Berufsrichter und Rechtsanwälte) über genügend Berufserfahrung verfügen, um aufgrund eigener Sachkunde die Vorund Nachteile einer Singularoder Simultanzulassung der beim Bundesgerichtshof tätigen Rechtsanwälte für die gerichtliche und anwaltliche Praxis zu erfassen und zu bewerten. Eine förmliche Vernehmung des Antragstellers als Beteiligten zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts (vgl. hierzu Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 15 Rn. 56 ff) ist daher nicht veranlaßt.

III.

Der Hilfsantrag des Antragstellers, ihm die Singularzulassung als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof zu erteilen, ist unzulässig.

Der angefochtene Bescheid des Bundesministeriums der Justiz vom 14. Juni 2002 bezog sich nur auf den mit Schreiben vom 23. April 2002 gestellten Antrag auf Simultanzulassung. In bezug auf die nunmehr hilfsweise angestrebte und nach der Gesetzeslage allein mögliche Singularzulassung gilt: Nach §§ 170 Abs. 1, 164 BRAO kann das Bundesministerium der Justiz nur solche Bewerber als Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof zulassen, die durch den Wahlausschuß für Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof benannt worden sind. Die Wahl ihrerseits findet aufgrund von Vorschlagslisten statt, die entweder von der Bundesrechtsanwaltskammer nach Vorschlägen der Rechtsanwaltskammern oder von der Rechtsanwaltskammer beim Bundesgerichtshof eingereicht werden. Der Frage, ob ein Bewerber als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof zuzulassen ist, hat der Senat für Anwaltssachen nur nachzugehen, wenn in einem Verfahren nach § 223 BRAO ein Verwaltungsakt angefochten wird, durch den ein Zulassungsbegehren im Rahmen eines nach Maßgabe der §§ 164 ff BRAO durchgeführten Verwaltungsverfahrens zurückgewiesen worden ist. Eine derartige ablehnende Entscheidung, die ungeachtet der vom Antragsteller geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der §§ 164 ff BRAO für eine sachliche Prüfung seines Begehrens durch den Senat unerläßlich ist, liegt nicht vor.

IV.

Der Senat konnte über den Antrag ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da alle Beteiligten ausdrücklich auf sie verzichtet haben (§ 40 Abs. 2 Satz 2 BRAO).

Hirsch Basdorf Ganter Schlick Salditt Kieserling Kappelhoff






BGH:
Beschluss v. 14.07.2003
Az: AnwZ 1/02


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