Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 29. März 2012
Aktenzeichen: 1 K 5266/10

(VG Köln: Urteil v. 29.03.2012, Az.: 1 K 5266/10)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Verbindungsnetzbetreiberin, in deren Netz Nummern der Gasse 0900 geschaltet sind. Die in diesem Verfahren bedeutsame Rufnummer 0900 0000000 hatte die Bundesnetzagentur einer in Polen ansässigen Firma zugeteilt und wurde von der Klägerin in ihrem Netz geschaltet.

Bei der Bundesnetzagentur gingen zahlreiche Beschwerden über unerwünschte Werbeanrufe ein, zu denen die Beschwerdeführer übereinstimmend angaben, dass ihnen mittels automatischer Anrufmaschinen jeweils eine Gewinnmitteilung übermittelt worden sei. Die Anrufe erfolgten nach den Angaben der Verbraucher häufig auf deren jeweiligen Festnetzanschluss. Eine Bandansage informierte die Beschwerdeführer darüber, dass ihre Telefonnummer ausgelost worden sei und sie die Gewinner eines Fahrzeugs (etwa: Renault Twingo im Wert von 10.000 EUR) oder eines entsprechenden Geldbetrags seien. Wegen der Einzelheiten des Gewinns wurden die Beschwerdeführer aufgefordert, sich unter der Rufnummer 0900 0000000 an ein Call-Center zu wenden. Eine Preisangabe oder ein Hinweis auf abweichende Mobilfunkpreise für entsprechende Anrufe erfolgte nicht.

Mit gleich lautenden Verfügungen vom 16. Oktober 2009 untersagte die Beklagte der Klägerin und allen anderen gemäß § 6 des Telekommunikationsgesetzes - TKG - bei der Beklagten gemeldeten Teilnehmernetzbetreibern und Verbindungsnetzbetreibern ohne vorherige Anhörung die weitere Schaltung von 31 näher bezeichneten Rufnummern im öffentlichen Telefonnetz für den Zeitraum bis zum 14. Oktober 2010. Darüber hinaus ordnete die Beklagte unter Ziffer 2 der Verfügung an:

"Sie werden - soweit Sie selbst Rechnungssteller sind - aufgefordert, für Verbindungen über die Rufnummer

0900 0 000 000

für die Zeit vom 05.10.2009 bis zum Zeitpunkt der Abschaltung binnen 5 Tagen ab Zugang dieses Bescheides

keine Rechnungslegung vorzunehmen oder durch einen

anderen vornehmen zu lassen,

soweit dies bislang noch nicht erfolgt ist. Dem Verbot der Rechnungslegung gleichgestellt ist das Verbot der lnkassierung von Entgelten, die über die o.g. Rufnummer zwischen dem 05.10.2009 und dem Zeitpunkt der Abschaltung entstanden sind."

Ziffer 4 enthielt die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000 EUR, falls entgegen der Anordnung nach Ziffer 2 nach Ablauf von fünf Tagen nach Zugang des Bescheides Rechnungslegungen vorgenommen oder die Inkassierung für Verbindungen zwischen dem unter 2 genannten Datum und der Abschaltung selbst oder durch Dritte erfolgen sollte. Die Beklagte stützte die unter Ziffer 2 ergangene Regelung auf § 67 Abs. 1 Satz 1 und Satz 6 TKG. Bei Nutzung der Rufnummer 0900 0000000 sei gegen die § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb UWG und gegen § 66a TKG verstoßen worden. Nach § 67 Abs. 1 Satz 6 TKG könne die Beklagte bei gesicherter Kenntnis auffordern, für eine Rufnummer keine Rechnungslegung vorzunehmen. Zudem könne sie nach § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG im Rahmen der Nummernverwaltung Anordnungen und andere geeignete Maßnahmen treffen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und der Bedingungen über die Zuteilung von Nummern sicherzustellen. Ohne ein umfassendes Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbot sei die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften nur bedingt durchsetzbar. Verbraucherschutz könne durch ein bloßes Verbot der Rechnungslegung gegenüber dem Endkunden nicht gewährleistet werden.

Die Klägerin beanspruchte von der Deutschen Telekom in der Folgezeit Entgelte für Verbindungsleistungen in Höhe von rund 258.000 EUR, während diese mit Erstattungsansprüchen in einer der Klageforderung entsprechenden Höhe aufrechnete, weil die Beklagte der Telekom wegen der rechtswidrigen Nutzung der Rufnummer 0900 0000000 ebenfalls ein Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbot auferlegt hatte. Das Landgericht Köln hat die Klage abgewiesen (LG Köln, Urteil vom 14. Juli 2010 - 90 O 78/08 -), und die dagegen eingelegte Berufung ist rechtskräftig zurückgewiesen worden (Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 02. Dezember 2011 - 19 U 131/10 - ).

Mit Schreiben vom 09. November 2009 legte die Klägerin gegen die Regelungen unter Ziffern 2 und 4 Widerspruch ein, soweit die Rechnungsstellung gegenüber anderen Telekommunikationsnetzbetreibern auf der Grundlage von Zusammenschaltungsvereinbarungen untersagt und insoweit ein Zwangsmittel angedroht werde. Unter anderem rügte sie, der ergangene Bescheid sei unbestimmt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 26. Juli 2010 zurück und führte mit Blick auf das Widerspruchsvorbringen aus, die ergangene Verfügung erfasse gerade auch Rechnungsstellung und Inkassierung der Telekommunikationsnetzbetreiber untereinander.

Die Klägerin hat am 20. August 2010 Klage erhoben.

Zur Begründung macht sie unter anderem geltend, sie verfüge über eine Zusammenschaltungsvereinbarung sowie einen Fakturierungs- und Inkassovertrag mit der Deutschen Telekom. Die vertragsgemäße Abrechnung für Anrufe aus dem Festnetz sei bisher erfolgt, indem die Klägerin der Telekom die angefallenen Verbindungsdaten und die Tarife mitgeteilt und die Telekom die Vergütung anschließend als Drittleistung auf ihren eigenen Rechnungen gegenüber den Endkunden abgerechnet habe. Bezüglich der Anrufe aus den deutschen Mobilfunknetzen habe sich ein hiervon abweichendes Abrechnungsmodell etabliert. Die Mobilfunknetzbetreiber erbrächten die Mehrwertdienste, die über 0900er Rufnummern genutzt werden können, als eigene Leistung. Sie bestimmten diesbezüglich ein eigenes Endkundenentgelt, auf das die Netzbetreiber, in deren Netzen eine 0900er Rufnummer geschaltet ist, keine Einwirkungsmöglichkeit hätten. Die Mobilfunknetzbetreiber stellten somit die Mehrwertdienste im Wege eines einheitlichen Entgeltes im eigenen Namen ihren Kunden in Rechnung. Aus Sicht der Klägerin sei das Rechnungslegungs- und Inkassoverbot bezüglich dieser Abrechnungswege rechtmäßig. Anderes gelte aber für sie - die Klägerin - als bloße Netzbetreiberin ohne Endkunden.

Das Verbot untersage es der Klägerin, die Verbindungsdaten an die Telekom zum Zwecke der Rechnungslegung gegenüber den Endkunden zu übergeben und entsprechende Beträge, die die Telekom einnehme, anzunehmen. Dieser Eingriff sei - bezogen auf die Zusammenschaltungsentgelte - ungeeignet und nicht erforderlich, um das Ziel des Verbraucherschutzes zu erreichen. Insoweit bedürfe es eines Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbots nur an Netzbetreiber mit Endkunden. Durch einen Eingriff in die Abrechnung der Netzleistungen zwischen den übrigen Netzbetreibern werde der Verbraucherschutz nicht gestärkt. Der Eingriff sei somit ungeeignet und auch nicht erforderlich. Innerhalb der Netzbetreiber werde nicht die Nutzung der Rufnummer abgerechnet, sondern ein Entgelt für die Nutzung des jeweils fremden Netzes. Hinzu komme, dass im Inter-Carrier-Verhältnis keine Rechnungslegung und Inkassierung erfolge. Die gegenseitige Netznutzung werde verrechnet und gegebenenfalls durch Zahlung eines Differenzbetrages ausgeglichen. Die untersagte Rechnungslegung und Inkassierung sei in diesem Zusammenhang wie ein Erstattungs- oder Rückzahlungsgebot zu verstehen, wozu § 67 TKG nicht berechtige.

Es sei schließlich auch nicht zulässig, in das zivilrechtliche Verhältnis der Netzbetreiber einzugreifen. Die getroffene Maßnahme bewirke, dass allein der Netzbetreiber, in dessen Netz die fragliche Rufnummer geschaltet ist, das wirtschaftliche Risiko trage.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2010 insoweit teilweise aufzuheben, als dass das dort ausgesprochene Rechnungslegungs- und Inkassoverbot (Ziffer 2 des Bescheides vom 16. Oktober 2009) die Rechnungslegung und das Inkasso von Terminierungsentgelten der Klägerin gegenüber anderen Telekommunikationsnetzbetreibern auf der Grundlage von Zusammenschaltungsvereinbarungen umfasst und soweit diesbezüglich ein Zwangsgeld angedroht wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil die gerichtliche Inanspruchnahme unlauteren Zwecken diene. Rechtswidrig unter Missachtung einschlägiger Kundenschutzvorschriften entstandene Entgelte seien zweifellos missbilligenswert.

Die Klage sei auch unbegründet. Insoweit verweist die Beklagte zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2010, die sie ergänzend vertieft. Der Bescheid sei eindeutig gefasst, beruhe auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage auch für den Eingriff in das Inter-Carrier-Verhältnis und sei verhältnismäßig. Ein effektiver Verbraucherschutz verlange die Unterbindung sämtlicher Zahlungsströme im Verhältnis zum Endkunden, aber auch im Verhältnis der Netzbetreiber untereinander. Es dürfe keinerlei wirtschaftlicher Vorteil aus der missbräuchlichen Rufnummernnutzung entstehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die statthafte Klage ist zulässig. Der Klägerin fehlt nicht das Rechtsschutzinteresse, nachdem alle im Óbrigen ergangenen Verfügungen der Beklagten vom 16. Oktober 2009 bestandskräftig geworden und die betroffenen Ansprüche der Klägerin gegenüber der Deutsche Telekom rechtskräftig abgewiesen worden sind. Denn die Klägerin könnte im Falle ihres Obsiegens versuchen, bei den Netzbetreibern Terminierungsentgelte einzufordern.

Die Klage ist jedoch unbegründet, weil die Verfügung vom 16. Oktober 2009 zumindest in dem zur gerichtlichen Beurteilung gestellten Umfang rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.

Das unter Ziffer 2 der Verfügung bestimmte Rechnungslegungs- und Inkassoverbot findet seine Rechtsgrundlage in § 67 Abs. 1 Sätze 1 und 6 TKG. Nach § 67 Abs. 1 Satz 6 TKG kann die Bundesnetzagentur im Falle der gesicherten Kenntnis von der rechtswidrigen Nutzung einer Rufnummer dazu auffordern, für diese Rufnummer selbst oder durch Dritte keine Rechnungslegung vorzunehmen. Im Óbrigen kann die Bundesnetzagentur gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG im Rahmen der Nummernverwaltung Anordnungen und andere geeignete Maßnahmen treffen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sicherzustellen, sodass auch die Verfügung des Inkassoverbots auf diese Generalermächtigung gestützt werden kann. Die in § 67 Abs. 1 Sätze 2 bis 7 TKG genannten Maßnahmen sind kein abschließender Katalog. Die Bundesnetzagentur kann daher nach § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG im Rahmen der Nummernverwaltung ergänzende Anordnungen und andere geeignete Maßnahmen treffen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und der von ihr erteilten Bedingungen über die Zuteilung von Nummern sicherzustellen.

Eine rechtswidrige Nutzung der Rufnummer ist vorliegend gegeben. Der im Bescheid genannte Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften, der zur Abschaltung und zu den angefochtenen Verboten führt, ist im Bescheid zutreffend wiedergegeben und nicht bestritten worden. Die Kammer geht davon aus, dass bei der Nutzung der Rufnummer 0900 0000000 gegen § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 des UWG verstoßen wurde. Auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb kann abgestellt werden, weil § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG den gesetzgeberischen Willen zum Ausdruck bringt, jegliche Verstöße bei der Nummernnutzung zu verfolgen, insbesondere mit Blick auf Verbraucher- und Kundenschutzbelange. Daher zählen die Bestimmungen des UWG zu den gesetzlichen Vorschriften, deren Nichtbeachtung Maßnahmen der Beklagten rechtfertigen kann.

Die fraglichen Anrufe sind ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG und damit eine rechtswidrige Nutzung der genannten Rufnummer. Bei den Anrufen handelte es sich um Werbung. Werbung ist jede Àußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (vgl. Art. 2 lit. a der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung - ABl. EU 2006 L 376 S. 21 -),

vgl. zur Anwendbarkeit dieser Definition im UWG: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. Mai 2009 - I ZR 218/07 -, zit. nach juris.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG darf Telefonwerbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine nur erfolgen, wenn eine gesetzeskonforme Einwilligung des Adressaten vorliegt. Einwilligung in diesem Sinne bedeutet das unter Kenntnis der konkreten Sachlage ausdrücklich geäußerte vorherige Einverständnis des Empfängers in den Erhalt des Werbeanrufes. Daran fehlte es, weil die Werbeanrufe - wie hier - unverlangt erfolgt sind. Eine ausdrückliche Einwilligung setzt voraus, dass der Adressat konkret um einen Anruf zum Zweck der Werbung gebeten hat. Die Einwilligung muss zeitlich vor den Werbeanrufen erfolgen, und selbst eine nachträgliche Zustimmung lässt die eingetretene Belästigung und damit den Gesetzesverstoß nicht entfallen.

Der streitigen Verfügung liegt auch eine gesicherte Kenntnis von einer rechtswidrigen Nummernnutzung zugrunde, § 67 Abs. 1 Sätze 5 und 6 TKG. Diese Voraussetzung ist in der Regel erfüllt, wenn der Bundesnetzagentur wiederholt Sachverhalte mitgeteilt werden, aus denen sich Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften, deren Einhaltung von der Bundesnetzagentur zu überwachen ist, in einer Weise ergeben, dass Zweifel praktisch ausgeschlossen sind,

vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 26. September 2008 - 13 B 1329/08 -; Verwaltungsgericht (VG) Köln, Beschluss vom 28. März 2011 - 21 L 285/11 - und OVG NRW, Beschluss vom 25. März 2010 -13 B 226/10 -; VG Köln, Beschluss vom 27. Januar 2010, - 1 L 1922/09 -, jeweils zit. nach juris.

Das ist hier der Fall. Denn der Bundesnetzagentur ist eine erhebliche Anzahl von Verbrauchermitteilungen zugegangen, in denen im Wesentlichen übereinstimmend Beschwerden darüber vorgetragen wurden, dass die Anschlussinhaber ohne vorherige Einwilligung einen Anruf mit einer Bandansage erhalten haben. Ihnen sei ein erheblicher Gewinn zugefallen, und über die genannte Rufnummer könnten sie die Einzelheiten erfahren.

Bei Nutzung der Rufnummer 0900 0000000 wurde ferner gegen § 66a TKG verstoßen. Denn in den Werbeanrufen wurde zur Wahl der Premium-Dienste-Rufnummer aufgefordert, ohne dies mit der erforderlichen Preisangabe zu verbinden.

Die Bundesnetzagentur war daher nicht nur nach § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG berechtigt, die - vorliegend nicht angefochtene - Abschaltung der Rufnummer anzuordnen. Nach § 67 Abs. 1 Satz 6 TKG konnte die Bundesnetzagentur darüber hinaus auffordern, für diese Nummer selbst oder durch Dritte keine Rechnungslegung vorzunehmen, und dies mit einem Inkassierungsverbot nach § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG verbinden.

Die nach diesen Vorschriften konkret ergangene Regelung ist entgegen der Auffassung der Klägerin hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG -). Neben dem Tenor selbst ist die Begründung des Bescheides bei der Auslegung zu berücksichtigen. Bei objektiver verständiger Würdigung (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch) und nach der ausdrücklichen Befassung mit dieser Frage im Widerspruchsbescheid ist davon auszugehen, dass alle im Zusammenhang mit der Rufnummernnutzung stehenden Entgelte von dem Verbot erfasst sein sollten. Umfasst sind damit insbesondere auch die Terminierungsentgelte, die für die Weiterleitung der Anrufe an andere Netzbetreiber anfallen. Dies ist zwischen den Beteiligten wohl auch nicht mehr streitig.

Entgegen der Ansicht der Klägerin darf das Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbot umfassend, also auch für das Inter-Carrier-Verhältnis ausgesprochen werden. Es darf nicht nur das Verhältnis des Netzbetreibers erfassen, der den Anruf an den Endkunden terminiert oder diesem gegenüber unmittelbar abrechnet. § 67 Abs. 1 Satz 6 TKG enthält bezüglich des Rechnungslegungsverbots eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage, die nicht zwingend an die Rufnummernuntersagung, also an den Tatbestand des § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG anknüpft. Würde § 67 Abs. 1 Satz 6 TKG auf die in § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG angesprochene rechtswidrige Nutzung der Rufnummer Bezug nehmen, müsste es in Satz 6 heißen "bei gesicherter Kenntnis der rechtswidrigen Nutzung". Die Formulierung "bei gesicherter Kenntnis einer rechtswidrigen Nutzung" macht deutlich, dass die Ermächtigung zum Erlass eines Rechnungslegungsverbots auch bei einer anderweitigen rechtswidrigen Rufnummernnutzung zur Anwendung kommen kann. Demnach können auch Netzbetreiber, die nicht selbst die inkriminierte Nummer ins Netz schalten und lediglich Anrufe dieser Nummer an andere Netzbetreiber oder an eigene Endkunden weiterleiten, mit einem Rechnungslegungsverbot belegt werden. Auch nach dem Regelungszweck des § 67 Abs. 1 TKG ist es fernliegend, dass ein Rechnungslegungsverbot immer nur in Zusammenhang mit einer Abschaltungsanordnung erlassen werden könnte. Ein von einer Abschaltungsanordnung gesondertes Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbot kann auf die Generalermächtigung des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG gestützt werden. Denn die in § 67 Abs. 1 Satz 2 bis 7 genannten Maßnahmen sind nicht abschließend und sperren nicht die Anwendung des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG.

Daher ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte das Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbot auch für die Abrechnung der Carrier untereinander ausgesprochen hat, selbst wenn keine Endkunden involviert sind. Die Generalermächtigung des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG, Maßnahmen zu treffen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sicherzustellen, wird durch § 67 Abs. 1 Satz 6 TKG zwar dahingehend konkretisiert, dass ein Rechnungslegungsverbot eine gesicherte Kenntnis von der rechtswidrigen Rufnummernnutzung voraussetzt. Weitergehende Einschränkungen in Bezug darauf, in welcher Form das Verbot der Rechnungslegung auszusprechen ist, sind damit jedoch nicht verbunden. § 67 Abs. 1 Satz 6 TKG verbietet es mit anderen Worten nicht, § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG als Ermächtigungsgrundlage für andersartige Rechnungslegungsverbote heranzuziehen.

Die getroffene Maßnahme ist nicht als unzulässiges Zahlungs- oder Rückzahlungsgebot,

vgl. VG Köln, Beschluss vom 11. Februar 2011 - 1 L 1908/10 -, zit. nach juris,

zu verstehen, welches von der Ermächtigungsgrundlage nicht mehr gedeckt wäre. Ein solches Gebot hat die Beklagte nicht ausgesprochen. Die von der Klägerin beschriebenen Abrechnungsmodalitäten der Netzbetreiber untereinander führen auch nicht dazu, dass ein solches unzulässiges Gebot anzunehmen wäre. Soweit die Netzbetreiber gegenseitig erbrachte Leistungen für bestimmte Zeiträume jeweils verrechnen und lediglich Differenzen in Rechnung stellen, hat ein Rechnungslegungsverbot zur Folge, dass die betroffenen Leistungen als Rechnungspositionen außer Betracht zu bleiben haben. Im Óbrigen kann die von der Klägerin beschriebene Folge, dass wegen des Verbots Abrechnungen (rück-) abgewickelt werden müssen, nur auftreten, wenn die Klägerin Leistungen trotz des geltenden Verbots in die Abrechnungen eingestellt hat. Eben dies ist ihr untersagt worden.

Das Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbot steht auch in Zusammenhang mit der rechtswidrigen Nutzung einer Rufnummer, sodass die Maßnahmen der Bundesnetzagentur im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG "im Rahmen der Nummernverwaltung" ergangen sind. Der notwendige Zusammenhang zwischen dem untersagten Verhalten und einer rechtswidrigen Rufnummernverwendung ergibt sich noch nicht allein daraus, dass die Betroffenen mit rechtswidrigen Telefonanrufen beworben wurden. Maßgebend ist, dass es an der erforderlichen Preisansage fehlte und die so generierten Anrufe über die Telefonrechnungen der Endkunden abgerechnet wurden. Zwischengeschaltete Netzbetreiber konnten von diesen Anrufen nach Maßgabe ihrer jeweiligen Zusammenschaltungsvereinbarungen profitieren.

Die Anordnung der Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbote steht nach § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG im pflichtgemäßen Ermessen der Bundesnetzagentur. Ermessensfehler, die die Klägerin in ihren Rechten verletzen würden, sind nicht ersichtlich.

Die ausgesprochenen Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbote sind geeignet, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sicherzustellen. Die Bundesnetzagentur hat zutreffend darauf abgezielt, dass die rechtswidrige Nutzung der abgeschalteten Rufnummer ein umfassendes Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbot zur Folge haben müsse. Dieses Verbot unterbindet die oben dargestellte rechtswidrige Abrechnungspraxis und verhindert, dass über die Telefonrechnung Entgelte für eine Verbindung eingezogen werden, die die Endkunden ohne die fehlende Aufklärung über die anfallenden Kosten beziehungsweise ohne die Täuschung voraussichtlich nicht in Anspruch genommen hätten. Da das Verbot zugleich die Terminierungsentgelte erfasst, wird auch für Netzbetreiber der Anreiz genommen, von der Nutzung oder Vermittlung rechtswidriger Nummern zu profitieren.

Die Klägerin wird durch die angegriffene Verfügung auch nicht in unverhältnismäßigem Umfang belastet. Sie erkennt selbst an, dass die Rufnummer zu Recht abgeschaltet worden ist. Betroffen sind damit nur Forderungen, die durch die Nutzung dieser Nummer in der Zeit ab dem 05. Oktober 2009 bis zur Abschaltung angefallen sind, soweit die Rechnungslegung oder Inkassierung bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides noch nicht erfolgt war. Insoweit blieb der Klägerin trotz des sofort geltenden Verbots erlaubt, vor dem Stichtag erbrachte Leistungen wie bisher abzurechnen. Im Óbrigen ist davon auszugehen, dass die Nutzung der Nummer auch ohne eine entsprechende Verfügung der Beklagten gegen gesetzliche Vorschriften verstößt und immer damit gerechnet werden musste, dass eine Maßnahme nach § 67 TKG ergeht. Daher kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass sie lediglich eine Rufnummer in ihrem Netz geschaltet habe und zumindest für die Terminierung, also einen grundsätzlich legalen technischen Vorgang, ein Entgelt verlangen dürfe. Denn die hier gebotene Abschaltung einer Rufnummer sowie die weiteren Maßnahmen nach § 67 Abs. 1 Sätze 1 und 6 TKG haben grundsätzlich zur Folge, dass die Nutzung der Nummer und damit auch die Terminierung unterbleiben müssen.

Die Klägerin wird durch die rechtmäßige Zwangsgeldandrohung, die auf den §§ 6, 9 Abs. 1, 11 und 13 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes beruht, ebenfalls nicht in ihren Rechten verletzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.






VG Köln:
Urteil v. 29.03.2012
Az: 1 K 5266/10


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