Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Oktober 2003
Aktenzeichen: 20 W (pat) 10/02

Tenor

Der Beschluss des Patentamts vom 22. Oktober 2001 wird aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Oberflächenakustikwellenvorrichtung mit einem optimierten Schnittwinkel eines piezoelektrischen Substrats.

Anmeldetag: 10. Oktober 1996 Die Priorität der Anmeldungen in Japan vom 13. Oktober 1995

(Az: P7-265466) und vom 9. Juli 1996 (Az: P8-179551) sind in Anspruch genommen.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 14, Beschreibung Seiten 1 bis 26, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, Zeichnungen: 16 Blatt (Figuren 1 bis 16), eingegangen am 16. Oktober 1996, 2 Blatt (Figuren 17 und 18) eingegangen am 10. November 1999, 1 Blatt (Figuren 19 und 20), überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung wurde vom Patentamt mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des damals geltenden Patentanspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen zu erteilen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Oberflächenakustikwellenvorrichtung mit:

einem piezoelektrischen Substrat (11) aus einem LiTaO3-Einkristall; undeinem Elektrodenmuster, das auf einer Oberfläche des piezoelektrischen Substrats (11) vorgesehen ist und Al als Primärkomponente enthält;

bei der das Elektrodenmuster (R1, R'1, R2, R'2, R''2, Rin, Rout) eine Dicke in einem Bereich des etwa 0,03 - 0,15-fachen einer Wellenlänge einer akustischen Oberflächenwelle hat, die auf der Oberfläche des piezoelektrischen Substrats (11) angeregt wird; unddas piezoelektrische Substrat (11) eine von seiner Y-Achse um seine X-Achse hin zu seiner Z-Achse rotierte Orientierung hat, mit einem Rotationswinkel () in einem Bereich größer als 40¡ aber kleiner als etwa 46¡."

Der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 2 unterscheidet sich vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 dadurch, dass das Elektrodenmuster Au als Primärkomponente enthält und eine Dicke in einem Bereich des etwa 0,004 - 0,021 - fachen einer Wellenlänge einer akustischen Oberflächenwelle hat.

Der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 3 unterscheidet sich vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 dadurch, dass das Elektrodenmuster Cu als Primärkomponente enthält und eine Dicke in einem Bereich des etwa 0,009 - 0,045 - fachen einer Wellenlänge einer akustischen Oberflächenwelle hat.

Zum Wortlaut der Patentansprüche 4 bis 14 wird auf die Akte verwiesen.

Folgende Druckschriften wurden in Betracht gezogen:

(1) US 5 081 389

(2) US 3 983 515

(3) JP 6-188673 A

(4) EP 0 541 284 A1.

II.

1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Die Merkmale der nebengeordneten Patentansprüche 1, 2 und 3 ergeben sich aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1, 31 und 32. Die durch Rückbeziehung der Patentansprüche 4 und 10 bis 14 auf die Patentansprüche 2 und 3 gebildeten Gegenstände sind für den Fachmann aus der ursprünglichen Beschreibung als zur Erfindung gehörend entnehmbar (insb. OS Sp 13 Z 25 - 39).

2. Stand der Technik Aus Druckschrift (3) ist eine Oberflächenakustikwellenvorrichtung bekannt, die ein piezoelektrisches Substrat aus einem LiTaO3-Einkristall aufweist (englische Übersetzung S 2 Abs 1). Auf dessen Oberfläche befindet sich ein Elektrodenmuster, das Aluminium als Primärkomponente enthält (S 1 le Zeile) und eine Dicke zwischen 4% und 10% einer Wellenlänge einer akustischen Oberflächenwelle besitzt, die auf der Oberfläche des piezoelektrischen Substrats angeregt wird (S 2 Abs 1). Damit liegt die Dicke innerhalb eines Bereichs von etwa dem 0,03 bis 0,15 - fachen der Wellenlänge der akustischen Oberflächenwelle. Das piezoelektrische Substrat hat eine von seiner Y-Achse um seine X-Achse hin zu seiner Z-Achse rotierte Orientierung, wobei ein Rotationswinkel von 36¡ als besonders wirksam und weithin verbreitet bezeichnet wird (S 7 Abs 1). Nach (3) ist die Vorrichtung in der Praxis auch nutzbar, wenn der Rotationswinkel in einem Bereich zwischen 33¡ und 39¡ liegt. Als bevorzugt wird jedoch der Bereich von 35¡ bis 37¡ genannt. Hierdurch unterscheidet sich die bekannte Vorrichtung von den Gegenständen nach den nebengeordneten Patentansprüchen 1, 2 und 3, bei denen der Rotationswinkel zwischen 40¡ und 46¡ liegt.

Die Druckschrift (4) betrifft eine Oberflächenwellenakustikvorrichtung mit einem piezoelektrischen Substrat aus einem LiTaO3-Einkristall (Fig 45, 55, 68). Auf der Oberfläche des piezoelektrischen Substrats ist ein Elektrodenmuster aus Aluminium als Primärkomponente vorgesehen (S 11 Z 37 - 38), das eine Dicke des 0,06 bis 0,09 - fachen einer Wellenlänge einer akustischen Oberflächenwelle hat (S 11 Z 38 - 40). Außerdem werden auch Elektroden aus Gold beschrieben, die eine im Verhältnis der Dichten von Aluminium zu Gold geringere Dicke von dem 0,0086 bis 0,013-fachen einer Wellenlänge einer akustischen Oberflächenwelle aufweisen (S 11 Z 44 - 51). Das piezoelektrische Substrat besitzt eine von seiner Y-Achse um seine X-Achse hin zu seiner Z-Achse rotierte Orientierung, wobei der Rotationswinkel abweichend von den Gegenständen der Patentansprüche 1, 2 und 3 nicht zwischen 40¡ und 46¡, sondern bei 36¡ liegt (Fig 45, 55, 68).

Die Druckschriften (1) und (2) sowie die in der ursprünglichen Beschreibung von der Anmelderin genannten Literaturstellen aus Appl. Phys. und IEEE Ultrasonics Symp. haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt und bringen hinsichtlich der Beurteilung der Patentfähigkeit keine neuen Gesichtspunkte.

3. Neuheit Die zweifelsfrei gewerblich anwendbaren Gegenstände der Patentansprüche 1, 2 und 3 sind neu, denn keine der Druckschriften zeigt alle ihre Merkmale, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Stand der Technik ergibt.

4. Erfinderische Tätigkeit Die Gegenstände der Patentansprüche 1, 2 und 3 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Fachmann, ein Diplomphysiker mit Berufserfahrung in der Entwicklung von akustischen Oberflächenwellenbauteilen, verfolgt bei der Entwicklung von Oberflächenakustikwellenvorrichtungen immer das Ziel, den Einfügungsverlust möglichst klein zu halten und einen möglichst großen Kopplungskoeffizienten zu erreichen. In der nächstkommenden Druckschrift (3) ist angegeben, dass der Einfügungsverlust eines Filters durch die Elektrodendicke beeinflusst wird (englische Übersetzung S 10 Abs 0017) und dass sich die Wahl des Materials des piezoelektrischen Substrats auf den Kopplungskoeffizienten und die Temperaturcharakteristik auswirkt (S 5 Abs 0006). Es bietet sich daher für den Fachmann an, zur Verbesserung der Charakteristik von Oberflächenwellenbauteilen Versuche mit anderen Elektrodenmaterialien und anderen Elektrodendicken durchzuführen.

Die Druckschrift (3) gibt dem Fachmann jedoch keinen Hinweis, den Schnittwinkel des Lithiumtantalatkristalls zu verändern. Zwar wird dort neben dem Schnittwinkel von 36¡ noch ein weiterer Schnittwinkel von 112¡ genannt (S 6 le Abs), der aber wegen des niedrigen Kopplungskoeffizienten nicht weiter in Betracht gezogen wird. Nach (3) kommt daher nur der Schnittwinkel von 36¡ in Frage, wobei sogar ausdrücklich erwähnt wird, dass Lithiumtantalatkristalle mit diesem Schnittwinkel weithin eingesetzt werden und bei Oberflächenwellenbauteilen besonders wirksam sind (S 7 Abs 1). Den für den Schnittwinkel angegebenen Bereich von 33¡ bis 39¡ versteht der Fachmann als Toleranzbereich, innerhalb dessen das Substrat für den Einsatz in Oberflächenwellenbauteilen noch geeignet ist. Er entnimmt jedoch aus (3) (S 7 Abs 1), dass innerhalb dieses Bereichs der Schnittwinkel von 36¡ am besten geeignet ist und die Charakteristik des Substrats ungünstiger ist, wenn sich der Winkel bei den Grenzen des angegebenen Toleranzbereichs befindet. Der Fachmann hat daher keine Veranlassung, bei Lithiumtantalatkristallen Schnittwinkel in Erwägung zu ziehen, die zwischen 40¡ und 46¡ und damit - wenn auch knapp - außerhalb dieses Bereichs liegen.

Die aus Druckschrift (4) bekannte Oberflächenakustikwellenvorrichtung weist ebenfalls einen Lithiumtantalatkristall mit einem Schnittwinkel von 36¡ auf. Der Fachmann wird daher durch (4) in seiner Auffassung bestärkt, dass bei Lithiumtantalatkristallen für Oberflächenwellenbauteile ein Schnittwinkel von 36¡ am besten geeignet ist. Auch aus (4) sind keine Anregungen zu entnehmen, die Charakteristiken des Kristalls durch Veränderung des Schnittwinkels zu verbessern.

Der Fachmann gelangt daher auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens und Fachkönnens nicht in naheliegender Weise zu den Gegenständen der Patentansprüche 1, 2 und 3.

5. Die rückbezogenen Patentansprüche 4 bis 14 betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausgestaltungen des Gegenstandes des Patentanspruches 1 und sind daher ebenfalls gewährbar.

6. Die Beschreibung genügt den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.

Dr. Anders Obermayer Martens Dr. Zehendner Pr






BPatG:
Beschluss v. 08.10.2003
Az: 20 W (pat) 10/02


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