Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. September 2002
Aktenzeichen: 26 W (pat) 193/01

(BPatG: Beschluss v. 18.09.2002, Az.: 26 W (pat) 193/01)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die beim Deutschen Patent- und Markenamt für die Waren

"Teegetränke, insbesondere Eistee; alkoholfreie Erfrischungsgetränke, insbesondere Limonaden, Kaltgetränke, Brausen, Fruchtsaftgetränke; Fruchtsäfte; Fruchtgetränke, Fruchtnektare; diätetische Erfrischungsgetränke (soweit in Klasse 32 enthalten)"

eingetragene Marke 398 59 790.1 SaftZwergeist ua Widerspruch erhoben aus der älteren Marke 398 50 642.6 ZWERGENSAFT die für die Waren und Dienstleistungen

"Biere; bierhaltige Getränke; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke, soweit in Klasse 33 enthalten, insbesondere Fruchtweine und Fruchtliköre; alkoholische Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Milchmischgetränke; Cocktails und Aperitifs auf Spirituosen- oder Weingrundlage; weinhaltige Getränke; Beherbergung und Bewirtung von Gästen"

geschützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit den Beschlüssen vom 17. Mai und 10. Oktober 2001 die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke wegen des Bestehens einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG angeordnet. Die Anordnung ist im wesentlichen damit begründet, daß sich die Streitmarken im Bereich der Warenklasse 32 ohne weiteres auf identischen Waren begegnen könnten, da die im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltenen Oberbegriffe die Spezialwaren der angemeldeten rangjüngeren Marke einschließen würden. Von Warenähnlichkeit im engeren Sinn sei auch zwischen den Waren "Teegetränke, insbesondere Eistee" und der Ware der Widerspruchsmarke "alkoholfreie Getränke" auszugehen. An den Abstand der Marken seien deshalb strenge Maßstäbe anzulegen, zumal es sich bei den in Rede stehenden Erzeugnissen um relativ billige, stark beworbene Verbrauchsgüter handele und die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als normal einzustufen sei. Es stelle einen markenrechtlichen Erfahrungssatz dar, daß die Umstellung einzelner Markenteile Verwechslungen vor allem dann nicht ausschließe, wenn es sich lediglich um eine anagrammatische Klangrotation handele, denn der Durchschnittsabnehmer könne sich häufig nicht mehr an die genaue Reihenfolge der Markenteile erinnern und sei deshalb versucht, in einer aus entsprechenden Teilen gebildeten Kennzeichnung die früher gehörte Marke wiederzuerkennen. Da die Markenbezeichnungen keine Begriffe mit leicht faßbarem Inhalt darstellten, sondern eher dem Bereich der Fantasiebezeichnung zuzuordnen seien, stellten sie keine zusätzlichen Merk- oder Unterscheidungshilfen zur Verfügung. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß die in Rede stehenden Waren auch unter akustisch ungünstigen Bedingungen, wie zB bei sportlichen oder kulturellen Veranstaltungen, in den Verkehr gebracht werden könnten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Sie räumt ein, daß es sich bei den Vergleichszeichen um eine Art anagrammatischer Klangrotation handele. Die Umstellung einzelner Markenteile begründe hier jedoch keine Verwechslungsgefahr. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß es sich bei den beiderseitigen Waren um relativ billige, stark beworbene Verbrauchsgüter handele, die das breite Publikum ohne besondere Sorgfalt und Aufmerksamkeit erwerbe. Vielmehr sei auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen, der gerade bei Getränken auf die Kennzeichnung achte. Der Verkehr werde daher die den Vergleichsmarken innewohnenden, jeweils recht eigenartigen unterschiedlichen Sinngehalte der Marken wiedererkennen und deshalb die Zeichen zu unterscheiden wissen. Im übrigen weise die Widerspruchsmarke "ZWERGENSAFT" allenfalls unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft auf, denn auf dem einschlägigen Warengebiet seien zahlreiche Marken mit dem Bestandteil "Zwerg(e)" eingetragen. Die Unterscheidbarkeit der Marken sei durch deren jeweils eigenartigen Sinngehalt gewährleistet: während die angegriffene Marke auf "Zwerge, welche Saft herstellen" verweise, offeriere die Widerspruchsmarke einen Saft, welcher in eigenartiger Weise aus Zwergen gewonnen sei.

Demgemäß beantragt die Markeninhaberin sinngemäß die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und die Zurückweisung des Widerspruchs.

Die Widersprechende beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Sie verteidigt die angefochtenen Beschlüsse. Die Wortmarken "ZWERGENSAFT" und "SaftZwerge" bestünden jeweils aus denselben Elementen "Zwerge und Saft". Diese Elemente seien nur jeweils verschieden angeordnet. Der Durchschnittsverbraucher merke sich bei flüchtiger Wahrnehmung einer Kennzeichnung zwar die einzelnen Elemente, könne sich aber häufig nicht mehr an die genaue Reihenfolge erinnern. Angesichts dieser sogenannten anagrammatischen Klangrotation sei eine klangliche und schriftbildliche Ähnlichkeit zu bejahen. Da beide Wortbestandteile der einen Marke komplett in der anderen Marke enthalten seien, liege auch eine Ähnlichkeit im Sinngehalt vor.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet, denn auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der Widerspruchsmarke "ZWER-GENSAFT" und der jüngeren Marke "SaftZwerge" eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, die zueinander in einer Wechselbeziehung stehen, umfassend zu beurteilen. Zu den maßgeblichen Umständen gehören insbesondere die Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren sowie die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 1995, 216, 219 - Oxygenol II).

Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist im vorliegenden Fall von Warenidentität auszugehen, denn beide Kennzeichnungen sind ua für "alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte" bestimmt. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "ZWERGENSAFT" wird angesichts der zahlreichen auf dem Lebensmittelsektor eingetragenen Marken mit dem Bestandteil "Zwerge" zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke als vermindert angenommen. Selbst wenn an den Abstand der sich gegenüberstehenden Marken danach eher geringe Anforderungen zu stellen sind, ist dieser nicht gewahrt.

Wenn auch bei Prüfung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Kennzeichnung grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen ist, den sie hervorrufen (vgl EuGH aaO - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND), weisen die sich gegenüberstehenden Bezeichnungen "SaftZwerge" und "ZWERGENSAFT" derartige Übereinstimmungen auf, daß markenrechtlich erhebliche Verwechslungen nicht ausgeschlossen werden können. Die Inhaberin der angegriffenen Marke räumt ein, daß sich die jüngere Marke von der älteren Kennzeichnung "ZWERGENSAFT" lediglich durch die veränderte Reihenfolge der beiden Bestandteile "Saft" und "Zwerge(n)" unterscheidet. Diese Umstellung der beiden Markenteile vermag im vorliegenden Fall Verwechslungen nicht hinreichend auszuschließen, denn auch ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren (vgl BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND) kann sich häufig nicht mehr an die genaue Reihenfolge der einzelnen Bestandteile in der Kennzeichnung erinnern und ist deshalb versucht, in einem aus entsprechenden Teilen gebildeten, diese aber in anderer Reihenfolge enthaltenden Wort die früher gehörte Marke wiederzuerkennen (vgl BPatGE 36, 123 - babalu/BALUBA; Althammer/Ströbele Markengesetz 6. Aufl § 9, Rdn 100). Entgegen der von der Markeninhaberin vertretenen Auffassung unterscheiden sich die Sinngehalte der sich gegenüberstehenden Marken nicht so erheblich, daß sie die Unterscheidbarkeit gewährleisten könnten. Vielmehr ähneln sich ihre Sinngehalte insofern, als der Wortkombination "SaftZwerge" der Sinngehalt "mit der Herstellung von Saft befasste Zwerge" und auch "ZWERGENSAFT" die Aussage "von Zwergen hergestellter Saft" entnommen werden kann. Die Annahme der Markeninhaberin, das unter "ZWERGENSAFT" vertriebene Produkt könne entsprechend "Apfelsaft" auch als ein "aus verpreßten Zwergen hergestelltes Erzeugnis" angesehen werden, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Da die jeweiligen Bestandteile "Saft" und "Zwerge" leicht erfaßbar und ohne auffällige Prägnanz sind, können sie nicht dazu beitragen, die sichere Erinnerung an die zutreffende Reihenfolge der beiden Bestandteile zu gewährleisten.

Der Beschwerde der Markeninhaberin mußte deshalb der Erfolg versagt werden.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs 1 MarkenG bestand kein Anlaß.

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BPatG:
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Az: 26 W (pat) 193/01


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