Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Mai 2003
Aktenzeichen: 29 W (pat) 100/01

(BPatG: Beschluss v. 27.05.2003, Az.: 29 W (pat) 100/01)

Tenor

1. Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. August 2000 und vom 16. Februar 2001 werden aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren

"Endgeräte der Telekommunikation, nämlich Telefone; Computer, Videospiele", und für die Dienstleistungen

"Organisation und Durchführung von Musikdarbietungen, nämlich von Konzerten, Tanzveranstaltungen, Bällen; Veranstaltung von Wettbewerben im Sportbereich; Verwertung von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten für andere mit Ausnahme von Schutzrechten, die sich auf Talksendungen beziehen"

zurückgewiesen wurde.

2. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I Die Bezeichnung Deutsche Talk-Radio GmbH u. Co. KG ist für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 Endgeräte der Telekommunikation, insbesondere Telefone; Computer, Computer-Software; Videospiele; Computerspiele; bespielte Ton/Bildträger jedweder Art, 25 Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Schuhwaren;

35 Rundfunkwerbung;

38 Ausstrahlung von Rundfunkprogrammen;

41 Rundfunkunterhaltung, Produktion von Hörfunkprogrammen bildender, unterrichtender und unterhaltender Art; rundfunktechnische Beratung; Organisation und Durchführung von Musik- und Unterhaltungsdarbietungen, insbesondere von Konzerten, Tanzveranstaltungen, Bällen; Veranstaltung von Wettbewerben im Bildungs-, Unterrichts-, Unterhaltungs- und Sportbereich; Organisation und Produktion von Shows, insbesondere von Bühnenshows; Produktion von bespielten Ton/Bildträgern, Dienstleistung eines Tonstudios;

42 Beherbergung und Verpflegung von Gästen; Verwertung von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten für anderezur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch zwei Beschlüsse, von denen einer in der Erinnerung ergangen ist, mit Ausnahme der Waren und Dienstleistungen

"Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Schuhwaren; Beherbergung und Verpflegung von Gästen"

gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Bei der angemeldeten Marke handele es sich um eine aus schutzunfähigen Bestandteilen sprachüblich zusammengesetzte und beschreibende Wortkombination, die keinen über die Summe der schutzunfähigen Bestandteile hinausgehenden neuen Gesamtbegriff bilde und der kein neuer individuell prägender Eindruck entnommen werden könne. Der den gesamten Hörfunkbereich abdeckende Fachbegriff "Radio" sei durch das vorangestellte Bestimmungswort "Talk" im Sinne einer Sparten- bzw. Ressortbezeichnung näher erläutert und präzisiert. "Talk-Radio" stelle eine glatt beschreibende Aussage hinsichtlich eines bestimmten Typus von Radiosendungen dar. Die übrigen Markenbestandteile könnten die Eintragbarkeit nicht begründen. Sämtliche Waren und Dienstleistungen der Teilzurückweisung könnten für den Betrieb, für die Sendegestaltung und den Sendeablauf sowie für Produktion und Ausstrahlung einer Talk-Radiosendung bestimmt und geeignet sein.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie rügt eine zergliedernde Betrachtungsweise und stützt sich auf die BGH-Entscheidung "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION". Der von der Markenstelle unterstellte Bedeutungsgehalt von "Talk-Show" könne weder die Waren der Klasse 9 noch die Dienstleistungen der "Rundfunkwerbung, der Rundfunktechnischen Beratung oder der Verwertung von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten für andere" direkt beschreiben. Der angemeldeten Marke mangele es nicht an der hinreichenden ganz geringen Unterscheidungskraft und sie sei auch nicht freihaltungsbedürftig.

Die Anmelderin hat das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis im Beschwerdeverfahren dahingehend eingeschränkt, daß in Klasse 9 das Wort "insbesondere" durch das Wort "nämlich" ersetzt wird und "bespielte Ton- und Bildträger jedweder Art" entfallen sowie in Klasse 41 das Wort "insbesondere" in der 4. Zeile durch das Wort "nämlich" ersetzt und in Klasse 42 "Verwertung von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten für andere" mit dem Zusatz "mit Ausnahme von Schutzrechten, die sich auf Talksendungen beziehen" ergänzt wird.

Sie beantragt, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. August 2000 und vom 16. Februar 2001 entsprechend dem eingeschränkten Waren- und Dienstleistungsverzeichnis hinsichtlich der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen aufzuheben.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache im Umfang des Tenors zu Ziffer 1 Erfolg. Für die übrigen Waren und Dienstleistungen der Teilzurückweisung ist die angemeldete Marke von der Eintragung als Marke nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG ausgeschlossen.

Einer Wortmarke fehlt nur dann die Unterscheidungskraft, wenn ihr ein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann oder es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (stRspr vgl BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE).

Die Markenstelle hat zu Recht ausgeführt, daß der Verkehr, zu dem je nach Einsatz der Marke das breite Publikum oder auch Fachkreise zählen, den allein als schutzbegründend in Betracht kommenden Wortteil "Talk-Radio" als Bezeichnung einer bestimmten Radiosparte verstehen wird. Dies ergibt sich nicht nur daraus, daß das ursprünglich englische Wort "talk" in seiner Bedeutung von "Gespräch, Unterhaltung, Plauderei" Teil der deutschen Sprache ist (DUDEN Das Fremdwörterbuch 5. Aufl. 1990, S 765). Das Wort "Talk" wird insbesondere im Medienbereich verwendet und ist dem Verkehr auch aus Wortverbindungen wie Talk-Show, Talkmaster, Talkrunde, Talksendungen u.ä. vertraut. Vor allem aber ist der Begriff "Talk-Radio" im Verkehr bereits als Spartenbezeichnung für einen Radiosender bzw. für Radioprogramme und -sendungen in Gebrauch. Es handelt sich in der Regel um Radioprogramme, die in lockerer Form unter interaktive Einbeziehung der Zuhörer Wortbeiträge in den Mittelpunkt der Sendungen rücken, die häufig umrahmt von Werbung, Quizsendungen, Gewinnspielen, Umfragen, Diskussionsrunden, Meinungsaustausch, Bereichen über Filme und Veranstaltungen dem Informations- und Mitteilungsbedürfnis des Publikums dienen. Ein weiteres dafür verwendetes Wort ist Radio-Chat. Wie die Internetrecherche des Senats zeigt, die in der mündlichen Verhandlung mit der Anmelderin besprochen worden ist, wird der Begriff "Talk-Radio" von den verschiedensten Firmen, Veranstaltern, Parteien, privaten und öffentlichrechtlichen Sendeanstalten sowie von Einzelpersonen verwendet, um in beschreibender Weise auf den Radiotypus bzw. die Art der Sendungen hinzuweisen.

Der Begriff "Talk-Radio" ist weder allein noch in Verbindung mit den Wörtern "Deutsche" und "GmbH u. Co. KG" zu der konkret angemeldeten Gesamtbezeichnung geeignet, als betriebliches Unterscheidungsmittel zu dienen. Sie erschöpft sich in der Angabe der nationalen Zugehörigkeit, der Radiosparte und der Rechtsform in einer der Sachaussage insgesamt entsprechenden Wortzusammenzusetzung ohne sprachliche oder sonstige charakteristische Eigenart. Damit unterscheidet sich die Rechtslage der angemeldeten Bezeichnung derjenigen der BGH-Entscheidung zu "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION". Bei letzterer drängte da sich trotz des Sinngehalts der Einzelwörter keine sinnvoll beschreibende Gesamtaussage unmittelbar auf, wie dies bei der vorliegenden Gesamtbezeichnung als Abgrenzung etwa zu Musiksendern, Klassik Radio, Oldies oder anderen Sparten der Fall ist.

Beschreibenden Charakter hat die angemeldete Bezeichnung in erster Linie für die "Ausstrahlung von Rundfunkprogrammen (Klasse 38)", für die "Rundfunkwerbung" als Angabe der Art und Bestimmung (Rundfunkwerbung für den Talk-Radio Bereich) und für die Dienstleistungen der Klasse 41, soweit sie den Wortbereich betreffen oder umfassen. Letzteres trifft nicht auf die Dienstleistungen "Organisation und Durchführung von Musik- und Unterhaltungsdarbietungen, insbesondere von Konzerten, Tanzveranstaltungen, Bällen" zu. Der Senat geht davon aus, daß dem Aussagegehalt der angemeldeten Bezeichnung vom angesprochenen Verkehr insoweit keine beschreibende Bedeutung beigemessen wird. Auch hinsichtlich der "Veranstaltung von Wettbewerben im Sportbereich" steht der Sinngehalt des auf Wortbeiträge bezogenen Talk-Radio Bereiches nicht im Vordergrund. Für die Dienstleistung der "Verwertung von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten für andere" konnte ein beschreibender Bezug nach der Einschränkung des Verzeichnisses durch den Zusatz "mit Ausnahme von Schutzrechten, die sich auf Talksendungen beziehen" nicht festgestellt werden.

Hinsichtlich der Waren der Klasse 9 werden wegen der eingeschränkten Fassung des Verzeichnisses nur mehr die Einzelwaren beansprucht. Bei diesen ist zu berücksichtigen, daß die interaktive Einbeziehung der Zuhörer und Nutzer in die Spiele und Veranstaltungen im Talk-Radio Bereich und insbesondere deren Online Einbindung ein wesentliches Merkmal der Sendungen und Programme darstellt. Es liegt daher nahe, auf speziell hierfür zugeschnittene "Computer-Software" und "Computerspiele" in Bezug auf deren Eignung, Bestimmung oder inhaltliche Ausrichtung bei Anbietern und Nutzern beschreibend hinzuweisen wie z.B. Webradio online ist Talkradio: Hier gibt es Talk Radio, Gewinnspiele, Onlinespiele und eine Community. Nur Talk keine Musik (www.webradioonline.de). Demgegenüber konnte nicht ermittelt werden, daß für die Ausstrahlung, den Empfang oder die Nutzung von Talk-Radio Programmen spezielle "Telefone, Computer oder Videospiele" hergestellt oder angeboten werden. Ein warenbeschreibender Bezug ist demnach zu verneinen.

Grabrucker Pagenberg Richter Voit ist abgeordnet und daher verhindert zu unterschreiben.

Grabrucker Hu






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Az: 29 W (pat) 100/01


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